Wurmfutter

 
  • Deutscher Titel: Wurmfutter
  • Original-Titel: Wurmfutter
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  • Regie: Fabio Magnifico (Leitung)
  • Land: Deutschland
  • Jahr: 2005
  • Darsteller:

    Lars (Sascha Braun)
    Canip (Verdat Karasu)
    Lilo (Heike Hackbarth)
    Kurt (Karl Pühlmeyer)
    Heike (Christine Panhorst)
    Mike (Thomas Walden)
    Versicherungsmann (Thorsten Bläker)
    Nachbarin (Petra Otterpohl)
    Nachbar (Rainer Barsch)
    Verkehrspolizist (Kemal Dogan)


Vorwort

Abt. Neues von alten Bekannten

Zu den Gesellen auf dem, äh, will man es „Markt“ nennen, des Independentfilms, mit denen ich schon etwas länger eine reviewende Verbindung pflege und mich auf neues Material wirklich freue, gehören die Filmschaffenden des Kollektivs zeitaufnahme.org aus Bielefeld (somit lebendes Dementi der Bielefeld-Verschwörung), deren Ensemble-Drama Mondleben ich vor einiger Zeit glühend weiterempfohlen habe (und zu dieser Einschätzung nach wie vor stehe).

Lang genug hat´s gedauert, bis a) zeitaufnahme.org-Repräsentant Thorsten Lehmkühler mir ein neues Werk zur Begutachtung schickte und b) der fulltimejob-geplagte Doc dann auch tatsächlich dazu kam, selbiges einer konzentrierten Inaugenscheinnahme zu unterziehen. Wurmfutter, das stellt schon der Klappentext dar, ist (wie hoffnungsfroh erwartet) wieder einmal weitestmöglich weg vom Amateurspläddahorrorkram, mit dem sich manch mehr, mach weniger ambitionierter teutonischer Nachwuchsfilmer zu beschäftigen pflegt, allerdings, und hier dürfen diejenigen aufmerken, die sich bereits enttäuscht abwenden, ganz ohne Mord & Totschlag macht´s unser heutiger Film auch nicht. Eine „schwarze Komödie“ soll der Streifen im Erfolgsfall werden, und das ist ein Genre, mit dem ja fast jeder irgendwie etwas anfangen kann.

Sollte heutiges Review noch mehr Tippfehler enthalten als sonst schon, bittet der Doc dies übrigens peinlichst berührt zu entschuldigen, aber nach zwei mehr oder weniger schlaflosen Nächten und einem konsequenterweise darauffolgenden Anfall königlicher Müdigkeit kann ich nicht für die ultimative Konzentration bei der Tipperei garantieren (und wenn Ihr wüsstet, wie dieser Satz ausgesehen hat, bevor ich sicherheitshalber noch mal drübergekuckt habe, wär´ Euch klar, wovon ich rede…).


Inhalt

Nach einem hübsch gestalteten Vorspann voller Cartoon-Fische (nanu, ich dachte, Wurmfutter bezieht sich auf den Weg alles Irdischen, nicht auf die Fütterung von Fischen) befinden wir uns in einem Café, wo ein Sleazy Guy TM, mit Koteletten, die mit Müh und Not Elvis tragen könnten und der lässig über den obersten Hemdknopf gehängten Sonnenbrille einem blonden Mädel die Vorzüge des „New People in Town“-Programms darzulegen versucht. S.G., okay, ich bin nett, Mike, steigert sich da leicht in was hinein, denn das sein heftigst propagiertes Programm, was immer es auch darstellt und bewirken soll, entscheidend an dem von ihm bemängelten Umstand „wir sind nur noch fauliges, grünes Fleisch“ schrauben kann, lasse ich mal elegant dahingestellt. Egal, jedenfalls geriert sich Mike wie ein Zeugen-Jehovas-Prediger, dem man versehentlich den „Wachtturm“ abgekauft hat und macht sich nicht grade sympathisch.

Im Stadtpark befaßt sich eine brillentragende Blondine, damit zweifelsfrei als intellektuelle Type gekennzeichnet, mit einem eher freudlosen Solo-Picknick, dass durch einen deutlich danebengegangenen Frisbee-Wurfs zweier sich sportlicher Ertüchtigung hingebender Vertreter der Bielefelder Jungmännerwelt empfindlich gestört wird. Heike, so heißt die Blonde, regt sich gar fürchterlich auf, weil die Wurfscheibe mit ihrem Kaffeepott kollidierte und wertvolle Notizen besabbert hat. Der Frisbeewerfer, zur standesgemäßen Entschuldigung abgetrabt, wundert sich, warum an einem schönen Sonnentag wie diesem Heike ihr zartes Köpfchen mit geistiger Arbeit beansprucht, wird aber heftig angeblafft. Mit Heike, wenn sie ihre Studien betreibt, ist nicht gut Kirschen mampfen.

Wiederum anderswo spaziert ein Paar mittleren Alters durch die Gegend – das sind Lilo und Stitch, äh, Verzeihung, Kurt. Kurt hat sich ein Hobby zugelegt, das ihn sichtlich begeistert: Fische. Bzw. zumindest den einen, den Kurt sich als Bewohner für das Heimaquarium hat leisten können: Blinky, den Goldfisch. Lilo teilt den Enthusiasmus für die schuppigen Kiemenatmer sowas von überhaupt nicht – und man kann sie durchaus verstehen, denn anstelle, wie von ihr vorgeschlagen, das schöne Wetter zu einem kleinen Besuch im Café oder Biergarten zu nutzen, drängt Kurt auf rasche Heimkehr, weil Blinky gefüttert werden muss. Das lässt bei Lilo die ein oder andere entstellende Zornesader schwellen, aber Kurt ist sich keiner Schuld bewusst: „Ich bin kein Animateur für meine gestreßte Ehefrau!“ Ja, hier herrscht glückliches und intaktes Zusammenleben. Wollt ihr den Termin beim Scheidungsanwalt ausmachen oder soll ich?

Noch haben wir nicht alle Protagonisten kennengelernt, zwei fehlen uns noch. Das wären dann Lars und sein Kollege, deutscher Mitbürger ausländischer Abstammung, Canip, betraut mit der ehrenvollen Aufgabe, Bielefelds öffentliche Grünflächen von verunstaltendem Unrat zu entfernen. Lars verbindet diesen Job mit einem lukrativen Zusatzverdienst – alles, was er im Zuge dieser Arbeit findet und für vermarktbar hält, landet zur Versteigerung bei eBay. Auch das ramponierte Bobbycar unter Büschen und Bäumen bringt vor Lars´ geistigem Auge bereits Massenhaft Euro TM. Canip hält seinen Kumpel für mittelschwer durchgeknallt, was in einer freundschaftlichen Balgerei endet und Lars zur Einschätzung bringt, dass Canip krankhaft sexbesessen wäre. Weniger rumalbern, mehr kucken wäre vielleicht besser gewesen – des Bobbycars kindlicher Besitzer holt sich das bereits vermisste Rutschgefährt nämlich kurzerhand zurück und bringt Lars damit um den erhofften Reibach.

Heike, unsere unleidliche Intellektuelle, wird von ihrer Schwester auf´m Handy angerufen (und wer auf seinem Handy Pferdewiehern als Klingelton installiert hat, wird von mir als unheilbare „Wendy“-Leserin eingestuft und vom „intellektuell“-Label umgehend befreit). Schwesterherz macht sich Sorgen wg. drohender sozialer Vereinsamung Heikes und empfiehlt eine Kontaktanzeige. So verzweifelt ist Heike allerdings dann doch nicht – so richtig scheint ihr die anregende Stimulanz menschliche Gesellschaft nicht zu fehlen.

Sleazy Guy Mike baggert immer noch die ihm (mittelprächtig interessiert) lauschende andere Blondine an. Damit wäre die Vorstellung beendet, wir können zum Plot kommen…

Eine Woche später. Lars und Canip cruisen in des Ersteren Schleuder durch ein ihnen unbekanntes Nobel-Vorort-Viertel und werden von dem älteren Pärchen, das sie als potentiell ortskundig einschätzen, um sich Einfluganweisungen zu einer bestimmten Adresse zu holen, für chronisch obskur gehalten. „Was wollen DIE bei Fuhrmanns?“, wundern sich die Einheimischen, und heißen soll´s wohl eher „Was geben sich die Fuhrmanns mit solchem Pöbel ab?“.

Nichtsdestotrotz werden unsere beiden Proleten und/oder Proletarier im Hause Fuhrmann tatsächlich erwartet. Es öffnet die uns bekannte Fischfeindin Lilo in dem, was sie vermutlich für einen echt scharfen Fummel hält. Was steigt hier? Gruppensex mit Anfassen? Die Anwesenheit von Heike und Mike bringt uns weiter – die Fuhrmanns sind freiwillige Gastgeber einer „New People in Town“-Party und das ist nun doch keine gehirnwaschende Sekte, sondern die Sorte Organisation, mit der, so der Wille der Betreiber, Neu-Bielefelder auf der Suche nach gesellschaftlichem Anschluss in locker-ungezwungener Atmosphäre mit Gleichgesinnten zusammentreffen können, ohne sich kostenintensiv durch die einschlägigen Szene-Kneipen bemühen zu müssen. Lars und Canip sind zwar alteingesessene Stadtbewohner, jedoch stets an der Erkundung potentiell anbandlungstauglicher Vertreter der weiblichen Spezies interessiert und, zumindest was Lars angeht, über die Zusammensetzung der Partyrunde gelinde enttäuscht – zumal Kurt freudestrahlend versucht, den Gästen seinen Goldfisch näherzubringen. Lars hält Kurt sicherheitshalber mal für mindestens volldebil.

Stichwort „locker-ungezwungen“. Die gemeinsame Einnahme des von Kurt zubereiteten Nachtmahls vollzieht sich in eher gedämpft-verkrampfter Stimmung, zu der die grauenvolle Opernmusik, die sich die in dieser Hinsicht geschmacksresistenten Gastgeber als akustische Untermalung ausgesucht haben, das ein oder andere Scherflein beitragen dürfte. Heike sieht sich aus Höflichkeitserwägungen zu einem „sehr lecker“ veranlasst. Lars, der sich mittlerweile ziemlich sicher ist, selten bis nie einen langweiligeren Samstagabend erlebt zu haben, kommentiert dies flüsternd mit einer obszönen Bemerkung – man muss sich den Spaß halt selber machen, wenn selbst das „Wort zum Sonntag“ mehr gute Laune verbreitet als dieses Dinner.

Dem älteren Nachbarspärchen kommt der Massenbesuch bei Fuhrmanns ausgesprochen suspekt vor – speziell dem männlichen Part, denn sein Weibi ist mehr um das zweifelhafte körperliche Wohlergehen des Pitbulls Willy besorgt und stellt zudem nicht völlig unzutreffend fest, dass es selbst in spießbürgerlichen Vorstädten noch nicht verboten ist, bei den Nachbarn nicht angekündigten Besuch zu empfangen.

Mike, der voll trendy ist, weil er constantly englische Vokabeln in seine Speeches einbaut, schreitet nach dem Happa-Happa zur offiziellen Begrüßung und wünscht noch einen angenehmen Abend. Lilo würde es schon reichen, wenn keiner die Party versaut und richtet ihr Hühnerauge dabei ziemlich uncharmant auf den eigenen und eh schon reichlich genervten Ehemann. Wird langsam mal Zeit, dass man sich gegenseitig bekannt macht. Heike stellt sich als Volkshochschul-Englischdozentin vor (da hat sie mit Mike ja gleich ein geeignetes Opfer), da will Lars nicht zurückstehen und kleidet seinen besseren Unkrautjäterjob in blumigen Worten: „Wir tragen zur ästhetischen Verbesserung des Stadtbildes bei“ usw. Kurt, der die Ansage seiner Frau nicht ganz kapiert zu haben scheint, reagiert gehässig und stutzt Lars´ Berufsbild auf unter Normalmaß zurück – er hätte allerdings nicht unbedingt das Beispiel „Brennessel bekämpfen“ wählen sollen, denn das von Kurt umnschriebene Hausmittel des Anpinkelns ist auch Lars und Canip geläufig, allerdings würden sie das nicht unbedingt weiterempfehlen, wg. der Gefahr, sich dabei wertvolle Körperteile zu verjuckreizen. Lilo findet Canips flapsige Bemerkung von wegen „Eiern mit Brennessel“ unerwartet komisch, was Kurt nur weiter in Richtung Palmkrone treibt – vor allem versteht sich sein trauter Besen für seinen Geschmack viel zu gut mit Canip. Mike bemüht sich verzweifelt und eher erfolglos, die Party durch gezielte Animation in Schwung zu bringen. Verlorene Liebesmüh, denkt sich Lars: „Neue Leute? Eher lebende Tote!“

Bei Nachbars missversteht man sich. „Tut dir dein Popo weh?“, fragt Frau Nachbar besorgt und Herr Nachbar ist irritiert, aber er war ja gar nicht gemeint, sondern der lädierte Kampfhund.

Die Party entwickelt sich indes wirklich zu einer Veranstaltung, die jedem Begräbnis dritter Klasse ernsthafte Konkurrenz macht. Lars und Mike haben inzwischen nach empirischer Feldstudie ermittelt, dass Heike das einzig rational begründbar zu belegende Frauenzimmer darstellt und mühen sich in der Disziplin Sychronbaggern. Heike geht´s auf den Zeiger, sie gesellt sich lieber zu den sich angeregt unterhaltenden Lilo und Canip. If all else fails, ist eine Diskussion über Traumurlaubsziele ein probates Mittel, zumindest ein Minimum an gepflegter Konservation zu erreichen. So auch hier. Unglücklicherweise fühlt sich auch Kurt angesprochen und verkündet, sich einen Tauchurlaub zwecks Fischbetrachtung in der Karibik zu wünschen; soweit noch nicht verwerflich, doch dann entfleucht ihm ziemlich freiwillig eine rassistische Bemerkung hinsichtlich Canip, die Lilo, die an dem smarten Deutschtürken längst einen kleineren Narren gefressen hat, wutig aus der Wohnstube stürmen lässt. Kurt folgt erregt, dito die sich frauensolidarisch erklärende Heike, und schließlich auch noch Mike, der als Organisator der Fête seinen guten Ruf zu verteidigen hat. Lars hat zum ersten Mal an diesem Abend was zu lachen: „Das ist ja wie in der Lindenstraße, hähä!“ Canip lacht, da er momentan auch nix besseres zu tun hat, mit.

Ganz wie im richtigen Leben flüchten die Damen auf die Toilette, wo Lilo ihren Tränen freien Lauf zu lassen gedenkt und Heike sich ungefragt als hervorragende Zuhörerin für großangelegte Lebensdramen aufdrängt. Mike stellt indes Kurt zur Rede, kommt aber genau an den richtigen, findet der Hausherr doch, dass es ganz erheblich unter seinem Niveau liegt, sich mit „unterbelichteten Hilfsarbeitern“ abzugeben. Zurück im Badezimmer beweist uns Heike, dass Frauen unter „Zuhören“ doch etwas deutlich anderes zu verstehen scheinen als wir XY-Chromosomenträger (was mir aber andererseits auch wieder erklärt, warum ich von zahlreichen Bekannten immer wieder gern als Zuhörer in Lebenskrisenfragen eingespannt werde. Mit Geschlechtsgenossinnen funzt dat einfach nich´) – sie textet Lilo mit Schwänken aus ihrem Beziehungs- und sonstigem Leben zu, dass es der Dame des Hauses direkt Kopfschmerzen bereitet (subtile Körpersprache, Gestik und Mimik gehen an Heike aber auch spurlos vorbei. Von wegen „einfühlsame Frauen“, pah). Kurt meint dieweil, in Mike ein dankbares Opfer für seinen eigenen tragischen Seelenstriptease zu haben („ich will doch nur, dass Lilo glücklich ist“ – dann solltest du dich vielleicht etwas weniger um deinen blöden Fisch kümmern). Mike, being a sleazy guy, hat die perfekte Idee, um die mit Karacho gegen die Wand laufende Party wieder auf Spur und Stimmung zu bringen – nur eine kleine Pille pro Nase und Drink… einen guten Dealer hat Gott lieb, steht schon in der Bibel (meinte zumindest Bambi in Linie 1, ehe mir hier jemand Verherrlichung des Drogenkonsums unterstellt…). Lilo kann zwischenzeitlich Heikes selbstbemitleidendes Gesabbel nicht mehr hören: „List man an der Uni eigentlich Rosamunde Pilcher?“

Auf Mikes Anraten versetzt Kurt den Digestif mit dessen Ecstasy-Pillen. Zum Wohl! Eine Weißblende und ein paar leicht verfremdete Images später ist schon Sonntagnachmittag und langsam, aber sicher, kommen die Partygäste aus ihrem Drogendelirium wieder zu sich. Lars und Heike zu jeweils eigener Überraschung im Garten (Lars muss mindestens ein paar mal durch die Blumenbeete gerobbt sein. Jedenfalls sieht er jetzt wirklich nach Hilfsgärtner aus…), und Heike schließt aus der enthüllenden Tatsache, dass Lars´ Hosenstall offen ist, mindestens Vergewaltigung und rennt kreischend ins Haus (na, wenn das die Nachbarn hören). Lars freut sich – er kann sich zwar nicht dran erinnern, aber offenbar ist er doch zum Stich gekommen. Etwaige sexuelle Aktivität der vergangneen Nacht wird aber rasch zum zweitrangigen Problem – denn Mike liegt Nase voraus in der Schüssel mit der Dessert-Götterspeise (o.ä.) und da´s mit der Sauerstoffzufuhr durch buntes Glibberzeug nicht wirklich gut aussieht, ist der Meister denn auch hin; während Kurt von einem Herzkasper in den nächsten fällt, weil sein Aquarium verdächtig Blinky-frei ist, versucht Lars ihm den Ernst der Lage klar zu machen – nicht nur ist Mike ´ne Leiche, sondern es sieht verdächtig so aus, als hätte da jemand gewaltsam nachgeholfen, zumindest der Delle an Mikes Denkkasten nach zu folgern. „Ich war´s nicht“, keift Kurt und stellt fest, dass sowohl Lilo als auch Canip durch physischer Abwesenheit glänzen. Hat seine Gründe, wie Kurt nach einem prüfenden Blick ins eheliche Schlafgemach feststellt – dort finden sich die Gesuchten nämlich in trauter Zweisamkeit. Kurt bleibt die Spucke weg und auch Lars ist sich nicht ganz sicher, ob er einen Lachkrampf oder einen Anfall akuter Kotzitis kriegen soll.

Bei Nachbars herrscht immer noch der Ausnahmezustand wg. des ungemeldeten Besuchs der Fuhrmanns – jetzt ist Sonntag nachmittag und die sind immer noch da? Für den Amateur-Blockwart Grund genug, die Gesetzeshüter zu alarmieren. Seine Frau rät zur Mäßigung – auch overnight visitors sind ihrer Ansicht nach noch kein direkter Grund zur Veranlassung, selbst wenn es sich um „subversive Elemente“ handelt.

Im Hause Fuhrmann beginnt indes das muntere „whodunit“-Ratespiel, allerdings unter verschärften Bedingungen – keiner der Überlebenden kann sich an die Ereignisse der letzten Nacht erinnern, was in Punkto Wahrheitsfindung ersichtlich kontraproduktiv ist. Lilo will eine logische Herangehensweise vorschlagen, aber Kurt ist sauer, ist er sich doch zumindest sicher, was SIE in der letzten Nacht getrieben hat. Lilo kontert bissig: „Hoffentlich hab ich Blinky im Klo runtergespült!“ Im Bestreben, zur Klärung der Sachlage beizutragen, aber die eigene Mitwirkung noch geheimzuhalten, deutet Kurt an, Mike mit irgendwelchen obskuren Tabletten hantieren gesehen zu haben, was aber von Lars als bloße Schutzbehauptung interpretiert wird.

Während man im Nachbarhaus weiterhin krampfhaft nach Ausreden sucht, sich guten Gewissens einzumischen, halten Canip und Kurt es für angebracht, ihre ehebruchbedingten Differenzen durch eine kleine Keilerei auszufechten. Lilo bemüht sich darum, wieder Sachlichkeit einkehren zu lassen und schlägt vor, die Polizei einzuschalten, was speziell von Lars für eine arg verbesserungswürdige Idee gehalten wird – er hat nämlich schon einen ganz anderen Einfall. Wo keine Leiche, da kein Mord, diesen Gedankengang hegte schon so mancher, der glaubte, den perfekten Mord ausgeheckt zu haben. Etwaige Skeptiker (i.e. Heike) unter den Anwesenden sind rasch überzeugt und so sind die furchtlosen Fünf nach Einbruch der Dunkelheit damit beschäftigt, Mike zu verbuddeln. Canip bekommt second thoughts und wäre nun doch dafür, sich an die Cops zu wenden, aber Lars malt sensationslüsterne Presseschlagzeilen: „Drogendealer tot nach Sexspielen“. „Sex hatten letzte Nacht nur zwei“, geifert Kurt, „meine Frau und ein Straßenreiniger aus Anatolien!“ „Recklinghausen“, wirft Canip empört ein. Heike hat von den Alphamännchenspielen die Schnauze voll und schießt in´ Wind, gefolgt von Lilo und Kurt. Lars überlegt, ob es eventuell lukrativ sein könnte, des Verblichenen flottes Moped bei eBay einzustellen, was ihm Canip grad eben so ausreden kann…

Der Montag danach. Die diversen Beteiligten versuchen, ihre jeweiligen ordinary lifes wieder aufzunehmen. Heike stellt sich vor ihre VHS-Klasse, Canip und Lars reinigen die Stadtparks. Bei einer Zigarettenpause findet Lars in seiner Kippenschachtel die Leiche des Goldfisches Blinky (aha, einen Mörder haben wir schon mal) und begehrt außerdem nach Einzelheiten über die Sexabenteuer seines Kollegen. Heike erleidet dieweil ein paar Panikattacken, als sich einer ihrer neuen Schüler als Polizist vorstellt, zu ihrem Glück aber nur ein nachrangiger Cop-Wichtel aus der Abteilung Verkehrserziehung und für Mordsachen damit nicht zuständig. Lars hingegen hat die fixe Idee, aus Mikes vorzeitigem Ableben Kapital zu schlagen, noch nicht ad acta gelegt. Wer sich nebenberuflich als Drogenverticker versucht, pflegt doch normalerweise einen gewissen Vorrat der Ware auf Lager zu haben, kombiniert Lars, und die Rolle des Verteilers gegen Obolus könnte doch auch jemand anders, z.B. er, übernehmen. Canip hat zwar Humor, aber das geht ihm dann doch zu weit: „Der Typ ist Dünger und du denkst an Kohle!“ Jedenfalls will er mit solcher Leichenfledderei nix zu tun haben.

Lilo Fuhrmann sieht sich dieweil einer informellen Befragung ihres Blockwartsnachbarn ausgesetzt. Hypernervös gelingt ihr gerade ebenso die Flucht in die heimischen vier Wände, aber dort, genauer gesagt in Form der Tageszeitung, wartet schon der nächste Schock auf sie. Wo wohl hat die Baumarktkette vor, ihren nächsten Laden hinzustellen?

Tja, genau da, wo Mike seine letzte Ruhestätte gefunden hat. Oder auch nicht, denn die Furcht vor unerwünschtem Leichenfund trommelt unsere Freunde wieder einmal nächtlich zusammen – Mike muss umziehen. Ein neuer Spot ist schnell gefunden, auch wenn Heike das schlimmste befürchtet: „Das wird bestimmt der nächste Vergnügungspark!“ „Dann sehen wir ihn bestimmt in der Geisterbahn,“ scherzkekst Canip, bevor er von Lilo beiseite genommen wird, die ihm gesteht, dass ihre Ehe mit Kurt nun endgültig im Eimer ist und sie weiteren Vertraulichkeiten mit Canip nicht abgeneigt gegenübersteht. Kameradenschwein Lars macht Kurt auf die Intimgespräche von Eheweib und Rivalen aufmerksam; Kurt geht sofort blökend dazwischen. Aber Lars hat Canip nicht aus purer Boshaftigkeit verpetzt, die Abwesenheit von Kurt an der Leiche nutzt unser geschäftstüchtiger Grünflächensauberhalter clever dazu aus, Mikes Brieftasche zu entwenden. Und schon ist Lars im Besitz von Mikes Adresse und Hausschlüssel, so dass ihn nichts davon abhält, die Bude des Geleichten persönlich aufzusuchen.

Im heimatlichen Ehebett geht Kurt Lilo mit weiteren tragischen Bekenntnissen über Blinky, den Goldfisch, auf die Nerven, ehe er doch noch auf die Idee kommt, IHR seine Liebe zu gestehen. Das ist, fürchte ich, a bisserl z´spät… aber eine Entschuldigung ist ja besser als nix. Lars durchsucht dieweil Mikes Bude, findet keinen Stoff, wagt es aber sogar, das Licht einzuschalten (und ist über die schlichte räumliche Ausdehnung der Dealerbude angemessen beeindruckt. Die Ausstattung ist nicht gerade purer Luxus, aber man kann drin Fahrradrennen veranstalten). Kurt arbeitet heftig daran, sich eventuell wieder erarbeitete Pluspunkte potenziert wieder aberkennen zu lassen, indem er gesteht, die Pillen in Gemeinschaftsarbeit mit Mike in die Drinks geworfen zu haben. Findet Lilo begreiflicherweise jetzt nicht so wirklich lustig.

Am nächsten Tag macht sich Canip so seine Gedanken über seinen werten Herrn Kollegen, der arbeitstechnisch irgendwie nicht bei der Sache zu sein scheint, angeregt in einem fetten Terminkalender blättert und sich Notizen macht. Lars gibt zu Protokoll, sein Leben neu organisieren zu wollen, was bei Canip hauptsächlich die Lachmuskeln anregt – seiner Ansicht nach braucht Lars mal wieder einen richtigen Abend auffe Piste. Lars ist nicht so begeistert von der Idee, denkt Canip seine Ansicht nach doch nur an „die Alte mit den Hängetitten“. Beleidigungen der Bettgefährtin will Canip sich nicht bieten lassen und macht Anstalten, dem werten Mit-Arbeiter an die Gurgel zu gehen. Größere Handgreiflichkeiten werden durch Lilos Anruf verhindert – die will sich dringlich mit Canip treffen. „Wer war das?“, fragt Lars. „Meine Mutter“, lügt Canip ungeniert.

Beim nächtlichen Treffen petzt Lilo, dass Kurt für die Drogenexzesse zumindest mitverantwortlich ist. Blöderweise hat sie nicht bemerkt, dass ihr eifersüchtiger Ehemann ihr gefolgt ist und dem „Kameltreiber“ nun Mores zu lehren gedenkt. Rein nahkampftechnisch ist Canip aber leicht überlegen – ein Schlag, und Kurt krepiert mit dem letzten Wort „Blinky“ (kommt fast nach „Rosebud“) an einem Herzinfarkt. Lilo nimmt sich einen leichten hysterischen Anfall und Canip muss sich wohl oder übel was einfallen lassen. Für´s erste wandert Kurt in den Kofferraum.

The next day… nun ist es an Canip, zu spät zur Arbeit zu kommen, wo Lars ihm eröffnet, aus dem Gartensäuberungsgewerbe mit sofortiger Wirkung aussteigen zu wollen – er hat einen einträglicheren Job aufgetan. Lilo öffnet daheim den Kofferraum, um für den Ex-Mann ein letztes Gebet zu murmeln. Manchmal muss man den Wortlaut solcher himmlischer Ansinnen aber wohl überdenken, denn Kurt erwacht zum Leben und kraucht aus dem Kofferraum. Dass Lilo da „KREISCH“ macht, kann man nachvollziehen.

Als Canip bei Lilo vorstellig wird, kommt ihm diese tatsächlich gleich mit der Story, den toten Kurt per couragiertem Gebet zum Leben erweckt zu haben. Wenigstens muss der Zombie aber nicht endgültig entsorgt werden, denn Kurt hat sein Bündel geschnürt und ist mit unbekanntem Ziel verschwunden. Dummerweise aber auch mit der kompletten Barschaft, den Wertpapieren und Kontounterlagen. Anders ausgedrückt: Lilo ist pleite. So´n Glück, dass Kurt aber wegen seiner eigenen Beteiligung an Mikes Begräbnis nicht stantepete zur Polente rennen kann, so bleibt noch die Option eines kleinen, aber feinen Versicherungsbetrugs, denn schließlich hat Kurt sein armseliges Leben teuer versichert.

Vier Wochen später scheint der geeignete Zeitpunkt gekommen – Lilo bestellt den Versicherungsvertreter ein und spielt die trauernde Witwe; ihr Göttergatte sei bei einem tragischen Tauchunfall in der Karibik abgesoffen. Ihr Schauspiel verfehlt nicht seine Wirkung, auch wenn sie sich nicht immer beherrschen kann, kein breites Grinsen aufzusetzen, wenn´s ums Thema „Geld“ geht (dieweil hat Heike, deren Schlafzimmer und vor allem deren Pyjama man gesehen haben sollte, und sei´s als abschreckendese Beispiel, arge Gewissensbisse). Die Versicherung ist regulierungswillig, einzig ein Original der Sterbeurkunde wüsste man gern im Firmenbesitz. Kein Problem, das kann Lilo dem Vertreter direktemang in die Patschhand drücken. Die Höhe der Versicherungssumme ist ihr nicht bekannt, aber es wird schon genug sein… Heike versucht, sich durch eine im Bett gelegte Patience zu beruhigen, scheitert aber am angegriffenen Nervenkostüm. Als der Versicherungsfritze das Haus verlässt, wittern die Nachbarn endlich ihre große Chance. Im geringfügigen Irrglauben, es beim Schadensregulierer mit einem Polizisten zu tun zu haben, plärrt das Pärchen ihm die Ohren über all die suspekten Vorgänge im Nachbarhaus voll und drängen ihm auch noch ein detailliertes schriftliches Protokoll auf. Da kann der Knabe nur noch dankbar lächeln. Er zweifelt ohnehin an Lilos Geschichte und der kurze Kontrollanruf bei der Post bestätigt ihm denn auch, dass eine Sterbeurkunde nie im Leben binnen drei Tagen von Jamaica nach Deutschland befördert wird. Da ist was faul im Orte Bielefeld.

Wieder ziehen zwei Monate ins Land. Canip ist scheinbar mehr oder weniger formell bei Lilo eingezogen – man hat sich rechtschaffen gern. Doch die Stunde der Wahrheit rückt näher – der Versicherungsmann klingelt. Indes verabschiedet sich Heike mit einem selbstgebackenen Kuchen bei ihren Schülern – Flashbacks vermitteln uns, dass zumindest sie sich ansatzweise an die Geschehnisse der verhängnisvollen Nacht ermittelt und das ist für sie nicht wirklich schmeichelhaft. Von einer Vergewaltigung durch Lars kann nämlich gar nicht die Rede sein, ganz im Gegentum, recht dominant hat SIE Lars in den Garten gescheucht und den armen Kerl mit Gewalt genommen (so sind sie, die Frauen. Stille Wasser usw.). Mike hat´s gesehen und wollte mitmachen… bevor die Sache aufgelöst wird, schalten wir aber um in ein Café, wo ein Typ mit Koteletten und Sonnenbrille seltsame Verkaufsgespräche führt. Ist auch Mike von den Toten zurück?

Lilo darf sich freuen – satte 220.000 Euro ist der Versicherung Kurts zeitiges Ableben wert. „Das kann den Schmerz nicht lindern“, heult Lilo ergreifend und ist kurz davor, Freudensprünge bis an die Decke zu machen. Aber auch der Versicherungsmensch grinst verdächtig vor sich hin. Heikes Flashback wird deutlicher – niemand hat Mike was auf den Nüschel gekloppt, das hat der Obermeister ganz alleine fertiggebracht, latschte er doch beim Versuch, aus Heikes und Lars´ Zweier einen Dreier zu machen, unglücklich auf einen Rechen und dengelte sich dessen Stiel gegen die Birne… Benommen torkelt Mike von hinnen. Back in the present erklärt Heike einer ihrer Schülerinnen, dass es Zeit für einen neuen Lebensabschnitt wäre, den sie mit ihrem Freund anzutreten gedenkt. Die Schülerin (ungefähr doppelt so alt wie Heike) freut sich über die von ihr schon nicht mehr für möglich gehaltene romantische Beziehung Heikes mindestens anderthalb Beine ab.

Canip und Lilo feiern ihren neugewonnen Reichtum (obwohl ich irgendwie befürchte, dass die Kohle das einzige ist, was diese Beziehung langfristig beisammenhält) und die geheimnisvolle Sleazy Guy-Gestalt entpuppt sich dieweil als Lars, der nahtlos Mikes Rolle als Universal-Geschäftemacher übernommen hat.

Stellt sich nur noch eine Frage – wer ist Heikes mysteriöser Boyfriend? Am Ende Kurt (ich hatte es ehrlich für möglich gehalten). Aber nein… es ist – der Versicherungsmann! Und der hat frohe Kunde – weil Lilo nicht wusste, auf wieviel Öre die Police ihres Männes ausgestellt war, war es für ihn kein Problem, die Hälfte des Reibachs (mithin also auch 220.000 Kieselsteine) in die eigene Tasche abzuzweigen… dafür kann man sich ein paar Lebensträume erfüllen. Heike ist trotzdem auch irgendwie für Lilo froh, denn dass Kurt ein schrecklicher Mensch war, darüber sind sich alle weitgehend einig.

Ganz ohne Schlußpointen nach der Schlußpointe geht´s natürlich nicht. Zuerst wohnen wir einer weiteren Waldbeerdigung zu. Das Nachbarspärchen bringt in vollem Trauerornat den armen Pitbull Willy unter die Erde. Dreimal darf geraten werden, welche Stelle aber als wilder Hundefriedhof benutzt werden soll – und was der Blockwart pflichtschuldigst im Zuge der Grabaushebung ausbuddelt… Im Nachspann wird endgültig aufgeklärt – der ganze Hassel war strenggenommen völlig umsonst, weil Mike sich ganz ohne fremde Hilfe nach seiner Rechenkollision in die Götterspeisenschüssel gestürzt hat. Tja, dass sowas von sowas kommt…

Man durfte ja, trotz aller Vorschußeuphorie, durchaus skeptisch sein – die „schwarze Komödie“ an sich ist nun nicht gerade das urdeutsche Sujet schlechthin und kann, wenn von Leuten zelebriert, die nicht wirklich wissen, was sie da tun, auch fürchterlich in die Binsen gehen. Was die Beteiligten eines Uni-Seminars, in dessen Verlauf Wurmfutter, wenn ich die Stabangaben richtig interpretiere, hier abgeliefert haben, ist aber aller Ehren wert.

Wobei „schwarze Komödie“ vielleicht ein wenig zu hochgegriffen ist – oder, je nach Sichtweise, untertrieben ist, schließlich beinhaltet Wurmfutter durchaus auch dramatische Elemente. Aber egal ob Komödie, Drama oder „schwarze Dramödie“, essentiell ist, dass das Herz eines solchen Films ausgezeichnet gelungen ist – die Charaktere. Die Autoren widerstanden der Versuchung, die Charaktere zu bloßen Karikaturen, zu übersteigerten Witzfiguren zu machen – trotz ihrer Spleens und Macken sind die Figuren des Films, vielleicht mit Ausnahme von Mike (aber auch wenn ich einen solchen Typen nicht in meinem erweiterten Bekanntenkreis habe, heißt das ja noch lange nicht, dass es die nicht gibt), glaubhaft, nachvollziehbar, wobei es dem Streifen natürlich auch sehr gelegen kommt, dass er sich, und das ist für einen Amateur- bzw. Studentenfilm auch nicht unbedingt selbstverständlch, tatsächlich die zehn Minuten Zeit nimmt (bei einer angenehmen Gesamtlaufzeit von 65 Minuten – wie schon bei Mondleben freut es mich sehr, dass nicht krampfhaft versucht wurde, das Material durch Füllszenen auf abendfüllende Klänge zu dehnen), die wesentlichen Figuren ausführlich, aber nicht langweilig-ausufernd, vorzustellen, so dass wir, wenn sie zum „New People in Town“-Dinner aufeinandertreffen, bereits wissen, mit wem wir es zu tun haben, ebenso bereits ahnen, dass diese Gesellschaft vollkommen inkompatibel ist und der Abend geradezu zwangsläufig in einem Desaster enden muss. In gewisser Weise (obacht, der Doc hebt sich jetzt gleich wieder einen Bruch mit völlig unangebrachten Vergleichen) ist das ja auch, wenn auch in einem völlig anderen Genre, im Sinne Hitchcocks, der ja auch ein Verfechter der These war, dass das Publikum gegenüber seinen Charakteren einen Wissensvorsprung haben sollte (wobei Old Hitch damit halt „suspense“ erzeugen und nicht komödiantische Situationen vorbereiten wollte).

Sobald das zentrale Ereignis, die Dinnerparty mit ihren (wenigstens für Mike fatalen) Folgen aufgesetzt ist, ist´s mit dem „Wissensvorsprung“ für den Zuschauer allerdings vorbei – was dramaturgisch gesehen völlig richtig ist, speziell, wenn wir die Auflösung des Rätsels ins Kalkül ziehen. Die Frage, ob eben nicht doch einer aus der lustigen Gesellschaft Mike auf dem Gewissen hat (wie die Charaktere selbst haben wir ja nur einige drogenumtoste Flashbacksnippets gesehen), schwebt wie ein Damoklesschwert über den Figuren – ohne dass es gesondert angesprochen werden muss, merkt man auch den einzelnen Charakteren die Verunsicherung, ob man nicht eventuell selbst ein Killer ist, ohne es zu wissen, an – manchmal offenkundiger (wie bei Heike und Lilo, wobei mitlesende Feministinnen sich möglicherweise daran delektieren können, dass es die Frauenrollen sind, die in der Hinsicht etwas „gröber“, ängstlicher, nervöser gezeichnet sind), manchmal subtiler (Canip). Aber es ist eben das (recht geniale) Gimmick des Films, dass der eigentliche Anlass der Bredouille (Mikes Tod) „filmisch“ gesprochen nicht das wesentliche Storyelement ist. Vielmehr ist er nur der erste Dominostein, der purzelt, und bei den Figuren bislang ungeahnte kriminelle Energie an den Tag bringt, die gewinnbringend ausgelebt wird (Canip und Lilo haben keine Skrupel, die vermeintliche Kurt-Leiche zu beseitigen und anschließend einen munteren Versicherungsbetrug zu begehen, Heike betrügt mit Komplizen die Betrüger und Lars schlägt impliziert die lukrative Dealerlaufbahn ein). Insofern ist es nur konsequent, dass die detaillierten Umstände von Mikes Dahinscheiden erst im Nachspann endgültig geklärt werden.

Wenn das Script eine kleine Schwäche oder zwei hat, liegt das wohl auch an der Beschränkung auf knapp über eine Stunde Laufzeit. So wird im „Gedränge“ nicht ganz klar, wie und wieso Canip und Lilo sich in der Tat und auch ohne Zuhilfenahme von Psychopharmaka ineinander verknallen (die gemeinsame Nacht, an die sie sich streng genommen nicht wirklich erinnern dürften, hat da wohl alles geregelt), und ein wenig, hm, steigerungsfähig ist Kurts Abgang aus dem Film – nach seinem zombie-mäßigen Auftritt aus dem Kofferraum wird er mit einer Dialogzeile aus dem Streifen geschrieben. Ich hatte eigentlich bis zum Ende des Nachspanns den strengen Verdacht, mit Kurt könnte und sollte noch was passieren, aber vielleicht wollte man sich so auch nur dem Klischee des rachedurstigen gehörnten Ehemanns verweigern.

Insgesamt allerdings ist die Story pfiffig, gut ausgearbeitet und lebt vor allem, wie schon gesagt, von ihrer wunderbar schrägen und gut aufeinander abgestimmten Charakteren, zu denen auch das beobachtende Nachbarspärchen mit dem kranken Pitbull gehört. Zu würdigen sind an dieser Stelle auch die natürlich, ungekünstelt wirkenden Dialoge (auch etwas, was man im deutschen Amateur-/Indiefilm nicht immer findet).

Filmisch gibt sich das Team um Fabio Magnifico keine Blösse. Der Streifen wird nach der (aus oben geschilderten Gründen notwendigen) Auftakt- und Vorstellungsphase in einem flotten Erzähltempo vorangetrieben und kommt ohne Leerlaufstellen aus, alles, was gezeigt wird, ist notwendig und der Sache dienlich. Für eine (vermutlich) weitgehend budgetlose Angelegenheit hat der Film eine gute (Video-) Optik, die Kameraführung ist zwar unspektakulär, aber nicht so statisch wie bei vielen anderen Amateur-/Indieproduktionen, da gibt´s schon mal Schwenks und Zooms, und die verfremdeten Drogen-Flashbacks verfehlen ihre Wirkung auch nicht. Auch der Schnitt bewegt sich auf einem guten Niveau. Man könnte sagen, dass sich so mancher TV-Sender hiesiger Nationalität nicht schämen müsste, eine Produktion wie diese auszustrahlen (besonders, wenn man an das optische Niveau von Telenovelas und Soaps denkt). Insgesamt kann man zur handwerklichen Gestaltung des Films aussagen, dass sie professionell genug ist, um nicht „unangenehm“ billig aufzuafllen, andererseits aber auch so „überkandidelt“ ist, um vom eigentlichen Augenmerk des Films, nämlich der Story und dem character interplay abzulenken, und das ist so ziemlich eines der größten Komplimente, dass ich in diesem Bereich (sowohl, was das Genre als auch das Budget angeht) vergeben kann.

Die Musik wird gut eingesetzt und ist gut anhörbar.

Ein wichtiger Aspekt bei charakterorientierten Filmen ist selbstredend die Schauspielerei und auch, wenn ich das richtig übersehe, wenn aus dem Darstellerensemble aus Mondleben niemand dabei ist (ich vermisse meinen alten Freund Lars Senne…), so ist doch auch Wurmfutter der lebende Beweis dafür, dass es sich auch für einen No-Budget-Film auszahlt, nicht einfach nur die fünf besten Kumpels oder die nächsten Penner von der Eckkneipe anzulabern (ja, ich weiß, als Hochschulfilm dürfte diese Produktion einen anderen Anspruch haben und vermutlich sagt ein unbelasteter Darsteller in potentia eher ja, wenn man ihn fragt, ob er bei einem Studentenfilm partizipieren will als bei einer Spläddaorgie Marke Schnaas). Ich weiß leider nicht, ob und wenn ja, inwieweit die hiesigen Akteure bereits Schauspielerfahrung gesammelt haben, sie liefern jedenfalls allesamt gute Jobs ab. Bis auf Sascha Braun (Lars) und Thomas Walden (Mike) spielen alle Darsteller ihre Charaktere „straight“ (sogar Karl Pühlmeyer als Kurt, der der Versuchung widersteht, aus seiner Figur einen Vollkasper zu machen. Die Schrullen des Charakters reichen durchaus, das muss man nicht noch thespisch überziehen), und bei Braun und Walden ist das overacting voll im Sinne der Charaktere. Mike ist nun mal der nominelle „bad guy“ und Drogenfreak, und Lars ist eh der Ansicht, dass das ganze Leben ein singulär für ihn zusammengestellter Spaß ist, den man nicht ernstnehmen sollte, und das bringt Braun ausgezeichnet rüber. Verdat Karasu (Canip) und Heike Hackbarth (Lilo) laborieren etwas daran, dass ihre Love Story etwas unterfütterter sein könnte (s.o.), machen ihre Sache aber trotzdem gut. Einzig Christine Panhorst (Heike) könnte ich mir etwas lebhafter vorstellen, andererseits ist ihre Rolle ja auch so etwas wie die unauffällige graue Maus im Hintergrund.

Die in Eigenregie produzierte DVD präsentiert den Film in nicht-anamorphem ca. 1.85:1-Widescreen in hochansehnlicher Qualität, der Dialogton ist ausgezeichnet verständlich (immer ein gewisses k.o-Kriterium bei Indiefilmen), der Musikmix ausgewogen.

Als Zusatzausstattung bringt die Scheibe einen Audiokommentar mit, wobei dessen „Gag“ ist, dass die beiden Kommentatoren mit dem Film streng genommen nix zu tun haben und ihn beim Einsprechen des Tracks auch zum ersten Mal sehen. Nicht unwitzig, aber halt auch nicht gerade spektakulär gehaltvoll (und von mir deswegen auch nicht durchgängig angehört. Falls ich etwas wesentliches verpasst habe, informiert mich).

Fazit: Es ist halt so, auf manche Leute kann man sich verlassen. Wie Mondleben zeigt auch Wurmfutter Qualitäten auf, für die der gemeine deutsche Amateur-/Indie-/Hochschulfilmnicht gerade berühmt-berüchtigt ist – ein witzige Grundidee, ein cleveres Script, angemessene filmische Umsetzung und gute darstellerische Leistungen, selbiges nicht krampfhaft auf abendfüllende Laufzeit gestreckt, sondern in einem leicht verdaulichen 65-Minuten-Happen serviert. Grundsolides Entertainment, das keinen Amateur-Bonus braucht. Ich empfehle weiter!

(c) 2006 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 3

BIER-Skala: 6


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