
- Original-Titel: Joshû sasori: Satsujin yokoku
- Regie: Toshiharu Ikeda
- Land: Japan
- Jahr: 1991
- Darsteller:
Natsuki Okamoto (The Girl/Sasori)
Minori Terada (Kaizu)
Kenji Imai (Goda)
Shinzô Hotta (Okizaki)
Mineko Nishikawa (Shindo)
Junko Miyashita (The Woman)
Dump Matsumoto (Prison Guard)
Vorwort
Abt. Long time no see
In den wilden 70ern des japanischen Kinos durften wir der Skorpionin ja schon sechsmal dabei zusehen, wie sie dem Unterdrückungsapparat Frauenknast trotzte und es dem fiesen Patriarchat, meist mit scharfer Klinge, heimzahlte. 14 Jahre später treten wir ein in die wilde Phase des aufblühenden V-Cinema (auf den Begriff selbst und seine Geschichte werden wir noch an anderer Stelle genauer eingehen, weil es dort besser passt), und Toei kramte auf der Suche nach Content für seine Videosparte die alte Franchise nochmals hervor. Ein durchaus naheliegender Gedanke. Ich muss zugeben, dass ich vor gut einem halben Jahr noch nicht einmal wusste, dass es diesen (ersten) späten Nachzügler gab, kannte nur das Remake von 2008 (ja, das kommt auch noch dran). Kaum hatte ich von seiner Existenz erfahren und eine Kopie ohne Untertitel (aus dem bekannten Internet-Archiv) auftreiben können, kündigte das britische Label Arrow dann sogar ein Boxset an, Bullets & Betrayal: V-Cinema Essentials, das dieses auf Blu-ray und erstmals Englisch untertitelt enthielt. Langer Rede, kurzer Sinn – die Box steht hier jetzt in meinem Regal und ich konnte mich von der Qualität des Direct-to-Video Nachzüglers der Sasori-Reihe (zwei weitere sollten innerhalb der 90er noch folgen, weitere zwei in den 2010ern), ohne dass die Sprachbarriere dem Vergnügen abträglich sein könnte. Es ist schon crazy, denn als ich Anfang des Jahres im Japanuary die erneute Sichtung der ersten Sasori-Box mit den bekannten Meiko-Kaji-Filmen startete, um sie hier zu besprechen, ging ich eben von diesen vier Filmen plus Remake von 2008 aus. Recht schnell gesellten sich dann die beiden anderen Inkarnationen des Charakters aus den 70ern dazu, und Stand jetzt liegen noch mindestens drei späte Filme der Reihe, die ich noch nicht kenne, vor mir (den letzten aus 2012 konnte ich bisher nicht finden). Aber kommen wir nun zum vorliegenden V-Cinema Ableger aus der Arrow-Box, der, Überraschung, mal kein Remake darstellt, sondern einen Soft-Reboot und gleichzeitig darin eine neue Origin-Story einfügt. Nicht schlecht, Herr Specht!
Inhalt
Eine Bettlerin durchstreift die Auffahrt eines Parkhauses, was den Fahrer eines deutschen Luxus-Automobils gar nicht passt und er ihr gegenüber seinem Ärger Luft macht. Als der Fahrer sich von ihr abwendet und seinem Arbeitgeber die Autotür öffnet, zieht die in dreckigen Lumpen gehüllte Frau plötzlich einen Revolver und erledigt beide Männer sauber mit Kopfschüssen. Schnell entfernt sie sich vom Tatort, legt ihre Verkleidung und es kommt eine junge Frau im stylish rotem Outfit zum Vorschein, die sich einige Ecken weiter auf ein dort abgestelltes Motorrad schwingt und in die Nacht entschwindet. Die gutaussehende Killerin arbeitet für den Yakuza Kaizu, der sie einst aus einer prekären Lage befreite und dann zur verführerischen Killermaschine ausbildete. Als der angehende, aussichtsreiche Politiker Goda, dem eine Narbe an einem herausgestochenden Auge ziert (zwinker, zwinker an das Original mit Kaji), an sie herantritt, um eine seit 20 Jahren in den Katakomben seines ehemaligen Gefängnisses vegetierende Gefangene namens Nami zu exekutieren, mag sie auch nur durch den Zuspruch ihres Mentors und Liebhabers annehmen. Denn der errettete sie einst aus der misslichen Lage, nach mehreren Tagen des brutalen Gangrapes in einem mit Zement gefüllten Fass auf einer Mülldeponie zum Sterben zurückgelassen worden zu sein. Kaizu nahm sich ihrer an und bildete sie zur erbarmungslosen Killerin aus.
Im Gefängnis wird sie in eine Zelle mit der aufsässigen Shindo und ihrer Gang gesteckt, auf dass sie dort Streit anfangen und in Einzelhaft gesteckt würde, von wo sie, unterstützt durch den Oberaufseher Okizaki, einem ehemaligen Gefolgsmann Godas, ihren Auftrag ungehindert ausführen könne. Allerdings sind die Mädels derzeit gar nicht auf Streit aus, denn sie planen einen Ausbruch, in dessen Zuge sie auch Nami aus der Einzelhaft befreien wollen. Dennoch gelingt es der Killerin durch gezielte Provokationen einen Catfight mit einer aufbrausenden Insassin zu beginnen und wird in die Katakomben unter dem Gefängnis gebracht, wo man sie mit einer Pistole ausstattet, auf dass sie nun tun solle, weswegen sie hergekommen ist. Von hier aus scheint alles ein Kinderspiel, sie kann die vermeintliche Knast-Legende aufspüren und töten. Jedoch muss sie feststellen, dass Goda sie hereingelegt hat. Um den Widerstand der anderen inhaftierten Frauen zu brechen wird sie nun abgeführt und im Hof quasi als lebender Beweis für den Tod Namis im Hof an ein Kreuz gekettet und dem Zorn der Mitinsassinnen ausgesetzt. Auch Kaizu lässt sie nun fallen, da Goda ihm eine hohe Position in Aussicht stellt. Man kann sich eben darauf verlassen, dass auf Männer, die untereinander mauscheln, kein Verlass ist. Ihre letzte Hoffnung liegt nun bei Shindo, die immer noch den Ausbruch plant und sich selbst davon überzeugen will, ob die als unsterblich geltende Skorpionin wirklich tot ist. Sie müssen feststellen, dass nichts so ist, wie es scheint…
Besprechung:
Als Toei Ende der 80er/Anfang der 90er begann sein Heimvideo-Segment, V-Cinema genannt, der steigenden Nachfrage wegen aufzustocken, war es sicherlich naheliegend, die alte Erfolgsreihe um die aufsässige Gefangene Nami Matsushima, auch Skorpionin genannt, wieder aufleben zu lassen. 14 Jahre waren seit dem letzten Film, damals schon in der dritten Inkarnation, vergangen. Tatsächlich entschied man sich bei der vierten Inkarnation für ein Soft-Reboot. Das heißt, dass hier zwar mit Natsuki Okamoto die nun vierte Schauspielerin in diese Rolle schlüpft, DEATH THREAT aber dennoch eine Fortsetzung des ersten Films mit Meiko Kaji darstellt. Der Clou der Story stellt sich nämlich so dar, und da nehme ich gewiss nichts Unerwartetes voraus, zumal es überall anders sowieso schon wie von Spatzen von den Dächern gepfiffen wird, dass die anfangs namenlose Killerin quasi das Zepter der alten Sasori aufnimmt, wenn sie in den Kerkergewölben schließlich hinter das schreckliche Geheimnis des ehemaligen Gefängnisdirektors Goda kommt. Dessen Auflösung werde ich an dieser Stelle aber nicht spoilern.
Der Werdegang unserer hübschen Killerin wird uns, ganz wie im Original, nur hier ziemlich spät im Film, per Rückblenden-Montage beigepult. Auf einen surrealen Anstrich hat Ikeda hier verzichtet, das ist alles recht down to earth, kommt dadurch aber auch recht hart rüber. Denn unser Schnuckelchen gerät bei einer wilden Partynacht an die falschen Männer, die sie entführen und als Sexsklavin gefangen halten, bis sie, nach Tagen von Vergewaltigungen, ihren Geruch nicht mehr ertragen können und in einem Fass mit Beton entsorgen. Allerdings haben sie nicht gewartet, bis der Beton trocken ist und so kann sich die gedemütigte und zum Sterben zurückgelassene junge Frau befreien und wird dann von Kaizu aufgelesen, der sie zur Killerin ausbildet. Hiernach werden wir noch Zeugen ihrer Rache sowie einigen kurzen Vignetten aus ihren Aufträgen. Das wird flott vorgetragen und ist nach zweieinhalb Minuten schon wieder vorbei.
Die Story an sich, und diese stammt wieder einmal, wie bei allen Sasori-Filmen zuvor, aus der Feder von Fumio Kônami, ergibt nicht immer so sehr viel Sinn. Wenn die Katze erst einmal aus dem Sack ist, fragen wir uns unweigerlich, wofür es die Killerin überhaupt gebraucht hat, und wie man die ganzen Fehler, bzw. die eigene Planung später rechtfertigen wollte. Sie wird in Einzelhaft gesteckt, kann entkommen und hat plötzlich auch eine Pistole. Klar, sie wird natürlich als Sündenbock missbraucht, Sasori als Symbol für die Aufsässigkeit und damit auch die Hoffnung auf Überwindung von den Mauern der männlichen Unterdrückung unter den Insassinnen muss ausgelöscht, eine Schuldige, an der sich deren Wut entladen kann, präsentiert werden. Aber der Weg dorthin ist schon mehr als holprig. Genauso verhält es sich dann beim Fluchtversuch von Shindo und ihrer Gang, bei dem sich die Wachen und später auch die Gefängnisleitung nicht gerade mit Ruhm bekleckern. Bei der Sasori-Werdung unserer Killerin gibt es dann endlich auch diese der Realität entrückten Einsprengsel, es ist eine wortwörtliche Staffelübergabe. Danach fragen wir uns gar nicht mehr, wie ihr die Flucht gelingt, schließlich wollen wir nun Zeuge davon werden, wie Sasori sich an der Männerwelt, die ihr, in Person von Goda und dem selbstsüchtigen Kaizu, nun der Bodyguard des Politikers, rächt. Und hier gehen mit Ikeda und dem Film, sagen wir sogar glücklicherweise, komplett die Gäule durch. Das Finale entschädigt für manch dämliche Wendung, flache Action und unschöne Längen. Das macht dann sogar richtig Spaß, auch wenn die neue Sasori hier auf ihr ikonisches schwarzes Outfit leider verzichten muss.
Toshiharu Ikeda, der in den frühen 80ern zuerst Erwachsenenfilme für Nikkatsu drehte, um dann erleben zu müssen, wie sein später gefeierter EVIL DEAD TRAP erst einmal im Giftschrank von Japan Home Video verschwand, gestaltet den größten Teil des Films eher zweckmäßig. Gewiss stand ihm kein großes Budget zur Verfügung, auch wenn Toei, dank gut ausgebauter Distributionswege und entsprechenden Personal sowie einem eigenen Studiogelände die aufwändigsten Heimkino-Premieren in Japan zu produzieren vermochte. Die engen Gänge innerhalb des Gefängnisses sind von Mauern aus Rigipsplatten gesäumt, genauso die Zellen. Das feuchte Kellergewölbe sieht durch und durch künstlich aus, der Innenhof hingegen wie eine Theaterbühne. Wäre man den Weg der früheren Filme gegangen, hätte das sicherlich zur unwirklichen Atmosphäre beitragen können, doch so wirkt es zuerst einmal einfach billig. Es ist kaum verwunderlich, dass sich DoP Shôhei Andô, damals gerade für seine Arbeit am Drama STING OF DEATH preisgekrönt, in den vielen statischen Aufnahmen kaum auszeichnen kann. Einzig bei den Szenen im Innenhof, wenn unsere Sasori in spe ans Kreuz gebunden der Wut ihre Mitgefanginnen ausgeliefert wird, gelingen ihm einige schöne Einstellungen.
Das Pacing von DEATH THREAT erweist sich in der Erzählung als hoch, in den einzelnen Szenen dann jedoch als mehr gemächlich, weswegen sich der Film eher mühsam voranzuschleppen scheint. Auf ausufernde, auch sexuelle Gewalt und Folter, sowie ausschweifende Nacktheit brauchen wir hier freilich nicht zu hoffen, auch wenn sich Natsuki Okamoto auch mal hüllenlos präsentiert. Das hat dann allerdings den Effekt, dass wir von der Inszenierung eingelullt werden, wobei ich Ikeda einfach mal unterstelle, dass das so gewollt ist, um dann das Erwachen der Hauptdarstellerin als neue Sasori dann als Weckruf an uns Zuschauer zu verstehen. Wie schon gesagt, dreht der Film erst zum Finale, das heißt in den letzten 20 Minuten richtig auf. Das Flüstern in den Gängen, das „Sasori“ raunt, wird eindringlicher, eine Erscheinung kündet von der Wiedergeburt der Skorpionin. Die Rache rückt für unsere Antiheldin in greifbare Nähe. Was folgt, ist nicht sonderlich spektakulär, hat aber genügend Schwung, um halbwegs mitzureißen ob der Freude um die Auferstehung der totgeglaubten Rächerin am Patriarchat. You’ve come a long way, baby. Aber genau deswegen sind wir ja auch hier, oder?
Hauptdarstellerin Natsuki Okamoto ist hübsch anzusehen und verkörpert auch relativ überzeugend die gnadenlose Killerin. Eine große Karriere war ihr wohl nicht beschert, in der IMDb kommt sie auf nur zehn Einträge. In ihrer Biografie ist vermerkt, dass sie leitende Angestellte war; vielleicht bei Toei selbst? Wer weiß. Das Aussehen, den desillusionierten Blick und auch die Physis für diese Rolle brachte sie auf jeden Fall mit. Den einäugigen Goda gibt hier Kenji Imai, ein erfahrener Actor aus alten Samurai- und Yakuza-Filmen (u.a. QUICK-DRAW OKATSU und YAKUZA GRAVEYARD), der auch die nötige Gravitas für diese Rolle einbringt. Als Yakuza Kaizu ist Minori Terada zu sehen; er bringt es als emsiger Nebendarsteller auf beachtliche 259 Einträge in der IMDb. Es ist schon lustig, ihn zum Ende im übelst hässlichen Jogging-Anzug neben Goda auf einer Wahlveranstaltung in den Straßen Tokios zu sehen. Shinzô Hotta, eigentlich ein Tokasatsu-Spezi (KAMEN RIDER, NINJA RAPTOR) trauert als Oberaufseher Okizaki, einstmals Godas rechte Hand, den alten Zeiten hinterher, er scheint einen Softspot für die Skorpionin zu hegen. In der Rolle einer übergewichtigen Wärterin, die sich schließlich auf die Seite der Flüchtigen schlägt, jedenfalls für einen Augenblick, denn sie bezahlt ihre Entscheidung mit dem Leben, ist die Wrestlerin Dump Matsumoto zu sehen.
Fassung:
Ich gehe mal davon aus, dass FEMALE PRISONER SCORPION: DEATH THREAT, wenn auch für das V-Cinema entstanden, doch noch auf Film, vermutlich 16mm, gedreht wurde. So verwundert es nicht, dass der Print auf der Blu-ray aus der Bullets & Betrayal Box von Arrow Video sauber, angenehm körnig und mit zwar nicht ausgeprägt strahlenden, aber durchaus ansehnlichen Farben gesegnet ist. Der Ton klingt gut, ist klar verständlich, auch wenn der sporadisch eingesetzten Musik ein wenig mehr Druck gut getan hätte. Das Vorwort von Experte Masaki Tanioka ist unbedingt zu empfehlen, auch der Video-Essay von Samm Deighan gewährt tiefere Einblicke in die Materie.
Fazit:
Anfangs dachte ich tatsächlich, dass mit dem Einstieg ins Videosegment nun die Luft aus der Serie raus wäre. Die Geschichte holpert zuerst mehr schlecht als recht voran, kriegt in der zweiten Hälfte aber wahrhaftig noch die Kurve. An die früheren Einträge in die Reihe, selbst denen ohne Meiko Kaji, kommt DEATH THREAT, alleine schon wegen der Einsparungen an Sets und routinierten Darstellern, nicht heran. Die Absenz von expliziter Gewalt und sleaziger Erotik im Stile der Pinku Violence der 70er könnte den ein oder anderen Fan sicherlich verschrecken, wer sich davon aber nicht beirren lässt und mit der low key Optik solcher Produktionen klarkommt, kann sich auf einen alles in allem doch recht anschaubaren Frauenknastfilm, freilich mit Höhen und Tiefen, freuen. Ich für meinen Teil habe es jedenfalls nicht bereut, auch wenn es mir vor den kommenden Filmen einigermaßen graut. Denn der Aufwand, den Toei in diese späten Nachfolger gesteckt hat, dürfte nicht eben größer ausgefallen sein, eher im Gegenteil.
BOMBEN-Skala: 6
BIER-Skala: 6
Review verfasst am: 27.06.2025