Wrecker – Death Truck

 
  • Deutscher Titel: Wrecker - Death Truck
  • Original-Titel: Wrecker
  •  
  • Regie: Michael Bafaro
  • Land: Kanada
  • Jahr: 2015
  • Darsteller:

    Anna Hutchinson (Emily), Drea Whitburn (Leslie), Jennifer Koenig (Bedienung), Michael Dickson (Pickup-Fahrer), Kurtis Maguire (Tankwart), Andy Nez (Frank), Lori Watt (Ehefrau), Steve Thackray (Cop), Dylan Rhymer (2. Tankwart), Don Knodel (Mann im Diner)


Vorwort

Zwei junge Frauen in einem Ford Mustang – hört sich ein bisschen an wie eine Prolog-Sequenz eines „Cannonball“-Films, in diesem Fall aber handelt es sich bei Leslie und Emily nicht um Rennfahrerinnen, sondern einfach nur Girls aus Seattle auf einem Wochenendtrip. Relativ unausgesprochen (zumindest von Seiten Emilys) geht’s darum, dass vor allem Emily ordentlich einen drauf machen soll, weil ihr Boyfriend Randy sie fieserweise betrogen hat. Leslie hätte unten in Palm Springs schon einen potentiellen Stecher parat, mit dem Emily aus Gründen der allgemeinen Rache schlafen soll.

Vor das Geficke hat der liebe Gott aber ein paar hundert Meilen Highway gestellt. Wie wir alle wissen, haben Frauen on the road keinerlei Orientierungssinn und als sich das Navi verabschiedet, leitet Leslie auf der Basis von „ich-hab-keine-Ahnung-reiß-aber-das-Maul-auf“ Emily auf den Devil’s Pass, eine Nebenstraße, unter der Maßgabe, dass wenn es schon nicht der richtige Weg sein sollte, dann hoffentlich wenigstens ein interessanter. Wir können uns an unseren zwölf Fingern ausrechnen, dass der Trip wesentlich interessanter sein wird als die Mädchen sich das in ihren kühnsten Träumen ausmalen könnten…

Auf der nicht gerade überlaufenen Straße machen die Mädels bald die Bekanntschaft eines Abschleppwagens, der ein gestrandetes Fahrzeug am Haken hat und die forsche Fahrt der feinen Frauen erstens blockiert und zweitens mit abscheulichem Dieselgestank auch olfaktorisch herausfordert. Ein gewagtes Überholmanöver und ein paar eindeutig obszöne Gesten Leslies weiter scheint das Problem erledigt zu sein, doch der Tow-Trucker scheint von der nachtragenden Sorte zu sein, revanchiert sich für das Überholmanöver und setzt sich wieder vor den Mustang. Gönnerhaft winkt er die drängelnden Girls vorbei, doch das direkt in den Gegenverkehr. Emily bekommt den Wagen grad noch wieder zurück hinter den Truck.

Auf etwas übersichtlicherer Strecke gelingt ein erneutes Überholmanöver und die Mädels sind sich einig, es mit einem patentierten Oberarschloch zu tun zu haben. Mit den Pferdestärken des Mustangs sollte es eigentlich kein Problem sein, den Schlepper abzuhängen, aber ein empfindlich leerer Benzintank zwingt zu einem Boxenstopp. Das gibt dem Trucker freilich die Möglichkeit, den Rückstand wieder aufzuholen.

Auf der nächsten Etappe wird die Auseinandersetzung zwischen Mädels-im-Mustang und Unbekannter-Psycho-im-Führerhaus zunehmend handgreiflicher und gefährlicher – insbesondere, als der Trucker seine havarierte Last abschnallt und als Verkehrshindernis auf einer Brücke deponiert. Ein hilfreicher Pick-up-Fahrer versucht den Girls bei der Beseitigung des Obstakels behilflich zu sein, doch der Trucker verübt einen direkten Anschlag auf Emily im havarierten Mobil. Eine Konfrontation mit verdächtigen Fahrern in einem Diner am Arsch der Welt führt nicht zur Klärung der Sachlage, sondern nur zum Rauswurf der Frauen aus dem hochklassigen Etablissement.

Die wilde Jagd geht also weiter, bis dem Mustang ein Reifen platzt. Emily und Leslie versuchen zu Fuß zu fliehen, aber Emily stolpert über einen spitzen Stein und verliert ihr wertvolles Bewusstsein. Als sie wieder zu sich kommt, fallen ihr zwei Dinge auf – a) jemand hat den Reifen am Mustang gewechselt und b) Leslie ist weg. Die Schlussfolgerung liegt auf der Hand – der Trucker möchte das Spiel fortsetzen und hat den Einsatz erhöht…


Inhalt

Der Traum vom Fahren, die grenzenlose Freiheit auf weiten Highways – es gibt nicht viel, was deutlicher „americana“, amerikanische Romantik, schreit, als das Verlangen, auf zwei oder vier Rädern die Einschränkungen des Alltags hinter sich zu lassen. Ein Abenteuer für Jedermann, mit dem sich jeder identifizieren kann, das keine Voraussetzungen braucht. Das Auto mag des Deutschen liebstes Kind sein, aber die US-Amerikaner machten aus dem Cruisen auf dem Highway den legitimen Nachfolger der Wildwest-Cowboy-und-Outlaw-Mentalität und erhoben das Fahren an und für sich kulturell zu einer Art religiösen Erweckungserlebnis. Kein Wunder, dass Hollywood, die Fabrik, die aus Träumen gemacht ist, spätestens nach dem Zweiten Weltkrieg und den dadurch eintretenden gesellschaftlichen Wandeln der Faszination des Automobils und Motorrads erlag. Das „road movie“, das sich über dem Umstand, primär auf der Straße zu spielen, definiert, ist eines der uramerikanischen Genres (begünstigt dadurch, dass eben nur wenige Länder auf diesem Erdball aus rein geographischen Gründen diese schier endlosen Möglichkeiten zum ziellosen Herumfahren bieten können) und mittlerweile vollkommen als künstlerisches Ausdrucksmittel anerkannt.

Aber natürlich muss jede Verklärung auch eine Gegenbewegung auslösen, die anstelle der Freuden der Freiheit des Fahrens die Gefahren, real oder fiktiv, in den Mittelpunkt stellt. Fahren als Horror – wenn man so will, kann man bereits „Easy Rider“ als eine Art „mobilen Horrors“ begreifen. Die Biker sind dort die Helden mit dem Traum von Freiheit, doch das reaktionäre Amerika macht ihnen einen Strich durch die Rechnung und knüppelt die zarte Rebellion brutal nieder. War es in „Easy Rider“ noch die Tragik, dass die unverstandenen Helden ihr Schicksal in den engstirnigen Provinz-Rednecks fanden, drehte sich der Biker-Film schnell ins Gegenteil und machte aus den Rocker offizielle Bedrohungen, die man ganz legitim mit der groben Kelle bearbeiten durfte.

Der Auto-Film hingegen schaffte es noch bis 1972, sich aus dem Thrill-und-Kill-Genre weitgehend herauszuhalten. Dann kam „Duell“, Steven Spielbergs kleine Fingerübung für’s TV, die sich als wegweisend erweisen sollte. Ein paar Jahre zuvor hatte Peter Bogdanovich mit „Targets“ („Bewegliche Ziele“) bewiesen, dass Horror keinen übernatürlichen Aufhänger mehr benötigte, jederzeit im Alltag unmotiviert im Alltag zuschlagen konnte und seine Opfer du oder ich sein konnten. „Duell“ verlegte diese These auf die Straße – Dennis Weaver hat nichts verbrochen, keine Schuld auf sich geladen, auch keine Erbsünde, er ist ein willkürlich ausgesuchtes Opfer des namen- und gesichtslosen Truckers, für den die Vernichtung Weavers gleichermaßen Spiel wie selbsterwählte Aufgabe ist – emotionslos, amoralisch, strikt „matter-of-factly“, wie der Anglophile so schön sagt. Gerade deshalb war „Duell“ so wirkungsvoll wie kein anderer Straßen-Schocker – in die Situation des Helden konnte sich jeder hineinversetzen, der sich einmal hinters Steuer gesetzt hat und realisierte, dass Sicherheit für Leib und Leben nun nicht mehr nur von seinen eigenen Aktionen abhängen, sondern auch von denen der anderen Verkehrsteilnehmer.

Der Highway-Horror konnte dieses Szenario kaum mehr überbieten und entwickelte sich in andere Richtungen weiter. In „The Car“ oder „Christine“ wurden wieder übernatürliche Erklärungen bemüht, anstatt der Willkür eines x-beliebigen Truckers waren es wieder Dämonen oder böse Geister, die herhalten mussten, in „Urlaub in der Hölle“ aka „Vier im rasenden Sarg“ variierte das Genre eigentlich nur Rockerfilmklischees, nur dass (ironischerweise) Peter Fondas Gegner nun Satanistengezücht war. „Christine“-Autor Stephen King verarbeitete in „Trucks“ (zweimal verfilmt) den generellen Aufstand der fahrbaren Untersätze (in „Rhea M“ ausgedehnt auf alle Maschinen). B-Filme wie „Road Rage“ nahmen Motive auf „Duell“ wieder auf, und der britische „Hush“ verdrehte das Konstrukt und machte aus dem Helden den Verfolger des unheimlichen Trucks, während „Hitcher“ nebst Sequels und Remakes den menschlichen Psychopathen ins Zentrum rückte und das Genre näher in Richtung des Slasher-Horrors schob.

Und jetzt (d.h. 2015) kommt „Wrecker“ daher und führt das Genre nach vier Jahrzehnten wieder zurück zu seinem Ursprung, der direkten Konfrontation unschuldiger Held – unheimlicher, unsichtbarer Gegner am Truck-Steuer. Der Film verweigert sich in Eigenaussage dem Eingeständnis, ein direktes Remake von „Duell“ zu sein, doch wer sich den Streifen ansieht, wird schnell zu dem Ergebnis kommen, dass „Wrecker“ fast jeden Beat aus „Duell“ aufnimmt, zitiert oder „remixed“, wie das neudeutsch ja heißen soll.

Writer/Director Michael Bafaro („Wild Dogs – Wilde Killer“, „Sleeping Dogs“) beschränkt sich auf zwei bedeutende Abwandlungen der von Spielberg etablierten Formel. Statt eines „Opfers“ haben wir zwei, was Bafaro die Möglichkeit gibt, stärker mit Dialogen zwischen den beiden Girls zu arbeiten und auch ein wenig (letztlich irrelevanten) character stuff einzubauen, und während wir uns bei „Duell“ noch fragen mussten und sollten, ob der Kampf eine spontane Entscheidung des Truckers war oder irgendeine Art von Plan dahintersteckte, deckt „Wrecker“ mehr oder minder mit seiner Eröffnungsszene auf, dass unser hiesiger Psycho mit unseren Heroinen nicht zum ersten Mal ein böses Spiel treibt, sondern dies (in Verbindung mit der Rausschmeißer-Szene) offenbar als eine Art Geschäftsmodell betreibt.

Alles weitere bleibt in Spielbergs bewährtem Fahrwasser – die langsame Eskalation vom kleinen Streit über ein Überholmanöver über erste Blechkontakte bis hin zum all-out war, der nur mit der Vernichtung des Gegners enden kann, wobei Bafaro brav auch plot points wie die Atempause im Diner mit dem Versuch der Identifikation des Feindes oder das Vereiteln des rettenden Anrufs bei der Polizei durch couragiertes Plattwalzen der Telefonzelle aufnimmt. In Jahr 2015 muss das Script natürlich allerlei Klimmzüge veranstalten, um zu etablieren, dass Handys mangels Netz oder Akku nicht funktionieren (sonst wäre das heutzutage ein ziemlich kurzer Film).

Dennoch stellt sich da und dort natürlich schon die Frage, ob’s andere Gründe außer „it’s in the script“ gibt, warum Emily die ein oder andere Gelegenheit, sich Hilfe zu suchen, verstreichen lässt. Jou, freilich, sie ist hysterisch und verängstigt, da treffen die Wenigsten rational vertretbare Entscheidungen, aber es ist schon ein gewisser Gegensatz zu z.B. „Shuttle“, einem anderen psycho-on-wheels-Streifen, in dem die Opfer sich keine Vorwürfe machen können, weil sie sich je nach Lage und Kenntnisstand richtig verhalten, nur von den Umständen k.o. geschlagen werden. Emily hätte oft genug Gelegenheit, sich jemandem anzuvertrauen (warum z.B. kommt sie nicht auf die Idee, ihr Auto, ein roter Mustang, also kaum weniger auffällig als ein rosa Elefant, stehen zu lassen und sich von irgendjemandem zur nächsten Stadt mitnehmen zu lassen?). Und als der Psycho ihre beste Chance auf Rettung, die zufällige Kontrolle durch einen Streifenwagen-Bullen sabotiert, indem er den Cop zu Brei fährt, ist sie über Funk mit der Polizeileitstelle verbunden! Aber nein, anstatt dort ein paar sachdienliche Angaben zu machen, rennt sie lieber zum offenkundig toten Bullen, um… Trauerarbeit zu verrichten, denke ich… und wundert sich, dass Abschlepppsycho ihr die Polizeikalesche samt Funkgerät vor der Nase weg abschleppt. That’s pretty stupid (stattet Emily aber wenigstens mit der Leiche Dienstwumme aus, mit der sie in der Folge… nichts gewinnbringendes anstellt).

Der kleine Twist zur Originalvorlage, mit Leslie eine zweite Figur einzubauen und dadurch die stakes im zweiten Part, wenn der Psycho sie zur besseren Motivation Emilys entführt (oder???), zu erhöhen, trägt aber nicht wesentlich dazu bei, dass sich der Film aus der sklavischen Nachahmung des Originals löst. Immerhin bleibt Bafaro schlau genug, den Streifen auf der Straße zu halten – als Emily und Leslie versuchen, zu Fuß zu fliehen, hatte ich befürchtet, dass der Film jetzt den Faden verliert und sich mutwillig selbst versenkt (wie z.B. der französische Bergsteiger-Thrill „Vertige“ aka „High Lane“, der sich effektiv dadurch tötete, die Story aus der Steilwand zu nehmen).

Wo Bafaro mit dem Original nicht mithalten kann, ist die Inszenierung des Psycho-Trucks als brachiale Urgewalt. Der Abschlepp-Truck hat bei weitem nicht die dämonische Präsenz des Trucks aus „Duell“, schon allein, weil er nicht so GROSS ist wie das Vorbild. Wie Spielberg lässt Bafaro aber keinen Zweifel daran, dass ein Mensch am Steuer sitzt – wir sehen da mal die Stiefel, dort mal den Arm, hier mal eine Sonnenbrille vor unkenntlichem Gesicht. Gelegentlich schalten wir auch mal ins Cockpit des Trucks und bewundern dort einige okkulte Symbole wie ein Pentagramm und ein umgedrehtes Kreuz. Der hört wahrscheinlich auch nicht Hank Williams, sondern Deicide.

Emily ist eine einigermaßen glaubhafte Heldin, wobei ich persönlich die Rollen zwischen ihr und Leslie getauscht hätte. Es wäre dramaturgisch vielleicht stärker gewesen, wenn die flippige, vermeintlich verantwortungslose Freundin die „seriöse“, anständige hätte retten müssen. Das Tempo ist naturgemäß hoch und mit charmanten 79 Minuten überzieht Bafaro die knappe Prämisse auch nicht. Gedreht wurde in Kanada (masquerading for the US West Coast), was zumindest etwas erklärt, was ich zunächst als Goof erkannt hatte – immer wieder schielt die Kamera auf den Tacho des Mustang und die 120 als Meilen genommen, hätte angesichts der Straßenverhältnisse (und der mutmaßlichen Leistung eines meinetwegen auch aufgemotzten Trucks) meine suspension of disbelief schon ordentlich beansprucht. Goofiger ist allerdings, dass die Produktion nicht allzuviel Highway-Strecke zur Verfügung hatte und daher immer wieder die selben Kurvenkombinationen genommen werden, immer wieder die gleichen Verkehrsschilder am Wegesrand stehen und Emily z.B. dreimal am gleichen Hinweisschild auf ein Münztelefon vorbeifährt, ehe sie es dramaturgisch finden darf.

Das Stuntdriving ist nicht übermäßig spektakulär, Blechverformungsorgien finden eher nicht statt und dass man nicht mal die Kohle hatte, um im Finale echte Fahrzeuge zu schrotten, sondern auf maue CGI zu setzen, verdient ein bis zwei Ohrfeigen. Nonetheless, eine gewisse Grundspannung ist bei dem Set-up nicht totzukriegen, und wie gesagt, der Film ist kurz genug, um dem Zuschauer nicht auf die Nerven zu fallen.

Die beiden Hauptdarstellerinen sind in Ordnung. Anna Hutchinson („The Cabin in the Woods“) ist als Emily okay, verliert aber gegen die deutlich lebhaftere und engagiertere Performance von Drea Whitburn („Poison Ivy: The Secret Society“). Die weiteren Darsteller sind meist nur für ein-zwei Minuten, eine Szene und bestenfalls ein halbes Dutzend Lines im Bild und sollen daher nicht bewertet werden.

Die Blu-Ray von Tiberius Film/Sunfilm ist nicht überwältigend. Das 2.35:1-Widescreen-Bild ist zwar klar und scharf, ruckelt aber speziell in Totalen enorm. Tonspur und Sychronarbeit sind passabel (deutscher und englischer Ton in DTS 5.1 werden geboten). Als Extras gibt’s nur den Trailer.

Im Endeffekt ist das Fazit einfach – „Wrecker“ kann man sich schenken und sollte sich bei Bedarf lieber noch mal „Duell“ ansehen. Hat man den Spielberg aber grad nicht zur Verfügung, ist „Wrecker“ bei allen Schwächen eine ansehbare B-Version. Der Film rollt schnell genug dahin und entbehrt nicht einer gewissen Spannung. Man hat nichts gewonnen, hat man „Wrecker“ gesehen, aber es gibt wesentlich schmerzhaftere Methoden, sich 80 Minuten um die Ohren zu hauen. Man sollte nur nicht erwarten, zum Thema „Highway-Horror“ auch nur eine originelle, neue Idee serviert zu bekommen.

© 2018 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 6

BIER-Skala: 5


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