- Deutscher Titel: Venus & Apoll
- Original-Titel: Venus & Apoll
- Regie: Olivier Guignard, Pascal Lahmani u.a.
- Land: Frankreich
- Jahr: 2005
- Darsteller:
Brigitte Roüan (Ingrid), Maria de Medeiros (Suzy), Maeva Pasquali (Geneviève), Mélanie Bernier (Bijou), Zinedine Soualem (Daniel Varela), Alessandro Carmeci (Kamel), Nathalie Grandhomme (Natasha), Julien Gauthier (Fabien)
Vorwort
In Zeiten spärlich klingelnder Registrierkassen werden zündende Geschäftsideen benötigt. Ingrid, die Mittvierziger/Anfangfuffziger-Chefin des Schönheitssalons „Venus“ glaubt, eine solche zu haben – ab sofort werden auch Männer bedient. Ob Ingrid da nur an das Geschäft denkt, ist zumindest diskussionswürdig, denn sie selbst ist schon auch auf der Suche nach einem knackigen „Apollo“, und der attraktive (und ungefähr 20 Jahre jünger) Barmann des gegenüberliegenden Cafés wäre genau ihr Fall. Aber auch ihre Angestellten haben’s nicht leicht mit der Liebe und den damit verbundenen Umständen. Suzy, die „Nächstältere“, hechelt von einem one-night-stand zum nächsten, aber ausgerechnet, als es bei ihr mal wirklich funkt, macht sich der Angebetene unter Zurücklassung eines quasi reverse-Amélie-Suchspiels aus dem Staub. Geneviéve, die flippige Endzwanzigerin, vom lieben Gott mit üppiger Oberweite gesegnet (auf die der Café-Barmann durchaus ein bis eineinhalb Augen geworfen hat), und die naive Jungkosmetikerin Bijou, die nun wirklich von gar nix eine Ahnung hat, sorgen ebenfalls für reichlich Komplikationen…
Inhalt
Wem das Ganze entfernt bekannt vorkommt, hat vermutlich „Schöne Venus“ entweder gesehen oder zumindest vor vielen Monden mein Review gelesen. Regisseurin Tonie Marshall staubte 1999 bei den „Césars“ (den franzmännischen Oscars) für ihre Dramödie um die Liebes- und Lebensnöte einer Schönheitssalonbelegschaft ein ganzes Rudel der begehrten Preise ab, was der damals wie heute co-produzierende Nischensender arte doch schon sieben Jahre später zum Anlass nahm, auf Grundlage des Lichtspiels eine TV-Serie in Auftrag zu geben, die von DVD-Publishern, die’s besser wissen sollten und es doch selten bis nie tun, pflichtschuldigst als „die französische Antwort auf ‚Sex and the City'“ vermarktet wird.
Nun, soweit man davon ausgehen will, dass grundsätzlich JEDE Serie, in der vier Single-Frauen die zentralen Figuren sind, als „Sex and the City“-Abklatsch bezeichnet werden kann, mag das in Ordnung gehen, beweist aber hauptsächlich, dass die berufsmäßigen Erdenker von Film-und-Fernseh-Werbesprüchen wohl nicht immer ansehen, was sie promoten (dazu passt auch, dass auf dem Boxbackcover groß „von den Produzenten des AUDREY TAUTOU-Erfolgs SCHÖNE VENUS“ trompetet wird. Erstens Mal spielte die Tautou in „Schöne Venus“ gerade mal die fünfte oder sechste Rolle und zweitens Mal… ein großer Erfolg war der Streifen hierzulande wohl eher nicht, trotz Amélie und Mathilde). Nachdem ich nun erklärtermaßen „Sex and the City“ nichts, aber auch rein gar nichts abgewinnen kann (gut, ich bin keine Frau und muss mich deswegen nicht ach-wie-emanzipiert delektieren, wenn weibliche Protagonistinnen zur Primetime ungeniert schlimme Worte wie „Vagina“, „Penis“ oder „Orgasmus“ in den Mund nehmen) und ein paar Folgen „Venus & Apoll“ zwecks Review unter die Lupe genommen habe (alle 26 Folgen zu analysieren wäre dann doch etwas aufwendig – irgendwann soll ein Review schließlich online gehen, und das nicht erst, wenn sich nur noch die Älteren unter den Lesern an das Medium „DVD“ dunkel erinnern können), behaupte ich einfach kraft meiner mir von mir selbst verliehenen Autorität „Sex and the City“ this is not. Wowereit!
Die Stammleser mögen sich erinnern, dass ich „Schöne Venus“ nicht gar so viel abgewinnen konnte, weil der Film uneinheitlich zwischen seinen dramatischen und komödiantischen Elementen pendelte und letztlich in keiner Disziplin völlig überzeugen könnte. „Venus & Apoll“, die Serie, dargeboten im handlichen 25-Minuten-Sitcom-Format, konzentriert sich erfolgreich auf die humorige Seite; die Charaktere sind keine gelangweilten Schickimicki-Schnitten wie die „Sex“-Babes, sondern „geerdete“, glaubhafte Figuren, wobei sich allein schon durch die Altersunterschiede (die vier Frauen entsprechen vier völlig unterschiedlichen „Frauen-Generationen“) reizvolle Kontrastpunkte ergeben, was dann auch folgerichtig zu vielen wirklich witzigen Dialoggefechten führt, die trotzdem (oder gerade deswegen) mit der irgendwie typisch französischen Leichtigkeit dargeboten werden. Der geneigte Zuschauer wird nicht gerade ständig sich den Bauch vor Lachen haltend vom Sofa rutschen, aber die Show hält ein überraschend hohes Niveau (ohne sich für die ein oder andere Zote und „double entendrés“ zu schade zu sein) – „Venus & Apoll“ ist so etwas wie „the thinking (wo-)man’s sitcom“). Selbstredend stehen die Liebesirrungen und -wirrungen von Hauptfiguren (und der zahlenden Kundschaft des Salons) im Mittelpunkt, aber ganz auf situational comedy wird nicht verzichtet (in den von mir bislang gesichteten Folgen wurde auch noch nicht an Designertischen über Vaginas philosophiert, dafür aber gab’s schon einige Male nackte und durchaus ansehnliche weibliche Tatsachen. Ha, eat this, Feministinnen…). „Schöne Venus“-Erfinderin Tonie Marshall beschränkt sich im übrigen auf einige Drehbücher und die Produktion einer überwachenden Produzentin. Vielleicht auch nicht die schlechteste Idee, denn die Doppelhutbelastung machte ich beim Kinofilm als eine entscheidende Schwäche aus. Die Inszenierung übernehmen aufstrebende, aber auch schon mit einschlägiger TV-Erfahrung ausgestattete französische Nachwuchsregisseure.
Filmisch-handwerklich präsentiert „Venus & Apollo“ sich nicht im handelsüblichen Sitcom-Format, sondern eher kinematisch-filmisch, d.h. keine Studioatmosphäre, kein Lachtrack, dafür viele unterschiedliche Locations (wobei der Salon als zentraler Punkt natürlich die beherrschende Stellung einnimmt) und *gasp* echte Außenaufnahmen, hochwertig (in anamorphem Widescreen) fotografiert, gut ausgestattet und mit einem angenehmen, unaufdringlichen latino-angehauchten easy-listening-Score unterlegt.
Ein Ensemblestück funktioniert freilich nur mit einem guten Ensemble – und das kann die Serie bieten. Brigitte Roüan, nach grobem Überblick einzige Schauspielerin des Casts, die auch schon in (selbstredend anderer Rolle) der Kinofassung am Werke war, eine Veteranin des französischen Kinos und Fernsehen, deren international bekanntester Credit wohl Alan Resnais „Mein amerikanischer Onkel“ sein dürfte, „Pulp Fiction“-Star Maria de Medeiros als sexsüchtige Suzy, Maeva Pasqauli als Geneviéve und (der auch optisch ziemlich gute Tautou-Ersatz) Mélanie Bernier als Bijou, sie alle wissen mit ihren Charakteren umzugehen und machen aus ihren Rollen glaubwürdige, nachvollziehbare dreidimensionale Figuren. Und das in einer Comedy-Serie! Es geht doch! (unauffällig-kritisch in Richtung einer jüngst besprochenen anderweitigen Comedy-Serie schiel. Ja, ich weiß, dass wir hier ganz andere Voraussetzungen haben…).
Bildqualität: Sunfilm, neuerdings spezialisiert auf Sitcom-Boxsets, spendiert den 25 Folgen der ersten Staffel satte fünf DVDs, was nach Adam Riese fünf Folge pro Scheibe ergibt. Also gut Stoff auf einem Silberling, aber im Gegensatz zu der verbesserungswürdigen Bildqualität der „Wilden Siebziger“ kann man hier nicht groß meckern. Schärfe, Farben und Kontrast des anamorphen 1.85:1-Transfers sind im überdurchschnittlichen Bereich anzusiedeln, die Kompression agiert unauffällig und kommt ohne Nachzieher, Blockrauschen oder ähnliche Schludrigkeiten aus. Dass Bilddefekte oder Verschmutzungen vergeblich gesucht werden, kann man bei einer brandaktuellen Serie erwarten.
Tonqualität: Der Konsument darf zwischen deutscher Synchronfassung (die gut gelungen zu sein scheint, soweit ich das mit meinen rudimentärsten Französisch-Kenntnissen beurteilen kann) und dem französischen O-Ton, jeweils in Dolby Digital 2.0 wählen. Beide Tonspuren sind rauschfrei, die deutsche Fassung betont die Dialoge deutlich und schraubt Soundeffekte und Musik zurück. Deutsche Untertitel werden mitgeliefert.
Extras: Mehr als einen Trailer und Produktionsnotizen gibt’s leider nicht. Interviews, Behind the Scenes oder sonstiges Material hat man nicht aufgetrieben (andererseits wäre eine sechste DVD vielleicht Overkill und lieber gute Bildqualität als 08/15-Promomaterial).
Fazit: Ich bin überrascht. Ich bin ja mal wieder (denke ich) sowas von nicht die Zielgruppe für diese Serie, aber ich hab mich bei meinen bisherigen „Stichproben“ gut unterhalten – Humor, der nicht auf den kleinsten gemeinsamen Nenner konzipiert, zwar auf Frauen ausgerichtet, aber im Gegensatz zu „Sex and the City“ für Männer keine lacherfreie Zone darstellt, engagierte Schauspielerinnen (wobei auch die Neben- und Gastdarsteller zu überzeugen wissen), auf ansprechendem technischen Niveau (wir reden immer noch über eine TV-Comedy), das mag nicht unbedingt „prickelnder als ein Glas Champagner“ sein, wie das Cover es verspricht, aber gute, vergleichsweise anspruchsvolle Unterhaltung (wobei man mit dem Etikett „anspruchsvoll“ vorsichtig umgehen muss… heutzutage ist ja alles „anspruchsvoll“, was vom Zuschaauer mehr als Hirntod verlangt), bei der ich die weiteren Cover-Argumente „frech“ und „sexy“ durchaus unterschreiben kann. Ja, doch, ich glaub, die Box werde ich mir komplett reinziehen (und teuer ist der Spaß in liebgewonnener Sunfilm-Serien-Tradition auch nicht).
3,5/5
(c) 2006 Dr. Acula
originally posted: 2006