Xanadu

 
  • Deutscher Titel: Xanadu
  • Original-Titel: Xanadu
  •  
  • Regie: Robert Greenwald
  • Land: USA
  • Jahr: 1980
  • Darsteller:

    Olivia Newton-John (Kira), Gene Kelly (Danny McGuire), Michael Beck (Sonny Malone), James Sloyan (Simpson), Dimitra Arliss (Helen), Katie Henley (Sandra), Fred McCarren (Richie), Renn Woods (Jo), Sandahl Bergman, Lynn Latham, Melinda Phelps, Cherise Bates, Juliette Marshall, Marilyn Tokuda, Yvette Van Voorhees, Teri Beckerman (Die Musen), The Tubes


Vorwort

Sonny Malone ist Kunschtmaler. Allerdings ist Kunscht gerne eine brotlose solche, insbesondere, wenn der Herr Künschtler nicht den geringsten Plan davon hat, was er eigentlich überhaupt und wenn, dann wie auf die Leinwand klatschen möchte. Frustriert zerreißt Sonny seine letzte Radierung, um den freischaffenden Pinsel an den Nagel zu hängen.

Doch ein Wunder geschieht – Sonnys zerrissene Zeichnung wird wie von Zauberhand zu einem Wandgemälde getragen und erweckt dessen Bevölkerung, die neun Musen der griechischen Mythologie, zum Leben. Und die Musen machen sich sofort daran, weltweit ihren Job zu verrichten. Eine besonders hübsche Muse bleibt gleich in Los Angeles…
Wo sie sich, wie das hier und jetzt gute Sitte ist, Rollschuhe unterschnallt und die Bürgersteige unsicher macht. Ihr erstes Opfer ist Sonny und dem schmatzt sie unvorbereiteter Weise einen Kuss auf die Lippen. Sonny ist gelinde überrascht, das passiert selbst in Venice Beach nicht alle Tage. Aber auch ein Kuss bezahlt keine Rechnungen, und so kriecht Sonny zu Kreuze und heuert wieder bei seinem alten Job an – für die Plattenfirma des pieseligen Managers Simpson ist seine Aufgabe, Plattencover vergrößert abzumalen, auf das man diese großformatigen Werke zu Werbezwecken vor Plattengeschäften (die Älteren erinnern sich) aufhängen kann (man merkt auch: Farbkopierer mit Vergrößerungsfunktion waren noch nicht erfunden). Künstlerisch natürlich nicht wesentlich anspruchsvoller als Abpausen, aber Sonny ist der beste und schnellste seines Fachs, allerdings mit der aus Simpsons Sicht unangenehmen Eigenschaft, die Motive zu verkünstlerifizieren. Deswegen ist strikte Bedingung für seine Wiederanstellung, dass Sonny sich zukünftig jeder künstlerischen Tätigkeit enthält und 1:1 die Cover abpinselt.

Tja, aber was bekommt Sonny als ersten Auftrag in die Hand gedrückt? Das Albumcover der „Sisters 9“ (get it?), das ein seltsames Art-Deco-Gebäude zeigt und wer steht davor und lächelt den potentiellen Plattenkäufer an? Niemand anderes als die unbekannte Blondine mit dem fremde-Leute-küsten-Tick. Für Sonny kann das kein Zufall sein, hier ist Schicksal am Werke. Nur leider kennt niemand das Modell, auch und insbesondere nicht der Fotograf, der eigentlich überhaupt nicht vor hatte, ein menschliches Wesen auf dem Cover zu zeigen. Schwups, war sie da, und schwups, war sie weg, und richtig bemerkt hat der Fotomensch die Erscheinung erst in der Dunkelkammer. Sonny lässt Arbeit Arbeit sein und macht sich am Strand auf die Suche nach seiner Schönen. Zunächst findet er aber nur einen klarinettespielenden alten Knausel, mit dem er sich einigermaßen anfreundet. Doch da – das Mädel skated vorbei. Sonny hijackt ein Moped und nimmt die Verfolgung auf, landet aber dank eigener Dusseligkeit erst mal im Pazifik. Platsch.

Nun könnte man auf den Gedanken verfallen, dass das bewusste Schicksal eher nicht so will, dass Sonny und die Unbekannte sich näherkommen, aber unser Künstler ist hartnäckig. Als er zufällig an dem Gebäude, dem früheren Pan-Pacific-Auditorium (einer einigermaßen legendären früheren Veranstaltungshalle), vorbeikommt, wird er von unbekannter Macht dazu verleitet, in das derelikte Gebäude sorta einzubrechen. Und siehe da – die unbekannte Schönheit rollt durch herumstehende Kisten von 1852 und freut sich ihres Lebens. Dass sie einen persönlichen Stalker hat, findet sie echt gut, aber bevor man sich näher kommen kann, verschwindet sie und hinterlässt nur ihren
Namen – Kira (sie ist also eine Bajoranerin. Sah man der Nase gar nicht an).
Sonny muss also wohl oder übel zurück an die Arbeit, doch sein Auftrag, das neueste Cover an einem Plattenladen aufzuhängen, spült ihn wieder in die Arme des alten Klarinettisten, und der lädt ihn zu sich nach Hause ein, wo Sonny eine ganze Großhandelspackung Legosteine staunt. Der alte Knacker ist nämlich nicht irgendein hergelaufener Strandpenner, sondern stinkreich und außerdem Danny McGuire, altgedienter Swingmusiker, der noch mit Glen Miller persönlich gespielt hat. Aber seit einer unglücklichen Liebe (hint-hint) hat er der Musik abgeschworen. Aber den alten Herrn juckt’s immer noch. Er würde herzlich gern wieder einen Club aufmachen, doch mangelt es ihm an einer geeigneten Location. Vielleicht will sich Sonny an der Suche beteiligen?

Nach einem Überraschungsbesuch Kiras im Atelier, die dem verhinderten Maler gut zuredet, schlägt Sonny das Pan-Pacific-Auditorium vor, und nach einer spontanen Besichtigung der Bruchbude erklärt sich Danny einverstanden und ernennt Sonny zu seinem offiziellen Geschäftspartner und Co-Club-Besitzer. Kira schlägt den Namen für das Etablissement vor – „Xanadu“. Mit Dannys nahezu unbegrenzten Mitteln und Sonnys Auge für die künstlerische Gestaltung scheint einer erfolgreichen Eröffnungsfête nichts im Wege zu stehen, aber es gibt ein kleines Problem. Sonny und Kira sind schwer ineinander verliebt, aber wie wir uns dumpf erinnern, ist Kira kein Mensch, sondern eine Muse und damit Göttin, und die sollen sich eigentlich nicht in sterbliche Torfnasen verlieben…
 


Inhalt

1980. Man muss dabei gewesen sein. Die 80er, wie wir sie kennen und lieben, waren noch nicht ganz da, hoben aber schon zaghaft ihr Haupt in Form von früher New Wave, und die 70er, na, die wussten, genau wie Discomusik, noch nicht, dass sie eigentlich tot waren. Es gibt bessere Zeiten, um als Filmstudio das Comeback des Großen Hollywood-Musicals zu versuchen als ausgerechnet in einer Übergangszeit, als sich Popkultur, Kunst und Gesellschaft an sich überhaupt nicht einig war, in welche Richtung sie sich entwickeln würden. Andererseits – vielleicht ist gerade das „Xanadus“ einzigartiger Vorteil – er ist so komplett an allem vorbeidesignt und –entwickelt, was irgendwie in irgendeiner Form auch nur viertelwegs künstlerischer oder gesellschaftlicher Konsens gewesen sein könnte, dass der Film gerade dadurch eine gewisse Zeitlosigkeit gewinnt; irgendwie könnte „Xanadu“ gleichzeitig zu jeder beliebigen Zeit oder auch nie spielen…

Der Fairness halber muss man sagen, dass „Xanadu“ zunächst überhaupt nicht als Großes Hollywood-Musical gedacht war. Der ursprüngliche Gedanke von Lawrence Gordon war es, am gerade in voller Blüte stehenden Rollerskate-Wahn zu partizipieren, mit der Vermutung, ein schnell und extrem billig heruntergekurbelter Film könnte ein gutes return-on-investment bringen, sofern man fix genug war, zwei Independent-Konkurrenzproduktionen (namentlich das Linda-Blair-Vehikel „Roller Boogie“ und den von Nick Castle [!] geschriebenen „Skatetown, U.S.A.“ mit Scott Baio) beim Rennen in die Kinos zu schlagen. Gordon wandte sich zwecks Drehbuch an den ihn bekannten Autoren Marc Rubel, dessen Teenie-Komödie „Almost Summer“ 1978 einigermaßen erfolgreich war und vermuten ließ, dass Rubel mit den aktuellen Trends bei Jugendlichen vertraut war. Rubel fehlte ein wenig der Zugang zum Stoff, bis er den Angle fand, aus der Geschichte eine Art „American Graffiti“ zu machen, eine lockere Beobachtung des Lifestyles an Venice Beach, die in einem Finale in einem Rock-Club kulminieren sollte. Von Musical war da noch lange nicht die Rede… Nach längerem Hin und Her erhielt Gordon von seinem Vorgesetzten grünes Licht, aber auch die Weisung, das Script noch mal überarbeiten zu lassen. Diese Aufgabe viel Richard Danus zu, für den es der erste Job war. Mittlerweile hatten sich aber die Begleitumstände dramatisch geändert – Olivia Newton-John hatte Interesse an dem Projekt bekundet, und damit mutierte „Xanadu“ von einem schnellen Low-Budget-Fetzer, der auf einer aktuellen Modeerscheinung beruhte,  zu einem Großprojekt mit dem heißesten an heißen weiblichen Crossover-Film- und Gesangsstars, den 1979 zu bieten hatte, mit der Intention, Olivia, die bislang stets gleichberechtigte Partner in ihren Filmparts an der Seite hatte, als Solo-Kassenmagnet zu etablieren. Das bedingte zwanglos die Umkonzeption in ein Musical, und nach einigem Brainstorming, wie das zu bewerkstelligen wäre, einigten sich Gordon und Danus darauf, full fantasy zu gehen, denn wenn man erst mal etabliert hat, dass in einer Filmwelt alles geht, dann, naja, dann geht auch alles und sollte jegliche Bedenken über Logik, Sinn und Zweck ausmerzen. Als Regisseur wurde der unerfahrene Robert Greenwald an Bord geholt, der bis dato nur drei kleinere TV-Filme (aber immerhin einen mit der jungen Kim Basinger) gedreht hatte, aber wohl, wie Gordon sich erinnert, im Gespräch für einen der „anderen“ Rollerskate-Filme war und deshalb kurzerhand abgeworben wurde.

Nun galt es, einen Co-Star an Bord zu holen. Gordon wollte, um einen Anknüpfungspunkt an die Großen Klassischen Hollywood-Musicals zu haben, unbedingt Gene Kelly. Der war im Semi-Ruhestand und hatte eigentlich keine Lust. Gordon ging ihm solange auf die Nerven, bis Kelly zusagte – unter einer Bedingung: „Ich tanze nicht.“ Trotzdem wollte Gene den Choreographen Kenny Ortega kennenlernen. Der war völlig unvorbereitet, als Kelly ihn nach seinen Vorstellungen und Ideen ausfragte, improvisierte einige klassische Kelly-Schrittfolgen und hatte den Altmeister schließlich am Wickel (was zu einer lang anhaltenden Freundschaft zwischen Ortega und Kelly führte), und der sich auch zu Tanzeinlagen breitschlagen ließ. Mit Olivia Newton-John verstand Kelly sich prächtig, aber ihre gemeinsame Tanznummer wurde erst nach Abschluss der eigentlichen Dreharbeiten von Kelly persönlich choreographiert und gestaltet (unter Ausschluss der Filmcrew. Nur Ortega, der Director of Photography und der Kamera-Bediener durften anwesend sein), als Testvorführungen ergaben, dass das Publikum eine gemeinsame Nummer der Top-Stars erwarteten, aber nicht bekamen.

Die Musik wurde in die Hände von Olivia Newton-Johns Stammkomponisten und –arrangeur John Farrer einerseits (für ihre Solonummern) und Jeff Lynne (für die weiteren Songs und die große Abschlussnummer) gelegt – was bezüglich Lynne auch wieder zu der oben angesprochenen stilistischen Unentschlossenheit beiträgt, denn wiewohl das Electric Light Orchestra auf eine lange Erfolgsgeschichte zurückblicken kann, waren und sind Lynne und E.L.O. nie wirklich „stilprägend“ gewesen, sondern ein Unikum, das weitgehend ohne Rücksicht auf angesagte Trends sein Ding machte. 

Konstatieren wir also, dass die meisten Darsteller, die Musiker, die Tänzer, Kostüm- und Bühnenbildner kübelweise Herzblut an „Xanadu“ vergossen, aber, und es ist ein großes ABER, was das Drehbuch angeht, kann man das nicht sagen. Bzw. wie Robert Greenwald es im Begleitmaterial der Blu-Ray-Veröffentlichung ausführt, es wäre schön gewesen, hätte es denn eines gegeben. Danus lieferte zwar eifrig Drafts ab, aber keiner fand das Gefallen der Projektverantwortlichen, so dass ein echtes shooting script nie gab. Und es hätte dringend eins gebraucht… Es ist natürlich richtig, dass Musicals ein wenig anders funktionieren als straighte narrative Erzählfilme, aber diversen Song- and-Dance-Nummern müssen halt doch einigermaßen schlüssig miteinander verbunden werden und idealerweise die Handlung vorantreiben, weil die Songs das in aller Regel nicht alleine stemmen können (erst recht, wenn die Texte nur rudimentären Bezug zu Stimmungen und Wendungen der Handlung haben). Das „Xanadu“-Script funktioniert einfach nicht – Sonny Malone ist kein interessanter Charakter (sondern vielmehr ein ziemlicher Depp), seine Freundschaft zu Danny McGuire wird mehr oder weniger behauptet, ohne dass Sonny wirklich etwas dafür *tut*, Dannys Freundschaft zu gewinnen (es sei denn, Danny hat irgendwie einen Fetisch auf nervende Emos), und dass eine Geschichte auch einen „Konflikt“ (nicht zwingend im Sinne von „zwei Leute wollen sich gegenseitig auf die Fresse hauen“, sondern einfach gemeint als dramaturgische „obstacles“, die von den Helden überwunden werden müssen) braucht, fällt dem Film buchstäblich fünf Minuten vor der großen Schlussnummer ein – bis dahin ist es eine simple „follow your dream“-Geschichte (wobei es weniger Sonnys als Dannys Traum ist, dem gefolgt wird. Dass Sonnys großes Ziel insgeheim schon immer war, eine Rollerdisco zu eröffnen, war eigentlich nicht erkennbar), in der alles auf Anhieb funktioniert und niemand den Protagonisten Steine in den Weg legt. Erst auf der Zielgeraden kommen wir dann darauf zu sprechen, dass die Liebe zwischen Kira und Sonny verboten ist (was den dramaturgischen Höhepunkt der Geschichte, die opening night des „Xanadu“ nicht mal verhindern würde) und Kira sich in ihre eigenen mythischen Gefilde zurückziehen wird (warum sie das Sonny ausgerechnet am Tag vor der Eröffnung an die Stirn nagelt und nicht noch abwartet, bis Sonny sein geschäftliches Erfolgserlebnis und die musenbedingte Traumerfüllung zelebrieren konnte, bleibt ihr Geheimnis – dass es ein echtes Limit für ihren Aufenthalt in der Welt der Sterblichen gibt, wird nicht etabliert, scheinbar hat Kira nur keinen Bock mehr, die Scharade aufrecht zu erhalten). Das Problem wird dann einfach gelöst, indem Sonny nach etwas sulking-and-suffering, aus dem ihn eine ungefähr 30-sekündiger Peptalk Dannys löst, auf Rollschuhen gegen das Musen-Wandgemälde dengelt und dadurch in das Reich der griechischen Götter (das aussieht wie eine weggeworfene Designstudie von „Tron“) gebeamt. Und nach kurzer Diskussion mit Zeus und einer weiblichen Göttin (Hera?) darf Kira zumindest „für einen Moment – oder für immer“ auf die Erde zurückkehren. Das ist so spannend, so dramatisch, dass ich vor purer Aufregung kaum meinen Stuhl halten kann…

Generell darf man schon mal die Berufsauffassung von Kira hinterfragen, denn – was und wie inspiriert sie Sonny eigentlich? Seine Kunst macht durch den Musenkuss keine Fortschritte (okay, Simpson ist seine letzte Arbeit „zu gut“, aber das Sonny jetzt eine künstlerische Vision entwickelt hätte oder überhaupt wüsste, was er will, steht nicht zur Debatte) und was den Club, das „Xanadu“ angeht – ich wiederhole mich, das ist DANNYs Traum, nicht der von Sonny, der mehr „along for the ride“ ist…

Nach alldem hat die große Schlussnummer dann auch keinen rechten Impact (zumal sie dämlich strukturiert ist, anstatt den Song „Xanadu“ groß  und für sich allein stehend mit großer Choreographie zu feiern (der war ja schließlich auch, wie noch zu berichten sein wird, ein Mörderhit), beginnt die Nummer mit „Xanadu“, um danach noch ein paar kurze, stilistisch völlig unterschiedliche Songs von Swing über Country bis hin zu New Wave, draufzusatteln, ehe eine kurze „Xanadu“-Reprise (mit Kiras Verschwinden) den Film beschließt. Diese stilfremden Snippets reißen völlig aus der Szene und sind offensichtlich nur dazu da, weil die Kostümdesignerin noch ein paar Fetzen auf Lager hatte, die bis dato nicht verwendet worden waren (und, man muss leider sagen, die Kostüme sind zwar bunt, fantasievoll und farbenfroh, aber ästhetisch durch die Bank Abscheulichkeiten erster Ordnung. Man kann froh sein, dass sich von der „Xanadu“-Mode nur die Legwarmers für eine Zeitlang im Mainstream etablieren konnten).

Die Choreographie der Tanzszenen ist ausgezeichnet, da gibt’s nix, auch wenn die schönste Szene sicherlich das Olivia-/Gene-Duett ist, weil es einfach schlicht und klassisch gestaltet ist. Ansonsten überzeugt von den musikalischen Szenen die Sequenz, in der Danny und Sonny sich ihren Club ausmalen und eine 40er-Swing-Big-Band nebst dazugehörigen Tänzern (aus Dannys Fantasie) mit einer 80er-New-Wave-Band (die Underground-Combo „The Tubes“) konkurrieren, bis die beiden Bühnen und Tanzflächen miteinander verschmelzen. Die Abschlussnummer ist prinzipiell nicht schlecht, mit tollem Bühnenbild, aber für die Verwendung von jonglierenden Pantomimen sollte der Verantwortliche heute noch erschossen werden.
Zu bemerken wäre dabei, dass der „rollerskating“-Aspekt durch die Umarbeitung zum Newton-John-Vehikel und Musical deutlich heruntergefahren wurde (sogar soweit, dass für jemanden, der unvorbereitet an den Film herangeht, eine Mörderüberraschung sein wird, dass das „Xanadu“ am Ende eine Rollerdisco ist – bis dahin hatte nämlich niemand von etwas anderem als einem Musikclub gesprochen). Olivia, Michael Beck und auch Gene Kelly (erfahrener Eis- und Rollschuhläufer) machen sich auf den Rollen aber gut (Beck sollte allerdings nicht in ultrakurzen Sportshorts skaten, meint mein ästhetisches Gesamtempfinden).

Die Songs sind pretty good. Die von John Farrer geschriebenen Newton-John-Songs sind zwar eher unmemorabler pop-fluff, der noch stark nach den End-70ern riecht, aber inoffensiv, wohingegen die E.L.O.-Songs absolut im bewährten, eigenständigen Stil der Combo gehalten sind und durchaus zum hochwertigeren Output Lynnes gehören. Der Soundtrack verkaufte sich übrigens wie warme Semmeln („Magic“ erklomm in den USA die Nr. 1-Position in den Billboard Charts, „Xanadu“ schaffte es bis auf Platz 2, und das Album erreichte immerhin die Top 10, und speziell „Xanadu“ war auch international ein Mega-Hit – und wurde auch mit einer deutschen Version von Ireen Sheer „geadelt“). Das ließ Gordon auf einen Hit auch in den Kinos hoffen, aber aus nicht ganz klaren Gründen strich Universal den geplanten wide release in 900 Kinos auf etwas über 200 zusammen. Gepaart mit verheerenden Kritiken (die prägnanteste war ein kurzes „Xana-don’t“) floppte „Xanadu“ monumental und erarbeitete sich erst auf dem langen Weg über Mitternachtsvorstellungen und dedicated fans seinen jetztigen Status als „Kultfilm“.

Kurios: weil Produzent Gordon während des Drehs plötzlich einfiel, dass er noch einen E.L.O.-Song übrig hatte, der bislang nicht in den Film integriert war, gab er, anstatt das Drehbuchchaos weiter anzuheizen, Don Bluth den Auftrag, eine fünfminütige Song-Sequenz zu animieren (während der mitten in der Arbeit an „Mrs. Brisby und das Geheimnis von N.I.M.H.“ steckte). Bluth war von seiner hastigen Arbeit alles andere als überzeugt, aber die Sequenz ist tatsächlich bezaubernd und gelungen.
Hass und Häme braucht man über „Xanadu“ auch nicht auszuschütten – sicher wäre dem Film mit einem stringenten Script ebenso geholfen worden wie mit einem erfahreneren Regisseur, aber er ist eben auch so „good-hearted“, dass man ihm fast nichts übel nehmen kann (ausgenommen die Kostüme. Ähm).

Olivia Newton-John ist schon ein schnuckliges Babe, kann singen, kann tanzen und fällt auch in den schauspielerischen Einlagen nicht aus dem Leim, auch wenn sie nicht wirklich etwas gehaltvolles zu spielen hat, aber… ja, der Doc hat was zu meckern… ich kaufe sie nicht als griechische Göttin. Dafür hat sie einfach viel zu sehr diesen natürlichen „girl next door“-Charme mit ihren großen Augen und dem breiten Lächeln. Eine Muse bräuchte für mich etwas mehr… „überirdische“ Ästhetik (es ist natürlich ein verqueres Ansinnen, aber rein vom Typ her hätte mich Sandahl Bergman, die als einer ihrer Musenschwestern im Film auftritt und beweist, dass sie auch das Tanzbein schwingen kann, mehr überzeugt).
Gene Kelly ist trotz seiner anfänglichen Skepsis dem Projekt gegenüber gut gelaunt und mit vollem Einsatz dabei, seine Szenen sind die besten; auch wenn er es nicht nötig hätte, der Altmeister stiehlt den Film und schämt sich nicht dabei.

Über Michael Beck ist verhältnismäßig wenig zu sagen – frisch vom „Warriors“-Erfolg ist die Rolle hier natürlich ein elementarer Image-Wechsel, aber für mich passt er einfach nicht in den Film, er ist zu „geerdet“ (wenn ich damit halbwegs verständlich ausdrücke, was ich meine), zu normal, und dann doch wieder nicht sympathisch genug. Und seine Integration in den Plot ist auch eher unglücklich, es ist doch Gene Kellys Film, obwohl es eigentlich Michael Becks Geschichte sein sollte. In seinen Gesangspart übernehmen die Stimmbänder von Cliff Richard. Interessant am Rande: im auf der Blu-Ray beigefügten documentary kommt fast jeder zu Wort, der auch nur entfernt an der Produktion beteiligt war, aber der Name „Michael Beck“ fällt nicht ein einziges mal. Hat es sich da jemand mit den Kollegen verdorben?

Die restlichen Darsteller sind eigentlich nicht der Rede wert – James Sloyan („Mord ist ihr Hobby“, „Star Trek: Deep Space 9“) ist milde amüsant als ekliger Plattenboss Simpson, Fred McCarren („Amanda’s“, „Polizeirevier Hill Street“) hat ein-zwei spaßige Lines als einer von Sonnys Malerkollegen. Einen kleinen Cameo als Big-Band-Leader hat Ira Newborn, selbst Filmkomponist, z.B. für die „Nackte Kanone“-Filme.

Die Universal-Blu-Ray Marke Großbritannien bringt den Film in schönem 1.85:1-Widescreen, wobei die Farben für meine Begriffe etwas lebendiger, etwas kräftiger sein könnten. Der englische Ton ist ausgezeichnet, die Song-Abmischung gut gelungen. Als Extras gibt’s eine gut halbstündige Dokumentation mit vielen Interviews, Fakten und Anekdoten zur Produktion, außerdem den Trailer.

Wieder einmal – „Xanadu“ ist sicher kein „guter“ Film im Sinne von gut inszeniert und gut geschrieben, aber es ist schwer, ihm seine Verfehlungen (auch die ästhetischen) anzukreiden, denn… er will zwar einerseits ein throwback zum Großen Hollywood-Musical sein, andererseits aber auch nichts weiter als ein Stück fluffiger, leichter Unterhaltung ohne jeglichen Realitätsbezug. Und auf diese Weise, mit seinem Look, der kein „reales“ L.A. dokumentiert, sondern eines irgendwo zwischen Nostalgie und Retro-Futurismus, seiner Verweigerung an echten Konflikt, und seiner generellen Zuckerwatte-Attitüde, ist „Xanadu“ dann vielleicht doch ein kleiner Camp-Kitsch-Klassiker geworden…
 
© 2019 Dr. Acula
 
 


BOMBEN-Skala: 7

BIER-Skala: 7


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Diamond Bentley
Editor
Diamond Bentley
19. Juli 2019 22:04

Mit Olivia Newton Bundy konnte ich irgendwie immer mehr Bezug aufbauen.