- Deutscher Titel: Tarantula
- Original-Titel: Tarantula
- Regie: Jack Arnold
- Land: USA
- Jahr: 1955
- Darsteller:
Dr. Matt Hastings (John Agar)
Stephanie „Steve“ Clayton (Mara Corday)
Prof. Gerald Deemer (Leo G. Carroll)
Sheriff Jack Andrews (Nestor Paiva)
Joe Burch (Ross Elliott)
Lt. John Nolan (Edwin Rand)
Dr. Townsend (Raymond Bailey)
Josh (Hank Patterson)
Barney Russell (Bert Holland)
Andy Andersen (Steve Darrell)
Paul Lund/Eric Jacobs (Eddie Parker)
Trooper Grayson (James Hyland)
Jim Bagny (Don Dillaway)
Jet Squadron Leader (Clint Eastwood)
Jeff (Tom London)
2. Tramp (Edgar Dearing)
Vorwort
n den guten alten 50er Jahren gab es zwei Kategorien von B-Filmen und B-Film-Regisseuren. Während auch damals schon B-Filme hauptsächlich aus schlicht monetären Erwägungen gedreht wurden, sprich, möglichst wenig Geld ausgeben, um dem bedauernswerten Publikum im Gegenzug möglichst viel Penunze abzuluchsen, gab es ein paar wenige Macher, die ihr Metier – und ihr Publikum – ernst nahmen. Um das ganze mal mit zwei-drei prägnanten Namen zu schmücken, da waren auf der einen Seite die Bert I. Gordons dieser Welt, die die Drive-in-Leinwände dieser Welt mit manchmal mehr, manchmal weniger unterhaltsamen Stuss wie Earth vs. The Spider oder The Colossal Man erfreuten (Meister Ed Wood nehme ich da mal aus, der spielte wie einige seiner Kollegen nun wieder in einer ganz anderen Liga), auf der anderen Seite tummelte sich hauptsächlich ein Mann: Jack Arnold. Wenn es jemanden gab, der mit bescheidenen finanziellen Mitteln maximale Wirkung erzielen konnte und nebenher auch noch – gosh! – Intelligenz in seine Filme einbaute, dann Mr. Arnold – heute als Klassiker eingestufte Werke wie Creature from the Black Lagoon (dt. Der Schrecken vom Amazonas – immerhin so einflussreich, dass die Beschreibung „er sah aus wie das Ungeheuer aus der schwarzen Lagune“ eine Zeit lang ein geflügeltes Wort in den Staaten war, selbst Marilyn Monroe äusserte diesen Vergleich in The Seven Year Itch), It Came From Outer Space (nach Ray-Bradbury-Vorlage) und der für mich essentielle 50er-Jahre-SciFi-Horror-Film überhaupt, The Incredible Shrinking Man (dt. Die unglaubliche Geschichte des Mr. C) sprechen eine deutliche Sprache. Leider bekam Jack Arnold nie die Chance, mit grossem Budget und Top-Stars zu arbeiten und musste sich nach dem Ende des SciFi-Booms Ende der 50er/Anfang der 60er mit ihn sichtlich unterfordenden TV-Serien-Jobs über Wasser halten – unfassbar, dass ein Mann seiner Klasse sich damit beschäftigen musste, Episoden zu solch monumental bedeutungsvollen (Vorsicht, Ironie!) Serien wie Gilligan´s Island, The Brady Bunch, Bionic Woman, Wonder Woman, Buck Rogers und (schluck) The Love Boat zu inszenieren. Wieder einmal kein Ruhmesblatt für Hollywood und seine Bosse.
Tarantula stammt aus dem Jahr 1955 und fällt somit in die beste Schaffensphase des Regisseurs, und, grosse Überraschung, in die grosse Welle der Monsterfilme… Them, Beginning of the End, Black Scorpion, in der zweiten Hälfte der 50er mühten sich Dutzende gigantischer Tiermonster, den geneigten Kinozuschauer zu erschrecken. Auch Universal Pictures, wo Arnold unter Vertrag stand, konnte an diesem Markt kaum vorbeigehen und so, voila´, die schauderhafte Mär von der Riesenspinne… Arachnophoben aufgepasst.
Inhalt
Ungewöhnlich genug für einen s/w-Grusler aus damaliger Zeit beginnt unser Film proper mit einer Teaser-Sequenz – ein Kerl im Schlafanzug taumelt durch die Wüste Arizonas und bricht schlussendlich zusammen – die Kamera enthüllt, dass sein Gesicht grauenhaft entstellt ist… cue title sequence.
Dann landet ein Kleinflugzeug, dem unser nomineller Hero entsteigt, Dr. Matt Hastings, wenig überraschenderweise verkörpert von John Agar, den uns ja jüngst erst in Women_of_the_Prehistoric_Planet über den Weg lief. Dr. Hastings ist your generic einfacher Landarzt TM (und auf diese Tatsache weist uns der Doc selbst im weiteren Filmverlauf noch dialogtechnisch hin) und hat gerade Zwillinge zur Welt gebracht. Mit Ausruhen ist aber nix, denn der Sheriff seiner Heimatstadt Desert Rock wünscht ihn umgehend und el pronto zu sehen. Grund für die Hektik ist, wir können´s uns ja denken, der mittlerweile aufgefundene Kadaver des im Vorspann verschiedenen monströsen Pyjamaträgers. „Er sieht irgendwie aus wie Dr. Jacobs,“ brummt Hastings, „aber auch wieder nicht.“ Dr. Jacobs ist seines Zeichens Assistent des örtlichen Mad Scientist Professor Deemer, der in einer abgelegenen Villa irgendwelche geheimnisvollen Experimente durchführt, und, nach Ansicht des down-to-earth-Sheriffs, wie alle Wissenschaftler „einen Vogel“ hat. Hastings kommt zu dem Schluss, dass die Leiche keinesfalls Jacobs sein kann, denn was da auf dem Untersuchungstisch rumliegt, war offensichtlich schon jahrelang krank. Der hinzugerufene Deemer identifiziert den Toten aber ohne Wenn und Aber als seinen Assi und erläutert, dass dieser an Acromegalie, einer Drüsenüberfunktion, die Deformationen an Gesicht und Gliedmassen hervorrufe, erkrankt gewesen sei – erste Symptome seien vor gerade mal vier Tagen aufgetreten. Dem Sheriff ist die Erklärung recht, aber Hastings traut dem Braten nicht – Acromegalie funktioniert nicht in solcher raketenmässiger Geschwindigkeit, und dass Deemer eine Autopsie vehement ablehnt, erweckt weiter den Argwohn des Landarztes, yet er kann nichts tun.
Deemer kehrt in sein Labor zurück und forscht vor sich hin und wie wir anhand der schätzungsweise zehn Kilo schweren Ratte, dem schäferhundgrossen Meerschweinchen und der ebenfalls hundegrossen Tarantel uns zusammenreimen können, bastelt der Prof. an einer trüben Brühe, die das Wachstum der Versuchstierchen anregt. Deemer will gerade sein neuestes Testobjekt, ein kleines Äffchen, mit seinem Teufelszeug beglücken, als ein weiterer entsetzlich entstellter Knabe das Labor entert, wüste Anschuldigungen ausstösst und auf den Professor losgeht – es handelt sich um Laborant Paul (der Einfachheit dargestellt vom selben Akteur mit selber Maske… in those times they knew how to save a penny), und der veranstaltet ordentlich Tohuwabohu. Das Labor geht in Flammen auf, Paul würgt den Prof bewusstlos und injiziert ihm fieserweise eine Dosis des mysteriösen Präparats, ehe er sein Leben aushaucht. Im allgemeinen Durcheinander geht die Riesentarantel unbemerkt stiften, bevor der Professor wieder zu sich kommt, das Feuer löscht und einen nachdenklichen Blick auf die von Paul gehaltene Spritze wirft… Kurz überlegt Deemer, Hilfe herbeizutelefonieren, besinnt sich aber rechtzeitig darauf, dass er der Mad Scientist in einem 50er-Jahre-Horrorschinken ist und macht sich daher lieber daran, den armen Paul in der Wüste zu verscharren und sorgfältig alle Spuren seines totengräberischen Tuns zu verwischen, wobei er noch von einem Katapult-Äffchen TM erschreckt wird.
Doc Hastings debattiert noch immer mit dem Sheriff und versucht dem Gesetzeshüter seine Sichtweise darzulegen, wonach es höchst verdächtig sei, dass Deemer es mit der Beerdigung Jacobs´ so eilig hat und keiner genau wisse, was er in seinem Labor eigentlich treibe, ausser, dass es im weitesten Sinne um Ernährungsprobleme gehe. „Vielleicht will er etwas geheim halten,“ spekuliert der Arzt ins Blaue (was für eine ungeheure Geistesleistung!!! Kein Wunder, dass der Knabe nicht in einer Privatklinik praktiziert, sondern in einem fünftklassigen Wüstenkaff den Allgemeinarzt spielen darf). Zeitungsreporter Joe Burch, dem das Ableben des Wissenschaftlers ebenfalls spanisch vorkommt, erklärt sich zu Hastings Freude bereit, dem Professor etwas investigativ auf den Zahn zu fühlen.
Gleichzeitig trifft per Greyhound ein attraktives Frauenzimmer in Desert Rock ein und sucht ein Beförderungsmittel zu Deemers Anwesen. Da das einzige Taxi des Ortes gerade nicht greifbar ist, bietet sich Hastings, der ebenfalls zu Deemer will, als Chauffeur an. Die Dame stellt sich als Stephanie („nennt mich Steve!“ – uargh!) Clayton, Studentin und von Dr. Jacobs als Laborantin angeworben vor. Hastings bringt ihr nicht gerade taktvoll die Nachricht vom Tod Jacobs´ bei und vergisst auch nicht zu erwähnen, dass er der Geschichte mit der Drüsenkrankheit keinen Glauben schenkt. Indes kraucht eine ungefähr autogrosse Riesenspinne unheilsschwanger durch die Wüste…
Da ihnen an der Deemer-Villa nicht geöffnet wird, lassen sich Hastings und „Steve“ selbst ein und platzen in Burch´ Interview. Der Professor gibt sich umgänglich, bindet aber seinen Gästen den Bären auf, ein Kurzschluss hätte das Laborfeuer verursacht und freut sich, dass Steve trotz Jacobs Tod ihren Job antreten will, wenngleich er sich an den anderen Laboranten, Paul, nur auf Nachfrage und mit einem „oh, der ist schon lange weg“ erinnert. In bester Quassellaune erläutert Deemer auch seine Forschungen – angesichts des explosiven Bevölkerungswachstums (sehr konservativ prognostiziert Deemer für das Jahr 2000 3,6 Mrd. Menschen, und im übrigen ist die Synchro blöde genug, das englische „billions“ treudoof mit „Billionen“ zu übersetzen) braucht die Welt ein synthetisches Nahrungsmittel, und dafür fühlt er sich zuständig. Weitgehend sinnfreies (zumindest für mich) Technobabble dreht sich um die vermeintliche Tatsache, dass synthetische Nahrung ein „Bindemittel“ benötigt, und das hat Deemer mit dem radioaktiven Isotop Ammoniak gefunden (eh… seit wann ist Ammoniak radioaktiv? Gut, ich hatte nie Chemie, das geb´ ich zu, aber stimmt das wirklich??? Kann ich nicht glauben…). Bevor sich Deemer weiter um seinen wissenschaftlichen Ruf quatschen kann, wird Hastings telefonisch zu einem medizinischen Notfall abberufen, aber der leutselige Professor erlaubt ihm doch noch die Autopsie an Jacobs Leiche. Die führt Hastings auch prompt durch und findet zu seinem grossen Missfallen nichts aussergewöhnliches – „und doch ist es seltsam!“
Deemer führt mit Steves Assistenz seine Experimente fort und gibt dabei zum besten, dass die seine Nahrungsformel noch reichlich instabil ist und noch keine zwei Versuchsreihen ein identisches Resultat ergeben hätten, einige der Versuchstiere seien sogar gestorben, andere lebten aber schon seit Wochen friedlich von nichts anderem als dem Nahrungskonzentrat und zeigen dabei die erstaunlichen Wachstumsvorgänge. Im übrigen juckt´s den Professor (und zwar im Wortsinne), was vermutlich ein übles Symptom von Acromegalie ist.
Da auch Wissenschaftlerinnen mal zum Friseur müssen (O-Ton), was dafür spricht, dass der Mad Scientist von Ruf sich lieber um verlässliche AssistentEN (bevorzugt mit Namen Igor) beümhen sollte, macht sich Steve auf in die Stadt und rennt dort umgehend in Hastings, der sie ein wenig über die Arbeit mit Deemer ausquetscht. Sie gibt fröhlich Auskunft und nimmt auch gern das Angebot an, sich vom Doc zurückfahren zu lassen. Unterwegs bringt Hastings ihr die Freuden des Wüstenlebens näher und stoppt für sie an einem scenic point für ein wenig chitty-chat und eine Zigarette. Mitten in die schönste Rauchpause (und ich dachte, Ärzte wissen, dass Rauchen töten) poltert eine kleine feine Felslawine und veranlasst unser Paar zum vorzeitigen Aufbruch. Das hinter dem Felsbrocken, wo sich das alles abspielt, eine schätzungsweise zehn Meter hohe Riesentarantel hockt und sich relativ ungezwungen danach über selbigen wuchtet, entgeht dem scharfsinnig beobachtenden Duo geflissentlich. Steve lädt Hastings ein, Deemers Labor zu besichtigen und führt ein sechs Tage altes Karnickel, dass kaum mehr in seinen Käfig passt, ebenso eine wenige Stunden alte Ratte, die schon beste Ausgewachsene-Ratte-Grösse aufzuweisen hat. Deemer beobachtet die Vorführung ungesehen mit finst´rem Blick aus dem Hintergrund. Das Telefon ruft Hastings einmal mehr zu einem Arzteinsatz (der Junge sollte sich echt ´n Handy zulegen) und verpfeift sich, nicht ohne Steve seine generellen Bedenken wg. der Riesentiere mitzuteilen. Deemer schält sich aus dem Schatten, zeigt sich gesichtstechnisch bereits leicht verunstaltet und liest überdies seiner Laborantin gehörig die Leviten, was ihr denn einfiele, ungefragt und ungebeten unserem Helden die geheimsten Geheimforschungen zu zeigen.
So eilig scheint der medizinische Notfall dann aber doch nicht zu sein, denn Hastings nimmt sich erst mal Zeit, um den Platz der mysteriösen Felslawine genauer zu untersuchen, wo er vom Sheriff aufgegabelt wird. Der könnte Begleitung gebrauchen, um den Rancher Andy Andersen, der den Sternträger mit wirren Aussagen wie „aufgefressen“, „Tiere“ und „Knochen“ zu sich bestellt hat, zu besuchen, da er vermutet, Andersen könnte einen leichten Sonnenstich aufweisen. Die skelettierten Pferde-, äh, -skelette belehren die Allgemeinheit eines besseren. Eine Pfütze mit weisslicher Flüssigkeit wird nearby gefunden, aber nicht weiter beachtet. Der Sheriff outet sich als echtes Hellchen und wirft als Vermutung „Berglöwen“ in den Raum, kann aber ansonsten dem gefrusteten Pferdezüchter nur empfehlen, die überlebenden Gäule einzusammeln und zu bewachen. Das tut er denn auch, aber hätte er mal lieber nicht, denn dann wäre in der nächsten Nacht nicht zum Late-Night-Snack einer hungrigen Riesentarantel geworden… Andersen war offenbar ein netter Appetitanreger, denn der Riesenachtbeiner schleudert, wie auch immer, gleich noch einen Truck von der Strasse (die Flugkurve des Gefährts ist schon bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass eine Spinne eigentlich nichts hochheben kann) und mampft die Besatzung desselben.
Sheriff Jack ist ratlos, als man das Wrack und die dazugehörigen Skelette am nächsten Tag findet (und Hastings ist erstaunlich taktlos für einen Arzt, denn er quittiert den Anblick mit einem trockenen „Die hat´s wohl erwischt!“. Wahres Mitgefühl…), denn es kann kein Unfall gewesen sein, sogar die Bremsen des Trucks würden noch funktionieren (wieder etwas, was meine suspension-of-disbelief stark strapaziert, denn dass in einem derartigen Autowrack ÜBERHAUPT noch irgendwas funktionieren sollte, mag ich nicht glauben – und im übrigen geschehen Unfälle ja mitunter auch ohne technische Mithilfe des Fahrzeugs – naja, in Arizona vielleicht nicht). Erneut finden sich Pfützen mit der hellen Flüssigkeit und diesmal unterzieht Hastings das Zeug einer näheren Untersuchung. Riechen tut´s nicht, aber schmecken ganz offensichtlich eklig – der Doc nimmt eine Probe mit und analysiert unterm heimischen Mikroskop, dass es sich um Insektengift handelt, genaueres kann er aber nicht sagen. Reporter Burch und der Sheriff halten das für ziemlichen Blödsinn, von wegen der Menge der gefundenen Substanz. Hastings schlägt vor, die Koryphäe Deemer zu fragen und ruft dort an. Steve geht ran, lässt den Doc aber nicht zu Wort kommen, sondern sorgt sich heftigst um den erkrankten Professor – ein Schrei bricht das Telefonat ab. Hastings lässt alles stehen und liegen, schwingt sich in sein Cabrio und rast zur Deemer-Ranch, wobei ihm die mittlerweile ungefähr 30 Meter grosse Riesentarantel, die durch die Wüste kraucht, einmal mehr entgeht. Steve erwartet ihn bereits, denn Deemer geht´s wahrlich nicht gut – aussehen tut er wie der hässliche Bruder von Frankensteins Monster und Luft kriegt er auch nicht mehr. Hastings injiziert ihm irgendein Mittel und kann sich freuen, dass der Professor, der nicht mehr lange zu leben hat, wieder einmal in bester Redelaune ist und die Todesfälle Jacobs und Paul aufklärt – die beiden waren ungeduldig und wollten nicht warten, bis die von Deemer geforderte absolute Sicherheit bestand, dass die Ergebnisse der Tierversuche auf den Menschen übetragbar waren und injizierten sich das Nahrungskonzentrat selbst, mit den bekannten Folgen der Acromegalie, im Endstadium einhergehend mit Wahnsinn. Schuld daran ist nach des Professors Ansicht das Isotop (warum auch immer – es ist verfügbar, es ist radioaktiv, da reicht als Begründung). Er selbst habe nach Pauls Attacke und der unfreiwilligen Injizierung mit dem Präparat gehofft, in den wenigen Tagen, die ihm noch blieben, zu einem erfolgreichen Abschluss seiner Forschung zu kommen (Berufsoptimist!) – „Ihr hättet meine Tiere sehen sollen, die Ratte, das polizeihundgrosse Meerschweinchen, die Tarantel… schade, das sie alle im Feuer verbrannt sind!“ Bei der Erwähnung des Wortes Tarantel zuckt Hastings wie von selbiger gestochen auf, hinterlässt Steve einen dahinsiechenden Professor, ein Schmerzmittel und gute Wünsche und schwingt sich in seine Cessna.
Wer jetzt glaubt, der gute Doc würde eventuell zu einem Patrouillenflug starten und ein wenig über der Wüste kreisen, bis er eine verdammt grosse Spinne bemerkt, sieht sich getäuscht und ist daher vermutlich erheblich intelligenter als der durchschnittliche Held eines 50er-Jahre-Horrorfilms. Nein, Hastings fliegt nach Phoenix zu einem Tarantelexperten, lässt sich bestätigen, dass es sich bei dem Gift um Tarantelgift handelt und guckt sich einen biologischen Lehrfilm über die handelsüblichen Ausgaben der gefrässigen Arachniden an (und der Experte vergisst nicht, darauf hinzuweisen, dass die Tarantel wie alle von Gottes Geschöpfen ihren Platz in der Welt verdient – sniff, herzig). Eine hundertfach vergrösserte Tarantel, deren Gift im Normalfall absolut harmlos sei (najaaa…), hält der Experte zwar für Lötzinn, aber wenn´s denn eine gäbe, wäre die das tödlichste Geschöpf, das man sich nur vorstellen könne. Derart gebrieft versucht Hastings Desert Rock zu erreichen, aber die Telefonleitung ist tot, da unser achtbeiniger Freund in der Wüste mit Telefon- und Hochspannungsleitungen spielt und nebenher den kleinen Hunger nicht mit ner Tüte Milchreis, sondern mit zwei Trampern stillt. Den Magen derart gefüllt, entschliesst sich Spinnchen, dem Heim seines Schöpfers einen Besuch abzustatten, denn wir können natürlich keinen ordentlichen post-frankenstein´schen Monsterfilm haben, indem der, der in God´s Domain herumgetampered hat, nicht von seiner eigenen Kreatur gemeuchelt wird. Dort erweist sich Steve als Kandidatin für einen dringenden Besuch bei Brille-Fielmann, denn ihr entgeht beim Nachtfeinmachen, dass durch ihr Schlafzimmerfenster die Tarantel stiert (und selbst WENN ich müde bin und nicht darauf achte, was vor meinem Fenster vor sich geht – DAS würde mir auffallen, wenn ich ungefähr einen Meter daran vorbeigehe…). Also muss das Spinnenvieh, um aufzufallen, der Hütte aufs Dach steigen, was selbige, die Hütte, mein ich, in ihren Grundfesten erschütert. Das lustige Crush, Crumble & Chomp der Spinne weckt sogar den todkranken Professor, damit dieser wie gesetzlich vorgeschrieben von seinem Geschöpf hingemetzelt werden kann, während Steve in höchster Not die Flucht aus dem Gemäuer gelingt, welches von der Tarantel aus Spass anne Freud nach allen Regeln der Kunst flachgetrampelt wird. Zum Glück für Steve taucht Retter in der Not Hastings rechtzeitig auf, um die Maid in sein Cabrio zu wuchten und Gummi zu geben, doch die Tarantel nimmt die
Verfolgung auf. Auf halbem Weg nach Desert Rock treffen die Flüchtigen auf die von Hastings alarmierte komplette Polizeistreitmacht des Städtchens (drei Autos mit insgesamt sechs Mann) plus Reporter, der immer noch den Skeptiker spielt, aber angesichts der haushohen Spinne am Horizont kleinbeigeben muss. Der Sheriff lässt die mitgebrachten MGs auspacken (obgleich einer der Anwesenden in prophetischer Anwandlung sicher ist, dass „MGs nichts nützen werden“) und zwei unglückliche Polizeibeamte sollen das Spinnchen damit aufhalten, während der Rest Fersengeld gibt. Schlechte Karten für die beiden Cops, denn natürlich nützen MGs wirklich nichts gegen das Monster und ausserdem, was für sie noch unangenehmer sein dürfte, werden sie Spinnenfutter. Da die Spinne auf die Stadt zumarschiert, ist guter Rat teuer – mangels Konkurrenz schwingt sich Hastings zum Denker und Entscheidungsträger auf und schlägt vor, die Spinne mit Dynamit zu bekämpfen und, falls das nicht klappt, sicherheitshalber den nächstgelegenen Militärflugplatz anzurufen und dort um ein paar Napalmbomber zu bringen, während die Stadt evakuiert wird (ich würde die Angelegenheit an dieser Stelle gänzlich dem Militär zu treuen Händen geben, mich in mein Auto schwingen und weit weg düsen, anstelle selbst noch unausgegorene Wile-E-Coyote-Pläne auszuprobieren).
Da Tarantelchen sich erfreulicherweise an den HIghway hält, kann die Dynamitfalle errichtet werden, aber die läppischen sechs Kisten Sprengstoff, bzw. die Explosion derselben, beeindrucken den überdimensionalen Fliegenfänger gar nicht. Daher heisst es letztendlich doch Military to the rescue, eine Jetstaffel versucht zunächst ihr Glück vergeblich mit Raketen und, als das auch ersichtlich nix bringt, doch mit Napalm. Die Spinne verbrennt im Napalmfeuer, unsere Helden sehen dümmlich glotzend zu und THE END wird eingeblendet…
Tarantula steht sicherlich sowohl vom Inhalt, Spannungsgehalt, technischen Können und inszenatorischem Stil Lichtjahre über dem, was mein Freund Bert I. Gordon mit dem (zugegeben unterhaltsamen, aber doofen) Earth vs. The Spider vollbrachte, kann aber guten Gewissens nicht zu den besten Werken von Jack Arnold gezählt werden – gegen Arnolds oben erwähnte Klassiker sieht der Spinnenfilm mächtig alt aus. Filme, deren Protagonisten Riesenmonster sind, haben nun mal nur ganz eingeschränkte Möglichkeiten, sich abzuspielen, d.h. es gibt relativ wenig Raum, etwas anders (was nicht unbedingt besser sein muss, newa) zu gestalten, da es einfach Konventionen gibt, an die sich ein Film dieser Art halten muss. Arnolds Stärke ist bzw. war es ja gerade, seinen Filmen etwas mehr Tiefgang auf den Weg zu geben als der gewöhnlichen Konkurrenz und bei seinen Meisterwerken Creature from the Black Lagoon ebenso wie It Came From Outer Space, bei denen ein sehr humanistischer Unterton festzustellen ist (insoweit man „Humanismus“ mit einem Umkehrung der „Monsterrolle“ gleichsetzen kann: In Creature war es eindeutig das „Monster“, dem unsere Sympathie zuteil wird und dem von den grausamen Menschen übel mitgespielt wird, während in It Came From Outer Space die vermeintlichen ausserirdischen Invasoren „lediglich“ bruchgelandete Aliens sind, die so schnell wie möglich wieder weg wollen), gelang ihm das auch vorzüglich – bei einem Konzept wie Tarantula kann man einen solchen Ansatz beim besten Willen nicht einbauen – zumal es schon einmal sehr schwer sein dürfte, Sympathien für eine dreissig Meter hohe menschenfressende Spinne zu erzeugen, auch wenn das arme Tierchen für seine Monströsität nix kann. So ergibt sich Tarantula mangels Alternativen gottergeben in die dem Genre innewohnenden Standards und Klischees, ohne bahnbrechend innovativ zu sein (ähnlich erging es Arnold mit seinem späteren Horrorstreifen Monster on the Campus, ein ebenfalls unterhaltsamer kleiner Reisser, aber ohne die Ideen und die Klasse seiner früheren Filme) – das Problem eines jeden Films, der sich versucht, an eine populäre Idee, wie hier die von Them losgetretene Big-Bug-Welle, anzuhängen. (Uff. Das war jetzt eigentlich genau die Art filmtheoretischen Humbugs, die ich gemeinhin zu vermeiden versuche).
Okay, dann also mal in etwas schlichteren Worten – das Script reisst keine Originalitätsbäume aus, auch wenn es sich bemüht, dem Erscheinen des Titelmonsters so etwas ähnliches wie einen ernstzunehmenden wissenschaftlichen Hintergrund zu geben (die Motivation Deemers erinnert ein wenig an Ray Kelloggs vier Jahre später entstandenen The_Killer_Shrews), auch wenn einiges unausgegoren bis unverständlich bleibt – was erhofften sich Jacobs und Paul von dem Selbstversuch? Was hätte die Menschheit davon, wenn sie ins Riesenhafte wachsen würde? Da wäre es sinnvoller gewesen, wenn Deemer nicht an einem Nahrungskonzentrat mit derart gigantischen Nebenwirkungen gebastelt hätte, sondern an einem schlichten Wachstumshormon, um dadurch die Nahrungsmittelknappheit zu bekämpfen (so wie es eben im gerade herangezogenen Killer Shrews getan wurde). Hier schiesst sich die wissenschaftliche Begründung durch die Brust ins Knie, was umso stärker auffällt, da der Film sich vergleichsweise ausführlich damit beschäftigt als es die meisten Konkurrenzprodukte taten, die die Monster entweder schlicht und ergreifend als gottgegeben (wie Earth vs. The Spider) oder einfach als Resultat von Radioaktivität (wie eben Them oder Beginning of the End auftreten liessen. Manchmal ist eben etwas weniger an Background tatsächlich mehr – allerdings ging natürlich keiner der seinerzeitigen Verantwortlichen davon aus, dass ihre als Schnellschüsse gedachten Billigfilme fünfzig Jahre später von nitpickenden Internetreviewern tranchiert werden würden.
Ironischerweise erweist sich das wenige, was Arnold anders machte als der Grossteil seiner Zeitgenossen mit vergleichbaren Filmen, als DER grosse Schwachpunkt des Streifens – das Monster hat einfach zu wenig screentime. Da wir von Anfang an wissen, was uns erwartet, greift das Stilmittel, das Monster so wenig wie möglich zu zeigen, hier ins Leere. Natürlich mögen auch Budgetbeschränkungen da eine gewisse Rolle gespielt haben, aber wir haben es hier mit einem Monsterfilm zu tun, der vergleichsweise wenig Monster und noch weniger Monster-Rampage bietet – so richtig taucht „Tarantulä erst nach einem guten Filmdrittel auf und selbst da tut das Vieh selten mehr als ein wenig durch die Prärie zu latschen und hin und wieder mal einen harmlosen Passanten zu vernaschen – wobei das natürlich in guter alter s/w-Grusler-Manier in der Form geschieht, das im entscheidenden Moment ausgeblendet wird, wenn sich die Spinnenkiefer bedrohlich über das schreiende Opfer senken. Am mangelnden Können der Spezialeffekttruppe kann´s nicht gelegen haben, denn die Tricks sind für Alter und finanziellen Aufwand des Streifens hervorragend gelungen – dass die Riesenspinne, die komplett in der von Arnold zur Perfektion entwickelten technisch eigentlich schlichten Rückprojektionstechnik gezeigt wird, ein wenig „unscharf“ wirkt, ist verzeihlich, auch das sie in einigen wenigen Passagen sprichwörtlich den Bodenkontakt verliert, fällt kaum ins Gewicht – grösstenteils wirken die Effekte auch heute noch ziemlich überzeugend, der eindeutige Beweis, dass es, wenn Könner am Werke sind, tatsächlich ohne CGI oder Stop-Motion geht. Die Szene, in der die Tarantel Deemers Villa zerstört, ist tricktechnisch von erstaunlicher Güte. Nur sind diese Momente leider sehr spärlich gesät, genauer gesagt, ist die Zerstörung von Deemers Haus eben die einzige echte Rampage-Szene, da hätte man sich doch etwas mehr wünschen können, ebenso eine etwas spektakulärere Klimax – das Finale ist ein wenig einfallslos: die Jets fliegen ein, werfen ihre Napalmbomben ab, die Spinne verbrennt, aus; das hätte ruhig ein wenig intensiver, spannender und eindrucksvoller ausfallen können. Sei´s drum, nicht mehr zu ändern – wir müssen uns mit dem zufriedengeben, was wir vor uns haben und das ist technisch ziemlich kompetent. Gleiches gilt für die Make-up-Effekte für Jacobs/Paul und Deemer – mit einfachen Mitteln, aber recht eindrucksvoll (auch wenn Deemer in seinem Finalstadium aussieht wie eine Kreuzung von Quasimodo, Frankensteins Monster und einer geschmolzenen Wachsfigur).
Da wir, wie gesagt, verhältnismässig wenig Monsteraction haben, wird einiges an Zeit doch mit Dialogpassagen totgeschlagen, Arnold sorgt aber dafür, dass dem Film in diesen Momenten nicht der Sprit ausgeht, auch wenn die Dialoge selbst nicht umwerfend sind, es gibt ein wenig lustigen Technobabble, eine herrlich altmodische „das kommt davon, wenn man Frauen wählen lässt“-Zeile, sehr wenig comic relief (Aufatmen!) in Form des Hotelclerks Josh, aber im Gegensatz zu den meisten anderen zeitgenössischen Produkten treiben die Dialoge zumeist die Handlung voran und sind damit integraler Filmbestandteil und nicht nur notwendiges Füllsel, um die Laufzeit auf abendfüllende Länge zu strecken.
Womit wir in einem Aufwasch zu den darstellerischen Leistungen und noch ein wenig Drehbuchschelte kommen – die Charaktere sind grösstenteils, wie man auf englisch so schön sagt, „cardboard characters“, was gerade bei Jack Arnold ein wenig enttäuschend ist – abgesehen von Deemer sind alle Figuren ziemlich eindimensional, lediglich der Professor kommt vielschichtiger daher, im Endresultat zwar auch nur als das Klischee vom „eigenbrötlerischen Wissenschaftler, der Gutes will, aber Böses schafft und ein wenig fanatisch ist“, das war allerdings 1955 noch nicht so abgedroschen wie heutzutage – ein wenig der innerlichen Zerrissenheit des Charakters kommt doch rüber.
Für B-Film-Ikone John Agar ist Tarantula zwar sicherlich eine seiner bekanntesten, aber undankbarsten Rollen, da man mit der schablonenhaften Figur nicht so wahnsinnig viel anfangen kann. Agar spielt es absolut straight, was ihm die Möglichkeit nimmt, aus sich heraus zu gehen und schönes Overacting wie in The Brain from Planet Arous (kommt auch noch) zu bieten (ausserdem ist es gewöhnungsbedürftig, Agar in der deutschen Fassung mit der Stimme von Sean Connery sprechen zu hören). Mara Corday ergeht es mit ihrer „Steve“ ähnlich – es musste halt einfach eine Frauenrolle sein, damit der Held im Finale was zu retten hat; auch Corday, die sich in den 50ern durch eine Reihe billiger B-Filme vom Krimidrama bis zum Juvenile-Delinquent-Streifen spielte, kann sich mit dem Material kaum auszeichnen, fällt aber auch nicht negativ auf. Routinier Leo G. Carroll (unsterblich gemacht durch eine Zeile im Rocky Horror-Song „Science Fiction, Double Feature“) fährt mit Professor Deemer noch am besten – Carroll versucht weitgehend erfolgreich, differenziert zu agieren (he doesn´t pull a Lugosi, if you catch my drift).
Zwei Personalien sind noch zu erwähnen: Nestor Paiva (Sheriff Jack) ist in der Ruhmeshalle der absoluten Schundklopper durch seinen Auftritt im unterirdischen They_Saved_Hitler´s_Brain verewigt (dort mehr zu seiner doch recht eindrucksvollen Vita), und nicht zuletzt markiert Tarantula den ersten bemerkenswerten (naja, das ist auch wieder übertrieben, da man den Knaben nur für ungefähr zehn Sekunden hinter einer Atemmaske versteckt sieht) Leinwandauftritt eines gewissen Clint Eastwood. Ich weiss nicht, was genau dahintersteckt, aber auf jeden Fall verschaffte Eastwood Mara Corday von 1983 bis 1991 immerhin fünf kleine Mini-Rollen in seinen Filmen (u.a. Dirty Harry kehrt zurück und The Rookie) – ob die gemeinsame Tarantula-Erfahrung etwas damit zu tun hat? Schwer zu sagen, da Eastwood und Corday in Tarantula nie zusammen sind, aber immerhin ein interessantes kleines Trivia-Bit.
Tarantula ist wie einige andere alte Universal-Monsterfilme zwar immer noch nicht auf DVD, aber in einer scheinbar restaurierten neuen Videofassung, inzwischen auch zum Nice Price, erhältlich und man muss sagen, dass sich der Anbieter hier grösste Mühe gegeben hat, denn der Print braucht sich bestimmt nicht hinter einem DVD-Release zu verstecken – glasklares, lupenreines, messerscharfes Bild (mit Ausnahme der Riesenspinne, aber das ist kein Problem des Prints, sondern des Drehs bzw. der Effektfotografie) und guter Dolby-Surround-Sound. Eine sehr schöne Video-Präsentation, muss man sagen.
Wie schon eingangs gesagt, ist Tarantula nicht das krönende Highlight der Jack-Arnold´schen Karriere, aber nichtsdestoweniger ein ziemlich spannender Monsterfilm, der natürlich dann besonders gut wirkt, wenn man entweder Spinnenhasser ist oder nicht schon viele ähnliche Streifen gesehen hat. Trotz der vergleichsweise wenigen Monsterszenen findet der Film das angemessene Tempo, um kurzweilig zu unterhalten. Der absolute Big-Bug-Kracher bleibt allerdings Them, aber Jack Arnold bürgt für solide Qualität, wobei besonders die selbst heute noch beeindruckende Trickfotografie zu erwähnen ist. Um Trash handelt es sich bei Tarantula mit Sicherheit nicht, dafür ist der Film in jeder Hinsicht zu kompetent – wer über Riesenmonster und lächerliche Tricks lachen will, ist mit den Grashüpfern aus Beginning of the End oder dem Big Bird aus The Giant Claw sicher besser bedient, aber wer einen ernsthaften und visuell überzeugenden Monsterbeitrag aus den 50ern sehen will, liegt mit mit Tarantula nicht verkehrt. Genrekomplettisten brauchen den Film natürlich sowieso.
(c) 2004 Dr. Acula
BOMBEN-Skala: 4
BIER-Skala: 7
Review verfasst am: 01.10.2004