- Deutscher Titel: Yellowbrickroad
- Original-Titel: Yellowbrickroad
- Regie: Jesse Holland, Andy Milton
- Land: USA
- Jahr: 2010
- Darsteller:
Michael Laurino (Teddy Barnes), Anessa Ramsey (Melissa Barnes), Clark Freeman (Daryl Luger), Cassidy Freeman (Erin Luger), Alex Draper (Walter Myrick), Sam Elmore (Cy Banbridge), Laura Heisler (Liv McCann), Tara Giordino (Jill), Lee Wilkof (Clerk/Usher)
Vorwort
Im Winter 1940 marschierte die komplette Bevölkerung der Kleinstadt Friar, New Hampshire, aus ungeklärten Gründen nach Norden in die größtenteils unerforschten Wälder. Einige wurden erfroren wiedergefunden, die meisten anderen brutal abgeschlachtet. 2008 erhält der Autor und Fotograf Teddy Barnes Einsicht in die deklassifizierten Regierungsunterlagen zu dem Vorfall, den er als idealen Stoff für sein nächstes Buch sieht. Er stellt eine Expedition zusammen, die den Weg der Friar-Bevölkerung nachzeichnen und, wenn’s gut läuft, dabei Antworten auf die zahllosenen offenen Fragen zu dem Thema finden soll…
Doch es geht schon mal doof los – die Koordinaten, die angeblich den Anfang des Pfades, den die Friarer damals nahmen, markieren sollen, sind die eines Kinos – das stand schon 1940 da (und zeigte als letzten Film den „Zauberer von Oz“). Während sein Team entmutigt aufgeben will (Weicheier), hört Teddy auf sein Bauchgefühl und befragt Popcornverkäuferin Liv. Die weiß in der Tat – wie so ziemlich jeder der Einheimischen (die nur abgesehen von ihr nicht mit den Fremden sprechen mögen) – wo der Pfad, der im Volksmund nach dem Oz-Film „yellow brick road“ genannt wird, wirklich beginnt. Einzige Bedingung für die Preisgabe der Information: die mit ihrem Leben zutiefst unzufriedene Liv will die Expedition begleiten…
Nach ein-zwei ereignislosen Tagen auf dem Pfad hören die Expeditionsteilnehmer plötzlich unerklärliche, künstlich klingende Geräusche, die sich ein Stück weiter als… Big-Band- und Swingmusik von anno 1940 entpuppen – natürlich ohne, dass es irgendwo sichtbare Lautsprecher oder eine anderweitige denkbare Audioquelle gäbe. Die rätselhafte Beschallung entwickelt sich zum Dauersoundtrack – dass es einen Zusammenhang zum Vorfall von 1940 gibt, liegt auf der Hand. Psychologe Walter empfiehlt einen Abbruch der Expedition, doch der Rest des Teams will weiter – auch nach einer regelrechten Audio-Attacke auf das Nachtlager der Gruppe.
Das Nervenkostüm des Teams ist in unterschiedlichem Maße angeschlagen – schließlich passiert es: Daryl, mit seiner Schwester Erin Kartograph des Teams, gerät mit ihr aus nichtigem Anlass in Streit und tötet sie auf brutale Weise. Teddy und Sy gelingt es, Daryl zu überwältigen, doch der verrät Teddy noch andere schlimme Kunde – die kartographischen Daten, die er und Erin ermittelt haben, ergeben keinen Sinn, Entfernungen, Richtungen, nichts hält der Nachberechnung stand.
Als die Expedition wenig später vor einer gigantischen Barrikade steht, an deren Fuß unbekannte Macht Erins Leiche als Vogelscheuche drapiert hat, bricht die Gruppe auseinander – Daryl gelingt es, den Buggy des Teams zu stehlen und damit zu flüchten; Walter, „Praktikantin“ Jill und Teddys Frau Melissa wollen versuchen, den Weg zurückzugehen; Sy und Liv entschließen sich, nach Westen, Richtung Vermont, durchzubrechen; Teddy aber schleicht sich bei Nacht und Nebel davon, um dem Pfad weiter zu folgen…
Inhalt
Manchmal ist Marketing kontraproduktiv. „Yellowbrickroad“ lief vor einigen Jahren im FFF-Programm, wurde von mir aber da vermutlich aus dem gleichen Grund ignoriert, aus dem ich den Film beinahe in der „fünf BluRays für 20 Euro“-Kiste vom Drogenmüller liegen ließ. „Im Stil von PARANORMAL INVESTIGATIONS und BLAIR WITCH PROJECT“ ist für jemanden wie mich, der das found-footage-Genre für mittlerweile kreativ ziemlich ausgelutscht und meist nur noch als Ausrede dafür hält, praktisch ohne jeden finanziellen Aufwand Zaster mit der Gutgläubigkeit der Horrorfans machen zu wollen, nicht unbedingt eine Anreiz erzeugende Aussage.
Schön daher, dass sich der Streifen des Regieduos, das hier seinen ersten Film vorlegt (mittlerweile können sie auch die Beteiligung an dem Episodenfilm „Chilling Visions: 5 Senses of Fear“ vorweisen), als traditioneller Spielfilm entpuppt, der nur mit seinen ersten drei-vier Minuten, in denen wir vorgeblich „authentische“ Bild- und Tondokumente von 1940 zum Setzen der Grundexposition betrachten dürfen, „dokumentarisch“ daherkommt.
Inhaltlich gibt es natürlich schon Parallelen zu „Blair Witch Project“ – eine bunt zusammengewürfelte Gruppe geht auf die Spur einer örtlichen Legende und gerät dabei in allerhöchste Schwierigkeiten. Doch das sind eigentlich schon alle Gemeinsamkeiten – die Prämisse von „Yellowbrickroad“ ist deutlich mysteriöser und die Umsetzung wesentlich… wie will man sagen… abstruser. Die Idee, die Protagonisten bei Tag und Nacht mit „unmöglicher“ Swing-Musik in den Wahnsinn zu treiben, muss man erst mal haben und dann auch noch so todernst umsetzen (der große „turning point“ der Story, die „Soundattacke“ auf das Nachtlager, ist, obwohl die dahinterstehende Idee offenkundig albern ist, geradezu beängstigend effektiv und intensiv – was sie ja auch sein soll).
Es hilft natürlich, dass Holland und Milton „BWP“ offensichtlich gesehen haben und ihre Charaktere im „Filmuniversum“ ebenso offenkundig auch – im Vergleich zu den objektiv betrachtet drei Idioten in „BWP“, die sich als unvorbereitet und überfordert zeigen, ist Teddy Barnes‘ Expedition geradezu professionell aufgestellt – er hat mit Sy einen Förster/Park-Ranger o.ä. dabei, der Orts-, Fauna- und Florakenntnis mitbringt, mit Erin und Daryl zwei professionelle Kartographen, die jeden Schritt der Expedition vermessen und festhalten, Jill bringt medizinische Kenntnisse zur Versorgung etwaiger Notfälle mit, Psychologe Walter hält ein permanent wachsames Auge auf den mentalen Zustand der Expeditionsteilnehmer, technisch ausgerüstet ist die Gruppe mit GPS (das sich natürlich als nutzlos erweist), Funkgeräten und einem ATV-Buggy – nach menschlichem Ermessen hat Teddy an alles gedacht.
Die Charaktereinführung ist nicht sonderlich elegant – es gibt halt eine dezidierte ausführliche Vorstellungsrunde, aber man kann sich vorstellen, dass das im „echten Leben“ ähnlich funktionieren kann. Die Charaktere selbst sind sympathisch genug, dass sie uns nicht rektal vorbeigehen, aber entwickeln dennoch genügend Gruppendynamik, um interne Konflikte glaubhaft aufzubauen – mangels eines „greifbaren“ Antagonisten müssen schließlich die Spannungen innerhalb der Gruppe den Film dramaturgisch tragen. Dies gelingt trotz des eher gemächlichen Tempos ganz manierlich, auch weil das Script die Bedrohung gekonnt schleichend aufbaut, von der anfänglich, wie gesagt, absurden Idee der mysteriösen Beschallung hin zur tödlichen Situation, in der die Charaktere dann wunderbar so funktionieren, wie sie müssen (Sy und Liv sind die apostrophierten Außenseiter, weil sie nicht wirklich *zur* Gruppe gehören, Walter, Teddy und Melissa bilden ein Dreieck, Jill wird von allen, inklusive ihr selbst, als unbedeutendes Anhängsel betrachtet, die länger schwelenden Konflikte der Luger-Geschwister brechen offen aus), das ist alles Spannungsaufbau aus dem Lehrbuch.
Und da wäre natürlich noch die schon aus dem Titel ersichtliche Verbindung zum „Zauberer von Oz“ – dass am Ende des Pfades keine Smaragdstadt wartet, dürfte klar sein, ebenso, dass der Streifen nicht alle Fragen beantwortet, die er stellt, und im Schlussakt einen nicht ganz unerwarteten Schlenker in surreale Gefilde nimmt (was Freunde der lückenlos-schlüssigen Auflösung einmal mehr irritieren wird, das Ende ist vielfältig interpretierbar), aber natürlich ist der Grundgedanke, dass diejenigen, die sich auf den Pfad machen, hoffen, an seinem Ende eine Epiphanie/ein besseres Leben/Erkenntnisse zu finden, ein wesentliches Element des „Zauberers“ (wobei Liv eine Art zen-buddhistische „Der Weg ist das Ziel“-Philosophie zu erkennen glaubt, die auf ein „Der Pfad versteht dich“ hinausläuft).
Selbstredend gibt es auch bei den Figuren Parallelen – Teddy ist unschwer zu erkennen Dorothy, Erin wird im Wortsinne zur Vogelscheuche, Walter ist der „cowardly lion“ – der Zinnmann ist nicht ganz so einfach zu identifizieren, ich dachte zunächst an Daryl, doch der übernimmt die „wicked witch“-Rolle, sowohl für Sy als auch Melissa lassen sich Argumente finden (dafür ist Jill z.B. recht eindeutig ein einfacher „munchkin“), Liv dagegen könnte man durchaus auch als eine nicht unbedingt aus freien Stücken handelnde, aber klar manipulierende „Hexe“ einstufen. Es ist nicht zwingend notwendig, sich auf die Suche nach Oz-Referenzen und -Einflüssen zu machen, um „Yellowbrickroad“ zu verstehen und/oder Gefallen daran zu finden, aber es ist eine nette Meta-Ebene für Freaks like me…
Formal ist „Yellowbrickroad“, wie erwähnt, dankenswerterweise ein handelsüblicher Spielfilm mit Schnitten, Dramaturgie und dem ganzen Krams (allerdings ohne einen „echten“ Score – aber Musik an sich ist quasi permanent anwesend). Angesichts des Plots verständlicherweise beschränkt sich das filmisch Zeigbare zwar überwiegend auf „Leute, die im Wald rumlaufen“, worauf man durchaus schwer allergisch reagieren kann, hat man sich durch die Ahnengalerie teutonischen Amateurhorrors gekämpft, aber dies dann doch mit professioneller Kameraarbeit und einem dramaturgischen Ziel vor Augen. Trotz der sich annehmbar aufbauenden Spannung hätte man den Film sicherlich im Mittelpart ein wenig straffen können – zehn-fünfzehn Minuten könnte man einem etwas forscheren Tempo zugute schon opfern, ohne character development oder Exposition verlieren zu müssen. Nicht, dass der Film die Geduld des Zuschauers überstrapazieren würde, aber es ginge halt da und dort etwas prägnanter.
Der Film ist an und für sich ab 16 freigegeben (die 18 verdankt die DVD/BluRay den für die verkaufsförderliche rote Freigabe beigepackten Trailern), und das passt so. Es gibt trotz verschiedentlicher Kills und Todesfälle nur einen (dafür aber ziemlich ruppigen) Splattereffekt, weitere Schandaten sind verhältnismäßig unblutig oder werden off-screen gehandhabt. Es ist halt doch – zumindest da passt die „Blair Witch“-Verbindung, obschon ich persönlich eher an Berlingers unterschätzten und gern falsch verstandenen „Blair Witch 2“ dachte – klar psychologischer denn graphisch-expliziter Horror.
Die Darsteller sind durchwegs unbeschriebene Blätter, was für Filme dieser Couleur allerdings ein Vorteil ist (so sie begabt sind) – „Blair Witch Project“ funktioniert für die, für die er funktioniert, ja nicht wegen der ausgefuchsten Mythologie, sondern weil die Darsteller authentisch sind, „echt“ wirken. Auch wenn wir bei „Yellowbrickroad“ natürlich von Anfang an *wissen*, das wir gescriptetem Entertainment beiwohnen, ist das Zusammenspiel authentischer Figuren fraglos wichtig.
Michael Laurino kommt von der Bühne, spielt hier seine erste wesentliche Filmrolle und kommt damit gut zurecht – man kann vielleicht kritteln, dass er etwas deutlicher machen könnte, warum für seinen Charakter dieser „Quest“ bedeutender ist als für seine Kameraden, aber da bietet ihm das Script nicht arg viel mehr an Tiefgang. Mit seiner Film-Frau Anessa Ramsey („The Signal“, „Footloose“-Remake) verbindet ihn passable Chemistry. Ramsey selbst hat die womöglich am schwächsten geschriebene Figur zu spielen (obwohl sie eine zentrale Rolle spielt, fehlt ihrem Charakter ein klarer Fokus, bzw. als sich der ausbildet, ist es ein wenig spät dafür), macht sich aber ebenfalls ganz patent.
Die Real-Life-Geschwister Clark und Cassidy Freeman spielen die Luger-Geschwister und verstehen sich daher on-screen durchaus glaubhaft „nicht“. Während Clark hier seine bislang größte Rolle spielt (ansonsten kann man ihn in kleinen Auftritten in „Beverly Hills Chihuaha 2“ und „Alpha Must Die“ bewundern), ist Cassidy mit ihrer langjährigen Rolle als Tess Mercer bzw. Luthor in „Smallville“ der „Star“ des Ensembles, dafür aber mit der „kleinsten“ Rolle – womöglich zielen die Regisseure auf den „Psycho“-Effekt, den bekanntesten Mitwirkenden als ersten (und am spektakulärsten) abzumurksen…
Tara Giordano als Jill ist – programmgemäß – unauffällig, Alex Draper („Mimic 2“) und Sam Elmore erfüllen die ihnen zugedachten Aufgaben adäquat, Laura Heisler als Liv spielt ihre Outsider-Rolle mit der notwendigen Distanziertheit.
Wenn man weiß, dass Lee Wilkof („School of Rock“, „Ally McBeal“, „Private Parts“) für seinen Part eine Auszeit von seinem Bühnen-Job als „Wizard“ in der Los-Angeles-Inszenierung von „Wicked!“ nahm, kann man erahnen, welcher Art seine Rolle sein könnte…
Bildqualität: Die Great Movies-BluRay bietet solide Bildqualität (1.78:1-Widescreen) ohne Aussetzer. Kontrast, Schärfe und Farben wissen zu überzeugen.
Tonqualität: Selbiges gilt für den Audio-Part, wobei die englische Originalsprachfassung (Dolby 5.1) deutlich zu bevorzugen ist (wir wissen ja alle, wie „gut“ Great-Movies-eigene Synchros auszufallen pflegen).
Extras: Trailer plus Trailershow, leider kein filmspezifisches Bonusmaterial, was speziell wegen der Oz-Verbindungen schon interessant gewesen wäre…
Fazit: Streckenweise packender, plausibel gespielter und überraschender Psycho-Mystery-Horror mit einer schrägen, aber konsequent weiterfabulierten Grundidee – Fans des etwas Abseitigeren sollten mal reinsehen.