Zu spät – die Bombe fliegt

 
  • Deutscher Titel: Zu spät - die Bombe fliegt
  • Original-Titel: Whoops Apocalypse!
  • Alternative Titel: Die Bombe fliegt |
  • Regie: Tom Bussman
  • Land: Großbritannien
  • Jahr: 1986
  • Darsteller:

    Loretta Swit (Präsidentin Barbara Adams), Peter Cook (Premierminister Sir Mortimer Chris), Herbert Lom (General Mosquera), Michael Richards (Lacrobat), Ian Richardson (Admiral Bendish), Joanne Pearce (Prinzessin Wendy), Alexei Sayle (Alexei Sayle im Hawaiihemd), Rik Mayall (SCS Commander), Marc Smith (Dan Hickey), Murray Hamilton (Präsident Preston)


Vorwort

Eigentlich ist Santa Maya eine unbedeutende Halbinsel in Mittelamerika, ein einziges Sumpfloch mit 750 Bewohnern, aber britische Kronkolonie und Objekt der Begierde des von einer Junta regierten Nachbarstaates Maguadora. Und so besetzen die fiesen Maguardoras Santa Maya und pinkeln damit den Briten mächtig ans Bein. Auf Anraten des im Straflager Steine kloppenden früheren US-Präsidenten Preston unterstützt die frischgebackene Präsidentin Adams (ihr direkter Vorgänger, ein ehemaliger Zirkusclown, biß leider gerade im zarten Alter von 87 Jahren ins Gras, weil er sich von einem Journalisten zwecks Vorführung seiner Bauchmuskeln ein Brecheisen in den Magen schlagen ließ) die Briten unter ihrem konservativen Premierminister Mortimer Chris. Nachdem eine Friedenskonferenz vom internationalen Top-Terroristen und Verwandlungskünstler Lacrobat sabotiert wird, schicken die Briten eine Flotte von 150 Schiffen in die Karibik und erobern Santa Maya zurück. Die Maguadoras sind schlechte Verlierer, verbünden sich mit den Sowjets UND Lacrobat – der Terrorist entführt die Britenprinzessin Wendy, die sich als Krankenschwester in der Flotte verdingt. Sir Mortimer, dem zwischenzeitlich alle Drähte aus der Mütze gesprungen sind, den Feen und Elfen, die für die Arbeitslosigkeit im Königreich verantwortlich sein sollen, den Krieg erklärt hat, zur Schaffung von Arbeitsplätzen Arbeiter von Klippen springen und politische Gegner im Wembley-Stadion öffentlich kreuzigen lässt (und dessen Popularitätswerte astronomisch sind), droht mit einem Atomschlag gegen die aufsässigen Maguadoraner – dem dritten Weltkrieg sieht er gelassen entgegen, hat er doch ein sicheres Mittel gegen den Fallout entwickeln lassen (Regenschirme). Und nachdem die Russen, wie ein „embedded“ Reporter, den der schwule Britenadmiral Bendish auf einer Insel hat aussetzen lassen, unter Preis seines Lebens herausgefunden hat, nahe der US-Küste eine Raketenbasis (getarnt als Luxushotel) unterhalten, würde das nukleare Kräftemessen auch Amerika vernichten. Nur wenn Wendy an einem Stück wieder gefunden wird, kann der Krieg verhindert werden, doch Lacrobat hat so einige Tricks im Ärmel und versteckt die Prinzessin, wo man sie sicher nie vermuten würde…


Inhalt

Britischer Humor. Damit könnte eigentlich schon alles gesagt sein… aber wir belassen es selbstredend nicht dabei. Die völlig durchgeknallte Satire „Whoops Apocalypse“ ist wie so viele britische Kinofilme das Remake einer einige Jahre zuvor erfolgreich gelaufenen Fernsehserie (in der übrigens John Cleese die Rolle des Lacrobat spielte) und geht humortechnisch in die Vollen – hier wird nicht die feinsinnige subtile Feder geschwungen, statt dessen wird grob um sich geschlagen, jenseits alldem, was die 90er Jahre als „political correctness“ definieren sollten und natürlich auch völlig ungeachtet jeglicher Grenzen des guten Geschmacks.

Sozusagen als Anarcho-Variante von Kubricks legendärem „Dr. Seltsam“, eine Art Monty-Python-Version des Kubrick-Themas, in dem sich die Unausweichlichkeit der Katastrophe (whoops, war das ein Spoiler?) nicht aus technischen Abhängig- und Zwangsläufigkeiten, garniert mit unglücklichen Umständen, sondern schlicht menschlicher Blödheit ergibt, ziehen die Autoren Marshall und Renwick sowie ihr Regisseur Bussmann cold-war-Klischees, right-wing-Politik, im Militär dienende „Royals“, sensationsgeile Medien, Geheimdienste, Terroristen und alles, was ihnen sonst noch einfiel, durch den Kakao.

Was man in „Whoops Apocalypse“ vergeblich suchen wird, ist ein durchgängiger roter Faden mit „richtigen“ Protagonisten. Skript und Film wechseln munter die Perspektiven, führen im Minutentakt neue Charaktere ein, die dann auch mal ganz schnell wieder abserviert werden, hält sich mit Sicherheit nicht an die klassischen Konventionen des Erzählkinos, was sicherlich auch der Tatsache geschuldet ist, dass eine dreistündige TV-Miniserie auf ein handliches 90-Minuten-Format kondensiert werden musste, da ist dann begreiflicherweise nicht mehr viel Raum für Charaktervorstellungen und -entwicklungen, da muss es Schlag auf Schlag gehen, da darf keine Sekunde verschwendet werden, um alle Gags und Zoten, von denen ebenso nachvollziehbarerweise nicht alle zünden, unterzubringen. Kein Stilmittel ist heilig, nichts (wie schon aus der obigen Inhaltsangabe erischtlich) zu absurd, nichts zu provokant, nichts zu grob – da darf Prinzessin Wendy schon mal versehentlich einen Soldaten kastrieren, da wird schon mal das Herz des im Koma liegenden sowjetischen Staatsratpräsidenten per Starthilfekabel vom (ebenfalls im Koma liegenden) Vizepräsidenten notgestartet (mit dem Kommentar des Parteisekretärs: „Der Präsident hat die Nachricht sehr ernst aufgenommen“), da kutschiert Lacrobat seine Geisel Wendy im Gorillakostüm oder als S/M-Sklavin (in einem Van mit gigantischem Pappmache-Penis auf dem Dach) durch die USA, da liefert sich die Eliteeinheit der britischen Armee ein blutiges Gemetzel mit Wachsfiguren (in dessen Fortlauf auch ein bisschen gesplattert werden darf). Alles und jeder ist eine legitime Zielscheibe – nicht nur die Politik (mein Lieblingsspruch der US-Präsidentin über den Briten-Chef: „Die haben einen komplett Wahnsinnigen ins höchste Amt des Landes gewählt? Schon WIEDER?“), auch die Medien (mit Sensationsreportern, die von ihnen selbst verursachte Mishaps – wie die erwähnte Kastration – in skandal- und auflagefördernde Schlagzeilen verwandeln, und Nachrichtensendungen, die den drohenden dritten Weltkrieg als zweite Meldung nach dem Verkauf einer Locke von Frank Sinatra bringen)

„Whoops Apocalypse“ läuft damit natürlich Gefahr, sich in eine eineinhalbstündige Sketch-Show zu entwickeln (was auch nicht überraschend wäre, gehören die Autoren Andrew Marshall und David Renwick zum Autorenteam der kultigen britischen Sketch-Reihe „Not the Nine O’Clock News“, für die auch Kapazitäte wie Rowan Atkinson, Stephen Fry, Mel Smith, Griff Rhys Jones, John Lloyd und am Rande auch Douglas Adams tätig waren), aber durch den Kunstgriff der Figur Barbara Adams, die quasi als eine Art Moderator fungiert und die verschiedenen Plotlines miteinander verbindet, gelingt es, den Film zusammenzuhalten und, wenn schon nicht den erwähnten „roten Faden“, dann doch wenigstens als singulärer (eingeschränkter) Repräsentant der Vernunft (d.h. im Besitz von mehreren funktionierenden Gehirnzellen) durch den Film zu führen.

Erwähnt werden sollte allerdings, dass „Whoops Apocalypse“ gelegentlich über’s Ziel hinausschießt und sich neben der böswilligen Satire hin und wieder in Gefilde der hysterischen ZAZ-Style-Komödie herablässt (der Lacrobat-Subplot hat hierfür die meisten Beispiele zu bieten, wie vielleicht mein „Lieblings“-Gag – da verhandeln Lacrobat und General Mosquera und letzterer sagt, dass er für den Deal mit dem Terroristen „auch unsere Großmütter verkaufen würde“. Es folgt – programmgemäß, und wie bei ZAZ gerne, wenn eine Metapher als Gag mißbraucht wird – ein Zwischenschnitt zum Markt, auf dem die Großmütter verscherbelt werden. Es ist durchaus ’nen Lacher wert, aber es ist in dem Fall halt nicht mehr noch-so-überhöhte Satire, sondern nur ein plumper Witz. Aber auch plumpe Witze haben ihre Zeit und ihren Platz).

Filmisch erledigt Regie-Eintagsfliege Tom Bussmann seinen Job glanzlos, aber ohne größere Ausfälle – ein Film, der sich als böses Gagfeuerwerk versteht, muss nicht mit inszenatorischen Mätzchen um sich werfen, und ein zu üppiges Budget wird Mr. Bussmann auch nicht zu Verfügung gestanden haben. Dafür sieht der Streifen vergleichsweise aufwendig aus und zieht guten Nutzen aus der üppig über den Film verteilten Militär-Stock-Footage. Auch wenn nicht jeder Gag perfekt vorbereitet ist (und manchmal auch angetelegrafiert wird), hält Bussmann schon allein ob der enormen Anzahl von Charakteren und entsprechenden Subplots sowie der Gagfrequenz das Tempo hoch, Langeweile kann nicht aufkommen.

Für Freunde nackter Tatsachen gibt’s neben Prinzessin Wendy im S/M-Outfit auch ein paar Titten, dargeboten von Revuetänzerinnen und Zeitungs-Topless-Models, einige abgetrennte Köpfe und Gliedmaßen erfreuen sicherlich, trotz ihrer Schlichtheit, die Splatterfreunde. Der Soundtrack ist bis auf den wirklich schmissigen Titelsong nicht wirklich bemerkenswert (aber den Song hätte ich gern als MP3 in vernünftiger Qualität…).

Schelte gibt’s allerdings für die deutsche Synchronisation, die nicht nur qualitativ eher minderprächtig ausgefallen ist (mit teilweise sehr unpassenden Sprechern), sondern Dialoge und Texteinblendungen munter verfälscht. So wird im Intro aus der „englischen Fahne, die in die Brust eines Eingeborenen gerammt“ wurde, die „englische Fahne, die in den Strand gesteckt wurde“ oder aus dem bissigen Kommentar zu Chris‘ Kreuzigungen, dass er „politisch ein wenig nach rechts tendiert“, ein abschwächendes „es passt zu seiner Politik“. Shame.

Der Produzent Brian Eastman (u.a. auch Mitproduzent von „Das 10. Königreich“) scheute keine Mühen und stellte ebenso interessanten wie hochkarätigen Cast für die Holzhammer-Politsatire auf die Beine. Als US-Präsidentin Barbara Adams wurde mit Loretta Swit der langjährige Star der Kriegs-Comedy „M*A*S*H“ verpflichtet, der legendäre britische Komiker Peter Cook („Dotterbart“, „Supergirl“, „Die Braut des Prinzen“) fungiert als wahnsinniger Premierminister Chris, der ewige Chefinspektor Dreyfus aus den „Rosaroter Panther“-Filmen, Herbert Lom, mimt den Juntachef Mosquera, der große Mime Ian Richardson („Marat/Sade“, „Brazil“, „Dark City“ und zuletzt die Stimme von Tod in der Pratchett-Adaption „Hogfather“) spielt stoisch ernst den schwulen Admiral, die bekannten „alternativen Comedians“ Alexei Sayle („Indiana Jones und der letzte Kreuzzug“) und Rik Mayall (Shock Treatment, „The Young Ones“) sind in prägnanten Nebenrollen am Start, Murray Hamilton (Amitys Bürgermeister in „Der weiße Hai 1+2“ und Hysterical) als verknackter Ex-Präsi und, nicht zuletzt, lange vor seinem Auftritt in Weird Als UHF und seinem Durchbruch als Kramer in „Seinfeld“, der junge Michael Richards als Terrorist Lacrobat komplettieren die „wichtigen“ Positionen (wobei aber auch fast alle kleineren Rollen mit Leuten besetzt sind, die entweder schon auf eine lange Karriere zurückblicken konnten oder eine solche noch machen würden). Die Highlights sind sicherlich Peter Cook und Ian Richardson, die beide mit typischem britischen Understatement ihre mehr (Cook) und weniger (Richardson) durchgeknallten Charaktere verkörpern (man mag sich mal vorstellen, wie ein amerikanischer Parodie-Film Rollen wie diese angelegt hätte); Sayle und Mayall, die oft und gerne – mit dem falschen Material – dazu tendieren, schon regelrecht aufdringlich unlustig zu sein, sind gut aufgelegt und ausgesprochen amüsant. Herbert Lom bleibt sträflich unterbeschäftigt, Loretta Swit, die ich in „M*A*S*H“ nie recht leiden mochte, erledigt einen guten Job als einzige halbwegs Vernünftige und wer Michael Richards schlechte Verkleidungen kritisiert, hat irgendwie den Punkt der Rolle nicht kapiert. In manchen Szenen blitzt bei ihm schon der spätere Kramer-„Seinfeld“-shtick durch.

Bildqualität: McOne hat sich des Films erbarmt und ihn ein einer nicht gerade umwerfenden, dafür aber mittlerweile spottbilligen DVD-Version auf den Markt geworfen. Der anamorphe 1.78:1-Widescreen-Transfer ist nur knapp besser als ein altes VHS-Tape, recht unscharf und verwaschen, mit mittelprächtigen Kontrast- und Kompressionswerten. Als Budget-Disc geht das in Ordnung, aber auch nicht mehr.

Tonqualität: Neben der erwähnt in jeder Hinsicht liederlichen Synchro bietet McOne erfreulicherweise auch den englischen O-Ton, jeweils in Dolby 2.0 Mono (was das Medium nun auch nicht gerade ausreizt). Die Tonqualität selbst ist mit „grade durchschnittlich“ erschöpfend beschrieben.

Extras: Außer einer extrem unbrauchbaren Bildergalerie (die abgezählt 10 Bilder zwängen sich in einen kleinen Bildausschnitt, sind zudem schräg gestellt und der „Schalter“ zum Weiterblättern ist auch noch DRÜBERGELEGT) nur eine umfangreiche Trailershow.

Fazit: „Whoops Apocalypse“ macht sicherlich dem am meisten Spaß, der zu einer Kalter-Krieg-Satire noch ein persönliches Verhältnis pflegt, sprich, die 80er idealerweise mitbekommen hat. In dem Falle ist der Streifen aber ein Launebringer mit recht hoher Gag-Erfolgsquote, wobei vom Schmunzler bis zum echten Schenkelklopfer (aber auch eben zum Rohrkrepierer) die komplette Witzischkeits-Bandbreite ausgenutzt wird. Wo sonst sieht man in einem Film CIA-Agenten, die unbedingt jedem vorführen müssen, dass ihre Testikel feuerfest sind, Hawaiihemd-tragende KGB-Konkurrenz, die 18 Monate auf die Benutzung der Hoteltoilette warten muss, hypnotisierte Marineadmirale, Michael Richards in blackface (was dem armen Mann nach seinen rassistischen Pöbeleien noch 20 Jahre später nachträglich schlechte Publicity einbrachte), einen Diana-Verschnitt in Fesseln und einen Redneck-Sheriff, der sich mit einem aufblasbaren Schaf anfreundet? Wem Monty Python zu respekt- und niveauvoll ist, kommt hier auf seine Kosten. Höchstens bei Kubrick war der Weltuntergang lustiger…

4/5
(c) 2008 Dr. Acula


mm
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