- Deutscher Titel: Zappa
- Original-Titel: Zappa
- Regie: Alex Winter
- Land: USA/UK
- Jahr: 2020
- Darsteller:
Frank Zappa (Archivmaterial)
Gail Zappa
Ian Underwood
Ruth Underwood
Pamela Zarubica
Bunk Gardner
Tom Wilson (Archivmaterial)
The Mothers of Invention (Archivmaterial)
Vorwort
Abt. Musikalisch geht’s ins neue Jahr
Wir hatten schon lange mehr keine Dokumentation auf Badmovies. Ein Biopic über einen Musiker scheint ja zu erst einmal ein wenig abwegig. Aber wen, wenn nicht einen unangepassten Künstler wie Frank Zappa sollte man hier besprechen? Zappa hat gewisse keine Musik für die Massen gemacht (er hatte eigentlich nur einen einzigen Hit in den Staaten, und zwar nicht den, den ihr denkt). Der Name sollte eigentlich jedem, der sich einigermaßen für Musiker und die 60er- & 70er-Jahre interessiert, geläufig sein, man WEISS, dass er einen großen Einfluss auf die Rock- und Popmusik hatte, aber eben meist nicht auf welche Weise. Aber auch unter denen wird den meisten, mir inklusive, nur ein Songtitel durch den Kopf spuken, nämlich „Bobby Brown“. Und gerade wir Europäer werden uns wohl am Kopf kratzen, wenn wir diese Dokumentation zu Ende geschaut haben und uns gewahr wird, dass genau dieser Song dort mit nicht einer einzigen Silbe Erwähnung findet. Denn in den USA war er gar kein Hit, dort ist Zappa gemeinhin, neben seiner Bedeutung als einer der einflussreichsten Komponisten und einer der schillerndsten Akteure des Musik-Business seiner Zeit für den Song „Valley Girl“ aus dem Jahr 1982 bekannt (hier kennen den wahrscheinlich größtenteils nur Zappa-Fans), den er mit seiner Tochter Moon aufgenommen hat.
Und wenn man schon nicht wirklich viel über einen bekannten Musiker weiß, aber wissbegierig ist, doch mehr über ihn zu erfahren, ist es natürlich umso schöner, hier wohl eine Dokumentation zu erhalten, die Aussagen einiger Bekannter nach sogar dem eingefleischten Zappa-Fan neues Futter bietet. Wie gesagt, ich kann mich nun nicht dazu zählen, habe mir aber im Anschluss einige Songs querbeet durch sein (gewaltiges, mehrere Hundert Kompositionen umfassendes) Werk angehört und es mir auch nicht nehmen lassen, zumindest eine kleine Hintergrundrecherche zu betreiben, um für euch ZAPPA einigermaßen einordnen zu können.
Ach ja, und wer sich fragt, was Alex Winter so machte, bevor er im dritten BILL & TED-Abenteuer mit Keanu Reeves angeblich die Musik gerettet, aber eigentlich nur die Fans enttäuscht hat, here we go…
Inhalt
Bei der Strukturierung seiner Dokumentation geht Alex Winter keine Experimente ein und präsentiert das Leben und Schaffen Frank Zappas chronologisch. Das ist legitim, da die Spielfilmlänge nicht so viel Freiraum lässt wie etwa eine mehrteilige Mini-Serie und kommt mir als Unbeleckten in Sachen Zappa auch entgegen – in chronologischen Happen lassen sich diese ganzen neuen Informationen besser aufnehmen. Hierzu konnte man erstmals auf das Zappa-Familienarchiv zurückgreifen, hunderte Stunden an privaten Video- und Audio-Aufnahmen, die einen sehr intimen Einblick in verschiedene Phasen vom Leben des Musikers bieten. Für Kontext sorgen Interviews mit Zeitzeugen, die teils auch aus Archivmaterial bestehen, da viele Wegbegleiter Zappas leider nicht mehr unter uns weilen. Winter hatte zudem das große Glück, noch mit der 2015 verstorbenen Gail Zappa, der Witwe des quirligen Künstlers, sprechen zu können. Doch kommen wir nun zur Dokumentation selbst.
Frank Zappa wurde am 21. Dezember 1941 in Baltimore geboren. Seine Eltern waren aus Italien – Vater Francis aus Sizilien, Mutter Rose Marie aus Neapel – eingewandert und aufgrund der Arbeit Francis Zappas, eines Ingenieurs, für das amerikanische Verteidigungsministerium häufig. Der junge Frank litt an starkem Asthma, woher wohl seine Faszination für Gasmasken herrührte. Aufgrund dieser und weiterer Erkankungen ihres Sohnes zog die siebenköpfige Familie Zappa an die klimatisch für Frank erträglichere Westküste, wo Francis Zappa dann als Lehrer arbeitete. Im folgenden gehen dann Alex Winter mit ZAPPA und Zappa-Biograf Barry Miles in seinem Buch FRANK ZAPPA ein wenig auseinander. In der Doku heißt es, dass der spätere Komponist erst sehr spät mit Musik in Berührung kam und seine Eltern dies nicht guthießen. Laut Miles entwickelte Frank Zappa schon als Kind Interesse an einer Mischung aus Musik und Comedy (sog. U-Musik oder Unterhaltungsmusik, im Gegensatz zur E-Musik, der „ernsten“ Musik). Als er dann mit 12 Jahren an der High School einer Band beitrat, kauften sie ihm sogar sein erstes Instrument – ein Schlagzeug. Auf jeden Fall war die erste Langspielplatte die sich der angehende Musiker von seinem eigenen Geld kaufte „The Complete Works of Edgar Varèse, Vol. 1“, die von der Fachpresse zerrissen wurde, aber den jungen Zappa nachhaltig prägte, gerade was seine Vorliebe für größere Orchestrierungen angeht. Als weiterer großer musikalischer Einfluss in seiner High School Zeit kam der Rhythm and Blues dazu, den er sich bei einem Schulfreund nächtelang anhörte. Da diese Musikrichtung eher von farbigen Musikern repräsentiert wurde, galt sie in den Vereinigten Staaten der 50er eher als verpönt.
Man merkt schon an diesem Einstieg der Dokumentation ZAPPA in das Leben und Schaffen des Ausnahmekünstlers, dass Alex Winter dessen Biographie wohl ein wenig verkürzen und vereinfachen musste. Dies ist ein durchaus normaler Vorgang bei einer solchen Produktion, deren Hauptarbeit darin besteht, hunderte von Stunden an Audio- und Videomaterial zu sichten und danach dann auch die passenden Schnipsel (im Vergleich zwischen dem Ausgangsmaterial und den zwei Stunden Dokumentarfilm ist es eben nicht mehr als das) auszuwählen. Diese Selektion kann man als durchaus gelungen bezeichnen. Winter bringt in den ersten zwanzig Minuten nicht nur einen Abriss der Kindheit und Jugend dieses musikalischen Wunderkindes (er besuchte im Musikstudium nur ein Semester, nahm nur mit, was er für sich gebrauchen konnte und war daneben noch Autodidakt), sondern bringt uns auch seine Vorlieben für geordnetes Chaos im kindlichen Umgang mit Sprengstoff oder auch der Bearbeitung alter Familienaufnahmen im Filmschnitt näher. Das alles wird illustriert durch sorgsam kuratierte Videosequenzen aus dem schon erwähnten Familienarchiv. Das wirkt sehr nahbar und lebendig.
Das setzt sich dann alles über die ganze Länge des Films fort – ein Abriss des Lebens, garniert mit teils recht intimen Einblicken. Nach dem College schlug sich Frank Zappa als Grafiker durch, komponierte Filmmusik, übernahm schließlich ein bankrottes Tonstudio und landete für 10 Tage im Gefängnis (eine lustige Anekdote, die Zappa selbst in einem TV-Interview aus den 70ern zum Besten gab). Es folgte die Gründung der ersten Mothers of Invention, das Tingeln durch die Clubs von Los Angeles und die Aufnahme des ersten Albums. Frank Zappa galt, wegen seines Hang zum Komödiantischen, in der Fachpresse gleich als Enfant Terrible (sie behandelt auch heute noch ihre Komödianten und ernsten Musiker gerne strikt getrennt). Danach zog es ihn und die Band nach New York, zwischendrin heiratete er seine Frau Gail und wurde Vater, gründete sein eigenes Label und einen eigenen Vertrieb. In den 80ern hatte er, zusammen mit seiner Tochter Moon, die eigentlich nur mehr Zeit mit ihm verbringen wollte, mit „Valley Girl“ einen Überraschungshit (er war zu der Zeit auf Tour in Italien), wie gesagt seinen einzigen. Zappa engagierte er sich gegen die Zensur von Musikalben bzw. gegen das Label „Parental Advisory – Eplicit Content/Lyrics/Artwork“, obwohl seine Alben davon nicht betroffen waren. Über die ganze Zeit war er unermüdlich am Komponieren, im Laufe seines Lebens veröffentlichte er unglaubliche 62 Alben, allesamt mit eigenen Kompositionen. Anfang der 90er dann der Schock, die Diagnose Prostatakrebs. Er baute körperlich ab, arbeitete aber immer weiter an seiner Musik, bis er dem Leiden im Alter von nur 52 Jahren am 4. Dezember 1993 erlag.
Dazwischen passierte noch so unendlich viel, was in dieser Besprechung dann auch deutlich den Rahmen sprengen würde. Dafür ist sie aber auch nicht da. Ich versuche nur mein Möglichstes, einen Eindruck davon zu vermitteln, was die Dokumentation ZAPPA zu bieten imstande ist. Einzuordnen, inwieweit das Unterfangen gelungen ist. Und ja, das ist es in der Tat. Man erfährt hier nicht nur unheimlich viel über den Musiker und die öffentliche Person, sondern man glaubt beinahe, Frank Zappa privat ein wenig kennenzulernen, ihn zu verstehen, was ihn antreibt, was ihm wichtig war. Alex Winter arbeitet sehr schön die entscheidenen Stationen im Leben des Künstlers heraus, fasst sie in Perioden zusammen. Das Zwischenfazit ziehen dann die geladenen Zeitzeugen, was die Authenzität noch um einiges steigert. Immer weiter dringt ZAPPA weiter vor, zuerst zum Kern der Musik, dann, so könnte man fast meinen, zum Kern von Frank Zappa selbst. Auch die Vorbehalte zu seiner Person lässt er nicht unbeachtet. Gail Zappa äußert sich zu schwierigenden Zeiten, wenn ihr Mann auf Tour war und fremd ging. Alte Bandkollegen berichten von seiner schroffen Art und einer gewissen Unnahbarkeit. Von jemanden, der akribisch Live-Performances einstudieren ließ und Rufe des Publikums nach Zugaben hasste (er selbst gab mal im Interview zu Protokoll, dass sie dazu tendierten, dann ein bestimmtes Lied, das alle hassten, also einen echten Rausschmeißer zu spielen). ZAPPA ist kein Monument, sondern ein aus vielen, vielen Schnipseln konstuiertes Zeitdokument über einen Menschen mit Ecken und Kanten. Ein musikalisches Genie, das durch seine Fantasie und seinen Ehrgeiz unermüdlich angetrieben wurde. Dem Musik wichtiger zu sein schien als die Menschen, mit denen er sie in die Welt trug.
Das ist, auf etwas mehr als zwei Stunden verteilt, sehr reichhaltig und manchmal für den unbeleckten Zuschauer vielleicht auch schon leicht überfordernd. Aber darin liegt eben auch der Reiz an dieser Doku, die genauso ihre Ecken und Kanten aufweist, weil sie sie eben aufweisen muss, da es unmöglich ist, in diesem Unterfangen, Frank Zappa vollumfänglich wiederzuspiegeln, ja, zum Leben zu erwecken, zur Perfektion zu gelangen. Denn irgendetwas wird immer auf der Strecke bleiben. Das Wichtigste ist jedoch, dass dies nicht das Verständnis für und die Erkenntnis über Frank Zappa und seine Musik sind. Denn beides bringt diese Doku, so denke ich, den meisten um einiges näher. Das Zusammenspiel aus intimen Familienaufnahmen, Fundstücken aus den Archiven der TV-Anstalten, kurzen Live-Mitschnitten seiner Konzerte und den neuen wie alten Interviews mit Familie, Freunden und Wegbegleitern ist hier sehr gut gelungen. Denn es macht Lust auf mehr. Ich, der, wie ich schon eingangs erwähnte, weitestgehend unbeleckt in Sachen Frank Zappa war, habe danach sofort YouTube konsultiert, um mir exemplarisch einige (und in Anbetracht seines umfangreichen Schaffens wirklich sehr wenige) seiner Songs zu Gemüte zu führen.
Fassung:
ZAPPA erschien hier in Deutschland nun mit deutlicher Verspätung von mehr als vier Jahren. Dafür hat PLAION Pictures auch ein schönes Bundle geschnürt. Die Veröffentlichung enthält Blu-ray und DVD sowie zwei Musik-CDs, Booklet und Artcards (zu deren Inhalt ich nichts sagen kann, da sie mir nicht zur Verfügung standen) und ist in einer, wie ich finde, schön gestalteten Box untergebracht. Auf der Blu-ray/DVD finden sich neben der gut zweistündigen Doku noch einige Deleted Scenes (u.a. eine lustige Aufnahme mit Frank Zappa in München, wie er beim Zirkus Krone scherzhaft ein Schwein als neues Bandmitglied castet), ein Audiokommentar von Alex Winter und seinem Cutter Mike J. Nichols und ein Trailer zur Doku. Bildtechnisch schwankt die Qualität natürlich mit dem Ausgangsmaterial, dennoch merkt man, dass Winter auch bemüht, nur Vorzeigbares zu verwenden. Der Ton klingt klar und verständlich, die Musikaufnahmen kommen druckvoll aus den Boxen.
Fazit:
Das waren auf jeden Fall interessante wie auch schwerst unterhaltsame zwei Stunden. Alex Winter hat hier eine gute Mischung aus faktischen Abriss wie auch Würdigung der Legende Frank Zappa gefunden, die enorm mitzureißen vermag. Mir hat das sehr gefallen, es hat Appetit gemacht auf das Schaffen des Künstlers, genauso wie auf ergänzende Lektüre (die eben schon in Form des Buches von Barry Miles bereits ins Haus geflattert ist), ist aber für sich sicherlich mehr als nur ein Appetitmacher oder Appetithappen. Damit ist ZAPPA allen Fans des Multitalents und auch solchen, wie mir, die es noch werden wollen, uneingeschränkt zu empfehlen!
Screenshots © PLAION Pictures 2024
BOMBEN-Skala: 0
BIER-Skala: 8
Review verfasst am: 08.01.2025