Zwei Girls vom Roten Stern

 
  • Deutscher Titel: Zwei Girls vom Roten Stern
  • Alternative Titel: An Affair of States |
  • Regie: Sammy Drechsel
  • Land: BR Deutschland/Österreich/Frankreich
  • Jahr: 1966
  • Darsteller:

    Curd Jürgens (Dave O’Connor), Lilli Palmer (Olga Nikolaijewna), Pascale Petit (Anja Petrovna), Daniel Gelin (Ballard), Kurt Meisel (Sapparov), Stanislav Ledinek (Popovich), Hellmut Lange (Henry Miller), Anthony Steel (Michael „Mike“ Astor), Ursula Noack, Dieter Hildebrandt, Klaus Havenstein


Vorwort

In Genf tagt die Internationale Abrüstungskonferenz, dies aber gefühlt schon seit dem Urknall, ohne meßbare Fortschritte. Nun wollen die Amerikaner eine neue Erfindung vorstellen, die, nach Aussage der Yankees, den Weltfrieden dauerhaft sichern soll. Ob der Aussicht ewigen Friedens trifft den sowjetischen Delegationsleiter General Koslov gleich mal der Schlag. Nach einem diffizilen Ausleseprozess entscheiden sich die Kommunisten für zwei Frauen als Nachfolgerin des Dahingeschiedenen – die trinkfeste Obristin Olga Nikolaijewna und die schneidige Majorin Petrovna.

Die Damen haben zwar keinen tiefern Schimmer, was sie für diese Aufgabe qualifiziert, aber was tut man nicht alles für Mütterchen Rußland? In Genf herrscht dieweil bei allen beteiligten Geheimdiensten helle Aufregung. Die Amerikaner versuchen, ihre Supererfindung, kreativ „Jonny“ genannt, geheimzuhalten, aber die Russen bedienen sich des freischaffenden Agenten Ballard, um sich die Konstruktionspläne zu klemmen – allerdings fehlt das entscheidende Blatt, nämlich das mit der Antriebsquelle Jonnys. Ballard muss also noch mal auf Tour gehen, was aber nicht sonderlich schwierig ist, da er auch mit den Amerikanern Geschäfte macht und die nur zu gern die Gelegenheit wahrnehmen, den Russen gezielte Falschinformationen zuzuschieben.

Indes lernt der amerikanische Delegationsleiter O’Connor seine neue russische Kollegin kennen – und wie nicht anders zu erwarten, funkt es zwischen den beiden, sehr zum Ärger der linientreuen Petrova. Auf eigene Faust erklärt Olga die Zustimmung zu einer Jonny-Demonstration.

Mit dem Segen der allgemeinen Weltpolitik machen O’Connors amerikanische Wissenschaftler (mit verdächtig teutonischen Namen) erst die Spitze des Eiffelturms, dann eine Hütte in der Wüste von Nevada und ein russisches Munitionsdepot kaputt – Jonny kann schlichtweg an jeden Punkt der Erde soviel Energie projizieren, das alles in die Luft fliegt. Man ist ordnungsgemäß beeindruckt.

Nun ist aber nicht nur das Zentralkomitee in Moskau stark an Jonny interessiert, da gibt’s noch eine dritte Partei, die ist eher so gelb und schlitzäugig geprägt und bedient sich der käuflichen Eingreiftruppe einer lokalen Puffmutter, die unter der Tarnung eines Bridge-Clubs firmiert. Die schnappen sich Ballard, dem der US-Geheimdienst gerade Nonsensinformationen über die geheimnisvolle Kraftquelle Jonnys zugeschanzt hat.

Solchermaßen auf dem Geheimdienstwege ausgespielt, greift Olga zum ultimativen Mittel – ein Wettsaufduell mit O’Connor soll nicht nur die Ehre des Kommunismus wiederherstellen, sondern auch Grundlage für ein knallhartes Technologie-Sharing-Abkommen werden. O’Connor ist zu allen Schandtaten bereit, wird aber ordnungsgemäß unter den Tisch gesoffen.

Der dritten Partei verstehen sich Russen und Amis ein wenig zu gut und so lancieren sie kompromittierende Fotos von Olga und O’Connor in der Boulevardpresse. Da können jetzt auch die Russkis nicht mehr zukucken und berufen Olga ab. Die nimmt’s wie’n Mann, nicht so aber O’Cononr, der befürchtet, dass Olgas Flieger nach Moskau nach kurzem Zwischenstop direkt nach Sibirien weiterziehen wird. Um Olga ein garstiges Schicksal zu ersparen, greift er zum Mittel der Entführung, und dabei helfen soll mal wieder der Genfer Bridge-Club…


Inhalt

Der kalte Krieg prägte mindestens zwei Generationen – ein strategisches Patt zwischen zwei Großmächten und ihren jeweiligen Satellitenstaaten, beide ausgerüstet mit dem Potential, den Erdball ein paar hundertmal zu vernichten, die sich in einem schier ewigen „chicken“-Duell gegenüberstanden. Ich wünsche eigentlich niemandem, die eigentümliche „jeder Tag kann der letzte sein“-Atmosphäre dieser Zeit zu erleben, aber wir scheinen ja auf einem exzellenten Weg zu einer Neuauflage des Trauerspiels wegen des großen Erfolges.
 
Was hat das nun mit unserem heutigen Film zu tun? Nun, filmhistorisch gesehen war der kalte Krieg naturgemäß hauptsächlich ein Backdrop für Agenten- und Actionfilme. James Bond und Konsorten existierten nicht, hätte der kapitalistische Westen nicht den Systemfeind im Osten gehabt, und wenn doch, dann hätte zumindest ihr Betätigungsfeld deutlich anders ausgesehen. Einig war sich das westliche Kino allenfalls darin, dass „der Russe“ zum perfekten Schurken taugte. Es ist daher schon eine kleine Überraschung, wenn wir, völlig unvorbereitet, mit einer humoristischen Aufarbeitung des kalten Krieges konfrontiert werden, die gängige Tropes des seinerzeit populären Eurospy-Subgenres durchaus aufgreift, aber sie in einen rein komödiantischen Kontext setzt und deren wesentliche Aussage es ist, dass jenseits des Eisernen Vorgangs tatsächlich auch *echte Menschen* leben, die sich nicht als kinderfressende Kampfkommunisten durchs Leben schlagen.
 
Wie kommt’s also, in besten Wirtschaftswunderzeiten, kaum ist Adenauer unter der Erde, zu so einem subversiven filmischen Gedankenspiel? Die Antwort findet sich mutmaßlich in der Person des Regisseus.

Sammy Drechsel werden die älteren Leser vielleicht noch kennen. Der 1986 verstorbene Drechsel war nicht nur zeitlebens beliebter Sportreporter des Bayerischen Rundfunks, sondern auch Gründer und Stamm-Regisseur des populärsten politischen Kabaretts im Nachkriegswestdeutschland, der Münchner Lach- und Schießgesellschaft, in gewisser Form die zentrale Brutstätte linken Kabaretts und in einer Zeit, in der das politische Kabarett tatsächlich noch etwas zu sagen hatte (die Kunst ist in den letzten Jahren ja leider völlig vor die Hunde gegangen), tatsächlich auch meinungsbildend und –prägend, was nicht zuletzt daran lag, dass die Programme des Ensembles mit schöner Regelmäßigkeit für’s Fernsehen aufgezeichnet und ausgestrahlt wurden. Den Gründungsmitgliedern, u.a. Dieter Hildebrandt und Klaus Havenstein, folgten Horst Jüssen, Rainer Basedow, Kurt Weinzierl, Bernd Stephan, Bruno Jonas oder Werner Schneyder (als Texter). Mit dem allgemeinen Niedergang der Kabarettszene verlor auch das Münchner Haus an Bedeutung – von 2011 bis 2015 gab es nicht mal ein eigenes Ensemble.
Noch sind wir aber im Jahre 1965 und in der Blütezeit der „Lach und Schieß“. Es ist retrospektiv eine Binsenweisheit, dass politisches Kabarett und Film nicht gut miteinander harmonieren (da sich politisches Kabarett zwangsweise über seine Themen und dann eben auch Witze an aktuelle Vorgänge anhängt und so datiert), aber der Gedanke, einen „Lach und Schieß“-Film auf die Leinwand bringen zu können, muss natürlich reizvoll gewesen sein. „Lach und Schieß“-Autor Klaus Peter Schreiner übernahm die Aufgabe, einen Roman von Peter Norden, einem Schreiberling leichtgewichtiger Unterhaltungslektüre, in ein Star- und Kabarettistenvehikel zu adaptieren (von Norden stammt interessanterweise auch die Romanvorlage zu Tinto Brass‘ „Salon Kitty“)d. Sammy Drechsel übernahm natürlich die Regie, obgleich er noch nie einen Spielfilm inszeniert hatte (immerhin hatte er für die FIFA die offiziellen Fußball-WM-Kinofilme für die Weltmeisterschaften 1954 und 1958 zusammengebaut).
Österreichische und französische Ko-Produzenten wurden ins Boot geholt und so konnten auch Stars wie Curd Jürgens (der bereits ein Jahr vorher in der Peter-Norden-Verfilmung „DM-Killer“ nach dem Bestseller „Ehrlich währt am längsten“ amtiert hatte) und Lilli Palmer verpflichtet werden.
Nun hätte man erwarten können, dass „Zwei Girls vom Roten Stern“ bissig-satirisch austeilt (was ja durchaus möglich war, wie die eindeutigen Zweideutigkeiten in „Das Spukschloss im Spessart“ unter Beweis stellen), doch für einen Film, der von und mit führenden Kabarettisten gedreht wurde, ist der Streifen vergleichsweise … zahm. Natürlich bekommen die USA und die Sowjetunion ihr Fett weg, aber die verteilten Hiebe sind nicht outspoken politisch, sondern beziehen sich eher auf die (In-)Kompetenz der Handelnden und den Umstand, dass zwar letztlich beide Seiten das Gleiche wollen (dauerhaften Frieden), aber durch die ritualisierten Geheimdienstaktivitäten, die selbst die Beteiligten weniger als ideologisch sinnvoll denn als eine Art Sport und Zeitvertreib betrachten, nicht zusammen kommen, es daher also den externen Stimulus, in dem Fall die unkonventionelle Obristin aus Russland, die weder mit Diplomatie noch den Ränkespielen der Geheimdienste viel am Hut hat, dafür aber Herz und Verstand besitzt, braucht, um die Streithähne an einen Tisch zu bekommen (und gegen den gemeinsamen Feind, die fiesen Chinesen, zu einen, natürlich. Ganz ohne Feindbild geht die Chose nicht).  

Gut, nun mag das alles nicht so böse und satirisch scharf sein, wie vielleicht erwartet (man darf aber nicht vergessen, dass es sich um eine internationale Ko-Produktion handelt und der Humor also nicht speziell z.B. bundesdeutsche Befindlichkeiten bedienen kann, sondern universell verständlich sein muss), aber ist es denn wenigstens lustig? Oh ja, in der Tat, es ist. Ein großartig aufgelegtes Ensemble ist absolut in der richtigen Stimmung für den gewünschten Ton, offensichtlich hocherfreut, auch mal gegen die erarbeiteten Images spielen zu dürfen, und es hat auch wirklich witziges Material zur Verfügung. Sei es der meet-cute von O’Connor und Olga, das Wodkasaufduell der beiden, die Leiden des gestressten Sowjet-Geheimdienstattachés Popovich, der geldgierige Auftragsagent Ballard, der selbst seinen Entführern noch das Geld für’s Taxi aus der Tasche leiert, die Kochstunde von Popovich und seinem amerikanischen Pendant Miller, bei der ersterer letzteren zu vergiften trachtet, es gibt viele wirklich wirklich komische Szenen. Der Film hält nicht über die komplette Laufzeit die Gagdichte und das Finale wirkt etwas, als wären Norden und Schreiner die Ideen ausgegangen, wie man die Plotte zu einem befriedigenden Ende bringt, aber es gibt wirklich viel zu lachen, und das durchaus auf höherem Niveau als man’s von bundesdeutschem „Filmlustspiel“ der 60er wartet…

Man kann es jedenfalls schade finden, dass Sammy Drechsel keinen weiteren Kinofilm mehr inszenieren sollte – er hat allemal das Gespür für trockenes Comedy-Timing und hätte dem ansonsten doch eher trüben Gebiet der deutschen Komödie, das sich in der Folge ja primär in Schlager- und Pennälerulkterritorium verabschiedete, ein etwas anspruchsvolleres Gesicht geben können.

Aber er hatte, wie schon angedeutet, das Glück, eine Besetzung zusammenzubekommen, die „game“ für diese Art Comedy war. Ol‘ Blue Eye Curd Jürgens sieht man in jeder Sekunde an, wieviel Spaß es ihm macht, hier mal lustig sein zu dürfen (ohne sich dabei Außerirdischen-Antennen auf die Rübe kleben lassen zu müssen wie später in „Warum die UFOs unseren Salat klauen“). Für Lilli Palmer („Mädchen in Uniform“, „The Boys from Brazil“, „Der Mann mit der Torpedohaut“) gilt gleiches, auch sie ist mit totalem Einsatz und sichtlicher Freude dabei, und die gemeinsamen Szenen der beiden lassen an ein potentielles (und verschenktes) Comedy-Traumpaar denken.
Die französische Leihgabe Pascale Petit („Cleopatra, die nackte Königin vom Nil“, „Der Spion, der in die Hölle ging“, „Gern hab ich die Frau’n gekillt“) hat als Lillis linientreue Kollegin Anja zwar nicht viel zu tun (es ist der Schwachpunkt des Scripts, dass er aus dem Kontrast der beiden Russinnen nicht viel macht), macht sich aber allemal gut in Uniform. Daniel Gelin („Der Mann, der zuviel wusste“, „Luzifers Tochter“, „Hurra, wir leben noch“) ist amüsant als opportunistischer Ballard, und Stanislav Ledinek („Der grüne Bogenschütze“, „Liebesnächte in der Taiga“) saukomisch als Popovich. Auch dem ewigen „Lederstrumpf“ und spätere „Kennen Sie Kino?“-Moderator Hellmut Lange sieht man an, dass er viel Spaß daran hat, lustig sein zu dürfen. Großbritannien steuert Anthony Steel („Die Geschichte der O“, „Winnetou II“) bei – zwar recht überflüssig, weil er nix macht, was man nicht auch Curd Jürgens hätte erledigen lassen können, aber was soll’s… Die Münchner Lach- und Schießer stehen nicht so im Mittelpunkt, wie ein augenscheinliches Vehikel für sie vermuten lassen könnte – sie sind der „Bridge-Club“ und dienen eher als Slapstick-Comic-Relief (in einer Komödie…), also nicht unbedingt ihr absolutes Element, aber sie erledigen den Job. Vor allem Dieter Hildebrandt mit einem schier unwahrscheinlichen Bart muss man mal gesehen haben…

Die DVD von e-m-s in deren Filmpalastreihe ist gut ausgefallen – 1.85:1-Widescreen anamorph, nicht gerade der aller sauberste Transfer, aber auch auf der Flatglotze noch gut ansehbar, ordentlicher Ton, und als Extras gibt’s zwei Booklets, ein Interview mit Curd Jürgens, Nostalgiereklame und eine „Music-Box“ mit sechs verschiedenen Musiktiteln aus Schlagerfilmen. Solides Package.

Was sagen wir also zu „Zwei Girls vom Roten Stern“? Während viel lustig gemeintes aus dieser Zeit und aus unseren Landen heutzutage doch eher peinlich ist, haben wir’s hier mit einem wirklich gelungenen nostalgischen Filmspaß zu tun, getragen von einem hervorragenden Ensemble, das sich in die Materie mit Verve reinhaut. Sure, nicht jeder Gag ist ein Brüller, aber für gepflegtes Amüsemang ist gesorgt!

© 2018 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 3

BIER-Skala: 7


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