Vermächtnis der Shaolin

 
  • Deutscher Titel: Vermächtnis der Shaolin
  • Original-Titel: Disciples of Shaolin Temple
  •  
  • Regie: Hua Shan
  • Land: Hongkong
  • Jahr: 1985
  • Darsteller:

    Faan Dung Yue, Hoh Cheng, Chiu Liu Liu, Wong Chek


Vorwort

Der junge Kung-fu-Kämpfer Cheng soll unter die Haube – die Heiratsvermittlerin hat ihm Cho Chiau ausgesucht, die schließlich auch den ganzen Tag Kung-fu trainiert, was eine glückliche Zukunft ja geradezu garantiert. Leider ist Cho Chiau ein wahres Kung-fu-Moppelchen und Cheng verspürt wenig Lust, sich die chinesische Ausgabe von Cindy aus Marzahn, sei sie auch noch so beweglich, ans Bein zu nageln, wo er doch mit Mai Ling eine deutlich hübschere Freundin hat Cheng plant, das Problem auf typisch männliche Art zu lösen – durch couragiertes Weglaufen. Ein-zwei, vielleicht auch zehn Jahre Ausbildung im Shaolin-Tempel, dann hat sich die Sache mit der Heiraterei quasi auf natürlichem Weg erledigt.

Heng Tak, der Ausbilder des neuen Schüler-Jahrgangs, ist der Ansicht, dass der traurige Haufen, der sich ihm da präsentiert, ein ganz besonders untalentierter Nulpenverein ist, aber mit eiserner Disziplin und hartem Training wird er schon einigermaßen brauchbare Kämpfer aus ihnen machen. Den Schülern selbst geht die Ausbildung, die sich zunächst auf fürchterlich un-kung-fu-ige Verrichtungen wie Baumstämme schleppen und Pfähle in den Boden kloppen erstreckt, natürlich zu langsam. Cheng gehört zu denen, die’s besonders eilig damit haben, zum „good stuff“ zu kommen. Bis dahin muss er sich aber noch mit seinen diversen Weibergeschichten befassen. Dass Mai Ling ihm nachgereist ist und sich in einem nahen Gasthaus einmietet, ist ihm ja noch durchaus recht, aber Cho Chiaus fortgeschrittene Handgreiflichkeiten sind schon eher nervig.

Doch das wahre Problem sieht ganz anders aus – es ist der „Langhaarige“, ein ehemaliger (und rausgeworfener) Shaolin-Schüler, der sich mittlerweile anderweitig hochklassiges Kung-fu angeeignet hat und nun unbedingt gegen die Meister des Tempels antreten will – was die unter Verweis auf ihre Gesetze, Vorschriften und buddhistische Regeln natürlich ablehnen. Der Langhaarige erkennt, dass er die ungeduldigen Schüler, die im Gegensatz zu ihren Lehrmeistern nicht über den Dingen und den diversen Beleidigungen, die der Langhaarige über Shaolin an und für sich auskübelt, wunderbar zu Kämpfen provozieren kann, die erwartungsgemäß für die Erstsemester übel ausgehen – bis es sogar Heng Tak zu bunt wird…


Inhalt

Der letzte Film der Shaolin-Box – aaaaaaaaaaawwww… irgendwie hatte ich mich langsam an die Box gewöhnt, schnüff. Muss ich mich wohl in nächster Zeit an die hier noch herumliegenden drei ungekuckten Jules-Verne-Boxen halten…

Mit „Vermächtnis der Shaolin“ tauchen wir nun endgültig ab in die Holzklasse des Genres – eine Fließbandproduktion eines völlig unbekannten HK-Indie-Studios („Waikiki Pictures“), über das praktisch keine Sekundärinformationen zu finden sind und in dem niemand mitspielt, von dem man auch als Genre-Experte schon mal gehört haben müsste. Im Vorspann springt dem geneigten Freak dann auch nur ein Name ins Auge – der Regisseur ist Hua Shan, und den kennen, lieben und verehren wir als die anbetungswürdige Buddha-Inkarnation, der wir Invasion aus dem Innern der Erde verdanken. Als Schöpfer eines solchen Films hat man bei mir einen gewaltigen Stein im Brett und kann mit Bonuspunkten ins Rennen gehen.

Mit dem schieren Wahnsinn des „Ultraman“-Rip-offs kann der traditionelle Kung-fu-Klopfer, mit dem wir’s hier zu tun haben, nicht mithalten. Im Gegensatz zu den anderen „echten“ Shaolin-Filmen der Box finden wir hier einen „unpolitischen“ Genrevertreter, in dem der Konflikt „Han-Chinesen“ gegen „Mandschu-Fremdherrscher“ überhaupt keine Rolle spielt. Ganz im Gegenteil – zwar haben die meisten HK-Holzer einen Anteil des typischen asiatischen Pansenhumors, aber „Vermächtnis der Shaolin“ versteht sich zu einem gerüttelt Maß explizit als Komödie, die, praktisch als historisch-chinesisches Äquivalent zu „Police Academy“, schildert, wie (insbesondere) vier völlig unterschiedliche Charaktere durch gemeinsames Freud & Leid während der Ausbildung zu unzertrennlichen Freunden werden – Cheng, der „sympathische Goofball“ (wär’s „Police Academy“, würde Steve Guttenberg ihn spielen), der leicht debile „Eichhörnchen“ (so genannt, weil er sein zahmes Eichhörnchen mit ins Kloster bringt – bleiben wir im Police-Academy-Jargon, eine Art Hooks), der allzeit Kämpfe suchende Gumi (das wäre dann wohl Tackleberry) und ein Bursche namens Kinta (oder so), der, hätten ihn die Autoren nicht irgendwo auf halbem Weg vergessen, eine Art Hightower-Figur hätte werden können (wohlgemerkt: ich gehe nicht davon aus, dass die Chinesen „Police Academy“, der ungefähr ein Jahr vor diesem Film erschien, gesehen und bewusst imitiert haben. Es sind halt gewisse Comedy-Archetypen, die Amerikaner und Chinesen ähnlich interpretieren).

Und so gibt’s Slapstick-Kampfszenen, Geschlechterkrieg (mit Cheng und seinem Kung-fu-Dickerchen, einer Art weiblichem Sammo Hung), grummelige Ausbilder vs. überenthusiastische Schüler, Furzgags und albernen physichen Humor – aber, weil’s ja ein Hongkong-Film ist, immer wieder in Abwechslung mit bierernst gemeinten Passagen, in denen Shaolin-Philosophie gepredigt, streng zur demütigen Meditation gemahnt und, natürlich, sonst wär’s ja doch eher langweilig, auf Leben und Tod gekämpft wird. Es ist diese unsichere Gratwanderung, ob man, wenn man was lustiges machen will, wirklich alles dem komödiantischen Zweck unterordnen darf oder doch auch die traditionellen Werte hochhalten muss, die eigentlich primär Hongkong-Filme von, na, 1976 bis 1982 rum prägen und z.B. auch einige der frühen Jackie-Chan-Vehikel in ihrer Wirkung behindern und die 1985 eigentlich schon überwunden schien (zumindest die Chans, Hungs und Huis hatten da schon einige Jahre keine Probleme mehr damit, reinrassige Action-Komödien ohne melodramatischen Pathos und graphischen Blutverlust zu drehen und damit reichlich erfolgreich zu sein). Ein Film, der dazwischen pendelt, dicke Mädchen ins Wasser zu schubsen und dünne Jungs halbtot zu schlagen, wirkt dadurch ziemlich unrund.

Was nicht dadurch besser gemacht wird, dass der Streifen nicht wirklich einen Plot hat, von dem er wüsste – vermeintlich wichtig aufgebaute Handlungsfäden wie Chengs Versuch, mit seinen zwei Mädels irgendwie klarzukommen, verpuffen irgendwann auf halbem Weg ohne Auflösung, der nominelle Schurke, der „Langhaarige“, erscheint so ungefähr zur Halbzeitmarke erstmals und ploppt dann im Zehn-Minuten-Abstand wieder auf, während ansonsten im Kloster das Leben seinen Gang geht, ohne dass der „Langhaarige“ für die Mönche von irgendwelchem Belang wäre (es sind die Laien-Schüler, die die Beleidigungen des Tempels rächen wollen, und sie stecken Heng Tak an), aber es steht nicht wirklich etwas – außer dem Ehrgefühl (naja, und in Folge ihrer unvorbereiteten Fights mit dem Langhaarigen ihrer körperlichen Unversehrtheit…) der Schüler steht nichts auf dem Spiel, das ist nur das simple alte „böser Bully gegen einen Haufen schwacher Nieten“, das wir von jedem Schulhof kennen Für’n großes Martial-Arts-Epos etwas dünn und sollte, wenn man’s denn unbedingt versuchen will, vom Charisma der Darsteller getragen werden. Ist halt nur keiner weit und breit zu sehen, der ernstlich welches hätte…

Es ist nicht so, dass der Film nicht ein paar „tropes“ aus dem Ärmel schütteln würde, die man gar nicht völlig versaubeuteln kann (Trainingsmontagen, oder den brummigen Lehrer, der den Schülern am Ende heimlich hilft), aber er kommt nur selten wirklich aus dem Keks – alles sieht nach angezogener Handbremse aus, weder der Humor noch das Drama erreichen wirklich mal einen Level, der den Zuschauer wirklich ans Geschehen binden könnte.

Auch vom ganzen Aufwand, von den Sets, den Kostümen her wirkt der Streifen konsequent zweitklassig, ein wenig abgerissen, gebraucht aufgetragen – alles ein bisschen kleiner, schmuddliger und unkonzentrierter. Kameraführung und Schnitt erreichen bestenfalls knapp unterdurchschnittliches Niveau, ein Sinn für Scope (oder schlicht mal ’nen ästhetisch befriedigenden Shot) geht der Operation völlig ab. Das Tempo ist mäßig und lässt die 97 Minuten stellenweise zu einer argen Geduldsprobe werden. Die Kampfchoreographie ist okay – nicht superspektakulär, aber ankuckbar mit einigen ganz witzigen Ideen (Cheng muss sich z.B. mal als erzieherische Maßnahme von einem vielleicht zwölfjährigen Shaolin-Knirps vermöbeln lassen) und mit Anklängen an die von Jackie Chan popularisierten Slapstick-Kampftechniken (Sitzbank-fu rult!). Überwiegend wird sich im waffenlosen Kampf gemessen. Hua Shans bester Regieeinfall ist zweifellos, dass sich im Vorspann hundert Statisten zu den chinesischen Schriftzeichen für den Originaltitel formieren.

Ganz drollig ist der Soundtrack, der verzweifelt versucht, Spaghettiwesternatmosphäre zu erzeugen (was ja auch sooo gut zum Film passt), und in einem ganz amüsanten Cantopop-Stück über’n Abspann geträllert kulminiert (Alan Tam würde nicht gerade in Rente gehen deswegen, aber wir appreciaten den effort, newa).

Schauspielerisch werden dünne Pressspanplatten gebohrt – da ich eh keine Ahnung habe, wer wen spielt und keiner von denen so aussieht, als käme er mir aus irgendwas anderem bekannt vor, verzichte auf größere Analyse. Der Cheng-Darsteller versucht sich als weitgehend talentfreie Mischung aus jungem Chow-Yun Fat und Jackie Chan durchzumogeln (was die Schauspielerei angeht. Fighten kann er), der Bösewicht ist langweilig, und die Shaolin-Priester enttäuschen, was die Länge der Augenbrauen angeht. Ich denke ja, das ist Betrug und die sind gar keine echten Shaolin-Mönche (das wäre in der Tat mal ein lustiger Schlusstwist gewesen).

Bildqualität: Immerhin ein 2.35:1-Widescreen-Print. Der hat zwar schon bessere Zeiten gesehen, aber ich bin immer positiv überrascht, wenn so ein alter Hobel tatsächlich auch noch anamorph abgetastet wird und nicht im Letterbox-Format auf die Disc geklatscht wird… Der Zustand des Prints ist mit „ganz okay“ ganz gut beschrieben – er ist ziemlich soft, mit recht blassen Farben und ein paar Laufstreifen.

Tonqualität: Passable deutsche Synchro in Dolby 2.0.

Extras: –

Fazit: Insgesamt ein vernachlässigenswerter Heuler aus Cinema Citys „poverty row“. Die Story ist Banane, die Charaktere wenig involvierend, der Humor selten zündend und das Gesamtprodukt insgesamt nicht sehr aufregend. Offensiv schlecht ist aber was anderes – man kann den Film kucken (auch wenn er sich streckenweise zieht) und ab und an schimmert durch, dass mit ein-zwei Darstellern der ersten Liga eine ganz spaßige Angelegenheit aus dem „Vermächtnis der Shaolin“ hätte werden können. Für den sechsten Film in einer Box, die sich schon locker drei-vier andere Filme bezahlt gemacht hat, ist das okay, aber als Einzelfilm würde ich mir den Streifen nicht anschaffen.

2/5
(c) 2013 Dr. Acula


mm
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