
- Deutscher Titel: Sasori - Grudge Song
- Original-Titel: Joshû sasori: 701-gô urami-bushi
- Alternative Titel: Female Convict Scorpion: #701's Song of Hate | Lady Skorpió |
- Regie: Yasuharu Hasebe
- Land: Japan
- Jahr: 1973
- Darsteller:
Meiko Kaji (Nami Matsushima/Sasori)
Masakazu Tamura (Teruo Kudo)
Yumi Kanei (Kodama)
Hiroshi Tsukata (Hirose)
Yayoi Watanabe (Midori)
Sanae Nakahara (Akiko)
Akemi Negishi (Minamura)
Vorwort
Abt. Ein letzter Stich der Skorpionin Maiko Kaji
Alles Schöne geht einmal zu Ende. Meiko Kaji tritt in diesem vierten Teil der Sasori-Reihe ein letztes Mal als Nami Matsushima, die Skorpionin, auf. Allerdings zog es die junge Schauspielerin noch im selben Jahr weiter zu Toho, wo sie gleich mal eine weitere Kultfigur mit Leben füllte, nämlich LADY SNOWBLOOD. Und zu dem Film steuerte sie auch wieder mit „Shura no Hana/Flower of Carnage“ einen unvergesslichen Song bei. Diese Frau hatte in ihren erfolgreichsten vier Jahren auf der Leinwand bei drei der großen Filmstudios Japans ganze vier Film-Serien bestritten: STRAY CAT ROCK für Nikkatsu (5 Filme in 1970/71), SASORI und WANDERING GINZA BUTTERFLY für Toei (6 Filme in 1972/73) sowie LADY SNOWBLOOD für Toho (2 Filme in 1973/74). Vielleicht werden wir hier ja mal zumindest zu diesem Thema den Sack dicht machen, es fehlen dafür ja nur noch überschaubare drei Filme. Aber Fans von Sasori brauchen sich nicht grämen. Mit dem Abgang von Meiko Kaji war die Reihe für Toei noch nicht zu Ende, die Rückennummer #701 wurde in der Folge in den Jahren 1976/77 noch zweimal weitergereicht und dann 1991 für das V-Cinema, die damals oft bespielte Heimkino-Sparte des japanischen Filmmarktes, für ein einmaliges Comeback wiederbelebt. Und diese drei Filme wollen wir euch hier natürlich nicht vorenthalten. Aber nun erst einmal zum Abschluss der Sasori-Filme mit der hinreißenden Frau Kaji…
Inhalt
„Sasori! Sasori!“, ein Ruf ertönt und wird erhört. Die schwarzgewandete Rächerin schreitet bedächtig durch die menschenleeren Tunnel der U-Bahn. Dann ein Ortswechsel. Inspektor Hirose stürmt mit seinen Männern eine Hochzeitskapelle, Konfusion macht sich breit. Doch sie finden die gesuchte Nami Matsushima beim Anrichten der Braut und können sie, ihrer Gegenwehr zum Trotz, in Gewahrsam nehmen. Auf der Fahrt zum Gefängnis macht Hirose keinen Hehl aus seiner Verachtung gegenüber seiner Gefangenen. Seine Überheblichkeit rächt sich. Mit einem Ablenkungsmanöver kann Nami ihren Bewachern ein Schnippchen schlagen und entkommen. Kudo, ehemaliger Linksradikaler und selbst Opfer von Polizeigewalt, entdeckt die Flüchtige dann im Sanitärbereich eines Sexschuppens, in dem er arbeitet. Er nimmt sich ihrer an und versteckt sie im ehemaligen Hauptquartier seiner Gruppe von Möchtegern-Revoluzzern auf einem Schrottplatz. Doch eine Kollegin Kudos findet unter seinen Sachen bei der Arbeit die Handschellen Namis und bringt die Polizei wieder auf die richtige Fährte.
Hirose lässt Kudo festnehmen und unterzieht ihn einem strengen Verhör, dem er aber standhalten kann. Also lassen sie ihn frei, um ihn zu verfolgen und so der Skorpionin habhaft zu werden. Das klappt aber nur so mittelgut, denn die beiden können sich nach einer wilden Schießerei dem Zugriff der Polizei entziehen. Die wiederum stürzt sich erst einmal auf die alten Weggefährten Kudos, fischt verzweifelt nach Anhaltspunkten für den Aufenthalt der Flüchtigen. Die verstecken sich allerdings am letzten Ort, an dem Hirose nach ihnen suchen würde – bei ihm zuhause, mit seiner Frau als Geisel. Doch nach einem tödlichen Unfall müssen sie ihre Stellung aufgeben und sich trennen. Es kommt, wie es kommen muss, Kudo fällt der Polizei abermals in die Hände, die ihn nun richtig in die Mangel nehmen. Dieses Mal gelingt es ihnen, den jungen Mann zu brechen und mit seinen Informationen die Flüchtige wieder hinter Gitter zu bringen, wo sie dann ihrer Hinrichtung harrt. Hirose jedoch ist dies nicht genug, nur zu gerne würde er selbst für das Ableben von Nami Matsushima sorgen. Also entsinnt er einen hinterhältigen Plan, um seine Rache an ihr befriedigen zu können…
Besprechung:
Eigentlich hätte ja schon nach dem Vorgänger BEAST STABLE Schluss sein können. Jedenfalls, wenn man nach den Texttafeln am Ende des Films geht, die uns die ungewisse Zukunft von Nami Matsushima suggerierten. Doch im Vorstand von Toei dachte man sich wohl „Geld!“ und schob, solange das Teil noch heiß war, schnell einen weiteren (vorerst) nun wirklich finalen Film nach. Ich kann es natürlich nur mutmaßen, aber für Regisseur Shun’ya Itô schien die Angelegenheit nach drei Filmen wohl selbst abgeschlossen. Auf jeden Fall war er dieses Mal nicht mit an Bord, es übernahm Sleaze-Spezialist Yasuharu Hasebe, bisher eigentlich nur für Konkurrent Nikkatsu tätig, der zusammen mit den beiden Ko-Autoren der ersten Teile, Fumio Kônami und Hirô Matsuda, wohl auch in aller Schnelle mal ein weiteres Drehbuch zusammenklöppelte. Denn eines muss man unumwunden sagen, in GRUDGE SONG offenbart die Reihe die ersten merklichen Abnutzungserscheinungen. Es ist beileibe kein schlechter Film, fällt aber im Vergleich zu den Vorgängern dann aber doch merklich ab. Und es ist schon komisch, dass gerade Hasebe, der im Übrigen schon einige Male mit Meiko Kaji bei Nikkatsu gearbeitet hatte, u.a. dem vorzüglichen STRAY CAT ROCK: SEX HUNTER!, zu dem Thema SASORI auf den ersten Blick so wenig eingefallen ist. Denn GRUDGE SONG ist vor allem eins – für einen Film der Reihe und auch im Kontext des Pinky Violence erstaunlich zahm. Doch dann entdeckt man langsam, dass doch mehr dahinter zu stecken scheint. Aber erstmal der Reihe nach…
Der Film ist mal wieder grob in drei Akte unterteilt. Als erstes haben wir da die erneute Flucht, die dann in einer Geiselnahme gipfelt. Dann folgt der erneute Versuch, die Skorpionin mürbe zu machen, sie zu unterwerfen, bevor dann ihr Schicksal durch die Hinrichtung besiegelt wird. Ganz zum Ende steht dann natürlich die Katharsis, ich glaube, ich mache den Film niemanden madig, wenn ich jetzt verrate, dass dies natürlich die Rache Sasoris an ihren Widersachern bedeutet. Yasuharu Hasebe treibt das Geschehen die meiste Zeit flott voran, nimmt in der ersten Hälfte des Films eigentlich immer nur dann das Tempo heraus, wenn es entweder a) nackte Haut zu bewundern gibt oder b) Hirose oder Kudo etwas zu sagen haben. Eigentlich erscheinen auch sie in dieser Spanne als die wesentlichen Pfeiler der Geschichte, da Nami nach ihrer Flucht eigentlich stets in Passivität verharrt. Während der finale Rache-Akt nur wenige Minuten beansprucht, nimmt sich der Film für den Women-in-Prison Part dann doch wieder etwas mehr Zeit. Dennoch fällt auch dieser im Vergleich mit den Vorgängern eher reduziert aus. Im Todestrakt sitzt Sasori in Einzelhaft, wartend auf ihre Hinrichtung. Die einzige „Interaktionen“, wiederum durchgehend von ihrer Seite aus passig, stellen der Besuch von Hirose und seinen Kollegen, die sie möglichst nah an den Rand des Todes prügeln und demütigen wollen, sowie die Läuterungsversuche der jungen Wärterin dar. Da wir als Fans der Serie hier schon andere Kaliber gewohnt sind, ist die Intensität dieser Szenen dann auch überschaubar. Der Versuch Hiroses, auf seine ganz eigene Art Gerechtigkeit und vor allem sich selbst Genugtuung walten zu lassen, läutet dann das Finale ein und darf auch gerne als Höhepunkt des Films angesehen werden. Der danach folgende letzte Auftritt der Skorpionin im schwarzen Rächergewand dient dann dazu, als Nachklapp lose Enden abzukappen und das Mystery der Serie, Sasori als übernatürliche, fast schon geisterhafte Frauenfigur, die das Patriarchat für ihr frauenfeindliches Handeln knallhart bestraft, aufrecht zu erhalten.
Es gibt durchaus ein paar nette Details zu bewundern, wenn etwa eine Mitarbeiterin dem eher desinteressiert wirkenden Kudo in der Hose rumfummelt, während sie im Regieraum den Ablauf einer Stripshow überwachen. Hasebe unterstreicht auch Kudos Hintergrund mit einigen kurz eingestreuten S/W-Flashbacks von einer von Polizisten überrannten Demonstration und der anschließenden Folter im Polizeigewahrsam. Sowieso arbeitet Hasebe hier gerne mit Montagen von Momenteindrücken, wie man sie etwa aus den Yakuza-Filmen von Fukasaku her kennt. Das Versteck auf dem Schrottplatz zieren nicht nur alte Parolen und Umsturzpläne, sondern auch eine lustige Kreidezeichnung eines „Bullenschweines“. Außerdem bricht Kudo erst ein, als man ihm nach den verschärften Verhör mit seiner verwitweten Mutter konfrontiert. Die sieht hier auch ein wenig aus wie ein Geist, der ihn heimsucht. Und im Gefängnis tritt dann das Gefälle in der Hierarchie zwischen Männern und Frauen deutlich zu Tage – nur die Frauen, die hart, sadistisch und erbittlich gegen andere Frauen vorgehen, können im Patriarchat bestehen; aber bitte unter den Männern. Schön auch, wie der Galgen im Hof des Frauengefängnisses von schwarzgekleideten Männern mit großen schwarzen Hüten vorbereitet wird. Zum Finale hin halten dann auch kurze psychedelische Farbspielereien dann wieder Einzug. Am Ende geht Sasori dann, wie ein Geist, genauso wie sie gekommen ist – durch den leeren Tunnel der U-Bahn. Das passt zwar alles recht gut, setzt auch durchaus eigene Akzente, aber trotzdem kann man sich stellenweise nicht des Eindrucks verwehren, dass man es auch als Trademark einfach nochmal mit reinnehmen wollte. GRUDGE SONG kommt also durchaus mit Sleaze, Gewalt und dem richtigen Styling daher, es wirkt aber nicht zwingend, nicht als Gesamtkunstwerk, sondern eher um den Anspruch an einen SASORI-Film zumindest formal zu genügen. Er steht mit den Vorgängern von Shun’ya Itô eben nicht mehr so ganz in einer Linie.
Erst zum Ende hin sucht der Film nach einen tieferen Sinn, geht über den reinen Selbstzweck hinaus und fügt dem Ganzen dann doch noch eine ganz eigene Note hinzu. Das beginnt mit der brutalen Vergewaltigung einer jungen Wärterin durch die Polizeibeamten um Hirose. Hasebe walzt diese Szene, eigentlich auch eher untypisch, nicht aus. Sie dient nur den Zweck, diese junge Frau den Beamten gefügig zu machen. Sie erpressen sie damit, dies öffentlich zu machen und so ihr Leben zu zerstören, wenn sie sie nicht bei ihrem Plan unterstützen sollte. Man merkt, es waren andere Zeiten (und in Japan herrschen ja nochmal ganz andere Sitten als in unseren Gefilden), wenn die Polizisten der jungen Wärterin darauf drohen, es öffentlich zu machen, dass sie vergewaltigt worden ist, sie damit bloßzustellen und ihr Leben zu ruinieren. Der Film deutet am Ende dann an, dass in ihr so etwas wie eine neue Skorpionin geboren worden sein könnte. Eine Frau guten Glaubens (sie war immer freundlich zu den Insassinnen des Todestrakts und hat versucht, ihnen dabei zu helfen, friedvoll mit ihrem Leben abzuschließen; sie wurde dafür natürlich von ihren Kolleginnen gemobbt), der von bösen Männern übel mitgespielt, von ihnen gedemütigt und unterworfen wurde. Es bleibt (leider) nur bei vagen Hinweisen, aber immerhin gibt es uns das Gefühl, dass der Filmemacher uns etwas sagen wollte, das wir für uns selbst herausdestillieren sollen.
Meiko Kaji liefert mal wieder eine routinierte Vorstellung als Sasori ab, aber die Rolle konnte sie zu der Zeit wahrscheinlich sogar schlafwandelnd spielen. War ihr Charakter schon in den vorangegangenen Teilen keine Quasselstrippe, kann ich mich nicht erinnern, dass ihr hier überhaupt ein Wort über die Lippen gekommen wäre. Wieder ein nettes Detail, das sich zu den anderen schon erwähnten reiht und aufzeigt, warum Hasebes Beitrag zur Serie vielleicht der bisher schwächste ist, aber dennoch sehenswert bleibt. Ihr zur Seite steht mit Masakazu Tamura als Kudo ein sympathisch wirkender junger Mann, dem aber in seiner Sturm und Drang-Phase mehr zugesetzt wurde, als er psychisch vertragen konnte. Die in ihm aufgestaute Wut bricht sich unter Druck dann Bahn und hinterlässt ihn als gebrochenen Mann, der vom Retter zum Verräter wird, nur um in sein jämmerliches Leben zurückkehren zu können. Tamura bringt das gut rüber, da gibt es nichts zu meckern. Er war der Sohn eines berühmten Stummfilm-Darstellers und hatte selbst seine beste Zeit aber wohl im japanischen TV, war aber auch u.a. in Fukasakus Mystery-Drama BLACK ROSE MANSION zu sehen. Ausgesprochen gut gefallen hat mir Hiroshi Tsukata als Inspektor Hirose, der als hasserfüllter Staatsdiener symbolhaft für die Nemesis der Sasori steht, den im Innern unsicheren, hinterhältigen und mysogynen Mann. Hirose ist zum Ende hin einfach nur bösartig, unter der anfangs ruhigen, überlegen aufspielenden Oberfläche brodelt es, bricht dann den Film über immer mehr aus ihm heraus. Spätestens nach dem Tod seiner Frau, für den er einzig Nami verantwortlich macht, lässt er alle Hemmungen fallen. Leider lässt sich zu Hiroshi Tsukata Hintergrund rein gar nichts eruieren, selbst in der IMDb gibt es nur diesen Eintrag zu GRUDGE SONG, weiter nichts. Die weiteren weiblichen Rollen sind gut besetzt, ihnen wird aber nicht sehr viel Screentime eingeräumt. Zuerst hätten wir da die strenge, unbarmherzige Gefängnisdirektorin, gespielt von Kaoru Kusuda (LADY SNOWBLOOD). Die junge Wärterin des Todestraktes, die ja durchaus eine entscheidende Rolle innehat, konnte ich im nachhinein leider nicht zuordnen.
Fassung:
Es scheint so, dass das Ausgangsmaterial zu GRUDGE SONG ein wenig besser in Schuss gewesen ist als es noch bei BEAST STABLE der Fall war. Ich habe auf jeden Fall weniger Beschädigungen und Grobkörnigkeiten wahrgenommen. Einen Vergleich mit der alten DVD konnte ich auch hier nicht vornehmen. Abschließend muss ich die Arbeit, die Arrow in seine Box investiert hat, nochmals loben, trotz der Farbunstimmigkeiten. Die Filme sahen sicherlich trotzdem nie besser aus. Über das Farbdesign der Erstausgabe der Box, die auch mein Regal ziert, mag sich vortrefflich streiten lassen, über den Inhalt allerdings weniger. Neben den Filmen auf Blu-ray & DVD ist hier auch noch massig Bonusmaterial zu finden – Interviews, Essays, ein Poster sowie ein 58-seitiges Buch. Wer also ein wenig in die Materie eintauchen möchte, ist hier bestens aufgehoben.
Fazit:
Die Story von FEMALE PRISONER SCORPION: #701s GRUDGE SONG erscheint selbst im Kontext der Reihe vergleichsweise dünn. Das rührt vor allem wohl daher, dass die wesentlichen Punkte der Geschichte eben nur Variationen von Themen der vorangegangenen Teile sind. Regisseur Hasebe scheint dabei erstaunlich wenig mit der Figur selbst anfangen zu können, bleibt sie doch sogar noch passiver als sonst, reduziert auf einen Spielball der männlichen Protagonisten, egal, ob ihr zugewandt oder opponiert. Doch genau hieraus zieht der Film dann letztlich seine Stärke, setzt seinen eigenen Schlusspunkt und erstreitet sich so doch noch seine Existenzberechtigung in dieser Reihe. Auch wenn man also konstatieren muss, dass vieles an diesem Film ein wenig wiedergekäut wirkt, kann er dem Ganzen in den Schlussminuten eigene, neue Facetten abringen. Das mag kein rundes Ende für die Reihe darstellen (das wäre es auch bei BEAST STABLE schon nicht gewesen), aber eben doch als durchaus unterhaltsames Werk punkten. Als Fan darf man zufrieden sein, denn mehr SASORI mit Kaji ist in diesem Fall immer noch besser als weniger SASORI. Wir dürfen gespannt sein, wie sich die beiden Nachklapps zur Reihe aus den Jahren 1976 und 1977 dagegen schlagen werden.
BOMBEN-Skala: 3
BIER-Skala: 7
Review verfasst am: 02.03.2025