- Deutscher Titel: Vortex
- Original-Titel: Vortex
- Regie: Michael Pohl
- Land: Deutschland
- Jahr: 2001
- Darsteller:
Vincent (Hardy Krüger jr.)
Carl Avery (Harald Leipnitz)
Boon (Arne Furhmann)
Ozwin (Gilbert von Sohlern)
Natalie (Ines Gress)
Einäugiger (Franz Froschauer)
Grosser Vermummter (Kevin Pinnoch)
Kleiner Vermummter (Phillip Weiche)
Holographie-Spieler (Benjamin Föhr)
Betrunkene Frau (Maureen Havlena)
Richter-Stimme (Oliver Stritzel)
Vorwort
Schon seit einiger Zeit steht Vortex in DVD-Form in meiner Videothek rum und mehr als einmal hatte ich das Ding tatsächlich in der Hand. Ein gesundes Vorurteil gegen deutsche Produktionen, ganz speziell, wenn ein, hüstel, TV-Star wie Hardy Krüger jr. in der Hauptrolle mitwirkt, hielt mich bislang davon ab, den Ausleihobolus auf die Ladentheke zu knallen und mir das Teil mal gepflegt zu Gemüte zu führen. Gute Entscheidung, denn wieder einmal erweist sich die gute Fee des Schicksals als mir wohlgesonnen und präsentierte mir den Film plus Gelegenheit zum Review auf dem Silbertablett und das auch noch gratis… schön, wenn man uneigennützige edle Spender hat…
Vortex ist, wie sicher jedermann weiss (ich wusste es bis heute nicht, weil ich mir die DVD-Hülle in der Videothek nicht so genau angesehen hatte und kein FFF-Besucher bin – weniger aus Boykottabsicht denn aus Nichtmitkrieg-Gründen) mitnichten ein Abendfüller – 45 Minuten sind für ein Filmprojekt sicher eine etwas, hm, unglückliche Wahl, für´nen Kurzfilm isses zu lang und für einen echten Spielfilm dann doch zu kurz; dies erklärt sich daraus, dass Vortex der Abschlussfilm des Filmhochschülers Michael Pohl ist. Und das wiederum bedeutet erfreulicherweise im Umkehrschluss, dass Olli „Feindbild“ Krekel mit dem Ding absolut nichts zu tun hat…
Inhalt
Was bei Low-Budget-SF-Filmen normalerweise dazu dient, potentiell aufwendige Exposition einzusparen, ist bei einem Kurzfilm eher verzeihlich – die gefürchteten Texttafeln, die uns mit dem notwendigesten an Hintergrundinformation versorgen. Wir schreiben das späte 21. Jahrhundert, Überbevölkerung und das übliche Blahblah haben dazu geführt, dass die Gewalt auf den Strassen eskaliert und die Ordnungsmacht selbiger nicht mehr Herr wurde – deswegen wurde in neues Strafvollzugssystem namens „Vortex“ eingeführt, das abschreckender sein soll als die Todesstrafe (damit hab ich ein gewisses Problem: was „Vortex“ letztlich ist, ist streng geheim – wie könnte etwas, über das ich buchstäblich nix weiss, mich eher abschrecken als die Aussicht, auf´m Elektrogrill zu landen?). Naja, akzeptieren wir das für den Moment und schalten wir nach einer recht impressiven Blade Runner-Gedenk-Skyline zu unserem Protagonisten Vincent, der durch einen Park o.ä. joggt und sich aus den diversen patrouillierenden Gesetzeshütern, eingedenk der alten Devise „Ich hab ja nix verbrochen“, wenig macht. Zumindest so lange, bis ihm, nach einem Bild-Handy-Gespräch (bestimmt UMTS, irgendwann müssen die Lizenzen sich ja lohnen) mit der zuhause wartenden Gefährtin, von einem einäugigen Galgenvogel überfallen und freundlich um Herausgabe von Wohnungsschlüsseln und sonstigen Wertsachen gebeten wird. Vincent steht dem Ansinnen ablehnend gegenüber und so kommt es zu einem kleinen Handgemenge, in dessen Verlauf Vincent den bösen Räuber versehentlich mit dessen eigener Dienstpistole plättet. Und da die Freunde und Helfer auch in der Zukunft immer zum unpassendsten Moment auftauchen und nie dann, wenn man sie braucht, sieht sich Vincent mit qualmender Kanone von übellaunigen Polizisten in bestem Anti-Terror-Spezialeinheit-Outfit umringt und festgenommen.
Im Rahmen eines absolut rechtsstaatlichen Verfahrens (von einem Verteidiger ist jedenfalls weit und breit nix zu sehen) wird Vincent wegen vorsätzlichen Mordes zu lebenslänglicher Vortex-Strafe verurteilt – Vincents lasche Ausrede, in Notwehr gehandelt zu haben, wurde zwar zur Kenntnis genommen, aber da es dafür keinen Zeugen gibt (allerdings auch keinen für Vorsatz… irgendwie scheint mir dieses zukünftige Judikativsystem verbesserungsfähige Elemente aufzuweisen), kann man da nix machen. Vincent darf sich immerhin tränenreich (wenn auch durch eine Plexiglasscheibe) von seinem Eheweib verabschieden, ehe er von Ozwin (ich liebe subtile Hinweise in Charakternamen), seinem „Reiseleiter“, in Beschlag genommen wird – der bereitet Vincent auf die Reise nach Vortex vor, indem er ihm in eine Kapsel pfropft, eine Injektion gegen den „Tiefendruck“ verabreicht und ihm ansonsten noch empfiehlt, „die Quote“ zu erfüllen, dann gäb´s vielleicht ein Wiedersehen. Dann öffnet sich ein Loch im Boden und in selbiges wird die Kapsel samt Vincent geschossen (was dem Filmemacher Gelegenheit gibt, ein paar Running Man-Raketenschlitten-Gedächtnis-Einstellungen einzubauen. Jo, Michael Pohl hat seine Genre-Filme gesehen, das ist klar). Wenn man die Geschwindigkeit der Kapsel und die Länge der Fahrt einigermassen überschlägt, liegt Vortex also ein paar Kilometer unter der Erdoberfläche… ich könnte jetzt mein Boa-Review zitieren und über Sinnhaftigkeit solcher Umtriebe philosophieren (und darüber, dass mir wieder mal jemand eine Idee geklaut hat, die ich seit Jahren mit mir rumschleppe und die immerhin ein knapp vierzigseitiges Treatment hervorgebracht hat), aber… das kommt sicher anders, als man denkt…
Unten angekommen wird Vincent von seinem offiziellen „Begleiter“ begrüsst, der heisst Boon und hat´s eilig. Verständlich, denn direkt neben der Landestelle liegen ein paar Skelette rum, die von „Bukken“ (später auch respektlos „Bugs“ genannt“) angenagt wurden, netten spinnenartigen Geschöpfen, die effekttechnisch nicht wirklich top-notch gelöst wurden (mit den Spinnen aus Lost in Space können sie aber allemal mithalten) und die anstelle aufwendigen Wachpersonals im Dienste der Obrigkeit verhindern, dass die Vortex-Verbannten allzu neugierig nach Fluchtwegen Ausschau halten. Boon und Vinent können sich dem Zugriff der Spideys mit Müh und Not entziehen und in die „richtige“ Vortex Ausschau halten und das ist eine schicke unterirdische Stadt, bevölkert von allerlei kriminellen Gesindel, aber mit Restaurants, Bars, Geschäften (und Geldverkehr) – hm, hat Michael Pohl DOCH mein Treatment gelesen? Kümmt mir sehr bekannt vor… Boons Aufgabe als „Begleiter“ ist es, Vincent in die unterirdischen Gepflogenheiten einzuweisen, und vor allen Dingen, ihm einen Koffer mit allerhand schicken Waffen und das Fahndungsfoto eines alten Knackers namens Carl Avery zu überreichen. Womit wir bei der „Quote“ wären… und die heisst schlicht und ergreifend „ein Mord pro Woche“. Erledigt der Proband innerhalb der vom Escape from New York-Gedenk-Countdown-Timer angezeigten Frist die verlangte Tötung nicht, landet er selbst auf der Abschussliste… (das ist inkonsistent mit späteren Geschehnissen, aber stay with me for the moment). Damit das ganze auch ordentlich und bürokratisch von statten geht, trägt jeder Vortex-Bewohner eine Kennmarke, mit der man den Mord nach Verrichtung quittieren kann, indem man sie durch den Timer zieht und damit die nächste Sieben-Tages-Frist auslöst (übrigens ist das System dämlich – wer nun das „Glück“ hat, sein Opfer schon nach fünf Minuten gekillt zu haben, sollte tunlichst erst fünf Sekunden vor Ultimo die Quittierung durchführen… dann hat man wenigstens ein paar Tage Ruhe und muss nicht sofort den nächsten Auftrag in Angriff nehmen). Naja, damit hätten wir gleich die nächsten Vorbilder wie Quintett, Das Millionenspiel oder Kings Romanvorlage zu Running Man abgehakt. Originell ist´s nicht wirklich…
Vincent jedenfalls will unter keinen Umständen töten – und Boons Hinweis, dass es eh keine Fluchtmöglichkeit aus Vortex gäbe, lässt er so auch nicht stehen – da war doch Ozwins kryptischer Hinweis. Mit einem denkwürdigen Monolog wischt Boon diesen Einwand beiseite – es heisst killen oder gekillt werden (tja, ganz wie im richtigen Leben). Immerhin schleppt Boon Vincent in eine Kneipe, die aber wird während die beiden gepflegt picheln, von vermummten Übeltuern (naja, da unten sollte nix anderes ausser Übeltuern rumschlurchen) überfallen, die sich gern in den Besitz der Verrechnungseinheiten der Anwesenden bringen würden – dummerweise hat Vincent sein Startkapital schon an einen Taschendieb verloren, was den Räubersmann nicht erfreut. Boon erweist sich als kaltblütiger Killer und schiesst die Räuber über´n Haufen und exekutiert den vorübergehend überlebenden der beiden nach einem kurzen Blick auf seine eigene Auftragskarte – jo, der Gangster ist Mace Windu (bin ich tatsächlich der erste Reviewer, der diesen Star Wars-Gag mitbekommen hat?) Schlappe acht Sekunden vor Ablauf seines eigenen Timers quittiert Boon die Hinrichtung (immer haarscharf am Rande des Abgrunds, wa?) Vincent ist geschockt, lässt sich aber dennoch von Boon Kohle leihen und zu seiner zukünftigen Behausung, einem besseren Müllcontainer von Appartment, lotsen. „Wenn du mich brauchst, bin ich da,“ brummt Boon und geht seiner Wege.
Am nächsten Tag stellt Vincent zu seiner überschaubaren Begeisterung fest, dass sein ausersehenes Opfer, Carl Avery, erstens sein Nachbar und zweitens ein hilfsbereiter alter Herr ist. Macht die Sache für ihn nicht wirklich prickelnder. Nachdem er in einer Bar beobachtet, wie ein Jungschnösel Hologramm-Duelle durchspielt und er anschliessend bei einer 1-A-Abschussgelegenheit das grosse Nervenflattern bekommt, beschliesst er, sich doch mal mit seinen Waffen vertraut zu machen – ein paar lächerliche Wildwest-Posen später überlegt er kurz, sich selbst das Hirn rauszupusten, aber auch das bringt uns Vincent nicht übers Herz (wenn das übrigens der grosse character moment gewesen sein soll… back to the drawing board, Mr. Krueger).
So bricht dann schon der fünfte Tag an und Vincent überwindet sich, Carl zu verfolgen, als der seinen Müll zur Sammelstelle bringt, alas, er kann ihn immer noch nicht umbringen und wird stattdessen von einem Mutanten angefallen. Zum Glück ist Boon zur Stelle und verscheucht die „Laborratte“. Vincent erweist sich als eher undankbar und knallt seinem Lebensretter die Pistole vor die Füsse – er will mit dem ganzen Shit nix mehr zu tun haben. Boon klaubt die Knarre auf und schleppt Vincent ab, denn er muss ihm da ganz dringend noch was erzählen, das seine Meinung vielleicht ändern könnte. Über einen Spitzel hat Boon herausgefunden, dass Carl Avery nicht der freundliche alte Opa von Nebenan ist (dann wäre er vermutlich auch nicht in Vortex), sondern ein siebzehnfacher Mörder und – schluck – Kannibale! Und falls das die Gewissensbisse noch nicht komplett ausräumt, so weiss Boon aus sicherer Quelle, dass auch Carl einen Mordauftrag hat… wer ist wohl sein auserwähltes Opfer? (Was dem vorhin etablierten „erst-wenn-ich-nach-sieben-Tagen-nicht-getötet-habe-wandere-ich-auf-die-Abschlussliste“-Spiel konträr entgegensteht). Vincent hat trotzdem keinen Bock: „Sie (gemeint sind „die da oben“) haben ihn verurteilt, sie sollen ihn auch umbringen“. Nun platzt Boon aber dann doch der Kragen: „Spiel nach den Regeln“. Vincent lässt seinen „Begleiter“ angewidert sitzen… aber dennoch unterzieht er den Müll seines Opfers-in-spe´ doch mal einer Untersuchung und findet blutige Leichenteile… Vincent bringt das dann doch fast zum Kotzen und es veranlasst ihn, in Carls Bleibe einzubrechen und dort eine ganze Sammlung von handgeskulpteten Büsten, die allesamt Kennkarten um den Gipshals hängen haben, zu finden – die bisherigen Opfer Carls und seine eigene Visage ist auch schon fertig gestaltet (und falls es tatsächlich noch der ein oder andere Zuschauer nicht kapiert haben sollte, es liegt auch die offizielle Auftragskarte rum). Als Carl auftaucht, ist dem schnell klar, dass es Vincent nicht nach einer „Verbesserung der nachbarschaftlichen Beziehungen“ steht. Im übrigen halte er, also Carl, nichts persönliches gegen Vincent, die Aufträge könne man sich halt nicht aussuchen und die bildgehauene Ahnengalerie sei ein Ausdruck seines Respekts dem menschlichen Leben gegenüber. Vincent hält das alles für ziemlichen Magermilchquark, aber hellhörig wird er, als Carl nach dem Hinweis, wenn Vincent wirklich unschuldig sei, würde er einen echt grossen Fehler machen, wenn er jetzt Carl töten würde, von einer Möglichkeit spricht, aus Vortex zu entkommen – Carl bietet Vincent an, seine Kennkarte zu quittieren, ohne ihn vorher umzulegen. Zögerlich geht Vincent auf das Angebot ein, aber Carl ist im wahrsten Sinne des Wortes ein backstabber und lauert auf die günstige Gelegenheit, Vincent eine Klinge ins Kreuz zu rammen. Wie immer, wenn´s brenzlig wird, taucht plötzlich Boon auf und fordert Vinnie ultimativ auf, jetzt mal zu Potte zu kommen und Carl zu entleiben. Vincent weigert sich entschieden und – findet sich plötzlich in Ozwins Gegenwart in der Abschusskammer wieder.
Wo dem verblüfften Vinnie von Ozwin und Boon, der sich als Staatsanwalt vorstellt, gratuliert wird – all das bisher Erlebte war nur virtual reality – und eine Art „Lügendetektortest“. Seine konsequente Weigerung, Carl zu töten, sei der Beweis für Vincents Unschuld und demzufolge sei er nunmehr offiziell frei. Ozwin zeigt ihm noch die Halle, in der die Vortex-Verurteilten Matrix-mässig an das VR-Netzwerk angeschlossen herumhängen und wünscht ansonsten noch alles Gute. Alles könnte also prima und paletti sein (aber in unsere mitdenkenden Brägen schleicht sich der Schatten des Zweifels: wenn man im Unschuldsfalle die „Vortex“ einfach so verlassen darf… wie kommt´s, dass noch niemand enthüllt hat, was die Vortex letztendlich ist? Oder sollte Vincent der erste Unschuldige überhaupt sein?) – Vincent kann sich wieder mit seiner Holden im Ehebett räkeln, aber nächtliche Unruhe treibt ihn vor die Tür… und kaum steht er draussen, verwandelt sich seine Umgebung plötzlich wieder in die Vortex und Vincent hat wieder Carl vor sich, die Kanone in der Hand und Boon neben sich, der ihn zum finalen Rettungsschuss auffordert. Es kommt, wie´s kommen muss, Vincent „cracked“ und killt Carl…
In der Realität ist´s Boon zufrieden – auch wenn´s etwas länger gedauert hat, früher oder später ergeben sich alle ihrer „wahren Natur“ und das ist nach Boons Philosophie eben, dass Menschen sich im Zweifelsfalle unzivilisiert benehmen und gegenseitig umbringen (was die ganze Aktion dann eigentlich soll, bleibt mir sehr sehr schleierhaft. Wozu dann die Umstände? Lasst die Typen doch einfach in der Matrix, äh, Vortex, versauern). Ozwin wird beauftragt, die vermeintliche „Begnadigung“ zur „Traumsequenz“ umzuprogrammieren und empfängt noch eine rüffelhafte Warnung – in Zukunft soll Ozwin sich die kleinen Tipps verkneifen, wenn ihm seine eigene Realität lieb ist…
Vincent wird wieder in die Vortex verfrachtet, während Carls Leiche (wer in der Vortex abkratzt, kratzt auch real ab) rausgekarrt wird. Am siebten Tag, kurz vor Ablauf der Frist… Vincent überlegt, ob er Carls Tod quittieren soll, entscheidet sich dagegen, versäumt so also seine Quote und ist zukünftig Freiwild – ihm egal, er legt seine Waffen nieder und mischt sich unters Vortex-Volk…
Jetzt hab ich in doch recht kurzem Abstand drei semiprofessionelle deutsche Kurzfilme besprochen und stelle erfreut fest – Olli Krekel und sein Project_Genesis sind doch nicht repräsentativ… Vortex hat zwar gänzlich andere Voraussetzungen und Intentionen als der von mir hochgelobte Staplerfahrer_Klaus, jedoch zeigt diese Hochschulabschlussarbeit deutlich auf, dass es auch hierzulande Talente gibt, die dem einheimischen Genrefilm gehörig auf die Sprünge helfen können. Wenn sie denn auch mal vernünftige Drehbücher zur Verfügung hätten.
Denn das ist der gehörige Schwachpunkt an Vortex, sein munter aus Genreversatzstücken zusammengestückeltes Script – gut, nicht zuletzt beim gestrigen Review von The_Demolitionist gab ich zu, dass ich lieber ein gut geklautes als ein schlecht selbergeschriebenes Drehbuch nehme, und bei Pohl haben die Leihgaben aus Blade Runner, Running Man (Buch und Film), Total Recall (das Design der Vortex-Stadt erinnert mich an die Mars-Mutanten-Ghettos) und Matrix (wobei ich Pohl in der Hinsicht den benefit-of-doubt gebe, dass er seine Plotte deutlich vor Matrix geschrieben hat und sich vermutlich eher an irgendeinem Cyberpunk-Roman orientiert hat als am Wachowski-Brothers-Blockbuster) durchaus Sinn – sie fügen sich zu einem in sich relativ stimmigen Ganzen zusammen. Dennoch gewinnt die Story schlussendlich keine Preise für besondere Originalität und Kreativität und ob und ggf. welche Aussage hinter ihr steht, bleibt ein wenig vage, aber als Mittel zum Zweck, nämlich hier die Action voranzutreiben, taugt sie allemal – und, wenn ich ein bissl meckern darf, so stellt sich mir eigentlich nur die Frage, warum Pohl vor dem Risiko zurückschreckte, gleich einen richtigen abendfüllenden Film daraus zu basteln, die Story gäbe das durchaus her (man könnte ja ein wenig in die Hintergründe eintauchen, die ein wenig zu kurz kommen… der „alltägliche Terror“, der in den Strassen herrschen soll, sieht nämlich nicht viel gefährlicher aus als ein typischer Bummel durch Kreuzberg um 2 Uhr nachts… okay, gedreht wurde in München, da herrschen andere Sitten). Grossartige Spannung kommt sicher nicht auf, die Pointe ist durchschaubar, sofern man zwei oder drei ähnlich gelagerte Bücher gelesen oder Filme gesehen hat.
Wo Pohl aber wirkliches Können beweist, liegt im praktischen filmhandwerklichen Bereich – der Junge hat wirklich Talent als Regisseur, das muss ich sagen – seine scene set-ups sind absolut professionell, der Umgang mit Special FX ausgezeichnet – und die Effekte haben´s in sich, ohne überheblich klingen zu wollen, der Look des Films ist absolut auf Hollywood-Major-Studio-Niveau (schon allein deswegen, weil auf Film gedreht wurde) – der Einbau der verschiedensten CGI- und Greenscreen-FX bewegt sich ebenso auf allerhöchstem technischen Niveau wie die verwendeten Matte Paintings, einzig die creature FX der „Bukken“ halten nicht dem obersten Standard stand, sind aber immer noch wesentlich besser als das, was der typische US-B-Film auf uns los lässt (mich würde mal ehrlich das Budget von Vortex interessieren, ich konnte leider keine diesbezüglichen Quellen auftreiben) – auch wenn Pohl natürlich letztendlich nicht für die Effekte verantwortlich ist, beweist er zumindest ein glückliches Händchen bei der Auswahl seiner Trickspezalisten und einen versatilen Umgang mit den FX selbst. Ebenso gelungen ist die musikalische Untermalung (der auch mal Beethoven heranzitiert und von den Prager Symphonikern, die bekanntlich experimentierfreudig genug sind, um auch mal eine Abschlussarbeit zu beschallen, bestritten wird). Visuell ist der Streifen jedenfalls aus einem Guss und ein Genuss (diesen kleinen Reim konnte ich mir einfach nicht verkneifen). Hier reift zweifellos eins der Regietalente heran, dass hoffentlich einmal zu höherem berufen ist, als nur für RTL oder SAT.1 billige Fernsehserien herunterzudrehen. Gebt dem Mann ein vernünftiges Script und ein annehmbares Budget und ich bin zuversichtlich, der dreht einen amtlichen deutschen SF-Film. Zum Beispiel. Pohl ist sowohl in der Lage, in den (wie das making-of beweist) eigentlich recht überschaubaren Sets richtige Kino-Atmosphäre zu erzeugen als auch, wenn on location gedreht wird (Pohl wird sich sicherlich dazu beglückwünschen, in München zu studieren, wo, den Olympischen Spielen sei dank, genügend an heute noch futuristisch aussehenden Bauten herumstehen… wie z.B. die BMW-Zentrale, die schon Norman Jewisons Rollerball als Kulisse diente) – das sieht nie nach Billigfilm oder gar Videoproduktion aus (Herr Krekel sollte sich mal ansehen, wie man etwas nach FILM aussehen lässt), sondern nach grossem Kino. Kompliment, Kompliment.
Was die darstellerischen Leistungen angeht, so nörgelt manch Kollege im Netz an Hardy Krüger junior herum. Gut, das Renommee des Star-Filius ist seit bedeutungslosen ARD-Vorabendserien wie Gegen den Wind nicht das allerbeste und der Überschauspieler ist er nicht, aber den „normalen Typen von der Strasse“, den unglückliche Umstände in eine von ihm nicht kontrollierbare Situation treiben, bekommt Krüger für mich ganz gut hin – richtig schwere Charakter-Aufgaben hat er bis auf die Selbstmord-Szene, an der er doch ein wenig verzweifelt, nicht zu lösen. Anspruchslose Action-Rollen kann man jedenfalls schlechter als mit Hardy jr. besetzen.
Kino- und TV-Veteran Harald Leipnitz hat als Carl Avery in seiner letzten Filmrolle (er verstarb Ende 2000, der Film ist ihm gewidmet) nicht wahnsinnig viel zu tun, überzeugt aber in „seiner“ grossen Schlüsselszene durchaus. Einen für deutsche Verhältnisse fast schon erschreckend coolen Boon bietet Arne Fuhrmann, ebenso wie Charakterkopf Gilbert von Sohlen (den erkennt Ihr, wenn Ihr ihn seht…) ein routinierter Fersehakteur.
Concorde vertreibt Vortex auf DVD und packt einiges an Extras auf die Silberscheibe. Neben Filmographien für Krüger, Leipnitz, Fuhrmann, von Sohlen und Pohl (letzterer entnehmen wir überrascht, dass Pohl für Pro7 einige Folgen der religiösen Quotenplatz-Sendereihe Emmeram inszenierte) gibt es einen satt sechsminütigen Trailer (!), der eigentlich weniger als solcher denn als Highlight-Reel zu würdigen ist (den Film braucht man sich danach eigentlich nicht mehr anzusehen, da bleiben keine Fragen offen) sowie zwei Making-of-Segmente. Das längere, ca. 11-minütige „Am Set“-Making-of besteht leider nur aus unkommentierten Aufnahmen von den Dreharbeiten mit gelegentlichen Vergleichsmöglichkeiten zu den letztendlichen endgefertigten Szenen, das kurze, knapp vierminütige Segment „Die Technik“ gibt ein paar kurze, viel zu kurze Einblicke in die Computereffekte mit ein paar kurzen Interviewschnipseln – leider ziemlich nutzlos, da die Zeit viel zu kurz ist, um in die Materie tiefer einzusteigen und die CGI-Whizzards so nur ein paar Fachausdrücke, die nicht Branchen-Intim-Kennern wenig sagen werden, in die Runde schleudern können. Schade, ich hätte mir ein wenig mehr Einblick in die Produktion und vor allem einige gehaltvolle Aussagen der Beteiligten gewünscht (Audiokommentar wäre z.B. nett gewesen). So aber müssen wir uns mit dem, was wir haben (und das beinhaltet auch eine Fotogalerie mit ca. 15 arg klein geratenen Stills, aber immerhin zum einzeln weiterschalten) begnügen.
Was wir aber noch zur Verfügung haben, ist der 18-minütige Kurzfilm Ausgestorben, der unmittelbar im Anschluss an den Hauptfilm serviert wird und in dem Jophi Ries und Udo Kier (!) die Hauptrollen spielen. Auch hier haben wir es mit einer SF-Geschichte zu tun – die Menschheit wird von einem Virus geplagt, gegen den Wissenschaftler Galen Andersen (Ries) ein Gegenmittel gefunden hätte. Blöd nur, dass er dies Mittel einem Fossil einer seit Millionen Jahren ausgestorbenen Kreidezeit-Pflanze entnommen hat und nun Nachschub zum Experimentieren bräuchte. Theoretisch kein Problem, da Zeitreisen inzwischen lösbar sind, jedoch erlaubt der Chef des Zeitreise-Büros (Kier), obwohl er selbst an dem Virus erkrankt ist, nur Beobachtungsreisen in die Vergangenheit, um Zeitparodoxa u.ä. Scherze zu vermeiden, darf nichts verändert, nichts entfernt werden. Galen setzt sich darüber hinweg, Kier reist hinterher, um ihn aufzuhalten.
Auch Ausgestorben, 1995 entstanden, ist filmisch bereits ausgezeichnet gelungen, sogar einige kleine (und durchaus ansehnliche) Dino-Animationen sind enthalten. Wie bei Vortex kann man am ehesten am naiven und durchschaubaren Script herumkritteln – hardgesottenen SF-Fans wird man mit einer solchen Plotte sicher keine Überraschungsmomente mehr bescheren können. Dennoch belegt auch dieser Kurzfilm, dass Pohl ein Talent fürs Genrekino hat – er braucht nur bessere Bücher (und vielleicht einen besser aufgelegten Star, denn Udo Kier hab ich durchaus schon engagierter gesehen als hier).
Beide Filme werden in 1.85:1-Widescreen präsentiert, Vortex dazu auch in 5.1-Dolby-Surround – die Bildqualität ist brauchbar, aber nicht herausragend, der Ton recht gut und bringt sogar ein paar nette Surround-Effekte auf die Speaker. . Soll man sich die DVD kaufen? Das ist dann vielleicht doch etwas übertrieben, denn amazon.de listet die Scheibe immerhin mit einem Verkaufspreis von 20 Euro und das ist dann für 45 Minuten Film, 18 Minuten Bonusfilm plus 20 Minuten Zusatzmaterial nicht gerade ein echtes Schnäppchen – wer dem deutschen Nachwuchs gezielt eine Chance geben will, kann und sollte hier vielleicht zuschlagen – der Film selbst ist keine Offenbarung, aber ein ausgezeichneter Showcase für den Regisseur und seine Effekthexer, der neugierig macht auf weitere Werke. Wer „nur mal sö gucken will, dem ist mit einem Ausleihvorgang aus der Videothek des Vertrauens auch gedient. Insgesamt bietet Vortex solides Entertainment auf einem hochprofessionellen Niveau und das ist sicher mehr, als man von einer Filmhochschulproduktion erwarten darf und kann. Ich bleibe dabei – mit einem richtig guten Drehbuch könnte uns Michael Pohl noch was richtig GROSSES bescheren.
(c) 2003 Dr. Acula
BOMBEN-Skala: 3
BIER-Skala: 6
Review verfasst am: 01.11.2003