Weltkrieg 3 – Vision des Schreckens

 
  • Deutscher Titel: Weltkrieg 3 - Vision des Schreckens
  • Original-Titel: World War III
  •  
  • Regie: Boris Sagal, David Greene
  • Land: USA
  • Jahr: 1982
  • Darsteller:

    David Soul (Col. Jake Caffey), Brian Keith (Secretary General Gorny), Cathy Lee Crosby (Maj. Kate Breckenridge), Jeroen Krabbé (Col. Alexander Vorashin), Robert Prosky (Gen. Aleskey Rudensky), Katherine Helmond (Dorothy Longworth), James Hampton (Richard Hickman), Rock Hudson (President Thomas McKenna), Harry Basch (Adm. Vernon Blanchard), Frank Dent (Tim Hardy), Liz Sheridan (Naomi Glass)


Vorwort

Zu den besten Zeiten des Kalten Krieges – dank eines Spions, der im richtigen Moment die (offensichtlich einzige hierfür zuständige) US-Radarstation, die den Luftraum über Alaska überwacht, ausschaltet, gelingt es den Sowjets, ein Einsatzkommando ins Land der Eskimos einzuschleusen. Da die russische Kolonne eine Kohorte arglos manöverierender Nationalgardisten niedermetzelt und deren Verschwinden überraschenderweise tatsächlich auffällt, wird Colonel Caffey in die verschneite Einöde beordert, um das Mysterium zu lösen. Tatsächlich entdeckt Caffey die Russen – aufgrund miserabler Wetterbedingungen kann gegen die Schmalspurinvasoren allerdings kein Lufteinsatz geflogen werden, die Armee bräuchte Wochen, um in Schlagdistanz zu kommen und die Navy sieht sich auch außerstande einzugreifen. Caffey soll auf Geheiß des Präsidenten McKenna mit einem weiteren Trupp Nationalgardisten herausfinden, was die Kommis vorhaben und nach Möglichkeit selbiges verhindern.

Dieweil Caffey ermittelt, dass die Sowjets eine Pipeline sprengen wollen und mit seinem Fähnlein aufrechter Amerikaner die zahlenmäßig überlegenen Russkis in eine Zermürbungsschlacht verwickelt, verhandelt McKenna mit dem russischen ZK-Generalsekretär Gorny, einem eigentlich vernünftigen und friedliebenden Realpolitiker, der von der von Falken im Politbüro eingefädelten Kommandoaktion selbst überrascht wurde. Die Hardliner versuchen auf diese Weise die Amis zur Aufhebung eines Weizenembargos zu veranlassen. Theoretisch wäre auch McKenna nur zu gerne bereit, den Konflikt friedlich beizulegen, doch allein schon aus Propagandagründen kann sich keine Seite ein öffentliches Nachgeben erlauben. Und so schaukelt sich die Krise zu einem drohenden Atomkrieg hoch…


Inhalt

„Weltkrieg 3“ ist ein Streifen, der einem seit Jahren auf Grabbeltischen dieser Republik in der ein oder anderen Best-Entertainment-DVD-Auflage entgegengrinst – wenn so ein Ramschverticker schon mal einen echten Weltstarnamen wie Rock Hudson auf’s Cover klatschen kann und dabei nicht lügen muss…

… dann kann das ja doch irgendwie nicht mit rechten Dingen zugehen. Tut’s auch nicht. „Weltkrieg 3“ ist kein vergessener Kino-Thriller mit dem Star zahlloser Boulevardkomödien der 60er, sondern eine schnöde TV-Miniserie, die man für den deutschen Release von 186 Minuten auf etwas über 79 Minuten heruntergeschnippelt hat und sich ihren Platz in Geschichtsbüchern hauptsächlich deswegen verdient hat, weil Regisseur Boris Sagal (Der Omega Mann) bei den Dreharbeiten per gedankenlosem Latschen in den Heckrotor eines Hubschraubers auf spektakuläre Weise das Zeitliche segnete. Die vakante Position übernahm der erfahrene David Greene („Reich & arm“, „In den Fängen der Madame Sin“, „Roots“), das Drehbuch stammt aus der Feder des eher undistinguierten Auftragsschreiberlings Robert L. Joseph („Memorandum for a Spy“, „Companions of Nightmares“, aber auch die Produktion des Bayerischen Rundfunk „Porträt eines Helden“).

Der Film und seine Story sind selbstverständlich Produkte ihrer Zeit. Ich habe es an dieser Stelle schon öfters erwähnt, aber – um zu verstehen, wie Filme wie „The Day After“ & Co. (und auch wenn „Weltkrieg 3“ früher dran war, in diese Schublade ist der Streifen einzusortieren) entstanden und *bewegten*, muss man live dabei gewesen sein. Der ganze Schmonz der ach-so-allgegenwärtigen Terrorbedrohung ist, aus Sicht eines 80er-Veteranen, ein schlechter Witz. Hat irgendjemand ernstlich die Befürchtung, bei einem Terroranschlag draufzugehen (also, wenn man nicht gerade regelmäßig in Bagdad shoppen geht…)? Nein? Dachte ich mir. In den 80ern, ich wiederhole mich, war ein Großteil meiner Generation (mich eingeschlossen) ziemlich fest davon überzeugt, sein Leben als radioaktives Aschehäufchen zu beenden, weil Ronnie oder Leonid ihre Tatterfinger nicht vom roten Knopf wegbewegen mochten (und wenn man im Nachhinein darüber liest, welche „close calls“ es *tatsächlich* gab, kann einem nachträglich nochmal schlecht werden). Ein Szenario wie „Weltkrieg 3“ es aufbaut, war für unsereins keine Fantasie, keine Fiktion, sondern quasi vorausgesetzter Tatsachenbericht. Äh. Naja. Fast.

Dass die Prämisse von „Weltkrieg 3“ ungefähr so realistisch ist wie die von „Die rote Flut“, wäre mir auch als hypothetischem Zwölfjährigen, hätte ich das Ding zu seiner Zeit gesehen, einleuchtend gewesen (die Amis haben genau *eine* Radarstation, die ihren Luftraum überwacht. Keine redundanten Systeme? Mit WOPR wär‘ das nicht passiert). Und, obwohl ich die Doktrin der gegenseitigen Abschreckung durch Nukleararsenale nicht gänzlich kaufe, dass die Sowjets über ein Weizenembargo (wie es von den Yankees nach dem russischen Einmarsch in Afghanistan verhängt wurde) einen Weltkrieg riskiert hätten (anstatt sich wieder an die Chinesen oder die Blockfreien anzunähern), scheint mir auch insgesamt eher unwahrscheinlich. Aber meine Güte, wir brauchen irgendeinen Grund, um ’nen russischen Kampftrupp auf amerikanisches Territorium zu bringen, ob der nun besonders clever ist, ist dann auch schon egal (und andererseits, wenn man sieht, *warum* sich Leute im richtigen Leben massenweise gegenseitig umbringen, kommt’s einem schon fast wieder glaubhaft vor).

Wie üblich bei breit angelegten TV-Produktionen, bedient sich Joseph einer Vielzahl von Charakteren (die wenigstens davon sind wirklich wichtig genug, um sich die Namen zu merken) und zwei hauptamtlicher Plotlinien – den Stellvertreterkrieg, den Caffey mit seinem russischen Kontrahenten Vorashin in den Bergen Alaskas austrägt, und die große politische Bühne, auf der McKenna und Gorny mit ihren jeweiligen Stäben debattieren und Pläne und/oder Ränke schmieden. Aber was genau sich Mr. Joseph für die beiden Handlungsstränge so hat einfallen lassen, bleibt größtenteils sein Geheimnis – es ist klar, wenn über die *Hälfte* eines Films auf dem bewussten cutting room floor liegen bleibt, ist das Endresultat, in diesem Falle das Schnitt-Schlachtefest der deutschen Fassung, mit dem Worten „zusammenhangloser Quark“ recht gut beschrieben.
Hauptaugenmerk der deutschen Bearbeiter lag offensichtlich darauf, die Action- und Ballerszenen des Alaska-Plots komplett in die DF zu hieven, der Rest (wie Charakter- und Plotentwicklung) wurde als zweitrangig angesehen. Das trifft dann auch beide Handlungsebenen gleichermaßen – im „Politik“-Teil wurde großflächig gekürzt (das beweist schon die IMDb-Quote-Seite, die einiges an präsidialen Reden aufführt, die sich in der DF nicht mal ansatzweise wiederfinden, und so wie ich das sehe, geht es dem russischen Generalsekretär in der Hinsicht nicht viel besser), aber auch der „Alaska“-Part lässt einiges an Federn – das Schicksal zweier Zivilisten in der von Caffey besetzen und von den Russen belagerten Wartungsstation dürfte in der ungekürzten US-TV-Fassung wohl ebenso breiten Raum einnehmen wie die Liebesgeschichte zwischen Caffey und seiner Armee-Kollegin Breckenridge. In der DF findet ersteres praktisch gar nicht und zweiteres in einer kaum mehr nachvollziehbaren „Rumpffassung“ statt.
Das Script ist somit anhand der mir vorliegenden Fassung nicht fair zu bewerten. Es ist erkennbar, dass Joseph sich um eine recht differenzierte Darstellung sowohl der amerikanischen als auch der russischen Führung bemüht und auf schlichte Schwarz-Weiß-Malerei weitgehend verzichtet (der russische General Rudensky ist ein bisschen zu einseitig „Falke“) und – durchaus prophetisch – die Entfremdung der politischen Kaste von den einfachen Befehlsempfängern thematisiert (wobei er trotz der von den „einfachen“ Soldaten geäußerte Politik-Schelte eine gewisse Parallelität einbaut – Caffey und Vorashin kämen unter anderen Umständen ebenso prima miteinander aus wie Gorny und McKenna).

In der deutschen Schnittfassung ist durchaus zu bemängeln, dass, wer auch immer für die Tranchierung zuständig war, das Thema ziemlich verfehlt hat – während wir praktisch jeden einzelnen (und zunehmend redundanter werdenen) Schusswechsel in Alaska en detail serviert bekommen, wird das dramatische Finale in knapp drei Minuten gepresst (der Film kommt in der vorliegenden Fassung übrigens ohne Vor- und Nachspann aus. Eine Titeleinblendung, eine „Ende???“-Karte, das war’s) – da fällt dann auch die gut gemeinte Montage von weltweiten Alltagsverrichtungen, die zweifellos am Finale des 60er-Klassikers „Fail Safe“ orientiert ist, flach.

Von der handwerklichen, technischen und, ähm, künstlerischen Seite her gewinnt „Weltkrieg 3“ kaum Preise (obwohl… einen Emmy für’s beste Make-up und eine Nominierung für den besten Soundmix staubte die Produktion immerhin ab. Muss ein schwacher Jahrgang gewesen sein. Stimmt übrigens in gewisser Weise – für die beste männliche Nebenrolle in einer Drama-Serie waren z.B. ausschließlich Akteure aus „Polizeirevier Hill Street“ nominiert.) Sagals Beteiligung dürfte eher marginal ausgefallen sein; nach allem, was man so hört, ereignete sich sein tödlicher Unfall im Frühstadium der Dreharbeiten.
Der Löwenanteil geht also wohl auf das Konto von David Greene und soweit man das anhand der Rumpffassung beurteilen kann, inszeniert der nicht gerade um sein Leben. Die Dialogszenen um Präsident McKenna bzw. das Politbüro sind arg statisch (wobei Puristen natürlich behaupten könnten, die Thematik selbst wäre spannend genug), die Actionszenen in Alaska, die auch unter der künstlichen Studioatmosphäre leiden, wie gesagt zunehmend repetetiv (und teilweise dümmlich), aber immerhin für eine US-TV-Produktion recht ruppig. Die Kameraführung ist für die Expertise eines Profis wie Stevan Larner (der immerhin an Terence Malicks „Badlands“ und an der Kultkomödie „Caddyshack“ mitwerkelte) überraschend einfallslos, der Schnitt anhand der weitgehend sinn- und verstandesfrei zusammengesetzten deutschen Montage nicht zu beurteilen. Der Score von Gil Melle („Andromeda – Tödlicher Staub aus dem All“, „Embryo“, „The Sentinel“) ist vergessenswürdig.

Das Darstellerensemble ist für TV-Verhältnisse einigermaßen hochkarätig. David Soul, der ewige Hutch aus „Starsky & Hutch“ (außerdem Genrefreunden natürlich aus „Salem’s Lot“ bekannt, außerdem übernahm er in einer wenig bekannten und äußerst kurzlebigen Prequel-TV-Serie Bogeys Rolle aus „Casablanca“), müht sich als aufrechter amerikanischer Soldat Caffey redlich, aber er ist einer von der Sorte Akteure, die man problemlos in einer TV-Serie einsetzen kann, dem aber als leading man eines abendfüllenden Films einfach das gewisse Quäntchen Charisma fehlt. Zudem scheint (ich wiederhole mich, man kann’s kaum beurteilen, so wie diese Fassung zusammengekürzt ist) ihn keinerlei Chemistry mit seiner love interest Cathy Lee Crosby („The Dark“, „Ablaze“) zu verbinden (Crosby tut aber auch nichts dafür, sich irgendwie gewinnbringend in Szene zu setzen). Jeroen Krabbé („Der Hauch des Todes“, „Transporter 3“) ist als Souls russischer Widerpart okay, aber nicht sensationell.
Die Politikerkaste wird im Osten kompetent vertreten von Routinier Brian Keith („Krakatau“, „Der Wind und der Löwe“, „Meteor“, Helden USA) als friedvollem Generalsekretär und Robert Prosky („Last Action Hero“, „Das Wunder von Manhattan“, „D-Tox“, „Christine“, „The Keep“, „Gremlins 2“), auf der Seite des Kapitalismus agiert der ehemalige Weltstar Rock Hudson („Bettgeflüster“, „Ein Goldfisch an der Leine“, „Ein Pyjama für Zwei“, „Eisstation Zebra“) im Karriereherbst sicherlich nicht mehr mit der Motivation der Jugend, aber immerhin noch ausreichend – er blamiert sich nicht und sieht irgendwie George Bush, dem Älteren, verblüffend ähnlich.
In praktisch zur völligen Bedeutungslosigkeit zusammengestrichenen Nebenrollen finden sich Katherine Helmond („Soap“, „Wer ist hier der Boss?“) als Zivilistin in der Alaska-Wartungsstation und „Alf“s Mrs. Ochmanek Liz Sheridan als Mitglied des Präsi-Stabes.

Bildqualität: Wie es sich für eine derartig filettierte, tranchierte und in Stücke gekloppte Rumpffassung gehört, sieht das ganze Filmchen dann natürlich auch noch grauenvoll aus – unscharf, verwaschen, kontrastarm, mit dem ein oder anderen Defekt und Artefakt. Selbst für einen Grabbeltisch-„twofer“ eigentlich indiskutabel…

Tonqualität: Ausschließlich deuscher Dolby-2.0-Mono-Ton. Passabel synchronisiert, völlig undynamisch, aber immerhin noch einigermaßen erträglich.

Extras: Natürlich nichts.

Fazit: In der ungeschnittenen Form könnte „Weltkrieg 3“ ganz interessant sein – als Kind der Zeit entbehren solche Cold-War-Dramen für mich nie ganz ihrer Wirkung (für’s beste seiner Art halte ich nach wie vor Jack Sholders vorzüglichen „By Dawn’s Early Light“). Die Mischung aus recht rüder Kriegs-/Balleraction und differenziert gestalteter politisch-diplomatischer Handlungsebene wäre womöglich ganz reizvoll (wenn auch technisch eher simpel gehalten), aber in dieser konfus geschnittenen filmischen Resterampe ist freilich nichts mehr nachvollziehbar, nichts mehr spannend, nichts mehr irgendwie packend oder auch nur dezent interessant. Kann man also getrost als völlig nutz- und witzlos ignorieren…

1/5
(c) 2012 Dr. Acula


mm
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