
- Deutscher Titel: Sasori - Den of the Beast
- Original-Titel: Joshû sasori: Kemono-beya
- Alternative Titel: Sasori 3 | Female Convict Scorpion: Department of Beasts |
- Regie: Shun'ya Itô
- Land: Japan
- Jahr: 1973
- Darsteller:
Meiko Kaji (Nami Matsushima/Sasori), Mikio Narita (Detective Kondo), Reisen Lee (Katsu), Yayoi Watanabe (Yuki), Kōji Nanbara (Sameshima), Takashi Fujiki (Tanida), Tomoko Mayama (Shinobu)
Vorwort
Abt. Geschwisterliebe
Der dritte Film um Sasori, die Skorpionin, greift eine Thematik auf, die auch schon von den Ärzten besungen wurde. Doch hingegen zu dem skandalösen Funpunk-Song aus den 80ern wurde der japanische Spielfilm nicht indiziert, sondern hierzulande nur mit einem rot warnenden FSK18-Sticker verziert (und lief sogar schon auf unser aller Lieblingssender ARTE; für irgendwas Sinnvolles müssen unsere Steuergelder ja draufgehen). Aber keine Sorge, der Film greift diese heikle Angelegenheit – behutsam aufklärerisch, wie er ist – auf einer rein exploitativen Ebene auf. Das ist zwar Kunst, aber eben keine bildende. Manchmal soll es eben nur Spaß machen; also so viel Spaß, wie ein derber Schlag in die Magengrube eben zu bieten hat. Aber gut, kommen wir zum Film en detail. Ihr wisst ja sicherlich noch alle, wie der vorangegangene SASORI – JAILHOUSE 41 ausgegangen ist. Ja? Das ist gut, dann muss ich ja an dieser Stelle nichts spoilern. Kommen wir also zum dritten Teil der Reihe…
Inhalt
Nami Matsushima befindet sich immer noch auf der Flucht. Ganz Tokio scheint zugepflastert mit Fahndungsplakaten, die ihr Gesicht zieren. In einer U-Bahn kommt es schließlich zu einer Konfrontation der Flüchtigen mit zwei Beamten in Zivil. Detective Kondo versucht, die Skorpionin dingfest zu machen, indem er sie mit Handschellen an sich kettet. Doch die ist nicht eben mal zimperlich, trennt ihm kurzerhand den Arm ab und kann im anschließenden Durcheinander entkommen. Auf einem Friedhof am Rande der Stadt trifft sie auf die Prostituierte Yuki. Diese hält in der Nähe ihren Bruder unter Verschluss, der nach einem Arbeitsunfall mit schwerer Kopfverletzung zu einem nur mehr triebgesteuerten Geisteskranken degeneriert scheint. Yuki gewährt der gesuchten Mörderin hier erst einmal einen sicheren Unterschlupf.
Es sind einige Monate vergangen. Matsu hat sich als Näherin verdingt und bewohnt am Rande der Millionenmetropole ein kleines Appartment. Ihre Beziehung zur unterwürfigen Yuki bekommt leichte Risse, als die ihr gesteht, dass sie von ihrem Bruder schwanger ist. Sie fordert ihre Freundin auf, ihn von seinem Elend zu erlösen und sie damit von ihrer Bürde zu befreien. Die geht aber nicht darauf ein, worauf sich Yuki entschließt, das durch Inzest gezeugte Kind zur Welt zu bringen.
Das Schicksal hält für die Skorpionin noch eine weitere, noch weit unerfreulichere Wendung parat. Der Liebhaber ihrer Nachbarin, ein Zuhälter, hat sie als die Flüchtige von den alten, verwitterten Fahndungsplakaten erkannt. Er will von ihr sexuelle Gefälligkeiten erpressen, doch sie bedroht ihn mit dem Messer. Als dann ihre eifersüchtige Nachbarin sich eines Nachts des Schleimbeutels entledigt, fällt der Verdacht auf Matsu, die daraufhin von den Verbrechern gefasst wird. Die Bordellchefin Katsu erkennt in ihr die ehemalige Mitgefangene Sasori, von der alle immer in Ehrfurcht und auch Angst sprachen. Sie hält sie mit Drogen betäubt in einem Käfig gefangen. Dann bietet sich ihr durch einen Zufall, eine Prostituierte stirbt nach einer brutalen Abtreibung neben ihrem Käfig, die Möglichkeit zur Flucht. Sie startet nun ihren unbarmherzigen Rachefeldzug, doch der einarmige Konda sitzt ihr schon bald unerbittlich im Nacken…
Besprechung:
Der dritte Sasori-Film DEN OF THE BEAST oder BEAST STABLE setzt tatsächlich kurz nach dem Ende des zweiten ein. Die Geschichte wird schön am Laufen gehalten und der Einstieg ins Geschehen fällt daher nicht schwer. Regisseur Shun’ya Itô macht sich das zunutze und haut uns Schlag auf Schlag wilde Szenen um die Ohren. Zuerst hakt Matsu ihrem Verfolger Konda an der U-Bahn-Tür einen Arm ab (was sicherlich nicht so leicht möglich ist, aber egal); schön ist auch, dass Konda fortan mit einem leeren rechten Ärmel durchs Geschehen schlendert (sieht mit seinem dick erscheinenden Trenchcoat, unter dem der echte Arm verborgen ist, aber nicht wirklich überzeugend aus). Dann wohnen wir der Geschwisterliebe bei, bei der uns Yuki das wohl gleichgültigste Gesicht beim Sex präsentiert, dass ich je in einem Film gesehen habe. Nein, ihr macht das bestimmt keinen Spaß. Danach gönnt sie sich eine Auszeit auf dem Friedhof, allerdings schon im Straßenstrich-affinen Arbeitsoutfit, wobei sie hinter einem Grabstein hockend Matsu entdeckt, die gerade am abgetrennten Arm knabbert. Splatter, Inzest und Kannibalismus – kann ein Film besser starten?
Es ist natürlich klar, dass FEMALE PRISONER SCORPION: BEAST STABLE danach ein bis zwei Gänge zurückschaltet. Aber ein Kindergeburtstag ist das, was folgt, dann aber auch nicht. Spätestens, wenn Matsu in die Hände von Puffmutter Katsu fällt, wird’s wieder äußerst ungemütlich. Nach ausgiebiger Folter steckt sie unsere mitunter liebste feministische Mörderin einfach mal in eine Voliere, die sie sich mit einigen Raben teilen muss. Es folgt die Parallelmontage einer schon unbehaglich erscheinenden gewollten und einer brutalen ungewollten Abtreibung (im geschätzt sechsten Monat!), wobei Itô glücklicherweise mehr auf die Kraft der Suggestion denn für sich selbst sprechende Bildnisse setzt. Die Rückkehr der unfreiwillig entkindeten Sexarbeiterin ins heimische Nest ihrer bösen Chefin (sprich, in den gleichen Raum, in dem auch der Käfig steht) bildet nun den Auftakt zu Sasoris Rachefeldzug. Denn rein zufällig hält das unter massiven Blutungen leidende Zwangsabtreibungsopfer in einer Hand krampfhaft ein Skalpell vom OP-Tisch des käuflichen (und bei der Prozedur wohl stark alkoholisierten) Doktors fest. Nach dem lieben Doktor werden in einer Montage gleich mal alle an dem grausamen Akt teilhabenden Handlanger der Madame kurz, aber schmerzvoll, abgefrühstückt. Und zum Finale kehrt der Todesengel dann freiwillig hinter schwedische Gardinen zurück. Ich möchte hier jetzt nicht zu viel vorwegnehmen, aber es ist ein passender Höhepunkt des Films.
Wie schon zuvor hat es Matsu hier mit zwei Kontrahenten zu tun. Zum einen ist da natürlich Detective Kondo, dem nach Verlustiggehung seines rechten Armes fraglos auch ein persönliches Interesse unterstellt werden darf. Es ist ja auch durchaus passend, dass er diesen verliert, so als sogenannter „Arm des Gesetzes“. Mir ist ja auch erst jetzt aufgefallen, wie dem auch bei Gefängnisdirektor Goda, seinem Pendant aus den ersten beiden Filmen, der Fall war, der ja in SASORI – SCORPION zum einäugig entstellten Monstrum wurde. Damit hatte er einst weniger, um damit auf die ihm anvertrauten Gefangenen zu achten. Manchmal muss einem sowas erst ins Auge fallen (gnihi). Kondo jedenfalls agiert zwar schon etwas aktiver als eben Gonda, weiß seine Stärke, kastriert durch den fehlenden Arm (vielleicht war er gar Rechtshänder?), aber auch erst in seiner Befehlsgewalt auszuspielen. So lässt er gen Ende die arme Yuki von Kendokämpfern verprügeln und führt die Suche nach Matsu als leitender Ermittler und Befehlshaber an, lässt in dieser Funktion dann fast alle Gullideckel verschließen, um der in die Kanalisation geflüchteten jedweden Fluchtausgang zu nehmen. Zum anderen gibt es noch Katsu, die Puffmutter und ehemalige Strafgefangene. Sie steht, wie im zweiten Film die Mitgefangene, die Matsu später in den Rücken fällt und sie vom weiteren Verlauf der Flucht ausschließt, für die bösen Frau aus dem Strafvollzug, die zurecht im Gefängnis gelandet sind, weil sie nicht nur schuldig, sondern gar bösartig anderen Frauen gegenüber waren, und deswegen in Angst vor der Skorpionin lebten. In der Männerwelt des Verbrechens behauptet sie sich, in dem sie andere Frauen erniedrigt und ausbeutet. Katsu ist die brutale Matriarchin der Unterwelt am Rande der Metropole Tokios, also eigentlich auch eine Ausgestoßene, und lässt Matsu ihren Hass erbarmungslos spüren. Allerdings wird beiden der Besuch des Gefängnisses, für Katsu als freiwillige Inverwahrungnahme zum Schutz vor Matsus Rache, für Kondo als vermeintlicher Abschluss des Falles mit einer Befragung der dem eben da schon dem Wahnsinn anheim gefallenen Katsu, zum Verhängnis.
Rein formal gibt es, von einigen nicht wirklich guten Special F/X und dem schon erwähnten lachhaften Trenchcoats Kondas abgesehen, wieder einmal kaum etwas zu beanstanden. Shun’ya Itô liefert mit seinem Kameramann, wieder war Masao Shimizu als DoP tätig, teils wunderschöne Bilder ab, bemüht häufig die für die Filmreihe prägnanten schrägen Perspektiven, es gibt also keinen Grund für Fans, sich hier nicht gleich heimisch zu fühlen. Ob nun U-Bahn, Friedhof, die Hütte des Inzestbruders, der Raum mit der Voliere, später dann die Kanalisation, in die sich Matsu flüchtet und am Schluss das Gefängnis, in das sie sich einschleust… oder auch nur die Straßen Tokios an sich – an pittoresken Hintergründen mangelt es hier wahrlich nicht. Die surreale Schiene fährt er, im Vergleich zu JAILHOUSE 41, ein Stückweit zurück. Wir bekommen nur die Ermordung des Abtreibungsarztes in einer realitätsverzerrten Sequenz präsentiert, daneben noch eine Rückblende Yukis und ein paar Standbilder. Wer sich dahingehend am Vorgänger störte (obwohl, wer sollte sich daran gestört haben?), kann hier also aufatmen. Jedenfalls sieht BEAST STABLE, nicht nur in seinen besten Momenten, mal wieder bestechend gut aus. Musik wird nur sporadisch und sehr bedacht eingesetzt, was der Atmosphäre durchaus gut tut. Das Ergebnis ist mitreißendes Exploitationkino der Toho Pinky Violence, ein Reißer allererster optischer Güte. Das war halt der Vorteil daran, dass solche Filme damals eben auch von den großen Studios produziert wurde – die hatten das geschulte Personal vor und hinter der Kamera, genauso wie die überzeugenden Studiobauten und die Mittel für entsprechende Außendrehs.
Fassung:
Das zur Abtastung des Films herangezogene 35 mm-Material schien ein wenig mehr in Mitleidenschaft gezogen als die Vorlagen für die ersten beiden Filme. Eine eine übermäßig starke Körnung macht sich im Bild bemerkbar, auch sind noch viele Beschädigungen erkennbar, die wohl nicht weiter entfernt werden konnten. Allerdings scheint hier das bei der Reihe bemängelte Problem mit den übermäßig in Blau gehaltenen Farbfiltern nicht so stark aufzutreten. In den meisten Fällen geben sich die Farbtöne natürlicher, was man etwa in Gesichtern, bei starken Lichteinfall und auch größeren, hellen Oberflächen ausmachen kann. Aber auch hier lag mir keine DVD zum Vergleich vor. Beim Ton lässt sich genauso dann und wann ein leichtes Knistern und Knacken vernehmen, allerdings nicht in der Intesität oder Häufigkeit, dass es stören würde. Insgesamt hinterlässt die Blu-ray von Arrow immer noch einen guten, wenn auch nicht den technisch überragenden Eindruck der Vorgänger.
Fazit:
Es gibt tatsächlich nicht viele Reihen, auch unter japanischen Genre- oder Exploitationfilmen, die das Niveau derart hochhalten können, wie es bei SASORI/FEMALE PRISONER SCORPION der Fall ist. Auch wenn der Film nach furiosem Beginn das Tempo drosselt und auch bis zum Ende hin nicht mehr auf die gleich hohe Drehzahl kommt, fällt er unterhaltungstechnisch in keinster Weise zurück. Eher noch im Gegenteil, ist er dem doch sehr surreal durchsetzten zweiten Teil in seiner eher geerdeten Action teilweise sogar wieder überlegen. Der WiP-Anteil wird freilich stark zurückgefahren, erst zum Ende hin geht es wieder hinter die in dieser Reihe so berüchtigten Mauern eines Frauengefängnis. Allerdings gibt sich der ansonsten gar nicht so prüde, sogar ausgesprochen sleazige Film (wen wundert’s, spielt er sich die meiste Zeit im Prostituiertenmilieau ab und bietet zuvor noch eine Inzestbeziehung auf) dann ungewohnt handzahm, was aber auch in seinem Kontext Sinn macht, da Matsu freiwillig hierhin zurückkehrt (die Umstände spare ich, aus Spoilergründen, an dieser Stelle dann aber aus). Was am Ende zählt, ist, dass man mit FEMALE PRISONER SCORPION – BEAST STABLE eine Menge Spaß haben kann und als Fan des Pinky Violence ehedem nichts verkehrt macht. Auch hier gehen wieder beide meiner Daumen nach oben!
BOMBEN-Skala: 3
BIER-Skala: 8
Review verfasst am: 15.02.2024