- Deutscher Titel: Man-Eater – Der Menschenfresser
- Original-Titel: Antropophagus
- Alternative Titel: L'homme qui se mange lui-même | The Grim Reaper | The Savage Island |
- Regie: Joe D’Amato
- Land: Italien
- Jahr: 1980
- Darsteller:
George Eastman (Klaus Wortmann), Tisa Farrow (Julie), Zora Kerova (Carol), Serena Grandi (Maggie)
Vorwort
Abteilung: Italo-Sommerquatsch mit Joe D’Amato!
Sapperlot! Ich bin ja jemand, der das phantastische Genre in all seinen Facetten entdecken und erleben will (die Guten wie die Schlechten, sonst würde ich hier ja nicht schreiben). Nicht nur die Genres will ich abarbeiten, sondern freilich auch die Länder, denn schon die Herkunft eines Horror-Films wirkt sich ja eklatant auf dessen Stil aus, Brit-Horror und Japano-Filme sind ja schon irgendwie ein Genre für sich.
Von daher ist es eine Schande, dass ich noch keinen einzigen Film aus dem Stiefel Europas (Italien) besprochen habe! Wie kann das denn bloß sein? Das ist natürlich ein schändliches Versäumnis, habe ich doch sogar schon nen Film aus Mexiko besprochen! Und dabei ist Italien doch der Genre-Produzent der 60er und 70er was Horror in Europa angeht. Da muss doch für jeden was dabei sein, ob formschöner Gothic-Horror von Bava, Gialli von Argento oder eben das Schmuddelige, das Derbe, das Bekloppte – und der erste Name, der einem da einfällt, wäre natürlich der gute alte Joe. Nicht der Biden, sondern der D’Amato. In Sachen schmuddeliger, mitunter höchst fragwürdiger Erotik dürfte er ja die Nummer 1 der Italiener gewesen sein (die Laura Gemser-Filme, oder den, ähm, bescheuertsten Film aus seiner Vita, INSEL DER ZOMBIES. Letzteren habe ich natürlich nicht gesehen, möchte ich fast sagen, aber die Review ist ja auch aufschlussreich und warnend genug. Das Mediabook von dem Schund sieht man aber ja eh auf jeder Börse zuhauf).
Aber auch im Horror-Bereich trieb es der Joe zu bunt und fabrizierte ja den einen oder anderen „Klassiker“ wie etwa ABSURD (1982) oder SADO – STOSS DAS TOR ZUR HÖLLE AUF(1979).
Heute widme ich mich nun aber wohl seinem bekanntesten Werk und ich konnte es nicht glauben, als ich hier nochmal kontrollierte, aber es stimmte: MAN EATER – DER MENSCHENFRESSER (aka „Antropophagus“) wurde hier bisher nicht rezensiert. Aber der Doc war dem italienischen Splatter meines Wissens nach ja auch nicht allzu zugeneigt (man siehe nur seine Fulci-Texte). Ich hingegen mag Fulci sehr und ab und zu muss deftiger 70s/80s Splatter ja auch mal sein. Als es wärmer wurde (endlich mal!) nahm ich mir deswegen vor, mal ein paar gute alte Italo-Schinken in den Player zu legen und nachzuholen. Ganz oben auf der Liste stand eben der Menschenfresser, der bisher natürlich eine Bildungslücke war. Hiermit habe ich dies nun endlich nachgeholt…
Inhalt
Schiefes Klavier-Geklimper, Zoom auf einen Steinhang mit Kakteen und anschließendes Herumgehüpfe eines Pärchens in einer öden Häuserschlucht, während die Credits ablaufen (es geht gut los). N Typ liest ne Zeitung, ne Frau klopft ihren Teppich am Fenster aus, das Pärchen begibt sich zum Strand… anschließend gibt’s nochmal nen langen Zoom auf ein Boot, dann läuft das Pärchen (verfolgt von einem Hund) am Strand entlang und befindet, dass man sich an diesem schönen Plätzchen doch mal niederlassen könnte. Gesagt, getan. Die Frau geht schwimmen, der Kerl hört sich dumme Elektro-Musik über seine Kopfhörer an.
Der Hund wird unruhig, die Frau schwimmt zum Boot und siehe da… sie wird nach unten gezogen! Unter „mysteriösen“ Elektro-Klängen färbt sich das Bild Unterwasser blutrot, doch ihr Freund am Strand kriegt ja von alldem nichts mit (ist ja fast wie in Jaws). Der Hund verpisst sich und anschließend steigt das Monstrum in Menschengestalt er in einem POV-Shot laut-stöhnend aus dem Meer, „schleicht“ zu unserem musikhörenden Freund und haut ihm nen Messer in den Schädel.
Anschließend finden wir uns in ner Gondel über den Bergen wieder. Eine schwangere Frau hat Schmerzen (ihr Baby sei wohl unsportlich, es protestiert gegen die Bergfahrt. Macht keinen Sinn, denn Gondeln zu benutzen ist doch kein Sport!). Die Gruppe quatscht noch n bisschen über ihren Urlaub und das ganze Gehabe läuft darauf hinaus, dass man auf Julie trifft, deren Kamera ausversehen bei einem Zusammenprall kaputt gemacht wird. Diese lehnt das großzügige Angebot, den Schaden bezahlt zu bekommen ab, fragt aber nach einer Passage zur Insel ihrer Freunde nach. Natürlich darf sie mitkommen.
Unter seltsamen Gitarren-Klängen (oder was auch immer für Instrumente da benutzt wurden) fährt die Gruppe durch die Stadt, bis man das Boot betritt. Anschließend legt die Segelyacht ab. Auf dem Boot geht’s mit wichtigen Szenen weiter: Der Schwangeren wird schlecht und die „spiritistisch begabte“ Carol legt Karten für die Schwangere, was schon böses verheißt: Sie könne aus den Karten die Zukunft nicht rauslesen, was bedeute, dass ebenjene Person keine lange Zukunft haben wird (und während diesem ganzen Kartenlege-Prozess wird weiterhin auf der Gitarre gespielt). Anschließend fährt man unter dumpfen Elektro-Klängen zur Insel. Die Gruppe geht, bis auf der Kapitän und die schwangere Maggi, an Land. Und somit auch in ihr Verderben…
Besprechung:
Das war er also… der berüchtigte Kult-Schocker von 1980. Nach dem Vorwort hole ich nochmals etwas aus:
Wie gesagt, ich mag Italo-Filme. Nicht alle, aber per se sind mir die Italiener in diesem Bereich äußerst sympathisch. Klar, manche sind behämmert und schmuddelig, billig, selbstzweckhaft… aber gerade deswegen sind sie ja manchmal auch so besonders. Und dem Menschenfresser eilt sein zweifelhafter Ruf ja wirklich Meilenweit voraus, wenn man im Splatter-Fach bewandert ist. Dementsprechend war ich vor der Sichtung sehr gespannt und hatte durchaus hohe Erwartungen. Gleichwohl hatte ich zweiteiliges gelesen: Manche nennen den Film „langweilig“ „öde“ und „dumm“, andere sehen in ihm ein Meisterwerk und feiern ihn bis heute ab. Nach der Sichtung kann ich sagen: Ich kann beide Seiten verstehen.
Meine hohen Erwartungen konnte indessen auch nicht der Name Joe D’Amato einreißen. Von dem guten Herren hatte ich bis dato nicht viel gesehen, aber das, was ich gesehen hatte, sprach Bände. Nun, wenn man beide „Ator“-Teile gesehen (und den „Herr des Feuers“ sehr genossen) hat, dann weiß man, was dieser Mann als Regisseur drauf gehabt hat… und das dürfte nicht viel gewesen sein. Bekanntlich sind die beiden Conan-Rip-Offs zwei der dümmsten und schlechtesten Filme aller Zeiten (das sage ich jetzt mal so ganz unverbindlich).
Neben diesen beiden Werken, die mit Horror ja nicht viel zu tun gehabt haben (insofern man das Adjektiv „Horror“ jetzt nicht auf die objektiven Qualitäten des Machwerks bezieht), hatte ich vor längerer Zeit auch mal D’Amatos Jaws-Version SHAKKA aka „Deep Blood“ von 1990 gesehen und… ich weiß nicht mehr viel von der Sichtung, aber besonders beeindruckt war ich da jetzt auch nicht von Herrn Massaccesis Fähigkeiten.
Bestreiten kann man gleichwohl nicht, dass er irgendwie ne Lichtgestalt des alten Horror-Kinos ist (wenn auch ne Zwielichtige). In Deutschland hat er ja wohl einige Amateur-Splatter-Auteure „inspiriert“, gab ja sogar ne Doku von X-Rated Chef Andreas Bethmann (so wird jedenfalls in der Besprechung hier gemutmaßt und ich halte das wohl für sehr naheliegend).
Hinzu kommt ja auch diese gewisse Aura, die dem Menschenfresser anhaftet. Er war ja knapp 40 Jahre indiziert, erst am 5. August 2022 kam er sozusagen „frei“. Natürlich hatte die gute alte Bundesprüfstelle damals so ziemlich jeden Horror-Film auf dem Kieker, aber der Menschenfresser wurde besonders aufgebauscht. Ich meine, wenn ein Film mit den Worten „so entsetzlich, dass Sie ihn in Ihrem Leben nicht mehr vergessen werden“ beworben wird, dann entsteht schon eine gewisse Erwartungshaltung. Hinzu kamen die üblichen Behauptungen, das Ansehen des Films führe zu körperlichen Unwohlsein etc. Ja sogar das Kinoplakat, auf dem er sich an seinen Eingeweiden labt, wurde indiziert! Die 80er waren etwas vor meiner Zeit, von daher kann ich nur mutmaßen, aber auch aus meinem Verwandten-Kreis habe ich gehört, dass der Film damals „berüchtigt“ war. Der Menschenfresser war also so ein typischer „Video-Nasty“, der durch seinen Ruf als ultra-brutale, filmische Mutprobe auf seinen „Legendenstatus“ gehievt wurde.
Nun aber genug des Rumgeschwafels, also: Trotz meines Vorwissens wollte ich mich dem Menschenfresser ganz unvoreingenommen nähern.
Wie oben benannt, bin ich am Ende etwas zwiespältig: Ja, der Film hat seine unangenehmen, brutalen, sogar inszenatorisch gelungenen Momente. Er hat aber auch Momente, die seltsam, komisch oder einfach nur Quatsch sind. Ich bin keiner, der D’Amato als missverstandenen Künstler bezeichnen, nach der Sichtung vom Menschenfresser aber auch keiner, der ihn als komplett hoffnungslosen Fall sehen würde (ich frage mich echt, was er sich bei den Ator-Filmen gedacht hat). Ich glaube eher, er hat den Job einfach für seinen Lebensunterhalt gemacht und ab und zu, wenn die Umstände passten, kam halt auch mal ne brauchbare Szene bei rum.
Fangen wir beim Positiven an, wobei auch fraglich ist, ob das alles D’Amatos „Handwerkskunst“ zuzuschreiben wäre. Der Film hat Atmosphäre – zwar keine wirklich „gute“ (dafür sieht er zu billig aus) aber immerhin. Aufgrund von Fulcis WOODOO – DIE SCHRECKENSINSEL der Zombies oder Deodatos CANNIBAL HOLOCAUST verbinde ich mit dem Italo-Kino immer eine schwüle, hitzige Atmosphäre (weswegen ich mich dem Kino dieses Landes auch eher im Sommer widme). Diese Atmosphäre geht dem Menschenfresser allerdings völlig ab (eh, wollte ich nicht beim Positiven bleiben? Ach, egal). Objektiv gesehen sieht der Film eigentlich langweilig aus. Das Bild ist meistens grau, die Insel besteht aus einem uninteressanten Strand, ein paar Felshängen und gefühlt einer einzigen öden Häuserschlucht. Das „Schloss“ am Ende hat keinen wirklichen Charme, auch von der Inneneinrichtung her. Lediglich die Krypta mit den halbverwesten Leichen sticht dahingehend hinaus. Die Ausstattung ist einfach absolut nicht spendabel, kein Wunder, denn D’Amato bezeichnetet den Menschenfresser sogar als eine seiner billigen Produktionen (so gesehen muss man wieder Respekt haben, wenn man so davon ausgeht, dass Ator teurer war, aber da waren ja auch die Ansprüche anders). Passend dazu wurde auch nur auf 16mm gedreht, aber diese „schlechte“ Optik der Grobkörnigkeit kommt dem Film ja irgendwie auch gelegen.
Und ich habe ein paar Zeilen vorher ja auch „eigentlich“ gesagt… auf der anderen Seite hat der Film nämlich doch etwas „Unheilvolles“ „Dreckiges“ an sich (obwohl er, bis auf zwei Szenen, gar nicht so wirklich dreckig ist, doch dazu komme ich noch). Irgendwie schwebt doch etwas Unheimliches über der Insel und ich kann sogar gut verstehen, wenn man den Film als Jugendlicher damals (!) gruselig fand. Doch wäre diese Atmosphäre auch da, wenn dem Film nicht so ein Ruf anhaften würde? Wenn er nie indiziert worden wäre, dann wäre er heute wohl wesentlich unbekannter und auch von weniger Interesse für das Publikum.
Das vorhandene Terrain weis D’Amato nun mal auch nicht so wirklich intensiv zu inszenieren, bis auf ein, zwei Aufnahmen. Neben der Tatsache, dass einfach viel Zeit gestreckt wird, gibt’s immer wieder seltsame Zooms (wir sind ja schließlich in Italien), etwa auf Augen, Schuhe, Teller oder, völlig sinnlos, auf Kakteen an einem Hang. Die Kamera wackelt des Öfteren und besonders dynamisch ist sie auch nicht (die Behauptung vom Doc, die er, in welchem Review weiß ich nicht mehr, tätigte, bei D’Amato würde die Kamera immer festgemeißelt in der Erde stehen, teile ich also nicht komplett). Besonders ideenreich ist er bei der optischen Gestaltung nicht, aber das kann man bei ihm wohl auch kaum erwarten. Und bevor ich’s vergesse, auch der Soundtrack sollte mit ein paar Zeilen bedacht werden. Da wir in Italien sind, gibt’s natürlich sehr oft Gedudel vom Synthesizer auf der Tonspur zu hören und am Ende hat der Joe wohl auch Spaß an zum Teil irgendwie schief klingenden Orgeltönen gefunden, die er hier und da in Grusel-Momenten einstreut (etwa, wenn Julie die Leichen im Schloss findet). Eigentlich mag ich die Soundtracks von Italo-Filmen immer, hier war es manchmal aber wirklich eindeutig zu VIEL: Besonders die Szene auf dem Friedhof, wo Julie herumirrt, wird völlig ausufernd mit einer Musik unterlegt, die sich anhört, als würde man ziellos auf nem Xylophon herumklimpern.
Obligatorisch sind natürlich auch die Slasher-mäßigen POV-Shots (etwa am Strand oder unter Wasser), die teilweise aber auch etwas… unlogisch sind? Manchmal scheint sich der Menschenfresser nur ein paar Meter weiter neben den Protagonisten zu stehen, die ihn trotzdem nicht sehen (etwa, wenn sie am Strand langlaufen und der Menschenfresser auf der Mauer die schwangere Frau wegzieht. Oder, wenn sie durch den Wald laufen und er nur ein paar Meter weiter hinter ein paar Ästen „versteckt“ laut rumstöhnt).
Jaja, die Logik, darüber sollte man sich hier wahrlich nicht den Kopf zerbrechen… wieso z.B ist Carol plötzlich im Schloss bei der Schwester des Kannibalen? Wieso ist die Blinde im Keller im Fass? Und WO sind bitte die ganzen Dorfbewohner? Geflüchtet? Vertilgt? Hat der Menschenfresser so einen großen Appetit, dass er einfach mal so eine ganze Gemeinschaft wegschnabulieren kann? Man müsste ja eigentlich meinen, dass ein ganzes Dorf stärker ist als ein verrückter Kannibale.
Ansonsten will ich mich über die Story aber auch nicht groß aufregen, sie ist zweckmäßig für das, was der Film sein will (obgleich man sich bei dem Drumherum etwas mehr Mühe hätte geben können). Im Grunde passiert nicht viel: Leute kommen auf die Insel, Leute laufen rum, Leute werden gemeuchelt (und gegessen, wobei man das nicht sieht). Und bis es wirklich losgeht, also bis der Menschenfresser loslegt, vergeht mehr als die Hälfte der Laufzeit. Bis dahin könnte sich bei dem einen oder anderen Langeweile breitmachen, denn alles andere dient nur dazu, den Film zu strecken. Etwa das anfängliche Rumgefahre mit dem roten VW-Bus und das Abfilmen diverser Sehenswürdigkeiten oder (königlichen?) Wachen in der Stadt. Eine Charakterisierung gibt es, abgesehen von den klischeehaften Charakterzügen, nicht. Die unnötige Dreiecksbeziehung zwischen Clara, Julie und Daniel führt zu nichts und hätte auch ohne Weiteres herausgeschnitten werden können. Ohnehin hat mich das Schicksal der Figuren (bis auf die Schwangere) absolut nicht geschert.
Über die Akteure will ich mich deswegen auch nicht allzu sehr auslassen. Protagonistin Julie wird von Tisa Farrow gegeben, die dem (italienischen Kino) aufgrund ihrer Rolle in WOODOO nicht unbekannt war. Sie ist als unschuldige junge Frau ganz sympathisch, mehr als Schreien hat sie aber eigentlich auch nicht zu tun. Auch die Darstellerin der schwurbelnden und kartenlegenden Carol, Zora Kerova, war dergleichen nicht unbekannt, sie hatte ja auch in CANNIBAL FEROX (den fand ich z.B deutlich „schlimmer“ als den Menschenfresser) ihre Auftritte. Die restlichen Akteure sind weiter nicht von Belang und fallen nicht auf.
Kommen wir daher zum eingemachten (im wahrsten Sinne des Wortes): Dem Man-Eater! Dargestellt wird der selbstredend von George Eastman, der ja öfters für D’Amato vor der Kamera stand (etwa auch im Semi-Nachfolger ABSURD oder ENDGAME). Hier schrieb er sogar das Drehbuch. Anscheinend hat er die Rolle also auf sich zugeschnitten und wollte unbedingt mal so was spielen – und man muss zugeben, dass kann er ja irgendwie. Im Grunde sieht er zwar aus wie ein besoffener Obdachloser, aber mit ihm gibt’s die ein oder andere gelungene Szene. Mehr als starr Geradeauslaufen, laut Atmen und die Augen aufreißen hat er aber auch nicht zu tun. Sein Auftritt ist dennoch annehmbar. Ich würde sagen, die beste Szene mit ihm (und auch die „beste“ Szene des gesamten Streifens), dürfte sein erster Auftritt sein, als er hinter der Tür im Halbdunkeln hervorkommt. Das hat schon durchaus was. Aber auch sonst gelingt D’Amato hier der ein oder andere netten Shot, etwa, wenn er auf die Augen des Menschenfressers filmt, der gerade aus dem Dunkeln ins Zwielicht tritt.
Kommen wir nun auch zu den Splatter-Effekten. Und die sind hier überraschend rar gesät. Im Grunde gibt’s nur sage und schreibe vier wirklich „deftige“ Bluteffekte zu bewundern. Einmal die zu Anfang, bei der dem ahnungslosen Musikhörer das Messer in den Schädel gesteckt wird, dann die, in der er den Hals durchbeißt und dann die berühmt-berüchtigte Fötus-Szene sowie das Ende. Ohne die Szene mit dem Baby wäre der Film vermutlich auch gar nicht so lange Indiziert gewesen, die anderen Szenen würde ich für die Zeit nicht als übermäßig brutal einordnen. Ansonsten passiert eben lange Zeit nichts, die restlichen „brutalen“ Szenen beschränken sich darauf, dass Messer in Körper gesteckt, oder Hälse durchgeschnitten werden. Wirkliche kannibalistische Handlungen sieht man nur für einen minimalen Augenblick. Die Skelette in der Krypta sind für die Atmosphäre ganz nett, die halbverwesenden Leichen sind jetzt auch nicht so schlimm anzuschauen, da sahen die in CANNIBAL FEROX realistischer aus. Gleichwohl muss man sagen, dass der Film es zumindest mit der Fötus-Szene schafft, für einiges an Unbehagen zu sorgen, die auch heute entstehen dürfte (auch wenn’s nur ein Kaninchen gewesen sein soll, wie der Joe in einem Interview verlautbaren ließ).
Sicherlich, heute hat man schon grausameres in Filmen gesehen (mir persönlich würde als vergleich etwa BONE TOMAHAWK einfallen), dennoch ist das ganze schon sehr brutal ausgefallen. Trotzdem war z.B CANNIBAL HOLOCAUST um ein vielfaches grausamer und brutaler. In dieser Hinsicht hätte ich gedacht, dass der Menschenfresser sowohl in der Qualität, als auch in der Quantität mehr auf die Pfanne haut. Handwerklich gehen die Effekte aber trotzdem in Ordnung, obwohl das Blut manchmal nicht sooo realistisch ausschaut. Vor allem die Szene, in der die Blinde durch das Dach gezogen wird und ihr Geschichte anschließend direkt komplett blutverschmiert ist, sieht in der Hinsicht weniger glaubwürdig aus.
Das Ende verdient logischerweise ebenfalls ein paar Zeilen: Der Menschenfresser frisst seine Eingeweide, bevor er verreckt. Teilweise las ich, dass das ne Kapitalismus-Kritik sei… ja, das macht viel Sinn. Man könnte sogar sagen, „Der Menschenfresser“ ist wahres Meisterwerk des sozialkritischen Films! Joe D‘Amatos Kapitalismus-Kritik steht ganz im Stile von SOYLENT GREEN (der Mensch selbst vernichtet, isst sich selbst). Der aggressive Kapitalismus, der den Menschen, so formulierte Marx doch schön, sich entfremden lässt, zerstört sich selbst. Chapeau, Herr D‘Amato! Selten wurde es so auf dem Punkt gebracht! So sollte man das hier als Cineast von Welt gesehen (und analysiert) haben.
Natürlich ist das aber Quatsch. Dann könnte man ja jedem Kannibalen-Film per se ne sozialkritische Meta-Ebene andichten und das war wohl doch das letzte, was D’Amato im Sinn gehabt haben dürfte. Wie immer (das sage ich jetzt einfach mal so), ging es darum, die billigen Schocks ins bar Münze (bzw. Lira) zu verwandeln, und das gelang ihm hier ja auch. D’Amato soll vom finanziellen Erfolg auch überrascht gewesen sein und 1999 mit der deutschen billig Produktion ANTHROPOPHAGOUS 2000 sogar eine weitere quasi-Fortsetzung.
Fazit:
Nun, vermutlich wird man mit keiner Kritik alle zufriedenstellen können. Für manche ist MAN EATER – DER MENSCHENFRESSER grottiger Schund, für andere ein europäisches Horror-Meisterwerk. Ich kann wie gesagt beides nachvollziehen, wie immer wird es auch auf die Umstände ankommen, unter denen man das Werk gesichtet hat. Sicherlich war D’Amato kein guter Regisseur und DER MENSCHENFRESSER ist auch sicherlich objektiv kein wirklich guter Film. Ja wahrscheinlich wäre er ohne die Fötus-Szene nicht mal ein guter Splatter-Film gewesen. Irgendwie passiert nicht viel, die Atmosphäre ist mitunter billig… gleichzeitig ist er trotz der Längen nicht langweilig, die wenigen Szenen, die er hat, wirken dafür aber, meiner Meinung nach, durchaus gut. Und am Ende ist er so irgendwie doch interessant, und sollte vom Horror-Fan einer Sichtung unterzogen werden. Bereut habe ich diese jedenfalls definitiv nicht, auch wenn ich etwas mehr erwartet hätte. Gut zu erkennen ist an solchen Filmen auch, wie sich die Medienwelt gewandelt hat. Was damals als absolute, nicht mehr zu übertrumpfende Grausamkeit auf Zelluloid behandelt wurde, das lockt heute wohl kaum mehr einen hinter dem Ofen hervor. Heute kann sich jeder mit wenigen Klicks deutlich schlimmeres Material aus dem Internet ziehen…
Was soll man also in der Bewertung geben? Sieben Biere hört sich diplomatisch an. Mal sehen, welchen D’Amato-Horror ich mir als nächstes vornehme. Jetzt weiß ich ja, was mich erwartet…
BOMBEN-Skala: 3
BIER-Skala: 7
Review verfasst am: 13.04.2024