Verschwörung im Berlin-Express

 
  • Deutscher Titel: Verschwörung im Berlin-Express
  • Original-Titel: Skenbart - en film om tag
  •  
  • Regie: Peter Dalle
  • Land: Schweden
  • Jahr: 2003
  • Darsteller:

    Gustav Hammersten (Gunnar), Magnus Roosmann (Henry), Anna Björk (Marie), Kristina Törnqvist (Karin), Robert Gustafsson (Soldat), Peter Dalle (Schaffner), Lena Nyman (Märit), Gösta Ekman (Theodor Pompe), Lars Amble (Sixten)


Vorwort

Ende Dezember 1945 – der idealistische Literaturkritiker, Lektor und Gelegenheitsschriftsteller Gunnar kündigt seinen Job (nachdem er als letzte Amtshandlung seinem Verlag dringend von der Veröffentlichung von „Pippi Langstrumpf“ abgeraten hat), um endlich Europa kennenzulernen und beim Aufbau eines geeinten, friedlichen Kontinents zu helfen. Zu diese Zweck besteigt er den Zug nach Berlin, wo er für diverse skurrile Charaktere Schicksal spielt – das alternde Schwulenpärchen Theodor und Sixten, einen kriegsinvaliden Soldaten, der seinetwegen im falschen Zug sitzt, eine Fuhre ausgewiesener Flüchtlinge samt betreuenden Nonnen, den Zug-Weihnachtsmann, den Schaffner, und nicht zuletzt auch den zum Katholizismus übergetretenen jüdischen Arzt Henry, der seine Geliebte Marie dazu anstiftet, seine lästige aktuelle Ehefrau unauffällig zu entsorgen. In seiner gütigen, selbstlosen, leider Gottes aber halt auch unglaublich tolpatisch-blöden Art richtet Gunnar allerhand Katastrophen an…


Inhalt

Skandinavisches Kino mal wieder, und mit dem hat man als geneigter „Arthouse-Fuzzi“ ((c) Peroy) ja in den letzten Monaten kaum danebengreifen können. Verschwörung im Berlin-Express ist zwar nicht dänisch, sondern schwedisch, aber trotzdem, Fazit vorneweg, mal wieder ein todsicherer Geheimtipp für die Klientel, die sich nicht nur mit Multi-Mio-Dollar-Blockbustern das Hirn wegsprengen lassen will. Regisseur, Autor und Darsteller Peter Dalle schickt seine Protagonisten auf eine äußerst schmerzhafte (in jeder Hinsicht) Höllentour, die der gute alte Murphy, Erfinder des gleichnamigen Gesetzes, persönlich nicht schöner hätte planen können. Was schief gehen kann, geht schief, und der Katalysator ist stets der mit Unschuldsmiene und stets den besten Absichten jedem, der ihm über den Weg läuft, Unglück bringende Gunnar.

Der Film ist sicherlich short on story – der Film lebt weniger von der eigentlichen Geschichte der titelgebenden „Verschwörung“ (der Titel ist noch mit das schlechteste am Film; auch in der heutigen Kinovorstellung saßen Leute, die im Traum nicht geahnt hatten, dass es sich um eine Komödie handelt) als von witzigen Charakteren und seiner riesigen Fuhre Gags. Gut, man mag bemängeln, dass einige Lacher arg vorhersehbar sind, aber da stellt sich bei mir der „Dinner for One“-Effekt ein. Du weisst als Zuschauer GENAU, was passieren wird, aber du kannst dich vor Lachen trotzdem nicht halten. Der präsentierte Humor ist dabei durchaus von der gröberen Sorte (da werden Knochen gebrochen, dass mich an manchen Stellen die FSK-12-Freigabe fast wunderte) und, wenn man so will, auch ziemlich mean-spirited (es geht gern auf Kosten der „Schwachen“), aber auch so kann schwarzer Humor wunderbar funktionieren – das ist nicht immer politisch korrekt (ein kleines gespoilertes Beispiel: Mitleidsüberwältigt spendiert Gunnar den ausgemergelten Kriegsflüchtlingen eine Tüte Apfelsinen und ein paar Tafeln Schokolade. Resultat: die ganze Flüchtlingsbagage kotzt sich wenige Stunden später dekorativ die Seele aus dem Leib). Zwischen den rüden Bosheiten versteckt Dalle aber immer wieder feingeistige Charakterbeobachtungen, intelligent-pfiffige Dialoge und philosophische Anklänge, die beweisen, dass er durchaus auch mit der feinen Klinge umzugehen weiß, es in diesem Fall aber oft einfach nicht will.

Die Charaktere sind herrlich gezeichnet – neben Gunnar mausern sich zu meinen Favoriten das Schwulenpärchen Theodor und Sixten (besonders letzterer ist ein frauenhassender Armleuchter, dessen zwei Gemütszustände, je nach Alkpegel, arrogant-unhöflich-schofel und unanständig-anstößig sind) und die vom Schicksal (bzw. Gunnar) gebeutelte Nonne Beatrice.

Das Nette an Verschwörung im Berlin-Express ist aber, dass, im Vergleich zu den in jüngerer Zeit gesichteten Dänen-Werken, der Spaß beim Script nicht aufhört. Nö, unser schwedischer Comedy-Thriller versteht sich auch als Film-Noir-Hommage (und nicht nur das, das Ende ist klassischer Agatha-Christie-Kintopp, und zwischendurch persifiliert der Streifen tatsächlich sogar noch Slasher-Filme a la Halloween) und präsentiert sich daher stilecht in exzellenter schwarz-weiß-Fotografie (ich bin sowieso dafür, dass wieder mehr s/w-Filme gedreht werden. Richtig gemacht sieht das einfach wirklich super aus). Und weil Dalle weiß, was sich gehört, klatscht er nicht einfach nur ’nen s/w-Film in die Kamera und holladiewaldfee, nö, der Film ist in seinem ganzen künstlerischen Aufbau exakt auf die Zweifarbentechnik konstruiert, die Darsteller sind passend geschminkt, die Sets entsprechend dekoriert usw. Liebevoll gemacht und dennoch in perfekter technischer Umsetzung, wie einige wunderbare Kamerafahrten mit dezenten CGI-Spielereien beweisen. So muss das aussehen. Der Film ist, vom Tempo her gesehen, keine ZAZ-Gag-a-minute-Komödie, sondern nimmt sich zwischen den großen Schenkelklopfern immer wieder Auszeiten für ruhigere Sequenzen und hat so insgesamt einen sehr angenehmen Erzählrhythmus – hätte gerne länger dauern können :-)< Zu erwähnen wäre auch noch ein wunderschöner Soundtrack im besten 50er-Jahre-Stil (und einem Song von ABBAs Benny Anderson). Die Schauspieler, hierzulande allesamt unbeschriebene Blätter, machen ihre Sache mehr als nur gut. Gustav Hammersten ist als personifizierte wohlmeinende Pechbeule schon fast auf einem Level mit genialen Größen wie Stan Laurel, Magnus Roosman gibt einen hübsch fiesen Möchtegern-Killer ab, Anna Björk als seine hypernervöse Geliebte ist ebenso famos wie die porzellangesichtige (äh) Kristina Törnqvist ("Pelle, der Eroberer") als potentielles Mordopfer. Fazit: Wenn Ihr schon nicht ins Kino spurtet, um Euch eine der unterhaltsamsten Thrillerkomödien (denn spannend ist das Ding dann durchaus auch noch), dann zückt Eure Einkaufsliste und setzt bereits heute die DVD (die von Legend erscheinen wird) auf selbige. Beste böse Unterhaltung!


mm
Subscribe
Benachrichtige mich zu:
guest
0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments