Das todbringende Ungeheuer

Der Fluch der Galerie des Grauens - Das todbringende Ungeheuer  
  • Deutscher Titel: Das todbringende Ungeheuer
  • Original-Titel: The Deadly Mantis
  • Alternative Titel: The Giant Mantis | The Incredible Praying Mantis |
  • Regie: Nathan Juran
  • Land: USA
  • Jahr: 1957
  • Darsteller:

    Craig Stevens (Col. Joe Parkman), William Hopper as Dr. Nedrick ‚Ned‘ Jackson), Alix Talton (Marge Blaine), Donald Randolph (Gen. Mark Ford), Pat Conway (Sgt. Pete Allen), Florenz Ames (Prof. Anton Gunther), Paul Smith (Corporal, Parkman’s Clerk), Phil Harvey (Lou, Radar Man), Floyd Simmons (Army Sergeant), Paul Campbell (Lt. Fred Pizar), Helen Jay (Mrs. Farley)


Vorwort

Dieser aufregende Film entführt sie in eine phantastische Welt der Ungeheuer und Vorzeitmonstren, wie sie sich der berühmte Jules Verne nicht besser hätte ausdenken können. In einer Welt der Geheimnisse auf den Grunde unserer Ozeane, die seit Äonen unentdeckt sind. Bis heute…

Ein Vulkan-Ausbruch auf einer Atlantikinsel der Südhalbkugel sorgt für den Einbruch gewaltiger Eismassen am Nordpol, was eine eingefrorene, riesige Gottesanbeterin befreit. Denn wie jeder weiß:

Die Natur strebt nach Ausgeglichenheit. Und für jedes Ereignis gibt es ein gleichwertiges Gegenereignis, um das natürliche Gleichgewicht wiederherzustellen. Ein Vulkanausbruch auf der südlichen Hemisphäre unseres Globus, kann ein gegensätzliches Geschehen auf der nördlichen auslösen, die gewaltige Eruption nahe des Südpol seismische Erschütterungen entsenden, die bis auf die andere Seite der Welt zu spüren sind, und die etwas Schreckliches und Todbringendes aus Jahrmillionen währenden Schlaf erwecken können.

In den folgenden Tagen häufen sich unerklärliche Phänomene „dort oben“, Stationen werden verwüstet, Flugzeuge stürzen aus unerfindlichen Gründen ab. An den Unglücksorten finden Col. Parkman und Sgt. Allen nicht nur auffällige Furchen im Schnee, sondern alsbald auch eine riesige, abgebrochene Kralle, die irgendwann bei Dr. Nedrick Jackson landet. Zusammen mit seiner Kollegin Marge Blaine reist er in die kühlen, nordischen Gefilde, wo das todbringende Monsterinsekt schon mal ein Dorf voller Eskimos platt macht. Die Ankunft des selbstbewussten Weibsbildes Marge löst bei den Militärs, allen voran bei Col. Parkman, Verzückung aus, doch wird der sich ausbreitenden Heiterkeit durch das Auftauchen der spielverderberischen Fangschrecke ein jähes Ende gesetzt. Man kann diesen Angriff zwar abwehren, doch nun beginnt eine Jagd über den nordamerikanischen Kontinent, bis das Militär die Bedrohung an der Ostküste in New York stellen kann…


Inhalt

Wie man vielleicht schon an beiden in die Inhaltsangabe eingebundenen Zitaten erahnen kann, handelt es sich bei DAS TODBRINGENDE UNGEHEUER um einen ziemlich geschwätzigen Vertreter seiner Zunft. Und so bilden diese auch nur den Auftakt zu weiteren Ausführungen über Erdbeben, die tausende Meilen weiter, durch die Übertragung über die tektonischen Platten, das ewige Eis erschüttern (ich bin da jetzt kein Plattentektoniker, aber können solche Erschütterungen überhaupt von der südamerikanischen auf die nordamerikanische Platte übertragen werden?). Und im Anschluss hören wir dann Ausführungen über der Arktis nahe gelegene, streng geheime Radarstationen. Dieser Start in den Film mutet mehr einer reißerischen Dokumentation an (was ich ja immer richtig putzig finde), und ehe man es sich versieht, hat man auch schon mehr als sechs Minuten, was ungefähr 7,5 Prozent des recht kurzen Vergnügens entspricht, damit rumgebracht. Und wem die Erzählerstimme gefallen hat (Dirk Müller hat da ja schon einschlägige Erfahrungen gesammelt und macht seine Sache auch hier wieder sehr gut), der darf sich auch noch auf weitere Einwürfe aus dem Off freuen. Dass es diese Radarstationen gibt, rechtfertigt schließlich auch das Eingreifen der US Forces, denn kaputte Flieger und Radars werden halt schneller bemerkt als ein paar abgeschlachtete Eskimos.

Wichtig ist dabei sowieso nur, dass das Stück Insekt über die ratlosen Militärs irgendwann zum guten Doktor Jackson wandert, damit der sich mit Marge in die Handlung einschaltet. Denn davon, also Handlung, gibt es in DAS TODBRINGENDE UNGEHEUER nicht wirklich viel. Nachdem unser, hüstel, wissenschaftliches Team in der Arktis eingetroffen ist, wird ein wenig getanzt, gelesen und theoretisiert, bis man schließlich angegriffen wird. Was die „Action“ anbelangt, ist dies dann schon unbestreitbar der Höhepunkt des Films. Denn danach macht sich das Vieh auf den Weg in die Tropen, „wo es dieselbe Art Klima und Dschungelvegetation vorfindet, die es gewohnt“ sei (okay, sparen wir uns eine genaue Überprüfung dieser Theorie). Allerdings kommt es nur bis an die Ostküste der Staaten, wo, nach einer Zwischenstation in Washington, D.C., schließlich der Showdown stattfindet.

Das Erstaunliche dabei ist, dass THE DEADLY MANTIS (der noch geilere Original-Titel, der mich nicht wenig an THE GIANT CLAW aus dem selben Jahr erinnert, den ich auch gleich nochmal zum Vergleich heranziehen werde) ein Paradebeispiel für Harmonie und Ausgeglichenheit darstellt – es gibt keinerlei Konflikte. Wissenschaft und Militärs schreiten im Gleichschritt voraus, und auch ein etwaiger Hahnenkampf zwischen Parkman und Jackson um die holde Maid Marge bleibt aus. Der Doktor scheint sie einzig als Kollegin zu sehen und nur an seiner Aufgabe als Wissenschaftler interessiert. Wo der schon erwähnte THE GIANT CLAW/ANGRIFF DER RIESENKRALLE zumindest noch bemüht ist, eine richtige Dramaturgie zu etablieren (man glaubt Held Jeff Morrow anfangs nicht und auch die Diskussion um die krude Theorie einer Antimaterie-Gegenwelt, aus der es stammt, wird nicht gleich von allen geschluckt), herrscht bei THE DEADLY MANTIS Totenstille. Insekt erwacht, Insekt macht Krawall, Insekt fliegt gen Süden, Insekt wird gestellt – alles immer mal wieder unterbrochen, um Wissenschaftler Jackson theoretisieren und unsere Turteltäubchen turteln zu lassen. Man könnte jetzt noch darüber schwadronieren, wie sehr hier wieder das Loblied auf Wissenschaft und Militär angestimmt wird, die hier, wie bei etwa auch TARANTULA, im Einklang sind (ganz im Gegensatz zu anderen Produktionen der Zeit, wo sich Wissenschaft und Militär skeptisch und teils herablassend beäugen), aber das ist für diesen Film mMn schlicht unerheblich.

Regisseur Nathan Juran macht aus der Not eine Tugend und präsentiert uns ohne Unterlass entweder Stock Footage aus anderen Filmen, die den Dokumentarcharakter des Films verstärken oder halt die Gottesanbeterin, wie sie fliegt, wie Leute angreift, wie sie fliegt, wie sie Flugzeuge angreift, oder auch mal, wie sie fliegt. Und da dieses Insekt halt einfach mal was Neues war und auch unter realen Bedingungen weit exotischer wirkt als etwa Spinnen oder Ameisen, kann das den geneigten Tierhorrorfan mit gewisser Trash-Affinität durchaus unterhalten, zumal auch nur eine geringe Zeitspanne von etwas mehr als einer Stunde zu überbrücken ist. Wer keine allzu großen Ansprüche an das Genre fällt, wird sich hier nicht langweilen, wenngleich (oder eben gerade weil) das Zeitschinden in diesem Film fast zur Kunstform erhoben wird. Da freut man sich auf jede neue Einstellung des Monsters, wie es aus den verschiedensten Perspektiven kreuz und quer über den Bildschirm segelt. Dabei zieht sich auch das Monstermodell relativ gut aus der Affäre, eben weil eine Gottesanbeterin einem in ihrer Statur schon von sich aus Respekt abnötigt, ein turmhohes Exemplar natürlich erst recht.

Die unterwältigende Story stammt von Produzent William Alland, der angeblich auch schon die grobe Idee für den Frank-Arnold-Klassiker DER SCHRECKEN VOM AMAZONAS hatte, das Drehbuch dazu zimmerte Auftragsschreiberling Martin Berkeley, der ansonsten meist fürs TV arbeitete, aber auch schon am nicht gerade tiefschürfenden Skript zum bereits erwähnten Monster-Hit TARANTULA beteiligt war. Das Traditionsstudio Universal Pictures war damals wohl über jede halbwegs günstig zu verfilmende Idee für einen Monsterfilm dankbar, die man in den 50ern eigentlich schon in Serie produzierte. Es ging Universal zu dieser Zeit nicht gut, im gleichen Jahr überwies man sogar £ 70k an die Hammer Studios in England, in der Hoffnung, dass der dafür produzierte DRACULA ein genauso großer Hit in den US-Kinos würde wie zuvor schon FRANKENSTEINS FLUCH (wie wir wissen, wurde er das). Warum man anscheinend aber als allererstes an einen fähigen Dramaturgen sparte (Lohnschreiberlinge waren eigentlich kein großer Posten auf der Rechnung), erschließt sich mir trotzdem nicht.

Regisseur Nathan Juran, der kurz darauf nicht nur in den formidablen Trasher DIE AUGEN DES SATANS (mit einem unvergleichlichen John Agar) zwei außerirdische Riesengehirne aufeinander hetzte, was so ungefähr mit das tollste ist, was man sich an 50s-SF im Billigsektor vorstellen kann, sondern drehte auch die Fantasy/SF-Klassiker DIE BESTIE AUS DEM WELTRAUM und SINDBADS SIEBTE REISE mit Stop-Motion-Guru Ray Harryhausen, die ihm sicherlich mehr Prestige brachten als dieser Universal-Schmonzens (sorry, aber ist halt so) hier. Er macht dabei sicherlich das beste aus seiner niedrig budgetierten Aufgabe und dreht die Spielszenen stoisch runter (irgendwie war wirklich niemand daran interessiert, hier zumindest ein wenig Anschein von Drama reinzubringen) und konzentrierte sich auf die pseudo-dokumentarischen Einspieler sowie die zahlreichen Flugszenen des Monsters. Das Ergebnis ist sicherlich nichts, worauf man übertrieben stolz wäre, doch in Kombination der einzelnen Elemente – den Schnitt besorgte Chester Schaeffer, der 1952 noch für einen Oscar für STADT IN AUFRUHR nominiert war – entstand ein seltsam traumwandlerisch entrückt wirkender Film, der in einer komisch-unaufgeregten Parallelwelt angesiedelt scheint, was wohl vor allem auf die Mischung reißerischer Pseudo-Dokumentation mit betont undramatischen Spielszenen zurückzuführen ist. Es spricht tatsächlich für die Produktion, dass die gesamte Crew wohl routiniert genug zu Werke ging, anstatt in Anbetracht eines dünnen und nicht besonders guten, will nicht sagen schlechten, Drehbuchs, einem mickrigen Budget und dem Druck, ein lukratives Produkt zu liefern, im Nacken (wie gesagt, Universal war finanziell im Sinkflug) in panisch-wilden Aktionismus zu verfallen. Das ist ein Film, der den Zuschauer kühl anlächelt und nach einer rhetorischen Pause nüchtern „Hier. Riesige Gottesanbeterin. Bitteschön.“ sagt.

Craig Stevens ist als Colonel Parkman der ruhende Pol des Films. Er lässt Experten ausreden, handelt immer wohl überlegt nach besten Wissen und Gewissen und erweist sich als Galan, der gleich mal der ersten Frau am Nordpol den Hof macht, das Vorrecht des Kommandanten, das ihm auch niemand streitig macht. Stevens erlangte schon kurz darauf größere Bekanntheit, als er die Titelrolle in 114 Folgen von Blake Edwards Kult-Krimiserie PETER GUNN (1958-61) übernahm, was ihm auch eine Emmy-Nominierung einbrachte. Für die wissenschaftlichen Ausführungen während der Spielszenen ist William Hopper als Dr. Jackson zuständig, er sollte hiernach die Hauptrolle in DIE BESTIE AUS DEM WELTRAUM übernehmen. Und Marge Blaine, die Frau, die eben nicht zwischen den Männern steht und so auch gar nicht für Ärger sorgt, wird von Alix Talton, einer ehemaligen Miss Atlanta, gespielt, die nichts weiter zu tun hat, als gleichermaßen selbstbewusst wie fraulich zu wirken und natürlich vor allem zwei- bis dreimal im Angesicht des Monsters herzhaft zu kreischen. Über die anderen Darsteller lässt sich nicht viel sagen, außer dass sie immer ausnehmend gute Laune haben, wenn sie mal nicht von einem riesigen Killerinsekt angegriffen werden.

Anolis Entertainment hat DAS TOTBRINGENDE UNGEHEUER jetzt als fünften Eintrag in ihrer Reihe „Der Fluch der Galerie des Grauens“ veröffentlicht und hat hier wieder keine Kosten und Mühen gescheut, um den bisher nur ohne Ton als superkurze Super-8-Fassung in Deutschland veröffentlichten Film eine deutsche Erst-Synchronfassung durch Bodo Traber und sein Team anfertigen zu lassen. Und was soll man sagen? – Das Ergebnis kann sich hören lassen, die Synchro im Retro-Stil fügt sich nahtlos an die weiteren tollen Arbeiten des Studios auf diesem Gebiet (IT! – DER SCHRECKEN LAUERT IM ALL, IM SUMPF DES GRAUENS, IN DEN KLAUEN DER TIEFE) an, hier weiß man, was man hat. Das passt und verleiht dem Film Charme (den er ja auch gut gebrauchen kann). Bild und Ton der Veröffentlichung sind auf gewohnt hohem Niveau angesiedelt, als Extras befinden sich ein Audiokommentar von Dr. Rolf Giesen und Volker Kronz, amerikanischer und deutscher Trailer, eine Bildergalerie und die erwähnte deutsche Super-8-Fassung auf den Discs. Das beiliegende Booklet widmet sich der effizienten Arbeitsweise von Produzent William Alland im Allgemeinen und der Produktion von THE DEADLY MANTIS im Besonderen und bietet Filminteressierten einen interessanten Lesestoff.

Ganz nüchtern betrachtet ist DAS TODBRINGENDE UNGEHEUER sicherlich kein guter Film, das Drehbuch lässt sämtliche Dramatik abseits der Bedrohung durch die gigantische Fangschrecke missen, zwischenmenschliche Konflikte gehen ihm komplett ab, und auch das verwendete Stock Footage wie auch die Effektszenen passen nicht sehr gut zusammen. Doch Liebhaber der 50s-SF und -Tierhorrors werden sicherlich mehr als einen Anreiz finden, um sich trotz allen Unzulänglichkeiten in den Film zu verlieben, Trashfans natürlich gerade wegen dieser. Das ganze Geschehen trägt eine traumgleiche Aura mit sich, in der es eben keine zwischenmenschlichen Missverständnisse gibt – der Held und die Frau finden quasi automatisch zueinander und der Wissenschaftler stellt eben sein Wissen zur Rettung der Menschheit zur Verfügung; und alle sind glücklich -, während die Katastrophe sich als Bericht im Fernsehen abzuspielen scheint, fast als Film im Film, und das Monster nur in albtraumartigen, diffusen Szenen immer mal kurz vorbeischaut. Wie gesagt, das ist eben kein guter Film, sogar weit davon entfernt, und ich kann jeden verstehen, der damit nichts anfangen kann, doch es ist eben auch diese Art von naiven SF-Horror-Trash, die Leuten wie mir viel Freude bereitet.


BOMBEN-Skala: 7

BIER-Skala: 7


mm
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