Yellow

 
  • Deutscher Titel: Yellow
  • Original-Titel: Yellow
  •  
  • Regie: Ryan Haysom
  • Land: Großbritannien/Deutschland
  • Jahr: 2012
  • Darsteller:

    Stephen M. Gilbert, Hester Arden, Rocco Menzel


Vorwort

Im Berlin der 80er Jahre geht ein schwarzbehandschuhter Serienkiller um, der engagiert dabei ist, den attraktiven weiblichen Bevölkerungsanteil zu dezimieren. Unser Killersmann sieht sich dabei als Bestrafer allerhand unspezifizierter Sünde und berichtet seine Taten einem älteren Herrn (vermutlich ein desillusionierter ehemaliger Cop. Nicht, dass uns irgendjemand das sagen würde). Der alte Mann versucht den Killer zur Strecke zu bringen, doch bislang kam er noch jedes Mal zu spät…


Inhalt

Neo-Giallo. Ich weiß bis heute nicht, was ich davon halten soll. Ich habe irgendwie das Gefühl, der Giallo, also wenn man filmhistorisch so will, das Bindeglied zwischen dem klassischen Edgar-Wallace-Krimi und dem späteren Slasher-Horror, ist ein Genre, das außerhalb seiner originären Epoche nicht funktioniert – also maximal in einer Zeitspanne von Ende der 60er bis Mitte der 70er. Selbst der König des Giallo, Mario Bava, hielt das Thema irgendwann mal für auserzählt und wandte sich anderen Genres zu und spätestens in dem Moment, in dem Dario Argento sich dem puren übernatürlichen Horror zuwandte, hat sich der Giallo wohl einfach überlebt. Schon die Versuche, das Genre in den 80ern künstlich am Leben zu erhalten, brachte so manche filmische Katastrophe hervor („Midnight Ripper“, ich rede mit dir!), und so richtig überzeugen konnte von dem, was seit einigen Jahren unter dem Etikett „Neo-Giallo“ firmiert, auch nix – weder „Eyes of Crystal“, Argentos eigener Offenbarungseid „Giallo“ oder auch Amer, der sich aber auch weniger als Neo-Giallo verstand denn als Hommage (der Nachzieher der „Amer“-Macher, „The Strange Color of Your Body’s Tears“, den ich beim FFF gnadenlos verpasst habe, hat aber auch von den Leuten, auf deren Meinung ich Wert lege, mehr schlechte als gute Kritiken kassiert).
Dario, bist es du? (Ehrlich, so wie der Meister abgebaut hat, würd’s mich auch nicht mehr wundern, wenn er in sonnem Quark ’ne Rolle übernimmt).

Nun gut, nun versucht’s mit Ryan Haysom ein Brite. Haysom hatte vor „Yellow“ schon zwei Horror-Shorties gedreht („LV 16“ und „Feral“, die aber beide keine größere Verbreitung fanden). Sein Co-Writer Joe Britt ist normalerweise als Kameramann unterwegs und fotografierte als bislang größte Ruhmestat ein Segment des Anthologiefilms „The ABCs of Death 2“. Ich will Haysom und Britt durchaus glauben, dass sie ihre Hausaufgaben gemacht haben – ein unheimlicher Killer geht um und murkst, stilecht mit schwarzen Handschuhen gekleidet, reihenweise hübsche Mädels ab, das geht soweit in Ordnung.
Neulich, bei Opa Krawuttke.

Aber. Und es ist ein großes ABER, das jetzt kommt und vermutlich bis zum Fazit reichen wird – Gialli mögen nicht die durchdachtesten Beiträge zum Thema Kriminalfilm sein, aber sie geben sich normalerweise zumindest soweit Mühe, bei oberflächlicher Betrachtung sowas wie Plot und Charaktere zu haben. Dass die Auflösung dann meist aus den tiefsten rektalen Finsternissen des Drehbuchautor-Verdauungstrakts kommt, ist für Storyfetischisten wie mich nicht immer erfreulich, aber im Gerne par-for-the-course und wird von mir im Allgemeinen nicht als Totschlagargument gegen die Filme verwendet. Nur – ich HÄTTE schon gerne eine Andeutung von Handlung, Motivation und Zeuchs, was allerdings nun Zutaten sind, die „Yellow“ komplett ausspart. Jaja, ich weiß, Kurzfilm, da darf man das alles nicht so eng sehen, in 26 Minuten ist schwer Geschichten erzählen und wenn man dann noch Künschtla ist und praktisch völlig auf Dialoge verzichtet, macht das die Sache nicht einfacher, aber Herrgottnochmal, man kann auch einen Kurzfilm so aufbauen, dass der Zuschauer wenigstens einen groben Überblick über das wiewarumundhää hat (und 26 Minuten ist nun auch nicht ultrakurz). Haysom will aber alles über Bildsprache, Visuals und Stimmungen regeln. Guess what: klappt nicht. „Yellow“ ist eine weitgehend sinnfreie Abfolge von mehr oder weniger schönen Bildern, ist also, wenn man so will, „erzählerisch“ (I use this term once more so loosely) eher in der Schule der Italo-Gore-Filme (also der Glockenseile, Geisterstädte und Friedhofsmauerhäuser & Co.) als in der des Giallo. Wir haben keine Ahnung, wer der Killer ist, was seine Motivation ist (denn sein vages „Sündenbestrafungs“-Gebrabbel macht keinen Sinn, wenn wir nicht, was der nächste Punkt auf meiner Spackenfilmliste ist, die geringste Ahnung haben, wer die Opfer sind), wir wissen nicht, wer der alte Mann ist, in welcher Verbindung er mit den Fällen steht und warum der Killer ausgerechnet ihn zum „Mitwisser“ macht, und wie der alte Sack es überhaupt schafft, die Wege des Killers und seine Tatorte zu erahnen (oder warum seine Waffe ein Hammer ist. Ich möchte meinen, es gäbe irgendwie, naja, praktischere Hilfsmittel, um einem Psychokiller zu Leibe zu rücken als ausgerechnet einen Hammer, der verlangt, dass man bis auf ungefähr 10 cm an den Kerl rankommt).
Völlig normale Reaktion, wenn man jemandem gegenübersteht…

Persönlich pissen mich ja immer auch unnötige Anachronismen an – mir ist eh schon nicht klar, warum der Film unbedingt in den 80ern spielen muss (die vielfach ins Bild gesetzten Leuchtreklamen gibt’s ja auch heute noch. Aber jetzt durchschau ich das – das ist kein Neo-Giallo, das ist ein Neon-Giallo!), aber dann sollte man halt zumindest ein paar grundlegende Fakten beachten. Z.B. in den 80ern war Berlin geteilt. Sofern der Film also nicht gerade in den letzten sieben Wochen von 1989 spielt, dürfte selbst der mörderischte Serienmörder es nicht ganz einfach gefunden haben, auch in Ost-Berlin zu morden (wie der dekorativ aufgehängte Stadtplan, auf dem der alte Mann die Tatorte markiert, eindrucksvoll belegt), geschweige denn Altsack nach Herzenslust im Osten ermitteln hätte dürfen.
… der so gekleidet ist.

D.h. im Endeffekt ist „Yellow“ mal wieder nur eine Goreshow. Die Morde sind heftig und FX-technisch auch, äh, sauber gelöst (auf eye violence könnte ich wie üblich verzichten, aber das ist halt nur mal wieder mein Problem), aber sie sind halt auch alles, was der Film hat (und es sind „nur“ zwei, drei, wenn man den Abgang des Killers mitzählt). Zwischen den Mordszenen gibt’s für einen Kurzfilm aber arg viel Leerlauf, wenn Altsacke deprimiert in seiner schäbigen Bude hockt und frontal in die Kamera glotzt, zwei Minuten braucht, um ein klingelndes Telefon zu gehen oder mit seiner rosenkranzbehängten Schleuder durch’s nächtliche Berlin zockelt (ein treffenderer Name für den Film wäre „Berliner Stadtautobahn – der Film“. Um die Gewaltspitzen gekürzt bietet sich das Ding für die Nachtschleife von RBB an).
Yeah, it’s a nice shot, granted. But what for?

Dabei hätte „Yellow“ ab und zu sogar die Chance auf effektiven Thrill – die Szene, in der der alte Mann sich im menschenleeren U-Bahnhof Alexanderplatz vom Killer verfolt glaubt, ist gar nicht mal so schlecht (und dass der Alex unterirdisch ganz schön creepy werden kann, kann jeder bestätigen, der mal mitten in der Nacht dort auf’nen Anschluss gewartet hat). Aber es versinkt alles in nichtssagenden Montagen, gekünstelten Überblendungen und einem derart langsamen „Erzähltempo“ (da kuckt man manchmal auf die Fernbedienung, ob man nicht doch aus Versehen auf Pause gedrückt hat), dass man beim Zuschauen eher denkt „in einem vernünftigen Film könnte das ’ne gute Szene sein“ als dass man die Leistung „Yellow“ und seinen Machern zuschreibt.
Symbolism! Arthouse! ARGH!

Auf der Plus-Seite verbucht „Yellow“ einen ausgezeichneten, treibend-pulsierenden elektronischen Score, der wirklich 80er-Retro-Feeling ausstrahlt – Antoni Maiovis Musik würde ich sofort auf CD kaufen (und klar, sie hätte einen besseren Film verdient).

Stephen M. Gilbert („Münchhausen – Die Geschichte einer Lüge“, „Bella Familia – Umtausch ausgeschlossen“) ist dann leider auch nicht die Sorte Darsteller, die ohne Dialoge einen solchen Film tragen kann. Was im Drehbuch wahrscheinlich als „verbittert“ und „desillusioniert“ stand, ist halt meistens nur „leer vor sich hinstarren“ oder „hölzern rumstehen“. Rocco Menzel ist hinter der Sin-Reaper-Maske vor neugierigen Blicken verborgen, die Rolle könnte dann natürlich auch ein Toastbrot spielen und „Hauptopfer“ Hester Arden kann auch nicht mehr tun als dekorativ irgendwo im Bild zu sein und entsetzt zu kucken.

Bildqualität: „Yellow“ wird von einer Klitsche namens „Vice“ auf DVD vertrieben. Der 2.20:1-Widescreen-Transfer ist hübsch und klar und lässt speziell die Neon-Nachtaufnahmen gut zur Geltung kommen.

Tonqualität: Stereoton. Die wenigen Dialogschnippsel sind in Englisch, wer damit nicht zurecht kommt, findet aber Untertitel in allen wesentlichen Weltsprachen…

Extras: Übersichtlich – ein Trailer, drei Teaser und eine Making-of-Bildergalerie.

Fazit: Schade, aber auch nach „Yellow“ verbleibe ich bei meiner Ansicht, dass es keinen vernünftigen Neo-Giallo gibt. Ich bin ja durchaus bereit, einer Independent-Produktion (auch „Yellow“ wurde über Crowdfunding finanziert), noch dazu im Kurzfilm-Bereich, etwas slack zu cutten (ich muss ja mal wieder die Sprachpolizei reizen…), aber bitte, gebt mir halt IRGENDWAS an die Hand. Nur ein paar Nacht-Autofahrszenen mit krassen Morden zu verbinden ist mir halt zu wenig, da ärgere ich mich dann selbst über nur 26 verschwendete Minuten Lebenszeit, auch wenn ich natürlich weiß, dass „style over substance“ quasi für den Giallo erfunden wurde – doch selbst der dümmste Italo-Giallo aus den 70er hat wenigsens eine Prise „substance“. Gebt mir ’ne Maxi-CD vom Score, dann hab ich alles, was ich von „Yellow“ brauche. Der Film ist leider fürchterlicher, wenn auch auf Hochglanz polierter, Bullshit. Passionierte Gorebauern dürfen mal reinkucken…(kein Wunder, dass sich die sogenannte Fachpresse mal wieder überschlägt, siehe Poster).

1/5
(c) 2015 Dr. Acula


mm
Subscribe
Benachrichtige mich zu:
guest
0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments