Wet Dreams

 
  • Deutscher Titel: Wet Dreams
  • Original-Titel: Wet Dreams
  •  
  • Regie: Günther Brandl, Helmut Brandl
  • Land: Deutschland
  • Jahr: 2007
  • Darsteller:

    Monika Brandl
    Romy Glasel
    Tina Angel
    Günther Brandl
    Helmut Brandl
    Kevin Hofbauer
    …sowie der Rest des Dorfes in zahllosen Nebenrollen.


Vorwort

Die aus Niederbayern stammenden Geschwister Brandl drehen seit bereits zehn Jahren Spielfilme – ja genau, nicht kleine Kurzfilme, sondern große Langfilme, und auch nicht alle Jubeljahre einen, sondern jedes Jahr gleich mehrere. Dass es sich dabei zudem gerne mal um inoffizielle Fortsetzungen bekannter Hollywoodware handelt und die Macher auch keine Skrupel haben, nicht lizensierte Musik noch und nöcher auf die Tonspur zu mischen, unterstreicht wirkungsvoll, dass sie Amateure sind, laut ihres Logos auch genau so genannt werden wollen und ohne nennenswerte Ambitionen, sondern aus reinem Spaß an der Freud vor und hinter der Kamera agieren. Ob dieses Hobby auch für Außenstehende von Interesse wäre, konnte ich bis dato nicht beurteilen, war mir der Filmkosmos der bayrischen Landjugend doch mangels Material verschlossen geblieben. [Der Doc hat immerhin schon mal Deep in My Mind besprochen – der Setzer.]


Inhalt

Nachdem Tornhill und meine Wenigkeit ohnehin in Berlin herumhingen, war Kollege Ace aber so nett, uns eine DVD der Vielfilmer zur Sichtung zu übersenden. Darauf enthalten war Wet Dreams, ein Werk, von dem ich gehört hatte, das ich aber kaum glauben konnte: Ein Homemade-Sexfilm mit einer Laufzeit von bald drei Stunden (!), bei dem dem Vernehmen nach die ganze Familie Brandl zum Einsatz kommt. Wir hatten keine Ahnung, was uns da erwarten würde, vermuteten aber händereibend ein einfach nur falsches, potentiell inzestuöses Bauerntölpeltheater unterster Schublade. Nun ja.
Bevor wie in Medias Res gehen, vielleicht ein kleiner Exkurs zur Einstimmung: Die Schulmädchen-, Hausfrauen- und Lederhosenreporte der deutschen Sexwelle haben durch die Wege der medialen Weiterverwertung eine erstaunliche Wandlung bezüglich ihres Publikums erfahren. Gedacht waren sie für alte Säcke, die sich an der jüngeren Generation und ihrer (oft ohnehin nur medial konstruierten) Idee von freier Liebe aufgeilen wollten. Gelandet sind sie schlussendlich bei den Privatsendern und damit im kollektiven Gedächtnis der heute ca. 25- bis 35jährigen, denen sie in deren später Kindheit und früher Jugend ein etwas verkürztes, nichtsdestotrotz aber unbezahlbares Wissen über das Miteinander der Geschlechter vermittelten. Heute fristen die Streifen daher, hinsichtlich ihrer ursprünglichen Funktion längst entwertet durch die weitgehend problemlose Verfügbarkeit von Pornographie, ein eher nostalgisches Dasein bei denen, die sie seinerzeit auf Sat 1 und RTL Plus entdeckten. Dass sich keine Sau mehr von ein paar nackten Popos aus dem Konzept bringen lässt, öffnet nun den staunenden Blick für das Seventies-Dekor, die aufgesetzte Pseudo-Jugendsprache der Darstellerinnen oder die Soundtracks von Gert Wilden oder Peter Thomas.

Nur konsequent also, dass sich jemand (nämlich die Brandls) dieses Erinnerungsschatzes annimmt und einen Sexfilm (nämlich Wet Dreams) dreht, der genau das ist, bzw. nicht ist: Auf optische und akustische Reminiszenzen muss man leider verzichten, aber die episodische Struktur samt Rahmenhandlung ist genauso vorhanden wie die typischen Szenarien – Lederhosen-Almgebrumme, Schulmädchen, Pfarrer und frustrierte Hausfrauen, eine Hommage an Rolf Thieles Grimms Märchen von lüsternen Pärchen ebenso wie SM-Gepeitsche. Reichlich albern ist das Ganze auch noch, sehr authentisch also. Nur Sex, den gibt’s nicht. Ständigen Andeutungen und Eindeutigkeiten zum Trotz bleiben die drei Mädels, die sich da in einem Wohnzimmer schlüpfrige Schwänke aus ihrem Leben kredenzen, entweder notdürftig angezogen, oder werden durch Kamera und Schnitt bedeckt gehalten. Wet Dreams ist damit ein grandioser Witz auf Kosten des Zuschauers – wären da nicht die letzten paar Minuten. In der letzten Episode taucht plötzlich eine neue Darstellerin auf, die schon optisch (Typ Szene-Grufti) völlig aus dem bislang aufgestellten Rahmen fällt. Und plötzlich gibt es doch nackte Tatsachen, das Mädel darf nämlich sein Brusttattoo samt Nippelringen und die gepiercte Mumu in die Kamera halten. Dagegen wäre sonst nichts einzuwenden, aber hier ist es ein bedauerliches Beispiel dafür, wie man innerhalb weniger Sekunden einen Film versenken kann. Unbekleidete Frauenhaut ist sonst die Zierde eines jeden Leinwandspiels – bei einem Film aber, dessen Charme vor allem darin besteht, zwar die Stereotypen und Erzählmuster von Sexfilmen zu kopieren, explizite Nacktheit aber sonst konsequent und unschuldigst zu vermeiden, ist sie kontraproduktiv. Es mag der bäuerlichen Derbheit der Landbevölkerung geschuldet sein, dass hier auf ein Versprechen zwangsläufig die Erfüllung folgen muss, und damit zumindest symbolisch der Übergang von der Erotik zur Pornographie. Nachdem diese Schwelle einmal überschritten ist, muss man sich aber fragen, warum die Jungs nicht gleich den ganzen Weg gegangen sind und ein paar reinrassige Pornoszenen dazugedreht haben.

Wenn wir so gnädig sind, diesen bedauerlichen Missgriff zu ignorieren, müssen wir verblüfft eingestehen, schon lange nicht mehr derartig positiv überrascht worden zu sein. Der Film ist sehr viel kurzweiliger, als er aufgrund von Laufzeit oder Handlungsstruktur sein dürfte. Dazu bei trägt die ziemlich hohe Gagdichte – das, was lustig sein soll, ist es dank gelungenen Timings mehrheitlich auch, was im Homemade-Bereich nun wirklich nicht selbstverständlich ist. Nicht zwei oder drei, sondern eine ganze Reihe von Witzigkeiten wussten die Rezensenten zu deren eigener Verwunderung zu begeistern. Der Humor ist, wenn er sich denn mal nicht eisern an die albernen Vorlagen klammert, oft bizarr oder gelegentlich tiefschwarz und lässt das Werk in grundsympathischem Licht erscheinen. Gedämpften Unmut lösen dagegen die zwei Szenen aus, in denen Schwule portraitiert werden – und zwar entweder homophob oder peinlich platt. Das entspricht zwar durchaus den ja auch schon dreißig bis vierzig Jahre alten Vorbildern, aber man muss sich ja nicht zwangsläufig am Bodensatz orientieren.

Apropos Vorbilder: Inhaltlich ist das Ganze zwar an die diversen Reporte von damals angelehnt, formal aber natürlich die übliche Amateurgrütze: Kostüme und Kulissen sind teils liebevoll, teils notdürftig improvisiert, der Ton ist streckenweise kaum verständlich, die Videobilder von wechselhafter Qualität, weitgehend statisch und nur dürftig (wenn denn überhaupt) ausgeleuchtet, und die Darsteller eher erträglich als oscarverdächtig. Über die optischen Qualitäten der drei Protagonistinnen schweigen wir Gentlemänner uns aus. Man kann ohnehin darüber streiten, ob das von Belang ist in einem Animierfilm, der sein vermeintlich ureigenes Ansinnen fast durchgehend unterläuft und sich keinen Deut um eine erotisierende Wirkung des Geschehens schert (oder vielleicht doch – die Nacktheiten im Finale haben uns jedenfalls ein Stück weit ratlos ob der Intentionen der Macher zurückgelassen). Was die Kurzweiligkeit angeht: Wir haben den Film in halbstündigen Häppchen gesehen (bietet sich durch die in sich abgeschlossenen Episoden ja an), ich kann mir aber vorstellen, dass das am Stück ein ziemlich langer Abend werden kann, wenn man nicht grade den trashigen Humor der Brandlbrüder teilt. Der Film hat nun mal keine zusammenhängende Handlung oder einen Spannungsbogen oder sonst was Rettendes, und sinnvoller wäre es allemal gewesen, das Material entweder als Quasi-TV-Serie in mehreren Folgen auf die DVD zu packen oder sich zusammenzureißen und nur 80 statt 160 Minuten abzuliefern (für die man dann auch mehr Budget gehabt hätte – okay, okay, das Doppelte von fast nichts ist immer noch fast nichts).

Unterm Strich ist Wet Dreams, gemessen an unseren Erwartungen und den genannten Vorbehalten und produktionsbedingten Beschränkungen zum Trotz, ein völlig überraschender Ausreißer nach oben, der allemal für einen launigen Nachmittag gut ist. Ob das jetzt ein Zufallstreffer war oder eine Empfehlung für das Brandlsche Filmschaffen im Allgemeinen bedeutet, wird sich beizeiten nach Sichtung anderer Exponate herausstellen.

Die DVD ist hübsch aufgemacht. Animierte Menüs gibt’s auf beiden Scheiben, den Film auf Disc 1, das Bonusmaterial wurde auf den zweiten Silberling ausgelagert, letzteres braucht allerdings kein Mensch. Der Trailer, die Outtakes und geschnittenen Szenen bringen die Menschheit nicht weiter und der „Premierenbericht“ zeigt eine Horde Brandls und Freunde in irgendeinem dunklen Keller vor dem Dorffernseher, gefilmt im Nachtsichtmodus. Die Poster sind Collagen aus dem VHS-Grundkurs Photoshop und die Filmbilder sind tatsächlich einfach nur Standbilder aus dem Film (die Auswahl wirkt, als hätte jemand mit verbundenen Augen auf die Screenshot-Taste gehämmert). Die Portraitfotos unterhalten zumindest als ein reichhaltiger Quell von WTF-Momenten. Alle Bilder sind sowohl als automatisch laufende Slideshow vorhanden wie auch als einzelne JPGs. Soweit ich weiß nehmen die Brandls für ihre Filme kein Geld (wäre auch schwerlich möglich, angesichts ein paar Dutzend wohlbekannter Weisen auf der Tonspur), wer den Film sehen möchte (und wir können das Teil, wie gesagt, dem Homemadefilmegucker durchaus empfehlen), sollte sich mal unter Brandl Pictures mit dem Familienunternehmen in Verbindung setzen.

(c) 2009 Lari


BOMBEN-Skala: 7

BIER-Skala: 6


mm
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