Vierzig Wagen westwärts

 
  • Deutscher Titel: Vierzig Wagen westwärts
  • Original-Titel: The Hallelujah Trail
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  • Regie: John Sturges
  • Land: USA
  • Jahr: 1965
  • Darsteller:

    Burt Lancaster (Col. Thaddeus Gearhart), Lee Remick (Cora Templeton Massingale), Jim Hutton (Capt. Paul Slater), Pamela Tiffin (Luise Gearhart), Donald Pleasence („Orakel“ Jones), Brian Keith (Frank Wallingham), Martin Landau (Häuptling Krummer Rücken), John Anderson (Sgt. Buell), Tom Stern (Kevin O’Flaherty), Robert J. Wilke (Häuptling Fünf Fässer), Dub Taylor (Clayton Howell), Whit Bissell (Hobbs)


Vorwort

Das Jahr 1867… im Bergbaustädtchen Denver, Colorado, herrscht der Notstand. Der Winter steht vor der Tür und der Whiskey droht auszugehen! Ein unhaltbarer Zustand – die Lösung kennt nur der örtliche (schnapsangetriebene) Wahrsager „Orakel“ Jones. Man müsste einen Treck von vierzig Wagen voll mit Whiskeyfässern aus der nächsten Stadt Jonesburg kommen lassen. Dieser raffinierte Plan wird für gut befunden und sofort umgesetzt.

Dem Transportunternehmer Frank Wallingham fällt die dankbare Aufgabe zu, den Treck zu organisieren. Da ein nerviger Zeitungsfritze das Vorhaben veröffentlicht, ist Wallingham sich sicher, dass jede Rothaut zwischen hier und Denver versuchen wird, sich das Feuerwasser unter den Nagel zu reißen. Ergo: die Armee muss das kostbare Gesöff eskortieren.

Das wiederum ist ein Job für Colonel Thaddeus Gearhart, den Vorsteher von Fort Russell, der allerdings eh schon sein Kreuz zu tragen hat. Ausgerechnet sein schönes Fort hat sich Cora Templeton Massingale ausgesucht, um ihre weiblich dominierte Gleichberechtigungs- und vor allem Abstinenzbewegung dem saufenden Soldatenpack nahezubringen. Da die energische Cora Disziplin und Autorität im Fort merklich untergräbt – und auch des Colonels Töchterlein Luise zu Coras Anhängerinnen zählt – setzt Gearhart darauf, die Weiber so schnell wie möglich loszuwerden. Und weil Cora von dem Konvoi erfahren hat, gibt Gearheart wider besseren Wissens seinen Segen dazu, dass Cora und ihre Frauen ihren Anti-Alk-Kreuzzug im Sündenpfuhl Denver fortsetzen. Sicherheitshalber wird eine zweite Eskorte die Damen aber mehr oder weniger unauffällig beschatten.

Indes haben auch die Indianer, in Form von Häuptling Fünf Fässer und seinem Kompagnon Krummer Rücken, Pläne geschmiedet – der Fusel soll möglichst rasch durch Rothautkehlen strömen. Und in Denver macht man sich Sorgen, weil man von Wallinghams Treck nun schon zwei Wochen nichts mehr gehört hat und marschiert dem Treck als Bürgerwehr entgegen. Und dann wären da noch die irischen Wagenlenker um O’Flaherty, die die Gelegenheit als günstig für eine kleine Nachverhandlung ihrer Arbeitsverträge erachten.

Alle Parteien treffen sich mitten im Sandsturm am Fuße einer Bergkette – jeder schießt auf jeden, dank der widrigen Wetterverhältnisse trifft aber niemand, und so kann nach der Schlacht zur Konferenz geschritten werden. Die Indianer beanspruchen Geschenke – so zwanzig Wägen Whiskey. Dieser fromme Wunsch kommt aber dank einer beherzten Fehlübersetzung beim Colonel nicht an, so dass die Rothäute fürderhin wie die Kletten am Treck kleben. Das meint Cora nutzen zu können, um die Krieger für ihre Abstinenzbewegung zu gewinnen, doch Fünf Fässer spielt Trick 17 aus – mitten in die schönste Antialkoholikerversammlung lässt er die Frauen gefangen nehmen. Gegen Whiskey gäben sie die Frauen auch wieder her…


Inhalt

Das ureigenste und heiligste Genre der amerikanischen Filmindustrie ist der Western. Die Yankees haben nun mal nicht arg viel an eigener Geschichte und die Eroberung des Westens ist nun mal historisch eine der wenigen „großen“ Epochen der USA (Revolutions- und Bürgerkrieg haben jeweils ihr gewisses Gschmäckle). Bevor die Italiener dem Genre einen gehörigen Tritt in den Arsch verpassten und von den idealisierten Pferdeopern mit ihrem romantischen Cowboybild und der Schönfärberei der Indianer-Unterwerfung den Motor auf derbe und nihilistische Gewaltorgien schalteten, war man in den Staaten langsam bereits, sich über diesen großen amerikanischen Mythos auch mal freundschaftlich lustig zu machen.

„Vierzig Wagen westwärts“ ist eine dieser großbudgetierten Westernkomödien, mit denen Hollywood versuchte, das langsam dahinsiechende Genre zu revitalisieren. Mit Starbesetzung und großem Aufwand erlaubte man sich eine wohlmeinende Veralberung des klassischen „wagon train“-Films – statt um neues Land, Gold oder wenigstens Frauen geht’s schlicht und ergreifend (und vielleicht am ehrlichsten) um das Recht auf Rausch. Schließlich hat jedermann (vor allem eben -mann) sicher dafür Verständnis, dass man am kalten Winterabend im toten Bergwerks-Nest nicht bei Mineralwasser und Limo im Saloon sitzen will, wenn schon sonst nichts geboten ist.

Die Story basiert auf einem Roman von Bill Gulick, der von John Gay (der mit „Das Wiegenlied vom Totschlag“ ein paar Jahre später bewies, dass er die Lektionen der Italiener gelernt hatte – andere Werke von Gay sind „Die sechs Verdächtigen“ und „Sie möchten Giganten sein“, die Regie übernahm Routinier John Sturges, der mit „Die glorreichen Sieben“ schon einen der letzten großen amerikanischen Western-Klassiker abgeliefert hatte, aber in allen Genres zuhause war. Für die Hauptrolle wurde mit Burt Lancaster einer der ganz großen tough guys des 50er-Jahre Kinos verpflichtet – und das zum Schnäppchenpreis. Weil Lancasters eigene Produktionsfirma ordentlich Budgets überzogen hatte und er persönlich in der Haftung stand, musste Burt für United Artists vier Filme zu einem Fünftel seines üblichen Tarifs, mithin mickrige 150.000 Dollar, abdrehen. Soviel sei gesagt, der alte Profi ließ es nicht per mangelnder Motivation am Film aus.

Die Story ist simpel und effektiv – man nehme fünf Parteien mit höchst unterschiedlichen Motiven und Motivationen und lasse sie Kollisionskurs aufeinander nehmen. Mehr muss man da als Autor fast gar nicht tun, sowas schreibt sich in der Regel fast von selbst. Und so ist es dann auch – allein aus der Situation heraus kann sich das muntere Hin- und Her entfalten, ohne dass das Script großartig etwas dafür tun muss, allein die Charaktere und ihre unterschiedlichen Interessenlagen sorgen für die nötigen Irrungen und Wirrungen. Die Gagfrequenz ist aus heutiger Sicht natürlich verhältnismäßig niedrig – seinerzeit mussten es noch nicht fünf Lacher pro Minute sein, einer alle fünf Minuten reichte auch; dafür ist die Trefferquote ziemlich gut, und auch, wenn nur wenige Gags echte Schenkelklopfer sind, wird man doch oft und gern schmunzeln – in der Hinsicht ist „Vierzig Wagen westwärts“ eben eine altmodische Komödie, da muss nicht jeder Gag ein Kracher sein, dafür sind eben nicht drei von fünf Rohrkrepierer.

Die durch die Bank ausgezeichneten schauspielerischen Leistungen tun ihr übriges – Burt Lancaster beweist ungeahntes komisches Timing und hat als „straight man“ im ihn umgebenden Chaos einige perfekte „reaction shots“, Lee Merick glänzt in einer Rolle, für die sich Doris Day auch interessierte und wiewohl ich mir das vorstellen könnte, wäre Days Image wohl eher kontraproduktiv gewesen; Lee nimmt man nicht nur die Teetotalerin ab, sondern auch das energische Temperamentsbündel, das auch mit dem Colt umzugehen weiß. Weitere Highlights setzen Donald Pleasence als „Orakel“ Jones, Brian Keith als geplagter Wallingham und John Anderson als nicht minder gestresster Sergeant. Jim Hutton in der Rolle von Luises Verehrer Captain Slater ist mir etwas zu blass, was zumindest im Wortsinne von Martin Landau (!) und Robert J. Wilke („High Noon“) als Indianerhäuptlingen ausgeglichen wird – that’s 60’s Hollywood casting for you. Gerade Landau hat aber trotz „brownface“ einige sehr lustige Szenen.

Die großen action set pieces (zwei an der Zahl – zum einen die „Schlacht an den Whiskeybergen“ im Sandsturm und das grande finale) könnten unterschiedlicher nicht sein. Die Schlacht im Sandsturm ist natürlich gewollt unübersichtlich und chaotisch, dagegen ist das Finale von beachtlichem Scope mit Dutzenden von Wagengespannen, Pferden und Stuntmen (leider kam es bei den Dreharbeiten zu einem Unfall, bei dem Stuntman Bill Williams ums Leben kam).

Natürlich hat „Vierzig Wagen westwärts“ aber auch ein paar Probleme – zum einen gibt’s freilich keinen vernünftigen Grund, warum der Film seine epische 150-Minuten-Laufzeit braucht. Den Streifen um eine halbe Stunde auf handelsübliche Zwei Stunden zu straffen, wäre sicher kein Problem und letztlich gewinnbringend gewesen, denn obschon sich keine echten Längen einstellen, könnte der Film speziell in seiner ersten Hälfte schon etwas mehr Tempo vertragen (von der Laufzeit sind allerdings einige Minuten für eine ausschweifende musikalische Ouverture, eine „Intermission“ mit entsprechender Musik und ein musikalisches Outro abzuziehen).

John Sturges ist ohne Frage ein verdienstvoller Regisseur, aber nicht gerade ein Spezialist für Komödien – jemand am Ruder, der seine Erfahrungen nicht nur im Action- und Thrillerfach, sondern auch im Comedy-Bereich gemacht hat, wäre vielleicht in der Lage gewesen, die Gags präziser zu timen, besser wirken zu lassen und auch das Pacing, das sich bei einer Komödie auch altmodischer Natur nun doch etwas anders darstellen sollte als in einem „straighten“ Film, zu optimieren.

Nicht unbedingt gebraucht hätte ich den kommentierenden voiceover u.a. mit einem in der deutschen Fassung kalauernden Hans Clarin. Das trägt nicht viel zum Gesamterlebnis bei und die gerissenen Witze sind, zumindest in der DF, auch nicht gerade doll. Dass die wesentlichen Indianerrollen an braungepinselte Weißbrote gehen, war nunmal der Zeitgeist und wird dem Film daher zumindest von mir nicht zur Last gelegt.

Das ändert aber nichts daran, dass „Vierzig Wagen westwärts“ (mit einem witzigen Titelsong) insgesamt gute Unterhaltung für die ganze Familie darstellt, wie man so schön sagt. Zum „Klassiker“ fehlt nicht sooo viel – etwas mehr Schwung in der ersten Hälfte, vielleicht ein paar Krachergags mehr und zwanzig-fünfundzwanzig Minuten weniger, dann ging’s auch noch höher mit der Bewertung.

(c) 2017 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 3

BIER-Skala: 7


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