Frankensteins Höllenmonster

 
  • Deutscher Titel: Frankensteins Höllenmonster
  • Original-Titel: Frankenstein and the Monster from Hell
  • Alternative Titel: Frankenstein ja vampyyrin kosto | Frankenstein contra el monstruo | El discípulo del terror |
  • Regie: Terence Fisher
  • Land: Großbritannien
  • Jahr: 1974
  • Darsteller:

    Peter Cushing (Victor Frankenstein), Shane Briant (Dr. Simon Helder), Madeline Smith (Sahra), Charles Lloyd Pack (Prof. Durendel), David Prowse (Monster)


Vorwort

Wenn man zwei Filmmonster mit den Hammer-Studios verbindet, dann sicherlich Dracula und Frankenstein, waren sie es doch, die der kleinen britischen Produktionsschmiede die Tür zum Weltruhm geöffnet hatten. Anno 1957 mit FRANKENSTEINS FLUCH und im kommenden Jahr mit DRACULA, wobei ersterer überhaupt dafür sorgen konnte, dass weitere alte Universal-Klassiker neu gedreht werden konnten. Nach dem gewaltigen Erfolg von FRANKENSTEINS FLUCH (er spielte immerhin fast das 70-fache seines 500.000 Dollar Budgets ein) zeigten sich die angeschlagenen Universal-Studios sehr überrascht – und es kam zu einer offiziellen Zusammenarbeit, sodass man sich bei Hammer auch nicht mehr um Copyright kümmern musste (Mary Shelleys Roman war damals schon in der Public-Domain, aber das ursprüngliche Drehbuch hatte man doch nochmal überarbeitet). So kam es dann zu DRACULA im folgenden Jahr, aber das ist eine andere Geschichte…

Die Geschichte um den Baron Frankenstein wurde nach dem Megaerfolg natürlich weitergesponnen, und es folgten weitere Filme mit dem nun zum Horrorstar gewordenen Peter Cushing, als experimentierfreudigen Baron. Christopher Lee, der danach Dracula zu seiner Trademark machte, spielte Frankensteins Monster jedoch nur im Original.

Insgesamt folgten in den nächsten 17 Jahren noch vier weitere Frankenstein-Filme, drei davon auch unter der Regie von Terence Fisher, dem Hammer-Regisseur schlechthin und der auch schon das Original gedreht hatte: FRANKENSTEINS UNGEHEUER (1964), FRANKENSTEIN SCHUF EIN WEIB (1967), FRANKENSTEIN SUCHT EIN NEUES OPFER (1969) und zum Schluss schließlich FRANKENSTEINS HÖLLENMONSTER, welcher bereits 1972 fertiggestellt, aber erst zwei Jahre später 1974 veröffentlicht wurde. Und damit auch der Gegenstand der heutigen Besprechung. Und man möchte durchaus meinen, dass ein Hammer-Frankensteinfilm nicht auf eine Seite gehört, die sich schlechten Filmen verschrieben hat – Die Hammer Filme waren B-Filme und waren trotz ihrer großen anfänglichen Erfolge nie große Titel, aber sie wirklich „schlecht“ zu nennen wäre äußerst fraglich.

Doch 1974, oder bzw. 1972, befand sich das Studio bereits im Sterben. Der typische Gothic-Horror der späten 50er und 60er Jahren versprach kaum noch Erfolg und Hammer hatte den Sprung zum brutaleren, zeigefreudigen Horror verpasst. Denn es war nie Hammers Art, Brutalitäten zu zeigen, alleine schon aufgrund der Zensur der britischen Politik. Die Erfolge des Studios flauten ab, doch für einen letzten Streich im Frankenstein Franchise trommelte Hammer-Chef Michael Carreras aber nochmal die Altstars zusammen. Darunter nicht nur Peter Cushing und Terence Fisher, der nach knapp 3 Jahren wieder zu seiner Tätigkeit zurückkehrte, sondern auch Anthony Hinds als Drehbuchautor, der auch die Drehbücher zu FRANKENSTEINS FLUCH und DRACULA verfasste. Dieser hatte seinen Posten in der Chefetage zwar schon einige Jahre zuvor räumen müssen, aber er steuerte dennoch ein Drehbuch unter einem Pseudonym bei.

Und so wurde FRANKENSTEINS HÖLLENMONSTER letztlich mit einem geringen Budget von knapp 140.000 Pfund in den Elstree-Studios gedreht. Die heimischen Bray-Studios hatte man 1970 schon verlassen müssen.
Doch nun genug mit dem traurigen Niedergang des Kult-Studios. Wie sah der letzte Frankenstein-Film denn nun aus…?


Inhalt

Eine Hammer-Produktion erkennt man natürlich nicht nur an den schönen blutroten, geschwungenen Lettern, die A HAMMER PRODUCTION titulieren, sondern schon daran, dass der Film mit einer leisen, düsteren Musik auf einem Friedhof bei Nacht beginnt. Dort ist (natürlich) ein Grabräuber dabei, eine Leiche auszugraben, und nachdem diese Schandtat auch erfolgreich vor dem dahintrottenden Polizisten versteckt werden konnte, karrt er den Körper sogleich zu seinem Auftraggeber: Dem jungen Mediziner Simon, der nicht nur ein Fan von Frankenstein ist, dessen Schriften er studiert, sondern schon sein Handwerk fortführt und dabei ist, genug Leichenteile anzuhäufen, um einen neuen Menschen zu erschaffen. Der Leichendieb scheint kein Freund davon zu sein, aber das Geld nimmt er trotzdem. Im nächsten Wirtshaus wird dieser dann aber von dem Polizisten als die Person erkannt, die vorhin auf dem Friedhof umherstrich – und sogleich verhaftet. Doch nicht ohne zu verraten, wer sein Auftraggeber war. Der Polizist schaut so bei Simon vorbei und entdeckt dessen Leichen-Sammelsurium. Nachdem in einem kurzen Streit ein Glas voller Augen auf den Boden fällt, hat der Polizist genug: Er verhaftet Simon aufgrund von Hexerei und stellt ihn just vor das Gericht, das schon zuvor Frankenstein verurteilte. Der Richter lässt aber Gnade walten und verurteilt Simon zu 5 Jahren in einer Nervenheilanstalt. Dort angekommen muss er nicht nur ein demütigendes Willkommensritual über sich ergehen lassen (er wird vor versammelter Insassen-Mannschaft mit dem Feuerwehrschlauch abgespritzt), sondern darf auch den alkoholkranken Anstaltsdirektor kennenlernen. Und den Arzt der Anstalt, den er als totgeglaubten Frankenstein erkennt: Und dieser ernennt Simon zu seinem Assistenten…

Besprechung:

Ja, auf den ersten Blick scheint FRANKENSTEINS HÖLLENMONSTER ganz im Fahrwasser seiner Vorgänger zu schwimmen. Der scheinbar unbeirrbare Baron Frankenstein kann es nicht sein lassen und trotz unzähliger Fehlschläge (wobei nicht ganz klar ist, inwiefern die Frankenstein-Teile jetzt zusammenhängen) führt er seine Experimente immer weiter fort. Nach der kurzen Einführung des jungen Simon Helder und seiner Verurteilung, mit der sich der Film auch nicht aufhält, geht es auch gleich schon zum zentralen Handlungsspielort, die der Film während den restlichen 80 Minuten auch nicht mehr verlässt, nämlich der Nervenheilanstalt. Und hier lässt sich auch sofort erkennen, dass das Budget des Hammer-Oeuvres inzwischen stark zusammengeschrumpft war, denn während das Setting in den anderen Teilen, oder etwa auch in den Dracula-Filmen, geradezu stilvoll zelebriert wurde, zeigt sich dieser Spielort hier weitaus weniger elegant und episch. Die Sets sind deutlich kleiner und es gibt so gut wie keine Außenaufnahmen mehr. Und die, die es gibt, lassen sich als völlig Hammer-untypische Miniaturbauten erkennen. Trotz dessen aber kann der Film die typische Hammer-Atmosphäre aufbauen, alleine schon, weil es in einer Irrenanstalt spielt. Die engen Gänge der Anstalt, die fast schon kerkerhaft angelegt sind, lassen Düsternis aufkommen, der Fackelschein und die viktorianische Kleidung lassen auch weiterhin alles in typischen Hammer Gothic-Look erscheinen, auch wenn Nebelschwaden völlig fehlen.

Doch die Hammer-Filme definierten sich ja ohnehin nie wirklich durch ihre große Set-Vielfalt oder ihrer gewaltigen Inszenierung. Etwas, das diese Filme immer übermäßig auszeichnete, waren auch ihre Darsteller. Und hier übersteigt Peter Cushing natürlich wieder alle anderen. Sein Erscheinen nach einer knappen Viertelstunde, stilecht mit Frack und großem schwarzen Zylinder, wertet den Film sofort auf. Zwar trägt er diesmal eine etwas unecht aussehende goldene Perücke (die ihn nach eigener Aussage wie Helen Hayes aussehen ließ) und ist nach dem traumatischen Tod seiner Frau im Vorjahr sichtlich gealtert und abgemagert, aber dennoch spielt er den Baron so gut wie eh und je. Ein schneidiger Mann mit charmantem und eleganten Äußeren, doch mit etwas Boshaftem, Umtriebigem im Inneren: Ein Wahnsinn zwischen wissenschaftlicher Genialität und dem menschlichen Streben nach absoluter Perfektion, koste es, was es wolle.

Doch auch abseits davon kann man sich nicht beklagen: Der junge und idealistische Simon wird etwa von Shane Briant gemimt, der auch in den Hammer-Filmen KAPITÄN KRONOS – VAMPIRJÄGER (1973) und DÄMON DER SEELE (1972) spielen durfte und hier eine gute Figur macht. Abseits davon ist aber auch nicht besonders viel gefordert, weswegen auch die Kreatur Frankensteins (logischerweise) besonders wichtig ist. Wie bereits erwähnt wird sie nicht von Christopher Lee gespielt, der sich zu jenem Zeitpunkt sowieso so gut wie komplett von dem Studio abgewandt hatte. Aufgrund des kleinen Budgets unterscheidet sich das Monster auch massiv von allem bisher dagewesenen. Es gibt keine leichte, aber eindrucksvolle Make-Up Maske mehr, sondern eine kostengünstigere Vollmaske, eher ein Kostüm. Und diese macht das Monster kaum noch menschlich, sondern mehr zu einer animalischen Bestie, die eher an Bigfoot oder den Yeti denn an einen Menschen erinnert. Getragen wurde diese von dem Darth-Vader Darsteller David Prowse, der diesen Job schon in FRANKENSTEINS UNGEHEUER (1970) übernommen hatte. Die Kreatur ist weniger offensichtlich hilflos, wie etwa noch im Original von 1957, sondern übermenschlich stark, aber weiterhin ein Symbol von Traurigkeit und der Morbidität seines Erschaffers.

Doch nicht nur im Monster unterscheidet sich dieses Hammer-Werk so stark von den anderen. Es ist stark zu erkennen, dass Hammer sich zwanghaft dem Zeitgeist anpassen wollte, und auch musste. Also baute man blutigere Effekte ein und wurde im allgemeinen deutlich expliziter, was die Untaten von Frankenstein angeht. Die Operationen am Gehirn werden offen gezeigt und auch wenn diese heute leicht als Attrappen erkannt werden können, ist es ungewöhnlich, so jemanden wie Cushing in einer solchen vergleichsweisen brutalen Szenerie zu erleben. Doch es ist eine willkommene Abwechslung, und auch wenn die Mischung aus blutigeren Euro-Horror und Hammer-Atmosphäre ungewohnt ist: Man übertreibt es dennoch nicht und findet einen guten Mittelweg. Auch wenn es etwas obskur ist, wenn Cushing als Frankenstein eine Blutzufuhr mit den Zähnen unterbricht oder ausversehen ein Gehirn zu Matsch zertritt.

Hinzu kommen noch die Insassen, die am Anfang in einer kurzen Visite „vorgestellt“ werden. Sie spielen zwar keine eklatante Rolle außerhalb davon, „Material“ für den Doktor zu bringen, aber sie spiegeln dessen Zustand auch wieder. Ein Mann, der sich für Gott hält, ein Mann mit Gehirnschwund, der dennoch schöne Skulpturen schuf. Selten wirkte ein Hammer-Film so „desolat“ in seinen Charakteren. Baron von Frankenstein ist hier endgültig zu einem Verrückten verkommen, der nur noch an der Oberfläche etwas Idealistisches hat und ansonsten nur noch um seinetwillen die Experimente ziellos fortsetzt.

Fazit:

FRANKENSTEINS HÖLLENMONSTER ist gerade zum Abschluss des Franchises ein ganz besonderer Film geworden und hebt sich deutlich von den anderen Vertretern ab. Trotz kleineren Mitteln und einer eingeschränkten Umgebung schafft es der routinierte Terence Fisher in seinem letzten Film überhaupt, immerzu ein Interesse aufrecht zu erhalten. Der Film hat tatsächlich keine Längen und ist nie Langweilig. Peter Cushing sieht man ohnehin immer gerne, auch wenn man zugeben muss, dass er bessere Tage gesehen hat, doch das tut seinem Auftritt hier keinen Abbruch.

Es hätte sogar noch weitere Filme geben können – Hammer hoffte mit der neuen Mischung und mit mehr Gewalt wieder besser Fuß fassen zu können. Immerhin bleibt Frankensteins Geschichte letztlich, wie immer zuvor, offen. Bei einem Erfolg hätte Hammer sicherlich noch in ähnlicher und sogar besserer Weise nachlegen können.
Doch wie Bekannt war dem nicht so und FRANKENSTEINS HÖLLENMONSTER war kein Erfolg beschieden, im Gegenteil. Nach sehr ernüchternden Einnahmen in England war der Start in den USA eine absolute Katastrophe. In der ersten Woche konnte er gerad einmal etwa 3000 Pfund einnehmen und Hammers-Schicksal war damit fast schon besiegelt. In Deutschland erhielt der Film erst gar keinen Kinostart und wurde erst im Zuge einer Veröffentlichung von Anolis sehr zufriedenstellend synchronisiert. Es folgten nur noch eine Handvoll ähnlicher obskurer Filme wie DIE 7 GOLDENEN VAMPIRE (1974). Doch nachdem auch dieser Versuch, altmodischen Horror mit Martial-Arts zu vermischen, fehlschlug, musste Hammer 1979 nach ihrem letzten Kinofilm Konkurs anmelden.

Doch so oder: Für Hammer-Fans, die die restlichen „typischen“ Vertreter schon kennen und mögen, ist auch dieser Film hier mindestens sehenswert. Er ist gewohnt atmosphärisch, bietet einen wie immer hervorragenden Peter Cushing und neue, blutigere Ansätze. Es mag damals nicht funktioniert haben, doch für mich hat es das heute umso mehr!


BOMBEN-Skala: 4

BIER-Skala: 7


mm
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Xwing
Xwing
10. März 2023 13:42

Ich hätte Hammer den Erfolg gegönnt. Andererseits, wer weiß, was da für Filme heutzutage rumkommen würden.

Volker Glacer
Volker Glacer
15. März 2023 13:20

Bei „Frankensteins Ungeheuer“ war Freddie Francis der Regisseur.