Video Nasties: The Definitive Guide

 
  • Original-Titel: Video Nasties: The Definitive Guide
  •  
  • Regie: Jake West
  • Land: Großbritannien
  • Jahr: 2010

Vorwort

Nach langer Zeit gibt es endlich mal wieder ein Bit von mir. Und wenn ich mich schon nach so langer Zeit zurück melde, dachte ich mir, sollte ich mir nicht nur irgendeinen B-Movie vornehmen, sondern schon etwas Besonderes. Da ist es doch ein wahrer Glücksfall, dass ich diese DVD-Box zuhause habe. Ich werde – da es sich hier um eine Dokumentation handelt – Inhaltsangabe und Kommentar zum Hauptfilm auf DVD 1 zusammenfassen und die DVDs 2 und 3 (genauso wie alle technischen Details) in einem gesonderten Kapitel behandeln.


Inhalt

Die erste DVD enthält die Dokumentation „Video Nasties: Moral Panic, Censorship and Videotape“ von Jake West. In dem 72 Minuten langen Film geht es um die Panik, welche im Großbritannien der 80er Jahre aufkam, als – mit dem Aufkommen von Videos – jedermann (und damit auch jedes Kind) sich jegliche Art von Horror- und Grindhousefilmen ausleihen und ansehen konnte. Da es damals für Videos in GBR noch keine Altersfreigaben gab, konnte sich jeder kleine Steppke theoretisch Filme wie „I spit on your Grave“ und „Cannibal Holocaust“ ansehen. Dabei zeigt diese Dokumentation besonders gut, wie so eine Panik überhaupt zustande kommt. Und zwar fing die Diskussion zunächst einmal an, weil die Marketingaktionen (Cover, Taglines, etc…) oft um ein Vielfaches brutaler wirkten, als das Material, welches man im Film dann zu sehen bekam.
Dann kam einer der Distributoren von „Cannibal Holocaust“ auf die gloriose Idee, eine Kopie des Films an Mary Whitehouse der damaligen Präsidentin der „National Viewers & Listeners Association“ zu schicken, um eine Reaktion ala „Der Film ist böse, nicht anschauen!!“ zu bekommen und so Werbung für den Film zu machen. Die Idee funktionierte leider noch viel besser als geplant, denn von diesem Moment an begab sich die in der Öffentlichkeit durchaus bekannte Frau auf den medialen Kriegspfad gegen die so genannten „Video Nasties“. Dann kam noch ein weiterer Faktor hinzu: Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Regierung rund um Margaret Thatcher in einer Krise. Der Falkland Krieg, die Arbeitslosigkeit, Demonstrationen, usw. hatten ihre Spuren hinterlassen. Nun aber wurde dieses neue Thema in der Öffentlichkeit breit diskutiert und offenbar dachte man sich in Regierungskreisen, dass man dies prima nutzen könnte, um den Leuten zu zeigen, dass man immer noch in der Lage ist, die Probleme des Landes mit der Wurzel auszureißen. Außerdem konnte man diese Videos sehr gut für alles verantwortlich machen: Man hatte endlich den Grund gefunden, wieso die Leute so aggressiv gegen die Regierung vorgingen und konnte so davon ablenken, dass dies eher mit der miserablen Performance von Thatcher und Co. zu tun hatte. Man heizte die Hysterie also ordentlich an, um hinterher als Erlöser auftreten zu können. So kam es dazu, dass eine Liste eingeführt wurde, die dem Index in Deutschland nicht unähnlich ist. Der große Unterschied bestand aber darin, dass in GBR die Polizei die Videoläden kontrollierte, um zu überprüfen, ob in dem Geschäft „Video Nasties“ geführt werden. Das Problem dabei war, dass die Listen aufgrund verschiedener Urteile in unterschiedlichen Regionen uneinheitlich waren und Filme, die z.B. in Southampton auf der Liste standen, in London völlig legal waren. Dies ging sogar so weit, dass die Verleiher zu Gefängnisstrafen verurteilt wurden.

Ein weiterer interessanter Punkt ist, dass Jake Wests Film sehr gut zeigt, wie die so genannten Moralapostel, die sich angeblich darum sorgen, dass diese Videos den Kindern schaden und sie quasi zu Soziopathen machen, denen andere Menschen egal sind, sich selbst der Gegenseite gegenüber verhalten. Da gab es zum Beispiel die Studie „Video Violence and Children“ die von einer Gruppe unter der Führung eines gewissen Dr. Clifford Hill gemacht wurde. Diese Gruppe, die sich selbst eine parlamentarische Gruppe nannte obwohl sie gar keine war, wollte untersuchen, ob diese Filme einen schädlichen Effekt auf ihre Zuschauer haben oder nicht. Die Misere war allerdings, dass einige Mitglieder dieser Gruppierung auf Teufel komm raus ihren Standpunkt beweisen wollten (nämlich die Schädlichkeit dieser Videos für alle Menschen, nicht nur Kinder), während die anderen erst noch empirische Beweise sammeln wollten. Was tat nun Dr. Hill in der Sache? Er feuerte einfach die ihm nicht genehmen Leute (nämlich die neutralen Wissenschaftler) und stahl deren Ergebnisse.
Die Studie selbst sollte so funktionieren, dass man beispielsweise an Schulen Fragebögen an die Kinder verteilt hatte, die dann diese auf freiwilliger Basis ausfüllen und zurückschicken sollten. Nur gab es bislang nur 47 Rücksendungen und von diesen hatten auch nur 3 Kinder angegeben, dass sie einen solchen Film gesehen hatten. Diese 3 Kinder kamen auf eine Zahl von insgesamt 17 Filmen. Was hat Hill nun getan? Er hat einfach alle 47 Zusendung durch die Zahl 17 dividiert und kam so zu dem „schockierenden“ Ergebnis, dass beinahe 40% aller Kinder in Großbritannien schon mindestens einen dieser Filme gesehen haben. Fertig war die Schlagzeile die damals einschlug wie eine Bombe und endlos in politischen Debatten rezitiert wurde. Die Gegner der „Video Nasties“ arbeiteten also – ohne sich dafür zu genieren – mit gefälschten Studien.

Faszinierend zu beobachten war auch die in Ausschnitten gezeigte Diskussionskultur der Moralwächter in den TV-Debatten. Es ist schon bezeichnend, dass ausgerechent die Leute, welche aufgrund einiger Horrorfilme den Untergang des Abendlandes heraufbrechen sehen, regelmäßig ihre gute Kinderstube vergessen, wenn sie jemanden treffen, der nicht ihrer Meinung ist und das auch gut artikulieren kann. Entweder das, oder es gehört in Großbritannien zum guten Ton, die Gegenseite anzublaffen, sie mitten im Satz lautstark zu unterbrechen, im Brustton der Überzeugung mit gefälschten Zahlen (siehe oben) um sich zu werfen oder sie schlichtweg anzuschreien, wenn einem was nicht passt. Sehr gut war in dieser Hinsicht das Schlusswort von einem Interviewten, der sagte, dass es ein Problem wäre, dass die Leute kein gutes historische Gedächtnis haben, da so bei der nächsten Hysterie wieder alles genauso passieren könnte und man endlich einmal etwas aus der Vergangenheit lernen sollte.

Auf DVD 1 gibt es neben dem Hauptfilm noch eine Bildergalerie mit den schönsten VHS-Covern der „Video Nasties“ sowie ein Video, bei dem einfach alle Jingles der damaligen Video-Distributoren, die damals in Großbritannien ihr Unwesen trieben,zu einem 50 Minuten langen Film zusammengeschnitten wurden. Natürlich kennt man hierzulande nicht alle, aber einige der Werbeschriftzüge, wie z.B. der von „Atlantis Film“, haben dem Schreiber dieser Zeilen ein nostaligsches Lächeln ins Gesicht gezaubert. Bild- und Tonqualität sind zwar aufgrund der Tatsache, dass hier Material verschiedenster Altersstufen eingesetzt wurde, mitunter stark unterschiedlich, insgesamt aber gut.

Das Negative vorweg: Die DVDs Nummer 2 und 3 ließen sich, trotz mehrmaliger „Überredungsversuche“, nicht auf meinem Sony-DVD Rekorder abspielen. Ob dies bei anderen Playern oder Rekordern auch so ist kann ich nicht beurteilen, aber auf meiner XBOX360 und dem PC funktionierte alles problemlos. Dennoch gibt es hier Abzüge in der B-Note.

Ansonsten ist der Inhalt aber echt großartig. Auf Disc 2 findet man alle 39 Filme, die für immer bis zu deren Ende auf der „Video Nasties“-Liste blieben. Alle 39 Filme werden gesondert vorgestellt und rezensiert, bevor man den Trailer dazu sieht und zum nächsten Film kommt. Dabei scheuen sich die jeweiligen Reviewer auch nicht davor zu sagen, dass einige der Filme nun einmal ziemlich lächerlich sind und nun vor allem deshalb Berühmtheit erlangt haben, weil sie sich auf dieser Liste befanden. Als weiteres Extra ist eine Artwork-Galerie von all diesen Filmen zu sehen. Die Gesamtlaufzeit dieser DVD beläuft sich auf über 5 Stunden.
Auf der dritten DVD sieht man dasselbe mit den 33 Filmen, die zwar zu irgend einem Zeitpunkt auf der Liste waren, aber wieder gestrichen wurden. Die Laufzeit dieser Scheibe beträgt über 4 Stunden.

Das Menü aller drei DVDs ist übrigens gut dazu geeignet, etwaige Verpackungsfetischisten in den Wahnsinn zu treiben, da man Emily Booth (Evil Aliens) dabei beobachten kann, wie sie zumindest eine dieser riesigen VHS-Boxen pro Film mit Hämmern, Bohrern und Kettensägen ins Jenseits befördert. Die DVDs selbst sind übrigens regionfree und auf allen Playern abspielbar.
Als weiteres Extra befinden sich noch einige Postkarten mit Motiven der Filme in der Collectors Edition, die auch einige Infos auf der Rückseite haben.

Für das Boxset „Video Nasties: The Definitive Guide“ gibt es von mir eine klare Kaufempfehlung, da es nicht nur für Horrorfans interessant ist, sondern sehr gut gezeigt wird, wie Zensur funktioniert und eine Massenhysterie ausgelöst werden kann. Leute, schaut euch dieses Set an, es lohnt sich!

5/5
(c) 2011 G


mm
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