Von der Erde bis zum Mond

 
  • Deutscher Titel: Von der Erde bis zum Mond
  • Original-Titel: From the Earth to the Moon
  •  
  • Regie: Byron Haskin
  • Land: USA
  • Jahr: 1958
  • Darsteller:

    Joseph Cotten (Victor Barbicane), George Sanders (Stuyvesant Nicholl), Debra Paget (Virginia Nicholl), Don Dubbins (Ben Sharpe), Patric Knowles (Josef Cartier), Carl Esmond (Jules Verne), Henry Daniell (Morgana), Melville Cooper (Bancroft), Morris Ankrum (Präsident Grant)


Vorwort

1868 – nach dem Ende des amerikanischen Bürgerkriegs sind die Umsätze der führenden Waffenlieferanten stark zurückgegangen. Der geniale, wenn auch exzentrische Victor Barbicane verspricht Abhilfe – seine Neuerfindung „Power X“, ein Sprengstoff enormer Wirkungskraft, kann das Waffengeschäft revolutionieren, schließlich wäre eine einzige Kanonenkugel, von „Power X“ angetrieben, in der Lage, um die halbe Erde zu fliegen, und dort eine ganze Stadt planieren. Ob des enormen Wirkungsgrades des Wunderstoffs wäre ein Test auf der Erde aber zu riskant – Barbicane plant deshalb, eine Rakete zu bauen (mit „Power X“ angetrieben) und ein „Power X“-Geschoss auf den Mond abzufeuern – die Explosion müsste mühelos von der Erde zu beobachten sein. Das Rüstungscabal ist prompt mit von der Partie…
Nothing speaks more SciFi than a dozen old men around a dinner table.
Onkel Schorsch will DICH!

… nur einer zickt: Stuyvesant Nicholl, Metallmogul aus den Südstaaten, der vermutet, Barbicane sei Besitzer einer ordnungsgemäßen Vollmeise und würde, nicht unbedingt absichtlich, aber bestimmt, mit „Power X“ die Menschheit vernichten. Da Barbicane sich wider Erwarten ganz un-Ehrenmannlike einem von Nicholl geforderten Duell, mit dem der Herausforderer das Schlimmste zu verhindern hofft, verweigert, verfällt der Südstaatler auf die Idee, Barbicanes Projekt zu infiltrieren und zu sabotieren. Das ist nicht sonderlich schwer, weil Barbicane eine Keramiklegierung, die Nicholl entwickelt hat, als Hitzeschild für seine Rakete braucht.

Mitten in die schönsten Vorbereitungen platzt der US-Präsident – die anderen Nationen der Welt betrachten die Power-X-Mondrakete als unausgesprochene Kriegserklärung und ersten Schritt zur amerikanischen Erringung der Weltherrschaft. Da die Amis schlechte Publicity nicht brauchen können, bittet der Präsident Barbicane von seinen Plänen abzusehen, doch der weigert sich, trotz der Anfeindungen, denen er und by proxy die USA weltweit ausgesetzt sind. Schließlich ist die Rakete fertig – Barbicane, sein junger Assistent Sharpe und Nicholl sollen die Besatzung bilden, doch an Bord hat sich auch noch ein blinder Passagier versteckt – Nicholls in Sharpe verliebte Tochter Virginia. Jetzt kuckt Nicholl doof, als er zugeben muss, die Rakete sabotiert zu haben…


Inhalt

Es gibt Filme, die den Horizont des Zuschauers glatt überfliegen. Es gibt Filme, bei denen man nach drei Sekunden erkennt, dass sie von erlesener Dämlichkeit sind. Es gibt Filme, die nach drei Sekunden erkennen lassen, dass ihre Macher von erlesener Dämlichkeit sind. Und es gibt Filme, bei denen man förmlich fühlt, wie man während der Ansicht immer dümmer wird, bis man nach 90 Minuten als verblödeter Haufen Protoplasma vor dem Fernsehschirm sitzt und nur noch debil sabbert. „Von der Erde zum Mond“ ist ein solcher Film.

Noch nicht mal, weil es eine Jules-Verne-Adaption ist und Jules-Verne-Adaptionen nun mal gerne darunter leiden, dass wir einen Autor haben, der seinen Kram im späten 19. Jahrhundert schrieb und vom dortigen wissenschaftlichen und technischen Kenntnis- und Wissensstand aus fabulierte. Noch nicht mal, weil es eine Jules-Verne-Adaption aus den 50ern ist, einer Dekade, in der sich die wissenschaftliche Plausibilität der SF-Filme von „Destination Moon“ aus überwiegend rückwärts entwickelte, und noch nicht mal, weil es eine von diesen Verne-Adaptionen ist, die aus der Vorlage ein paar Namen und ein paar vage Motive übernimmt, ansonsten aber frei von der Leber weg selbst neu erfindet. Nein, „Von der Erde zum Mond“ ist ein Film, der von jedem Volksverdummungsverbot umfasst sein sollte, weil die deutsche Synchronfassung ein Verbrechen an der Menschlichkeit darstellt…
Ich hab keine Ahnung, wie im Filmsinne diese Konstruktion dazu angetan sein soll, den Andruck beim Raketenstart menschenverträglich zu machen – nicht für alles darf man sich eben einen Revolver zum Vorbild nehmen.

Nun sind wir Teutonen Kummer in Synchronform ja gewohnt – wollten uns die wohlmeinenden Verleiher und Übersetzer früher gerne davor schonen, dass uns der Rest der Welt – woher auch immer diese völlig abwegige Idee auch kommen sollte – für Nazis, Schurken und daher 1-A-taugliche Gegner für wackere Helden hielt, man also bei aller Feindschaft, die man solchen Filmverstümmlern entgegenbringen muss, immerhin noch wohlmeinende Motive unterstellen darf, können die hiesigen Stümper keine mildernden Umstände vorbringen. Sie sind entweder unfähig, einen nicht sonderlich komplizierten englischsprachigen Film zu verstehen und zu übersetzen (dann sollten sie sich einen neuen Job suchen), glaubten, kreativ tätig werden zu müssen, weil sie ihrer eigenen Ansicht nach einen besseren Film hätten schreiben können (dann sollen sie das tun und nicht anderer Leute Filme verschandeln), oder sie sind einfach boshaft und wollen das Filmerlebnis des Konsumenten ruinieren (dann sollen sie einfach sterben gehen). Denn eins wollen wir festhalten: die obige Inhaltsangabe, die bescheidener Schreiber dieser Zeilen sich aus den Fingern gesogen hat, ist bestenfalls eine Annäherung an einen sinnvollen Plot und bestimmt nicht das, was sich aus der bloßen Ansicht des Films ergibt.

Gehen wir auf einige der wesentlichen Entstellungen des Films durch die DF ein (da die DVD-Veröffentlichung, für die die Synchro offenkundig erst angefertigt wurde, ohne englischen O-Ton auskommt, bin ich Scott Ashlin von 1000 Misspent Hours and Counting zum Dank verpflichtet, dessem ausführlichen Recap ich den korrekten Ablauf der Geschichte entnehmen konnte.

– Während in der DF von Anfang an die Rede von einer Mondrakete ist, will Barbicane in der OF zunächst nur ein „Geschoss“ abfeuern, das auf dem Mond einschlagen soll.

– Das Duell, das Nicholl mit Barbicane führen will, hat in der OF nichts mit Barbicanes „Raketenplänen“ zu tun, sondern resultiert aus der Rivalität der beiden Magnaten aus dem US-Bürgerkrkieg (Nicholl war Waffenlieferant der Konförderation, Barbicane versorgte die Union).

– Wer sich angesichts der DF fragt, warum ein Metallfabrikant wie Nicholl eine Keramik erfunden haben sollte, die Barbicane braucht, ist ein Schlaufuchs. Im Original will Barbicane keineswegs von Anfang an etwas von Nicholl, sondern sucht den Südstaatler wegen der erwähnten Duellpläne auf.

– Und wer sich fragt, warum Nicholl in einer Wutrede vor dem Kongress ankündigen sollte, Barbicanes Projekt zu sabotieren (in diesen Worten!) und ihm dafür für 100.000 Dollar seine „Keramik“ zu verkaufen, ist im Besitz einer funktionierenden Gehirnzelle (und damit mindestens einer mehr als die Synchromacher). In der OF offeriert Nicholl Barbicane in dieser Rede eine Wette um 100.000 Dollar, dass Power X (unausgesprochen Atomkraft) nicht seine neueste Stahllegierung durchschlagen könne.

– Dadurch macht natürlich auch die Rivalität auf dem Testgelände Sinn – in der DF sind Barbicane und Nicholl zumindest zum Schein Partner, in der OF Wettgegner.

– Barbicanes Gespräch mit dem US-Präsident hat einen völlig anderen Tenor. In der DF übermittelt der Präsi Barbicane „offiziell“ den Wunsch, die Experimente einzustellen, drängt ihn aber „inoffiziell“ zum Weitermachen – und unterstreicht somit den imperialistischen Anspruch der USA, den die anderen Nationen der Welt ja gerade unterstellen. In der OF teilt der Präsident Barbicane mit, dass er ihm den Moon-Shot (in der OF ja noch keine Rakete, sondern nur ein Geschoss) nicht verbieten könne, es zur Abwendung der Gefahr eines Weltkriegs aber rate, das Geschoss nicht mit Power X anzutreiben und somit einen Fehlschlag zu provozieren, der die Gemüter der Weltpolitik beruhigen würde (in der einzigen effektiven „Verbesserung“ der Original-Plotline billige ich der Synchro zu, dass Barbicanes bitterer Schwur, seine Pläne weiter voranzutreiben, ein weitaus glaubwürdigerer Grund ist, warum Demonstrationen in den Hauptstädten dieser Welt seinen Kopf fordern als sein schmähliches Scheitern – dort geht er nämlich auf den präsidialen Vorschlag ein – in der OF).

– In der OF entdeckt Barbicane JETZT in den Geröllhalden des Versuchsgelände, dass Power X Nicholls Stahl in eine bislang unbekannte leichte Keramiklegierung transformiert hat, was ihn auf die Idee bringt, eine bemannte Mondfahrt in Angriff zu nehmen. Dadurch ergibt die Szene, in der Barbicane Nicholl aufsucht und (in der DF erneut) um seine Partnerschaft angeht, erst Sinn (in der DF sind sie ja „Partner“ und hat Barbicane Nicholl ja genau wegen dieser Legierung überhaupt ins Boot geholt).

Während der folgenden Mondfahrt gibt’s dann auch noch ein Rudel WTF-Momente, die hier der „Spannung“ halber nicht verraten werden sollen (nur die völlige Sinnentstellung des Endes plappere ich noch völlig unbefangen aus – während das Original auf Rocketship X-M-mäßiges Melodrama setzt und alle drauf gehen lässt, pappt die DF ein dem Augenscheinsbeweis der gezeigten Bilder total entgegenstehendes Happy End – alle überleben, zwei auf’m Mond – drauf).

Dieweil ich mit einer, sagen wir mal, Umschreibung des Films an und für sich zwar ein grundsätzliches Problem habe, würde ich es zähneknirschend, nein, nicht akzeptieren, aber zumindest als eine Art unautorisierte Alternativfassung zur Kenntnis nehmen, wenn, ja, wenn sie, kruzidingens nochmals, auch nur einen Zentimeter Feldweg lang Sinn ergeben würde. Alles, was DIESE Synchronfassung tut, ist ganze Handlungsstränge unverständlich machen, in ihr Gegenteil verkehren, Charakterisierungen zertrümmern, schlicht und ergreifend den ganzen Film in ein nicht nachvollziehbares Machwerk dadaesquen Ranges zu verwandeln. Wenn nicht alle Beteiligten am Film vermutlich schon tot wären, ich würde ihnen eine Sammelklage gegen den deutschen Bearbeiter empfehlen.

Andererseits… es ist jetzt auch nicht so, als wäre der Film, hätte man ihn im Original-Sinne belassen, ein großer Weitwurf (das kann man ja, wenn man ihn mit Kenntnis des ursprünglichen Plots rekapituliert, durchaus extrapolieren). Robert Blees, ein wenig distinguierter Allesschreiber, der z.B. den Monsterquatsch „The Black Scorpion“, „Frogs“, „Die Rückkehr des Dr. Phibes“ (okay, den mochte ich!) und in den 80ern sogar noch eine „Airwolf“-Folge verfasste, macht aus Vernes geradlinigem SF-Klassiker eine dröge (und latent kriegsverherrlichende, da hier allgemein Waffenproduzenten als Garanten der Wissenschaft und des Fortschritts dargestellt werden) Wirtschafts- und Sabotagegeschichte, die sich mühselig von Episode zu Episode hangelt und sich erst in den letzten 20 Minuten daran erinnert, worum’s dem Titel nach eigentlich geht. Die Charaktere sind langweilig und auch im Original gerne widersprüchlich, der Plot unlogisch (Power X ist zu gefährlich, um auf der Erde getestet zu werden? Also testen wir’s auf der Erde! Die Staaten der Erde wollen nicht, dass Barbicane mit Power X experimentiert? Okay, dann schießt er halt keinen Power-X-Sprengkopf auf den Mond, sondern baut ein Power-X-angetriebenes Raumschiff!).

Regisseur Byron Haskin, der seine Karriere noch zu Stummfilmzeiten begann, sich zu einem frühen SF-Experten entwickelte („Kampf der Welten“, „Eroberung des Weltalls“, Robinson Crusoe auf dem Mars) und eigentlich wissen müsste, wie’s geht, bringt kein Tempo in die Plotte, verzettelt sich in den langwierigen wirtschaftlichen und politischen Plänkeleien, anstatt sich auf das Abenteuer des ersten Raumflugs zu konzentrieren. Die Kameraarbeit ist langweilig, die Spezialeffekte selbst für das Baujahr des Streifens – für eine Major-Studio-Produktion – miserabel, die Bauten wenig aufregend – das einzige schicke Set ist der überraschend modern wirkende Maschinenraum.

Die namhaften Schauspieler passen sich dem müden Treiben um sie herum nahtlos an. Joseph Cotton („U 4000 – Tauchfahrt des Grauens“, „Concorde Inferno“) schlafwandelt sich sichtlich gelangweilt und uninteressiert durch den Film. George Sanders („Rebecca“, „Gespenst auf Freiersfüßen“, „Der Frosch“, Mr. Freeze in der „Batman“-TV-Serie und Oscar-Preisträger für „Alles über Eva“) probiert’s zum Ausgleich mit schamlosem Overacting der unverträglichen Sorte. Debra Paget kann man kaum verübeln, dass sie – Anfang der 50er eines von Hollywoods bestbezahlten Starlets – bei derart undankbaren Rollen als Kleider- und Frisurenständer nach Europa wechselte und da z.B. in Fritze Langs „Tiger von Eschnapur“/“indischem Grabmal“ als Tempeltänzerin Seetha einer ganzen Generation deutscher Jünglinge erste Masturbationsfantasievorlagen bescherte. Dass sie hier scriptgemäß eine Lovestory mit Don Dubbins („The Illustrated Man“, „Death Wish II“) verbinden soll, muss man glauben, Chemistry haben der hüftsteige Dubbins und die zum Mannequin degradierte Paget nicht eine Sekunde lang. Henry Daniell, einer der großen Filmschurken der 40er („Der große Diktator“, „Der Leichendieb“, „Unter schwarzer Flagge“, „Die Frau in Grün“) bleibt als Morgana, einer von Barbicanes Konkurrenten und Geschäftspartnern, sträflich verschwendet, Morris Ankrums „old-age-make up“ (=ein angeklebter Bart) als Präsident Grant muss man schon mal gesehen haben (speziell, wenn man Ankrum aus zeitgenössischen SF-Kloppern wie „Earth vs. Flying Saucers“, „Kronos“ oder „The Giant Claw“ kennt und schätzt) – und während ich über die verlogene Methode, Jules Verne (als einer von Barbicanes Beratern) in den Narrativ zu schreiben, beinahe den Mantel der Barmherzigkeit ausbreite, sage ich über seinen Darsteller Carl Esmond (einen der zahllosen Emigranten, die Hollywood in den 40ern überfluteten) zumindest, dass er seine Sache gut macht.

Bildqualität: 4:3-Vollbild-Farbe. Erträglich für einen 55 Jahre alten Schinken, aber auch nicht mehr.

Tonqualität: Mono- und Stereomix der Synchro des Grauens sind verfügbar. Der Stereomix filtert praktisch alles an Nebengeräuschen weg (das Grundrauschen, aber auch ambient noises und den Score) – Mono klingt authentischer.

Extra: Einer von drei Filmen in der „Jules Verne Box Vol. 5“ von MiG. Keine spezifischen Extras.

Fazit: Was im englischsprachigen Original schon ein ziemlich öder Stinker ist, wird durch die vollkommen entstellende deutsche Synchro zu einem unerträglichen Anschlag auf die Intelligenz des Zuschauers. Sollte man eigentlich vom Datenträger kratzen (DVD kaputtschlaan ist nicht drin – ist ja noch ein Film drauf auf der Scheibe, und vielleicht kann *der* was). Wenn ich bei den Kurzreviews 0er-Wertungen vergeben würde, wär das eine aus Prinzip.

1/5
(c) 2013 Dr. Acula


mm
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