White Skin

 
  • Deutscher Titel: White Skin
  • Original-Titel: La peau blanche
  •  
  • Regie: Daniel Roby
  • Land: Kanada
  • Jahr: 2004
  • Darsteller:

    Marc Paquet (Thierry), Marianne Farley (Claire Lefrancois), Frédéric Pierre (Henri), Jessica Malka (Marquise Lefrancois), Julie LeBreton (Isabel Lefrancois), Lise Roy (Diane Lefrancois), Joujou Turenne (Marie-Pierre Janvier), Raymond Cloutier (Professor Théorêt), Marcel Sabourin (Dr. Gagnon)


Vorwort

Zu Thierrys Geburtstag spendiert dessen bester Freund und WG-Genosse Henri ihm (und sich selbst) eine heiße Liebesnacht mit Damen aus dem horizontalen Gewerbe. Die extrem weißhäutige und rothaarige Nutte, die Henri sich ausgesucht hat, verübt allerdings ein Messerattentat auf ihn, dem er nur durch Glück und die Hilfe Thierrys entgeht. Um ihren guten Ruf nicht zu untergraben, beschließen die Freunde, Henris Verletzungen auf eine rassistisch motivierte Skinhead-Attacke zu schieben. Thierry, der seineszeichens (und mir unverständlicherweise) rothaarige und schneehäutige Frauen abstoßend findet, wird wenig später von Amors Pfeil genau zwischen die Augen getroffen – die Musikstudentin Claire ist die Auserwählte, und die ist, zu seiner eigenen Überraschung, Besitzerin roter Haare und eines blassen Teints. Trotz der ein oder anderen merkwürdigen Verhaltensweise seiner Angebeteten verfällt Thierry ihr ohne weiteres mit Haut und Haar, was wohl hauptsächlich am spektakulären Sex liegen dürfte. Henri kommt die neue Freundin seines Kumpels ausgesprochen merkwürdig vor, aber Thierry glaubt, dass Claires eingestandene Krebserkrankung alles erklärt. Bis er eines Tages Claires Familie kennenlernt und feststellen muss, dass ihre Schwester Marquise die klingenbewehrte Prostituierte ist, die einst Henri umbringen wollte. Und Marquise kündigt an, sich Henri zwecks Vollendung der Tötungsabsichten vorzunehmen. Das findet Henri nun begreiflicherweise nicht lustig und versteigt sich zu der Hypothese, bei Claire und ihrer Familie könnte es sich um bluttrinkende Sukkuben handeln…


Inhalt

Mit „White Skin“ erfreut Sunfilm uns mit einem weiteren Vertreter des neuen frankokanadischen Genrekinos, das seit einiger Zeit verstärkt nach internationaler Anerkennung giert (wir erinnern uns z.B. an den auch bei Sunfilm erschienenen Serienkillerthriller „The Collector“). „White Skin“ lief 2004 auch auf dem FantasyFilmFest, wo er von Schreiber dieser Zeilen auf den „to-see“-Zettel gekritzelt wurde, aus Zeit- und Monetenmangel dann aber doch übergangen wurde.

Für Regisseur, Co-Autor und Produzent Daniel Roby stellt „White Skin“, die Adaption eines Romans von Joel Champetier, das Kinodebüt dar. Und so interessant sein Thema auch ist, als Genre-Vielkonsument muss man konstatieren, dass Roby sich zwar redlich bemüht, seinen Film nicht als Sex- und Gore-Klopper anzulegen, sondern ersatzweise als psychologisches Drama, ihm aber doch (noch?) die Erfahrung fehlt, die (vergleichsweise kurze) Spielzeit von knapp 90 Minuten mit hinguckenswertem Leben zu erfüllen.

Als offizieller „Arthouse-Fuzzi“ finde ich es erst einmal per se lobenswert, wenn ein Genrefilmer auf spekulative und plakative Gewaltausbrüche verzichtet und seinem Horrormelodram intimere, unspektakulärere Züge verleiht, aber man muss es nicht gleich SO betulich und langatmit tun wie Roby, dessen Erzähltempo (bzw. eher Mangel desselben) schon fast an die ebenfalls im Kriechgang dahinschleichenden Polanski-Thriller wie „Ekel“ oder „Rosemarys Baby“ erinnert. Im Unterschied zu Polanski, dem ich diese Tempoverweigerung nie zum Vorwurf machen würde, gelingt es Roby aber nicht, den Zuschauer anderweitig zu fesseln, durch interessante Charaktere oder eine von Haus aus packende Grundsituation. Und die beiden genannten Punkte sind die Hauptprobleme von „White Skin“. Das Setup ist einfach zu… belanglos, um zu fesseln, das Script verliert sich in Nebensächlichkeiten (wie einem eher krampfhaft aufgepropften Rassismus-Angle, der zwar sicherlich wohlgemeint ist, aber zur Story nicht mehr als ein paar Gutmenschen-Floskeln und einen Hauch umgekehrten Rassismusses [von Schwarzen gegenüber Weißen] beiträgt [besonders unpassend, als der Film dann kaum eine Sekunde verliert, um die klischeehafte schwarze Voodoo-Tante einzubauen]) und lässt die eigentliche (und wie erwähnt, durchaus interessante) Geschichte zu unentwickelt (es ist immerhin eine Art Kunststück, die Plotte einerseits sehr vorhersehbar zu gestalten, andererseits lange Zeit kaum Hinweise auf die „Pointe“ zu verteilen). Die Charaktere sind zu uninteressant – Thierry geht dem geneigten Zuschauer mit seiner enervierenden Naivität mit fortschreitender Spieldauer zunehmend auf den Senkel, Henri ist langweilig und Claire als „geheimnisvolle Frau“ einfach zu wenig geheimnisvoll – die einzige Szene, in der vor der „großen Enthüllung“ angedeutet wird, was mit ihr nicht stimmt, ist so kurz, dass ernsthafte Gefahr besteht, sie durch ein Blinzeln zu verpassen.

So dümpelt der Film über weite Strecken tempolos durch fast schon „Love Story“-kompatibles Liebesdramagefilde, bis das Geheimnis der seltsamen Lefrancois-Familie gelüftet wird (gähn) und ein ziemlich spannungsfreier und überraschungsarmer Showdown aufgefahren wird (und den Schlußgag, den man zehn Meilen gegen den Wind riechen kann, zelebriert Roby dann auch noch geschlagene drei Minuten lang…). Kommt also – von ein paar ganz witzigen Dialogen abgesehen – keine rechte Freude auf, obwohl das Sukkubus-Thema vom zeitgenössischen Genrefilm (im Gegensatz zu herkömmlichen Vampiren oder Werwölfen) eigentlich sträflich vernachlässigt wurde und dringend ein zeitgemäßes Update erfahren sollte. Schade drum.

Filmhandwerklich-technisch ist der Streifen recht gelungen, allerdings auf eine bieder-harmlose Weise. Kameraführung und Schnitt erfüllen professionellen Standard, erinnern aber oft mehr an eine etwas besser budgetierte TV-Serie als einen wirklichen Kinofilm. Die ein oder andere gelungene Einstellung oder nette kleine Gimmicks wie minimale Zeitraffer-Effekte sind zu verzeichnen, aber insgesamt ist das einfach zu wenig optische und inszenatorische Innovation, um die langatmige Geschichte entscheidend aufzuwerten und interessanter zu gestalten. Die kurzen Sexszenen (die auch nicht gerade echte Aufreger sind und sehr, äh, züchtig bleiben) und die sehr sehr sehr wenigen blutigen Szenen (tatsächliches Gore oder Gesplattere ist nicht zu verzeichnen, nur eben ein wenig Kunstbluteinsatz) locken auch keinen altgedienten Horrorfan hinter’m Ofen vor (die „drastischten“ Bilder stammen denn auch prompt aus „Rabid – Der brüllende Tod“, den sich Henri in einer Szene im Fernsehen ansieht)

Die schauspielerischen Leistungen sind in Ordnung, aber auch nicht mehr. Marc Paquet als Thierry ist mir, was aber auch dem Charakter geschuldet ist, einfach zu naiv – sein verständnisloser Blick (der so ziemlich das Maximum an dramatischer Reichweite ausmacht, das er bieten kann) ist auf die Dauer nervig. Frédéric Pierre als Henri strahlt zwar eine gewisse Likeability aus, kann aber aus der Rolle nichts besonders memorables herausholen. Und auch Marianne Farley (in MTVs „Undressed“ zu bewundern gewesen) als mysteriöse Claire reißt die Sache – trotz unbestrittener Attraktivität, besonders, wenn man wie meinereiner eine gewisse Affektion auf rothaarige Frauen aufweist – nicht heraus. Alles, wie gesagt, darstellerisch nicht schlecht, aber auch nicht so geartet, um einen biederen Film auf ein höheres Level zu hieven.

Bildqualität: Sunfilm liefert den Streifen in ansehnlicher, aber nicht überragender Bildqualität (1.85:1-Widescreen, anamorph). Die kühlen Winterfarben werden adäquat umgesetzt, die Schärfewerte sind befriedigend, könnten aber besser sein, der Kontrast überzeugt. Die Kompression verzeichnet bei schnelleren Kamerabewegungen merkliche Aussetzer, der verwendete Print ist frei von Verunreinigunen, Bilddefekten oder Masteringfehlern. Insgesamt noch akzeptabel.

Tonqualität: Wie üblich ist tonmäßig bei Sunfilm alles im Lot – neben der deutschen Synchro in Dolby 5.1 und dts liefert man den französischen O-Ton (in Dolby 5.1) mit, der aus Authentizitätsgründen natürlich vorzuziehen ist (und selbstverständlich mit optionalen deutschen Untertiteln zu betrachten ist). Die Tonmischung ist ausgezeichnet – es ist ein Film der leisen Töne, die auch ausgesprochen gut und differenziert umgesetzt werden. Daumen hoch!

Extras: Herzstück des Bonusmateirals ist ein Audiokommentar des Regisseurs, des weiteren werden einige deleted scenes und die übliche Trailershow mitgeliefert. An dieser Stelle sei auch der hübsche Pappschuber, den Sunfilm dem Release spendiert hat, erwähnt.

Fazit: Obwohl oder vielleicht gerade weil mich „White Skin“ letztlich alles andere als begeistert zurückgelassen hat, kann ich den „critical praise“, der über den Film bei diversen Festivals ausgeschüttet wurde, durchaus verstehen – es ist ein Horrorfilm für ein Publikum, das sich normalerweise keine Horrorfilme ansieht (ergo: die Arthouse-Crowd). Jemandem, der mehr als zwei oder drei Genrefilme betrachtet hat, wird „White Skin“ dagegen kalt lassen – es passiert zu wenig, das, was passiert, ist nicht besonders interessant, Charakterentwicklungen sind kaum zu verzeichnen. Schade, schade, denn die Idee ist nicht schlecht, hätte aber einen lebhafteren Film verdient. Wer ruhige, bedächtig aufgebaute und dennoch spannende blutarme Horrorthriller sehen will, sollte aber eher zu einem der genannten Polanski-Classics greifen.

2/5
(c) 2005 Dr. Acula


mm
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