Von Mann zu Mann

 
  • Deutscher Titel: Von Mann zu Mann
  • Original-Titel: Da uomo a uomo
  • Alternative Titel: Death Rides a Horse |
  • Regie: Giulio Petroni
  • Land: Italien
  • Jahr: 1967
  • Darsteller:

    Lee van Cleef (Ryan), John Phillip Law (Bill), Luigi Pistilli (Walcott), Anthony Dawson (Kavanaugh), José Torres (Pedro), Franco Balducci (Sheriff), Mario Brega (Walcotts Henchman), Felicita Fanny (Martita), Bruno Corazzari (Bartender)


Vorwort

Eine fiese Outlaw-Gang überfällt eine mit 200.000 Dollar bestückte Postkutsche, die gerade auf der Ranch der Familie Meceita Rast macht. Die Ganoven sind nicht damit zufrieden, die Kohle einzusacken und die dazugehörigen Wachtposten zu massakrieren, sie dringen auch ins Farmhaus ein und führen sich dort auf wie die Vandalen. Frau Meceita und die Teenage-Tochter werden vergewaltigt und alles, was atmet, anschließend gekillt und die Bude abgefackelt. Nur der kleine Sohn Bill überlebt, weil von unbekannter Hand in Sicherheit gebracht.

15 Jahre später ist Bill erwachsen und begreiflicherweise von Rachegelüsten geplagt. Die Schießkunst hat er bereits zur Meisterschaft gebracht, und so mancher in seiner Heimatstadt hätte ihn gern als neuen Deputy vereidigt gesehen. Aber nicht mit Bill, der hat persönliches Business zu erledigen, ergo das Killen der vier Hauptverantwortlichen für den Tod seiner Familie.

Anderswo wird ein alter Gauner nach fünfzehn Jahren Zuchthaus aus selbigem entlassen – auch Ryan dürstet es nach Vergeltung, wenn auch in seinem Fall „nur“ für die vergeudete Lebenszeit beim Steinekloppen, die er seinen ehemaligen Gangster-Komplizen zu verdanken hat. Ein halber Gummipunkt für die Erkenntnis, dass die Mordbande, hinter der Bill her ist, identisch ist mit dem Outlaw-Haufen, mit dem Ryan ein bis drei Hühnchen zu rupfen gedenkt.

Bills einzige Spur ist ein Exemplar von charakteristischen Stiefelsporen, aber wenn er nicht jedem Cowboy des Westens auf die Treter kucken will, wird ihm das nicht viel weiterhelfen. Da kommt ihm Ryan gerade recht, der von Ex-Kollegen angegriffen wird, und sie umlegt. Die toten Herrschaften trugen – tadaa – die selben Sporen! Ryan will sich von Bill natürlich nicht um seine Rache bringen lassen und klaut ihm das Pferd. Nichtsdestotrotz erreichen beide die Stadt Holly Springs, wo sich Ex-Bandenmitglied Kavanaugh häuslich eingerichtet hat und als Chef des örtlichen Casinos das allgemine Stadtleben beherrscht. Ryan begehrt von Kavanaugh nur die schlappe Summe von 15.000 Dollar – einen Tausender pro Knastjahr. Kavanaugh wäre durchaus zahlungswillig, nur mangelt’s ihm an der notwendigen Barschaft. Ryan gewährt eine großzügige Fristverlängerung bis zum nächsten Tag, und das ist schlecht, denn mittlerweile ist Bill eingetroffen und erkennt Kavanaugh als einen der Mordbrenner. Kavanaugh wird umgelegt und Ryan kuckt, so rein finanziell gesehen, in die Röhre.

Eine Stadt weiter hat sich Walcott, ein weiteres Bandenmitglied, als seriöser Banker und Lokalpolitiker neu erfunden. Mit seinem politischen Einfluss konnte er einen Senator dazu bewegen, eine wichtige Eisenbahnlinie über die Stadt laufen zu lassen. Unschwer festzustellen: der Mann ist in der Bevölkerung durchaus beliebt. Aber einmal Gauner, immer Gauner, und so plant Walcott bereits generalstabsmäßig, die der Stadt vom Senator zugeschanzten und in seiner Bank lagernden Fördergelder von der nach wie vor existierenden Bande klauen zu lassen. Und mit Ryan, der mittlerweile seine bescheidene Forderung auch Walcott gegenüber gestellt hat, bietet sich ja auch ein idealer Sündenbock, den man nach vollzogenem Raub vorläufig aufhängen kann!
 
Wohl wissend, dass Ryan seine einzige echte Spur zum Aufspüren der restlichen Mörder ist, befreit Bill Ryan aus dem Stadtgefängnis. Allerdings will Bill immer noch der erste Sein, der seine Rache vollstreckt und setzt sich ab, um allein das Versteck der Bande, ein kleines mexikanisches Dorf, dass die Banditen vollständig unter ihre Fuchtel gebracht haben, zu infiltrieren. Geht erst mal mächtig schief. Ein von Ryan inszeniertes Ablenkungsmanöver lockt die Bande aus ihrem Hideout und gibt dem alten Outlaw die Gelegenheit, Bill zu retten. Die Mexikaner feiern Bill und Ryan als potentielle Befreier von der Schreckensherrschaft der Bande und die beiden Revolvermänner haben jetzt immerhin eine kleine, nicht sonderlich kompetente, aber immerhin vorhandene Armee für den finalen Kampf gegen Walcott und seine Schurken…


Inhalt

Es ist ja nicht so, als ob man sich in seinem filmischen Reifeprozess nicht weiterentwickelt und Dinge schätzen lernt, die man noch ein-zwei Dekaden früher nicht mit der Kneifzange angefasst hätte. Ungefähr so geht es mir mit dem Western. Ich will jetzt gar nicht mit meiner Theorie wieder anfangen, wonach der Western aus meiner Sicht kein Genre, sondern ein historisches Setting ist, in dem man alle Arten von Filmen machen kann (Action, Drama, Romanze, Horror, Komödie, Thriller usw.) – obwohl ich nach wie vor der Ansicht bin, dass es sich hierbei um eine sehr gute Theorie handelt -, sondern grundsätzlich darauf hinaus, dass ich relativ lange Zeit mit Western nicht viel anfangen konnte. Vielleicht lag das an einer frühkindlichen Übersättigung, denn, ums mit jedem alten Sack aller Zeiten zu sagen, „wir hatten ja damals nix anderes“. In der Zeit, in der uns drei armselige Fernsehprogramme, bei denen man sich noch zu allem Überfluss an deren festgelegte Anfangszeiten halten musste, dürften Western so ziemlich die meistgesendeten Spielfilme gewesen sein. Meistens aber eben alte Hollywood-Schinken oder die Karl-May-Reihe. Und, da geb ich zu, mit dem typischen US-„Cowboyfilm“ wurde ich nicht warm (und bin’s auch bis heute nicht wirklich geworden), auf den klassischen Cowboy-vs-Indianer-Konflikt ging ich nie steil (vielleicht war ich schon in frühester Jugend auf den Trichter gekommen, dass man moralisch gesehen in solchen Filmen den „bösen“ Indianern die Daumen drücken musste).

Das führte dann folgerichtig dazu, dass mein Gesamtinteresse an der Western-Thematik erlahmte – denn, wie gesagt, „wir hatten nix anderes“. Dass sich jenseits des Hollywood-Westerns noch eine ganz andere Dimension des Wildwest-Abenteuers verbergen sollte, war mir in diesem zarten Alter jedenfalls nicht klar. Sowas lief ja nicht in der Glotze – bestenfalls mal eine Spencer/Hill-Klamotte oder, als zarter Fingerzeig in die Richtung, „Ein Fressen für die Geier“. Als ich dann langsam von Sergio Leone hörte, von Leichen, die Wege pflastern sollen und von Djangos, hatte mir der US-Mainstream-Kram das „Genre“ (oder eben Setting) schon einigermaßen verleidet. Ich hatte genug andere Genres, in die ich mich Hals über Kopf stürzen konnte und die richtig entdeckt und aufgearbeitet werden wollten, da schien mir ein Verzicht auf den Western ein lässliches Übel zu sein.
 
Es bedurfte einiger Umwege, bis ich mit dem Italo-Western meinen Frieden machte; ein nicht unwesentlicher Faktor war der Umstand, dass ich versuche, so viele Filme mit Klaus Kinski zu sehen wie möglich, und der gute Klaus war ja öfter mal in Western dabei… Langer Rede wenig Sinn – ich hätte vor zehn Jahren noch einen Film wie „Von Mann zu Mann“ keine größeren Aufmerksamkeit geschenkt, heutzutage kauf ich mir sowas halbwegs gezielt, habe ich doch inzwischen die raue Ästhetik, die zynisch-nihilistische Einstellung und das couragierte Herumstochern in moralischen Grauzonen, das den Italo-Western auszeichnet, schätzen gelernt.

Unser heutiges corpus delicti wurde von Giulio Petroni inszeniert, im Vergleich zu vielen seiner Zeit- und Landesgenossen ein Mann mit vergleichsweise schmalem Ouevre von insgesamt 14 Filmen und sicher insgesamt ein Name, der eher bei Experten vertraute Gefühle auslöst als bei Karlheinz Durchschnittsgucker. Auf diesen schönen Seiten haben wir uns Petroni über seinen 72er-Comedy-Western „Zwei schaffen alle“ mit Tomas Milian angenähert, Italo-Enthusiasten schätzen „Tepepa“ von 1968, in dem er MIlian mit keinem geringeren als Orson Welles zusammenspannte (wobei Welles sich dem Vernehmen nach beim Dreh vor allem Milian gegenüber recht unleidlich benahm). Heute aber „Von Mann zu Mann“, für den Überseemarkt mit dem reißerischen Titel „Death Rides a Horse“ versehen.

Nach einem Drehbuch von Luciano Vincenzoni („Zwei glorreiche Halunken“, „Der City Hai“) fabrizierte Petroni hier einen durchaus interessanten und in einigen Aspekten recht ungewöhnlichen Italo-Western. Prinzipiell ist die Geschichte nicht neu und die Keimzelle jedes buddy movies ever – zwei höchst unterschiedliche Typen verfolgen aus höchst unterschiedlichen Gründen das gleiche Ziel und müssen notgedrungen zusammenarbeiten. Erfreulicherweise vermeidet Vincenzonis Script die gängigen Klischees – Ryan und Bill werden nie mehr als eine Zweckgemeinschaft; zwar gewinnen die beiden im Laufe des Films zunehmend Respekt füreinander, aber sie werden keine besten Freunde und reiten am Ende nicht grinsend und sich gegenseitig umarmend zusammen in den Sonnenuntergang. Über weite Teile des Films sind sie eben Rivalen mit dem gleichen Endgame – d.h. sie haben nichts speziell gegeneinander, wollen aber auch nicht, dass der jeweils andere dem einen zuvorkommt. Man mag sich immer wieder mal gegenseitig das Leben retten, aber ebenso gern behindert man sich im Fortschritt, um selbst der erste zu sein, der Walcott und den anderen Spießgesellen die Lebenslichter ausbläst. Wirklich „zusammen“ arbeiten sie erst im Showdown und auch dann nur notgedrungen, weil sie – jeweils allein – erst recht keine Chance gegen die zahlenmäßig enorm überlegene Bande haben (und bevor wir glauben, dass das Finale sich zu sehr bei den „Glorreichen Sieben“ bedient, wird uns klar, dass die Mexikaner, die sie um Hilfe bitten, für Ryan allenfalls Mittel zum Zweck und brauchbares Kanonenfutter sind – Bill bringt immerhin noch Frauen und Kinder in Sicherheit).

Aspekt Nummer 2 ist die Figur des Bill. Ein typisches, stilprägendes Merkmal des Italo-Westerns ist der Verzicht auf ein klar faßbares Gut-/Böse-Schema. Meistens sind die Protagonisten Antihelden, bereits gebrochen (oder im Filmverlauf gebrochen werdend), deren Mittel sich von denen der nominellen Schurken nicht gravierend unterscheiden. Ryan ist vorliegend auch ein solcher Fall – er ist fraglos für den Zuschauer Protagonist, aber eben auch ein Gangster, und keiner, der im Knast jetzt irgendwie zum Gutmenschen mutiert wäre, moralisch bekehrt ist oder ein höheres Gerechtigkeitsziel verfolgt. Er will einfach nur Kohle dafür, dass seine Kumpels ihn haben hängen lassen, und wenn’s die Kohle nicht gibt, dann eben ne Kugel zwischen die Augen. Bill ist dagegen wirklich mal eine Figur wie aus einem Hollywood-Western – er hat ein klassisches Motiv, die Rache für die ermordete Familie, aber es gibt keinen Zweifel daran, dass er ein „guter Mensch“ ist – traumatisiert vielleicht, aber ungebrochen, und nicht auf der Gefahr, von seinem Weg abzukommen. Aus ihm wird kein Outlaw werden, der aus Spaß an der Freude killt, moralisch ist Bill voll in Ordnung (es mag eine biblische „Auge-um-Auge“-Moral sein, aber die wird im Hollywood-Western ja gern und oft vertreten).
 
Aber keine Angst – das heißt noch lange nicht, dass „Von Mann zu Mann“ ein fröhlicher, lebensbejahender Gute-Laune-Film ist. Allein schon das Eröffnungsmassaker – nicht großartig graphisch, in Sachen offener Gewaltdarstellung gibt sich Petroni vor Genreverhältnisse vergleichsweise zimperlich – lässt keine Fragen offen. Das Niedermetzeln der Familie ist auch ohne Blutfontänen brutal genug, und dass Petroni die Vergewaltigung von Mutter und minderjähriger Tochter nicht nur impliziert, sondern auch in einem gewissen zivilisatorisch erträglichen Rahmen zeigt, ist schon recht mutig für 1968.
 
Diese beklemmende Düsternis behält der Film in der Folge nicht bei – offensichtlich war es nicht Petronis Ziel, dass sich das Publikum zum Ende des zweiten Akts rituell die Pulsadern öffnet –, der Ton wird etwas leichter, bekömmlicher. Nie wirklich komödiantisch, auch wenn sich Bill und Ryan immer wieder gegenseitig foppen, aber eben leichtgewichtiger. Dafür wird dann im Showdown wieder mal ein Leichenberg aufgetürmt. „Von Mann zu Mann“ ist nicht der ganz große Action-Reißer; Petroni setzt eher mal eine kleine Spitze als ein großes set-piece, hebt sich seine großkalibrige Action dann lieber für das ausführliche und rasant inszenierte Finale auf, das von der coolen Location des mexikanischen Hacienda-Dorfs enorm profitiert.
Die Kameraführung kann den ein oder anderen Leone-Einfluss nicht verleugnen – Carlo Carlini setzt in vielen Schlüsselszenen auf großformatige Gesichter-close-ups; auch die rotgefilterten Flashbacks der Bill-Erkenntnis verfehlen ihre Wirkung nicht.

Den Soundtrack steuert Großmeister Ennio Morricone bei. Wie ab und an bei Morricone ist der Score nicht hochgradig abwechslungsreich (Morricone ist ja ein Meister der Übung, mit ein-zwei Themen einen ganzen Film zu beschallen), aber natürlich ausgezeichnet, wobei Ennio hier verstärkt auf Chöre setzt.
 
Lee van Cleef fügt seinen zahlreichen guten bis ausgezeichneten Westernrollen hier eine weitere hinzu. Der Routinier gibt sich hier einen etwas jovialeren, leutseligeren Anstrich, ohne seine Zielstrebigkeit und – nötigenfalls – Skrupellosigkeit vermissen zu lassen. John Phillip Law („Barbarella“, „Danger: Diabolik“, „Space Mutiny“) ist mir einerseits etwas zu farblos, andererseits etwas zu distanziert (was in Pop-Art-Filmen wie „Diabolik“ oder „Barbarella“ durchaus zum Gesamtbild positiv beitragen kann), gerade weil er eine klar „gute“ Rolle verkörpert, hätte ich mir etwas mehr „force“ gewünscht. Man denke kurz drüber nach, was der junge Terence Hill mit der Rolle hätte anstellen können. Als Bösewicht-par-excellence Walcott brilliert Luigi Pistilli („Zwei glorreiche Halunken“, „Für ein paar Dollar mehr“, „Leichen pflastern seinen Weg“). Seinen Spaß hat auch der britische Mime Anthony Dawson (nicht mit Anthony M. Dawson alias Antonio Margheriti zu verwechseln), der u.a. in „Liebesgrüße aus Moskau“ Ernst Stavro Blofeld spielte, aber auch in Hitchcocks „Bei Anruf Mord“ und dem existentialistischen Teutonen-Western „Deadlock“ zu sehen ist.
 
Die Blu-Ray aus dem Hause Explosive Media bietet solide Bild- und Tonqualität (2.35:1, Dolby Digital), aber außer dem Trailer keine weiteren Extras.
 
Der Freund gepflegter Italowestern-Unterhaltung sollte hier also zuschlagen – es ist ein wirklich guter Film mit einigen interessanten Facetten, die man ansonsten im Subgenre nicht geboten bekommt, sehr guten Vorstellungen von van Cleef und Pistilli, und John Phillip Law… naja, wie es ein anderer Rezensent ausdrückte, man gewöhnt sich an ihn…
 
© 2019 Dr. Acula
 


BOMBEN-Skala: 2

BIER-Skala: 7


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