
- Original-Titel: Hellroller
- Regie: Gary J. Levinson
- Land: USA
- Jahr: 1992
- Darsteller:
Ron Littman (Eugene), Mary Woronov (Eugene’s Aunt), Michelle Bauer (Michelle Novak), Elizabeth Kaitan (Lizzy), Hyapatia Lee (Dancer), David Henry Sterry (Dr. Kosloff/King of the Bums), Ruth Collins (Eugene’s Mother), Tammara Souza (Bunny), Gary J. Levinson (Donald), Dink O’Neil (Tony Sky), Wendy Spahr (Lisa Dye), Lonn Wade (Siamese Twin), Sean Wade (Siamese Twin), Rene Gonzales (Sheila)
Vorwort
Abt. Midnight Movies mit Jorge #001
Ich hatte es ja schon mehrfach angedroht, hier auch mal einige Filme vorzustellen, die ich mir mit meinem Kumpel aus Essen, nennen wir ihn mal Jorge Eastman, übers Jahr vor die Bindehaut klatsche. Denn da kommt richtig viel Müll bei rum, mitunter auch die ein oder andere Trashperle. So mancher davon schreit einfach schon nach einer Besprechung auf dieser unserer heiligen Seiten (die Reviews zu SHEROES und FIGHT TO WIN etwa entspringen diesen Sessions). Dazu kommt, dass wir uns derzeit bis zu 20 solcher Filme pro Monat geben, da kann ich für die Reviews dann sogar Cherry Picking betreiben. Also seid darauf gefasst, nun ein- bis zweimal pro Woche hier etwas in dieser Kategorie zu erwarten. Die Reviews werden nicht allzu ausufernd ausfallen, ich werde wohl auch noch mit dem neuen Format ein wenig rumspielen, um es so unterhaltsam wie möglich zu gestalten. Also habt Nachsicht mit mir und vor allem viel Spaß mit dem, was da so noch kommen mag.
Heute starten wir mit einem Kuriosum vom Bodensatz der Filmgeschichte. Der Macher von HELLROLLER hatte eine Idee, eine Videokamera und kein Geld. Dafür aber wohl gute Bekannte in der Filmmetropole Los Angeles, die ihm anscheinend einen Gefallen schuldeten. Beste Voraussetzungen also für ein Filmvergnügen der abseitigen Art…
Inhalt
Eugene ist wahrlich nicht zu beneiden. Er sitzt im Rollstuhl und lebt mit seiner Tante auf den Straßen der Stadt der Engel. Kein Wunder, das der arme Knabe notorisch unzufrieden ist. Ein wenig Luft kann er sich beim allabendlichen Besäufnis mit anderen Pennbrüdern vor der brennenden Tonne machen. Doch als er von einem fiesen Muskelpaket aus dem Fitnessstudio geworfen wird, wo er nur in Ruhe seine Arme trainieren wollte, hat er endgültig genug. Da trifft es sich gut, dass er genau im Anschluss den debilen Donald kennenlernt. Mit dem manipulierbaren Riesen als bebeinte, helfende Hand zahlt er es zuerst dem Bodybuilder heim. Dann trägt er seinen Zorn zu allen, denen es besser geht als ihm (pun intended). Allerdings erweist sich der notgeile Donald als keine große Hilfe, als es darum geht, die schöne Michelle zu ermorden. Also entledigt er sich mit ihrer Hilfe ihm und dann mit eigenen Händen ihr. Irgendwann befriedigt ihn sein Amoklauf aber nicht mehr. Er will, dass die ganze Welt so leiden muss, wie er sein ganzes Leben leiden musste. Mit der Hilfe des durchgeknallten Dr. Kosloff will er die gesamte Menschheit in querschnittsgelähmte Obdachlose verwandeln…
What’s the Deal here?
Gary J. Levinson hatte wohl die glorreiche Idee eines Bum-Slashers mit einem Serial Killer in Wheelchairs, aber leider nur die Videokamera, mit der er schon seinen Urlaub und Omas 80ten Geburtstag gefilmt hatte, und einen Faible für Guerilla Style Filming. In Levinsons Vita sind einige Bit-Parts in B-Produktionen zu finden, außerdem wird er bei EVIL SPAWN, CANNIBAL HOOKERS und HOLLYWOOD CHAINSAW HOOKERS als Produzent bzw. Associate Producer kreditiert, was nahe legt, dass er einige Leute im Business kennt und auch irgendwie Connections zu Leuten mit Anlagevermögen besitzt. Allerdings sieht HELLROLLER von vorne bis hinten nicht nach Low-Budget, sondern nach No-Budget aus. Schauplätze des Films sind Straßen, Hinterhöfe, ein Fitnessstudio, Hausflure und Motelzimmer (bzw. wahrscheinlich nur eins, wenn ich das richtig gesehen habe). Das Gros des Casts setzt sich aus erfolglosen Schauspielern zusammen, die hier mal so richtig aufdrehen dürfen. Eine Überraschung ist es, hier Mary Woronov (DEATH RACE 2000, ROCK’N’ROLL HIGH SCHOOL) zu finden, die seine Tante spielt. Ich mutmaße mal, dass er sie irgendwoher persönlich kannte. Sie tritt hier unter dem Pseudonym „Penny Arcade“ auf. Außerdem konnte er für die Opferrollen u.a. Michelle Bauer (HOLLYWOOD CHAINSAW HOOKERS) verpflichten, die sich sogar hüllenlos präsentiert. Für irgendwelche Effektarbeit war wohl kein Geld da, weswegen nur ein wenig Kunstblut, ein paar (gar nicht so schlechte) Props, u.a. eine Hand und ein Kopf, sowie ein paar Schafsgedärme zum Einsatz kommen. Am Ende schafft es HELLROLLER nur mit Müh und Not über die Stundenmarke, klatscht dann noch einen recht langen Abspann daran, indem einige der Darsteller und Darstellerinnen nochmals vorgestellt werden (ich wette, dass das Part of the Deal war). Levinson verstarb übrigens 2021 kurz vor Vollendung seines zweiten Films BEAST, der seitdem anscheinend beim für die Beschallung zuständigen Sound Engineer vor sich hingammelt. Ob wir sein Alterswerk jemals zu Gesicht kriegen?
Besonders lustig
– Eugene erfährt anfangs, dass die Frau, die er für seine Mutter hält, eigentlich seine Tante ist; diese deutet dann prompt an, dass er und sie mal gegangraped wurden, als er noch ein Kind war – „And as I couldn’t handle them all, they took advantage of you.“ Yikes!
– Während des Films tauchen immer wieder siamesische Zwillinge auf (gespielt von zwei Brüdern, ob Zwillinge, war nicht zu eruieren), die etwas rumalbern, Frauen angraben, aber eigentlich nichts zur Handlung beitragen.
– Michelle Bauer hält eine fast fünfminütige Gymnastik-Einlage ab und darf danach baden.
– Hyapatia Lee ihrerseits tanzt fünf Minuten halbnackt zu irgendeinem Techno-Song und duscht danach ausgiebig.
– Das dritte nackte Opfer wird quasi totgebügelt (also mit dem Bügeleisen auf dem Rücken verbrannt).
– Zweimal tötet Eugene Frauen, die einem Loser übel mitgespielt haben – er ist quasi der Rächer der (symbolisch) Entmannten!
– Nahezu alle Innenaufnahmen (abseits eines Hausflures und des Fitnessstudios) entstanden augenscheinlich im selben Motelzimmer.
– In der hysterischen Nachrichtensendung, die immer mal wieder eingeblendet wird (mit Tony Sky & Lisa Dye; die beiden Figuren fand ich beide schon sehr lustig), kommt eine Befragung zum Thema Tierversuche vor, in der eine Frau antwortet: „They should take bums instead. They have no life.“ („Sie sollten stattdessen Odachlose benutzen. Die haben kein Leben.“)
– Am Ende planen er und Dr. Kosloff, alle Menschen zu gehbehinderten Obdachlosen zu machen.
Was gibt es sonst noch zu sagen?
Während das Video-Equipment (schlechter Autofokus und noch mieserer Farbabgleich), das zur Verfügung stand, eher drittklassig war, scheint der Ton halbwegs vernünftig abgenommen worden zu sein. Dagegen bekommen wir musikalisch nur dumpfes Synthie-Gestampfe oder eher schlechte Sax-Passagen um die Ohren geknallt. Gary J. Levinson selbst übernahm die Rolle des debilen Donald. Auffällig ist hier, dass die Kameraführung in diesen Szenen, in denen der Regisseur selbst vor der Kamera agiert, viel besser ist als im Rest des Films. Hier übernahm dann wohl Kompagnon Stuart Hall, der mit ihm das Drehbuch schrieb und dieses Machwerk auch produzierte. Positiv ist auch der Schnitt hervorzuheben, der anscheinend relativ professionell durchgeführt wurde (die Indie-Klitsche Hollywood International Pictures war lose an der Produktion beteiligt). Da die Mordszenen ja Höhepunkte des Films bilden sollten (ist ja schließlich ’n Slasher), aber meist im Off stattfinden, arbeitet der Filmemacher mit Verfremdungen, um uns zu desorientieren. Das klappt aber nicht so sonderlich gut, weswegen es oftmals eher zum Kichern anregt. Der unfreiwillige Humor hilft dabei, auch über trockenere oder richtig schlechte Passagen hinwegzukommen. Der Film nimmt sich zudem auch selbst nicht sonderlich ernst und ich erinnere mich sogar an ein oder zwei gelungene Gags und Sprüche, wie etwa die ganze Sache mit der Nachrichtensendung. Ein blindes (oder gehbehindertes) Huhn findet auch mal nen Korn, wa.
Wo oder wie kann ich mit dem Dreck mein Aug beschmutzen?
Wie es scheint, ist HELLROLLER auf VHS und, siehe Beitragsbild, wohl auch 2013 auf DVD erschienen. Ich gehe mal davon aus, dass es relativ unmöglich ist, diese beiden heuer noch aufzutreiben. Aber wozu gibt es die Tube? Wer suchet, der wird finden. Bild und Ton befinden sich auf einem den Production Values angemessenem Niveau, es ist guck- und hörbar. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Was vom Tage übrig blieb
Als Slasher oder auch als schwarze Komödie ala STREET TRASH (den Gary J. Levinson hierbei sicherlich im Hinterkopf hatte) versagt HELLROLLER natürlich auf ganzer Linie. Das ist schlecht geschrieben, das Overacting versaut viel des intendierten Humors schon im Ansatz, und vom Zeitschinden durch Tittenschau brauchen wir gar nicht erst anfangen. Aber wenn man darauf kann und sich dessen gewahr ist, hat man auf jeden Fall viel zu lachen. HELLROLLER hat nicht viel zu bieten, aber das dann reichlich. Aber es gibt Möpse, einen hysterischen Nachrichtensprecher und einen misanthropischen Rollstuhlfahrer als Hauptfigur. Für solch einen Film bietet sich ein (Ultra-)Trashabend mit Freunden, Kaltgetränken und alles anderem, was einem hilft, hier noch mehr Spaß dran zu haben, förmlich an. Aber wirklich nur für hartgesottene Trashfans zu empfehlen.
BOMBEN-Skala: 9
BIER-Skala: 5
Review verfasst am: 05.03.2025