Vampyros Lesbos

 
  • Deutscher Titel: Vampyros Lesbos
  • Original-Titel: Vampyros Lesbos
  • Alternative Titel: Im Zeichen der Vampire | Lesbian Vampires | Lesbian Vampires: The Heiress of Dracula | Das Mal des Vampirs | The Heiress of Dracula | The Heritage of Dracula | The Sign of the Vampire | The Strange Adventure of Jonathan Harker | The Vampire Women | Vampyros Lesbos: Die Erbin des Dracula | Vampiros Lesbos |
  • Regie: Jess Franco
  • Land: Spanien/BR Deutschland
  • Jahr: 1971
  • Darsteller:

    Linda Westinghouse (Ewa Strömberg)
    Gräfin Nadine Carody (Soledad Miranda als Susann Korda)
    Omar (Andrés Morales als Victor Feldman)
    Dr. Alwin Seward (Dennis Price)
    Dr. Steiner (Paul Muller)
    Agra (Heidrun Kussin)
    Dr. Sewards Assistent (Michael Berling)
    Memmet (Jess Franco)
    Morpho (José Martínez Blanco)
    Tote (Beni Cardosi)


Vorwort

Abt. nein, nicht schon wieder der Francos Jesse. Nachdem ich mich doch recht schwer tat, When Nature Calls geniale Gemmen meiner poetischen Prosa zuzuordnen, war mir nach verläßlich-verreißbarem Güteklassentrash. Und da ich vor etlichen Wochen auf Börse endlich zum Schmalhans-kompatiblen Doc-Budget den lang gesuchten Vampyros Lesbos im häßlichen cmv-Jewelcase (tschuldigung, aber ich mag die Dinger nicht) abgreifen konnte und mir ja irgendwann früher oder später doch mal ansehen MUSS, was ich mir da gekauft habe, konnte ich´s ja auch heute (bzw. gestern) tun.

Auch wenn Vampyros Lesbos im Rufe steht, einer der objektiv besseren Franco-Filme zu sein (was immer das auch bedeuten mag… sicher nicht, dass man dem guten Jess schleunigst einen Oscar an den Kopf werfen sollte), kann man doch als geneigter Schundfilm-Rezensent guten Gewissens davon ausgehen, ordentlich bedient zu werden und demzufolge auch ein unterhaltsames Review draus stricken zu können. Hoffen wir mal, dass uns der olle Spanier nicht enttäuscht.

Vampyros Lesbos stammt aus Francos goldenem Zeitalter, Ende 60er/Anfang 70er-Jahre, als er mit senen Werken besonders in Deutschland gewisse Popularität erfuhr und sich Heuler wie 99 Women, Necronomicon – Geträumte Sünden oder Rote Lippen – Sadistoerotica als akzeptable Kassenfüller erwiesen(mit den zu erwarteten entrüsteten Reaktionen der seriösen Filmkritik, weil Franco schon damals mit nackten Tatsachen ebensowenig geizte wie mit für hiesige Verhältnisse ungeahnten Gewalteskapaden). Aus unerfindlichen Gründen (bin schließlich kein Zeitzeuge) läutete ausgerechnet der seit einigen Jahren kultisch verehrte heute zu würdigende Film den unaufhaltsamen Abstieg des Regisseurs in Richtung unterbelichteter Zelluloid-Grütze ein, aus dem ihm einige Jahre später erst Erwin C. Dietrich wieder heraushelfen sollte (vorübergehend).

Ich bin mal wieder ziemlich unbelastet – außer groben Anhaltspunkten, worum´s im Film geht (hm, bei einem Titel wie Vampyros Lesbos benötigt man da auch wirklich seherische Fähigkeiten), weiß ich nur, dass speziell der Soundtrack (von niemand anderem als Sigi Schwab) vor wenigen Jahren als kultig wiederentdeckt wurde und so manche Cocktail-Lounge beschallte. Naja, die Musik war bei Franco meistens, eh, seltsam. Also rein in den Player mit der Silberscheibe – schlimmer als Killer Barbys vs. Dracula kann´s nicht werden, langweiliger allerdings leicht…


Inhalt

Nachdem uns der Vorspann schon mit lustig-beschwingter Mucke eingestimmt hat (frage mich nur, was diese komischen verzerrten Sprachfetzen bedeuten sollen. Backward masking? Muss mal ausprobieren, ob man irgendwie einen DVD-Player überreden kann, mit Ton rückwärts abzuspielen), finden wir uns mittels einiger hübscher „Welcome-to-our-beautiful-city“-Bilder von Hagia Sophia und Blauer Moschee in Istanbul wieder (wieso hab ich den Verdacht, dass Genosse Franco und seine Crew einfach mal einen netten Türkeiurlaub machen wollten?). In einem Nachtclub (ungeachtet der Tatsache, dass draußen grade noch hellichter Tag war, aber vielleicht haben türkische Nachtclubs auch Nachmittagsvorstellungen) spielt sich eine, äh, naja, es ist wohl so was ähnliches wie eine exotische Tanzvorstellung ab. Ein höchst attraktives und nur sehr unzureichend bekleidetes brünettes weibliches Gerät zuckt auf der Bühne rum, räkelt sich vor einem Spiegel und spielt mit einer stocksteif herumstehenden völlig nackten Blondine. Brünettchen schält sich aus ihrem BH und legt ihn dafür der Blonden an, legt sich zwischen die Beine der Blondine, treibt diverse lesbisch motivierte Handgreiflichkeiten und schmatzt ihrer Stage-Partnerin einen leidenschaftlichen Kuss auf die Lippen. Mehrere Anmerkungen: Erstens – ich kenne die falschen Frauen. Im Publikum sitzt mindestens ein 50%-iger-Frauenanteil, was entweder dafür spricht, dass das alles Lesben sind (in der schmutzigen Fantasie eines Jess Franco nie auszuschließen) oder Frauen im Urlaub doch gerne Geschlechtsgenossinnen beim Aneinander-Rumfingern zukucken. Und hierzulande hat man meine Ex (nach ihrem Bericht) nicht mal in ´ne Peep-Show reingelassen (zum Zuschauen, versteht sich). Zweitens – wenn „Bühne“ und „Rest des Clubs“ (also das, wo das Publikum rumsitzt) tatsächlich im echten Leben im selben Raum sind, fresse ich auf der Stelle einen 50er-Pack-CD-Rohlinge inklusive Spindel. Aber wir wissen ja alle, dass Franco ein Meister der Illusion ist (remember Killer Barbys vs. Dracula). Drittens – die Breakdance-Geschichte muß umgeschrieben werden, denn der Erfinder des Robot-Style (also des mit-abgehackten-Bewegungen-Rumhampelns) ist zu allgemeiner Überraschung Jess Franco! Beweis: die Blondine! Viertens – im Publikum sitzt ein mittelmäßig attraktives blondes Frauenzimmer in Begleitung ihres nicht mal mittelmäßig attraktiven männlichen Begleiters. Das werden dann wohl ein paar unserer Hauptfiguren sein. Und fünftens – dass Jess Franco eine solche Gelegenheit zur Fleischbeschau auf minimum fünf Minuten aufbläst, versteht sich ja von selbst. Wir wollen doch unsere spärliche Laufzeit nicht etwa mit Handlung verplempern…

Irgendwann endet die Darbietung unter tosendem Applaus und männlicher Begleiter stellt fest, dass sein Weibchen sich offenbar schon den Slip benässt. „Du bist ja erregt“, stellt er fest, sie verweigert die Aussage (am Ende würde der noch was von ihr wollen, wo die Gelegenheit grad günstig wäre). Immerhin entnehmen wir dem Dialog, dass sie auf den schicken Namen Linda hört und er von seinen Eltern Omar getauft wurde. Na, das schreibt sich doch schon mal kürzer als „mittelmäßig attraktive Blondine“ etc.

Linda ist von dieser extrem künstlerischen Performance jedenfalls nachhaltig beeindruckt, dass ihr die brünette Tänzerin im Traum nachgeht. Okay, die Brünette hilft da telepathisch ein wenig nach, geb ich ja zu, und ruft Linda mit ihren übersinnlichen Kräften zu sich. Linda lässt sich scheinbar nicht lumpen und folgt dem unhörbaren Ruf, während ich mich allerdings mehr darüber aufrege, dass der Kameramann offensichtlich unfähig ist, sein Arbeitsgerät ruhig zu halten (man sollte doch keinen D.O.P. Nehmen, der sich grad´s Rauchen abgewöhnt hat und auf Entzug ist. Ein „gefühlvoll langsamer Kameraschwenk“ verfehlt irgendwie seine Wirkung, wenn das ausführende Kamerakind zittert wie bei Schüttelfrost), mich andererseits durch sehr rätselhaft eingebaute Aufnahmen eines Schmetterlings, eines Skorpions und eines idyllisch eine Fensterscheibe hinabrinnenden Blutstropfen wieder unterhält. (Interpretiere ich jetzt schon wieder zuviel in einen Jess-Franco-Film, wenn ich den Schmetterling mit Linda und den Skorpion mit der bösen Vampirin, huch, hab ich´s doch wieder verraten, gleichsetze? Ich denke mal… ja, tu ich).

Aber diese Episode war wirklich nur ein Traum, und von dem erzählt Linda treudoof ihrem Psychoanalytiker Dr. Steiner (hm, moment mal. Linda und Omar wohnen in einem Hotel. D.h. sie sind entweder auf Urlaub oder Geschäftsreise, möchte man meinen. Und dann hat Linda schon einen Stamm-Seelenklempner in Istanbul? Sehr vorausschauend gedacht. [Future Doc says: Wart nur ab, Junge, das wird noch doofer]. Eigentlich ist der Traum nicht wirklich ungewöhnlich, berichtet Linda, den hat sie schon seit Wochen, und eigentlich findet sie den auch ganz geil, jedenfalls ist sie schon mehrfach zum Orgasmus gekommen. Nur habe sie eben jetzt die Tänzerin im Club gesehen und das sei unzweifelhaft die Frau aus ihrem Traum! Potz! Dr. Steiner scheint zu den eher liberal-orientierten Matschbirnen-Heilern zu gehören und diagnostiziert sexuelle Unterversorgung und verschreibt „einen besseren Liebhaber“ (dem Kerl sollte man aber schleunigst die Approbation entziehen). Bemerkenswert ist übrigens, dass der Doktor zwar eifrig auf seinem Notizblock herumskribbelt, aber auf selbigem keine patientenbezogenen Dinge notiert, sondern lieber Cartoons hinmalt.

Linda kehrt ins heimische Hotel zurück und bindet, verständlicherweise, ihrem Geliebten (oder was auch immer der Kerl darstellt) die ärztliche Empfehlung nicht direkt ans Bein, sondern schlägt vielmehr das Gegenteil vor – „Lass uns die nächsten Tage zusammenbleiben“, weil „ich fürchte mich!“ Holla, also diese Linda ist wirklich leicht aus dem emotionalen Gleichgewicht zu bringen. Und wozu sie zum Dellenausbeuler geht, wenn sie nicht drauf hört, was der sagt… naja, wohl zuviel Kohle auf der Bank.

Nach etwas mehr scenic Istanbul sehen wir Linda in einem Büro einlaufen, das, so wird uns glaubhaft versichert, die lokale Kanzlei der renommierten internationalen Anwaltskanzlei Simpson & Simpson (Homer & Bart, vermutlich) darstellt (hm, ich hab in internationalen Kanzleien gearbeitet. DAS ist keine, zumindest keine, der ich als Klient mein Geld nachwerfen würde). Linda ist dort beschäftigte Paragraphenstute sprich Anwältin und erhält einen „seltsamen“ Fall zugewiesen, nämlich eine Testamentsangelegenheit, die sie zur „Gräfin Natalie Carody“ ins anatolische Hinterland schickt (okay, also noch mal von vorn – Linda ARBEITET in Istanbul, lebt also vermutlich auch dort, aber im Hotel? Na hoffentlich auf Firmenrechnung…). Linda schippert umgehend los (ins anatolische Hinterland reist man per Boot von Istanbul aus? Na meinetwegen) und träumt auf der Fahrt wieder von der ominösen brünetten Frau.

Irgendwo in der anatolischen Pampa muss man wohl von einem Boot aufs nächste umsteigen, denn die Gräfin geruht auf einer Insel zu residieren. Leider hat Linda die planmäßige Abfahrt des letzten Bootes ebendahin verpaßt (was mich etwas wundert – ist da ein Linienverkehr eingerichtet? Nach allem, was der Film uns später vermittelt, wohnt auf der Insel außer der Gräfin niemand. Wozu braucht die dann regelmäßige Bootsverbindungen?), aber die aufmerksame Gräfin hat bereits in der örtlichen Absteige ein Zimmer reserviert. Der leicht bucklige Kinderschreck Memmet (ich bin stolz auf mich, ich habe Jess Franco auf Anhieb erkannt) zeigt ihr die „hübsche“ und „sehr saubere“ (hat Memmet extra selber gemacht!) Räumlichkeit (naja, immerhin laufen die Kakerlaken nicht mit Konfettiparaden über den Boden und die Matraze scheint auch noch nicht zu schimmeln).

Wie nicht anders zu erwarten, wacht Linda in der Nacht alptraumgeplagt auf, dürstet nach Wasser, findet aber nur ´ne leere Karaffe (und da die auch vorher schon leer war, taugt Memmet wohl doch nicht so richtig was als Zimmer-Herrichter). Weil der Luxustempel offenbar einer von der Sorte ist, die auf dem Zimmer nicht mal ein Waschbecken haben, muss Linda also wohl oder übel auf die Suche nach einem Wasserhahn gehen. D.h. sich aus dem Zimmer rausbewegen. Warum sie unbedingt raus auf die Straße latschen muss, entzieht sich zwar meiner Kenntnis, aber es wird wohl letztlich auf „damit sie sich von Memmet erschrecken lassen kann“ hinauslaufen.

Memmet erschreckt Linda (hach, ich bin doch ein Hellseher), gibt ein paar generische Warnungen a la „Fahren sie nicht auf die Insel“, weil dort Tod und Wahnsinn regieren (klingt nach dem Weißen Haus), und bittet um ein privates Meeting später im Weinkeller. Linda ist tatsächlich treudoof genug, dämlicherweise tatsächlich in den Weinkeller zu trippeln, wo sie aber vor Schreck beinah aus dem Nachthemd rutscht – Memmet ist nämlich gerade damit beschäftigt, eine gefesselte junge Frau blutig zu bearbeiten (was genau er macht, kann man nicht erkennen, weil wir uns ja die Option offen halten müssen, dass der Kerl am Ende ein Vampir sein könnte).

Das veranlasst Linda folgerichtig, genau gar nichts zu tun (man könnte ja theoretisch die Bullen rufen, oder ist Mädels im Keller foltern in der Türkei noch legal? Wenn ja, weiß ich, wohin Kollege Bertucci auswandern wird), sondern in aller Seelenruhe am nächsten Morgen auf die Insel zu schippern und der bizarren nächtlichen Episode keinerlei weitere Beachtung angedeihen zu lassen (typisch Anwältin. Keinen Schimmer vom praktischen Umgang mit Verbrechen, an denen man nicht selbst beteiligt ist).

Auf der Insel steht ein schicker Bungalow, der Kameramann zeigt uns, dass er ein großer Naturfreund ist, indem er uns wieder ausgewählte einheimische Tierwelt in Form von Heuschrecken und einem weiteren Skorpion vorführt. Jaja, diese Symbolik, da schnallste ab, ey. Da niemand zu sehen ist, schlendert Linda unbürokratisch in die Hütte (hübsch ist der Bunker ja wirklich, wenn man auf die typische spacige 70er-Jahre-Einrichtung steht. Ich tu´s), schlurcht herum, kuckt hierhin, dorthin und findet schließlich den ominösen Blutspritzer an der Fensterscheibe. Das versetzt sie kurioserweise in erheblich panischere Panik als der Amateuer-Folterknecht im Keller vom Vorabend – in Semi-Hysterie sucht sie rennenderweise das Eiland zu verlassen, rennt dabei aber an der poolseits auf dem Liegestuhl parkenden Gräfin zusammen – welche, was natürlich keinen überrascht, der mehr als drei Gehirnzellen zu einem Verbund bewegen konnte, sich als die Tänzerin aus dem Nightclub entpuppt Linda selbst fällt´s eher nicht auf, aber die ist ja auch blond, sie rhabarbert nur über ein deja-vu-Erlebnis, das sich gerade einstelle (also, wirklich helle ist die nicht). „Geht mir genau so“, antwortet die Gräfin (und ich finde, dass Soledad Miranda unpassend synchronisiert ist. Viel zu dunkel-rauchig, die Stimme, man erwartet fast, dass die jeden Moment in ein Alexandra-mäßiges „Zigeunerjunge“ ausbricht). Der Business-Part kann nach Ansicht der Gräfin noch warten, weil Linda arg erschöpft aussieht, zur Entspannung böte sich doch ein wenig Schwimmen an. Und das nicht etwa im olympische Ausmaße habenden Pool, sondern in der offenen See. Und dass Linda, weil geschäftlich hier, nicht daran gedacht hat, einen Badeanzug einzupacken, juckt die Gräfin nicht die Bohne – nö, sie leiht ihr nicht etwa einen eigenen… wer * braucht * schon Badeanzüge? Linda, offensichtlich nicht der konservativen Schule angehörig wie die meisten Rechtsverdreher, die ich kenne, hat kein Problem, vor ihrer Mandantin blank zu ziehen und sich nackt, wie derdaoben sie schuf, in die Fluten zu stürzen (ich hab doch in den falschen Kanzleien gearbeitet. Obwohl, da war dieser eine Betriebsausflug an den Chiemsee, aber das waren nicht die Anwältinnen, sondern die Gehilfinnen… dafür krieg ich sicherlich bei passender Gelegenheit eine aufs Maul, wenn meine Ex-Kolleginnen dieses Review finden). Die Gräfin selbst belässt´s beim Bikini.

Nach der Krauleinlage wird am Strand rumgelegen. „Es macht Spaß, nackt im Sand zu liegen“, verkündet die Gräfin (ach, den ganzen Dreck muss man sich doch wieder abbrausen), „vor allem zu zweit“. Linda kann nicht umhin, zuzustimmen, und ich hätte beinahe mein letztes Hemd darauf verwettet, dass Mandantin und Anwaltin sofort übereinander herfallen. Aber eben nur beinahe, und drum darf ich es behalten, das Hemd.

Später wird gespeist und endlich business getalked. Wie schon erwähnt, ist das Testament, das Linda hier, ja, was eigentlich, eröffnet, vollstreckt, verliest, übergibt, ich weiß es nicht (und wäre das, was es ist, nicht der Job eines Notars?), eins von der seltsamen Sorte, und das nicht nur, weil der Erblasser ein gewisser Graf Dracula (ta-daa) ist. Seltsam sei vielmehr auch, meint Linda, dass ebenjener durchaus existente Verwandschaft zugunsten der Gräfin übergangen habe (tscha, da ist wohl nicht mal was mit´m Pflichtteil). Die Gräfin erklärt, dass Dracula wie sie aus Ungarn stamme (ach? Da hab ich aber was anderes gehört) und sie dessen armseliges Dasein lebenswert gemacht habe, weswegen er ihr alles vermacht habe (sieht aber nicht so aus, als hätte sie´s nötig, die schien ganz gut ohne den Drac-Mammon auszukommen).

Zur Feier des Tages gibt die Gräfin eine Pulle Rotwein aus (jaa, sicher, ganz bestimmt Rebensaft), der macht Linda auch schnell ganz arge Kopfschmerzen. Die Gräfin empfiehlt ein Ruhepäuschen, dass sich Linda umgehend, sofort, und direkt am Tisch nimmt (na, wenigstens parkt sie ihre Visage nicht im Vorspeisenteller). Gräfin Carody kann nun ihren bislang durch Abwesenheit glänzenden Gehülfen Morpho (und ich wette, der morpht in dem ganzen Film nicht ein Mal!), hereinbitten, damit der die bewußtlose Anwältin ins nächstbeste Gästezimmer karrt und dort aufs Bett schmeißt (aber es bleibt auch beim Schmeißen, newa, auch wenn Morpho dem blonden Engel einen Schlafzimmerblick erster Güte zuwirft, der wäre wohl auch selbst nicht abgeneigt). Weil wir schon lang keine Symbolik mehr hatten, blendet Franco schnell einen Hund-im-Wasser und sein Lieblingstier, den Skorpion, ein. Kann er ja machen, er ist ja der Regisseur.

Wie nicht wirklich anders zu erwarten, dauert´s nicht lange, bis die Gräfin sich (mit blutiger Unterlippe… wieder beim Essen nicht aufgepaßt, was?) in die Schlafstube ihrer Gästin aufmacht. Was wird sie wohl vorhaben? Das fragt sich auch Linda nicht lange (Gesichtsausdruck: unbezahlbar. Für alles andere gibt es Eurocard). Selbstredend steht dem blaublütigen Vamp (hehe) nach einer lesbischen Einlage der Sinn, und solche Sachen kann der alte Schwerenöter Franco ja bekanntlich minuuuutenlang ausdehnen. Macht er auch. Ende vom Lied, nach jeder Menge Rumgefummel seitens der Gräfin an Linda (die arme Anwältin bleibt natürlich in der passiven Opferrolle) kommt´s endlich zum obligaten Biss (nicht, dass der gestreßte Zuschauer, der, wüßte er nicht, dass er einen Jess-Franco-Film betrachtet, schon längst vergessen hat, es nicht mit einem Softcore-, sondern, zumindest nominell einen Horrorfilm zu tun zu haben, auch nur ein Fitzelchen Blut sehen dürfte). Die Gräfin macht sich vom Acker und Linda kommt wenig später verwirrt, nichtsdestoweniger nackend und nicht im Bett, sondern auf dem (sicher fußbodenbeheizten) Boden wieder zu sich. Da könnte uns´ Linda die ganze Nummer glatt für einen weiteren schlechten Traum halten, läge nicht der Gräfin Schal neben ihr. Der Beweis! Aufgeregt sucht die vom wilden Affen, bzw. der wilden Lesbe Gebissene nach eben selbiger (also der Lesbe, newa), findet die aber nicht in der Behausung, sondern überzeugend-realistisch tote Frau spielend im Pool treibend. Da zieht´s Linda sicherheitshalber das Fahrgestell seitwärts und sie klappt zusammen (hält nicht viel aus, das Frauchen).

Wir schalten um in die nächstbeste Klapsmühle, verzeihung, natürlich in die exklusive Privatklinik von Dr. Seward (den wir als Francophile ja bestens kennen, nur, dass der hier nicht blind ist wie in Killer Barbys vs. Dracula). Sewards Assi beschäftigt sich mit einer Durchgeknallten namens Agra, die hysterisch in ihrer (für eine Privatklinik nicht gerade üppig ausgestatteten) Suite rumzickt und dummes Zeug schwätzt: „Sie“ wird demnächst wieder von ihrem Körper besitzergreifen, was Agra richtiggehend töfte findet, sich aber von den Weißkitteln Hilfe erhofft, dass ebenjener Zustand dann ein dauerhafter wird und „sie“ (wer wird das wohl sein?) Agra nicht wieder alleine lässt. Der Assi ruft Dr. Seward, der eine unspezifizierte Injektion für eine gute Idee hält (fesseln und knebeln ist im Zweifel auch nicht verkehrt, and maybe an enema would help – gratitious Mel-Brooks-Dracula-reference). Agra bestätigt Seward enthusiastisch, eine Vision gehabt zu haben: „Sie war ich und ich war sie!“ (Ja, man merkt, warum die Holde aus dem Verkehr gezogen wurde). „Meine Freundin ist die Herrscherin der Nacht“, stellt Agra begeistert fest. „Soso“, macht Seward einen auf schwer interessiert und „ich-glaub-dir-alles-was-du-erzählst-Pfleger-das-Valium-bitte“.

Drei Krankenzimmer weiter kommt Linda wieder zu sich, die aus mir völlig rätselhaften Gründen in der selben Institution ihr Dasein fristet (vor allem, sacht Future Doc, wenn man ins Kalkül zieht, was in ein paar Minuten enthüllt wird). Linda ist begreiflicherweise a) verwirrt und b) geringfügig amnesisch, aber c) laut Seward geht´s ihr schon besser als gestern. Wenn er denn meint – uns fehlt ja der Vergleich… Seward klärt Linda darüber auf, dass sie sich in seiner Privatklinik befindet und möchte als Gegenleistung ihren Namen wissen (??? D.h. dieser Torfkopf schleppt einfach so auf Verdacht jede bewußtlose Frau, die irgendwo angespült wird, in seine Privatklinik? Als Front für einen schwunghaften Sklavinnenhandel wär das ja akzeptabel…). Linda weiß ihren Namen nicht und im übrigen auch sonst recht wenig, was Seward von ihr wissen möchte (z.B. was passiert ist).

Glücklicherweise hat der clevere Dr. Seward ein Zeitungsinserat schalten lassen (!!!), wonach ihm eine unbekannte blonde Frau zugelaufen sei bzw. selbige am Strand gefunden worden wäre, und Omar hat günstigerweise die richtige Zeitung abonniert und die Angewohnheit, den Kleinanzeigenteil tatsächlich zu lesen, weswegen er in der Hoffnung, seine abgängie Schnalle zu finden, antrabt (hm, Dr. Seward, aber, jetzt mal unter uns Männerfreunden – wäre das eigentlich nicht auch in der Türkei der Job für die Polizei, das Indentifizieren von herrenlosen [huch, das war jetzt mißverständlich] Blondinen? Meister Jess, du hast schon viele bräsige Plotpoints in deinen Filmen gehabt, aber das ist mit Abstand der dümmste, der mir untergekommen ist, und das schließt Killer Barbys vs. Dracula komplett mit ein). Seward unterzieht Omar einer peinlichen Befragung, gegen die ein türkisches Polizeiverhör vermutlich ein echter Spaß für die ganze Familie ist (vermutlich wäre es Seward aus egoistischen Motiven gar nicht so recht, wenn Omar wirklich zu Linda gehört bzw. umgekehrt), lässt ihn dann aber ohne weiteres (z.B. wenigstens eine Ausweiskontrolle, ob Omar überhaupt der ist, der er zu sein behauptet) Linda in ihrer Beinahe-Gummiezelle besuchen (uff. Kaum zu glauben, aber der Film schafft es tatsächlich, von Sekunde zu Sekunde idiotischer zu werden). Der Anblick von Omars Fresse setzt Lindas graue Zellen tatsäclich in Bewegung, d.h. sie erkennt ihn. Zu weitergehenden Erinnerungen, z.B., was nun eigentlich bei der Gräfin vorgefallen ist, reicht´s allerdings nicht (allerdings gibt sie zu Protokoll, sich zumindest einzubilden, eine tote Frau im Pool gesehen zu haben. Naja, selektive Erinnerungen halt). Omar gibt den cleveren Ratschlag, die ganze traurige Episode schleunigst zu vergessen und unterbreitet das Angebot, auf Reisen zu gehen (und weil Sparfuchs Jess Franco offenbar keinen Bock hatte, eine entsprechende Dialogszene auch tatsächlich zu drehen, gibt´s dieses Gespräch als voice-over. Großes Tennis).

Selbstredend ist die Gräfin allerdings nicht wirklich abgesoffen (so frech, seine Hauptdarstellerin und Lieblingsstarlet schon nach fünfundzwanzig Minuten ins Gras beißen zu lassen, wo doch noch jede Menge Laufzeit damit zu füllen ist, selbige nackig zu zeigen, ist nicht mal der Franco-Jesses). Die Gräfin hockt vielmehr ziemlich lebendig, aber in mittelschwerer seelischer Krise, auf ihrer Burg (bzw. ihrer auf einem Bergesgipfel belegenen Villa) und rezitiert dem armen Morpho, der sich den Kram vermutlich alle vierzehn Tage interesseheuchelnd anhören muss, ihre gar tragische Lebensgeschichte, zumindest die der letzten 100-200 Jahre (die hat sich aber gut gehalten, Respekt. Oil of Olaz oder Ellen Betrix?), übrigens liegt sie dabei wie im Koma auf ihrem roten Bett und bewegt nur die Lippen. Spart auch schauspielerischen Einsatz.

Gut, also die Gräfin verrät uns, wie sie zum Blutsauger geworden ist. Das war nämlich so – seinerzeit wären irgendwelche fiesen Plünderer und Marodeure in ihr Dorf eingefallen und hätten das getrieben, was Plünderer und Marodeure eben so tun (bzw. was im Werbeprospekt „Dein Leben als Plünderer und Marodeur“ gemeinhin als großer Pluspunkt dieses Jobs ausgepreist wird), will sagen, die waren halt am Brandschatzen und Vergewaltigen, letzteres speziell hinsichtlich der armen noch-nicht-Gräfin. Rettung in der Not kam vom Grafen Dracula, der das für ihn Angenehme mit dem für sie Nützlichen verband und die Rapisten als Abendessen mißbrauchte, aber bei der Gelegenheit auch noch gleich sie vampirisierte (purer Eigennutz, denn, wie die Gräfin ausführt, „er war mir körperlich verfallen“. Immer noch besser als nur „er war körperlich verfallen“, höhö). Nichtsdestotrotz hat die gute Gräfin von der versuchten Vergewaltigung ein leichtes Trauma davongetragen, dass sie auch heute noch sämtliche Männer durch die Bank verabscheuen lässt und weswegen sie sich ausschließlich an Frauen gütlich tut (was lernen wir daraus? Frauen vergewaltigen schützt vor weiblichen Vampiren). In den heißen Feger Linda hat sich die Gräfin nun aber Hals über Fangzahn verschossen (über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten oder auch nicht), und das wiederum bedeutet, dass sie von Linda nicht nur süffeln will, sondern die Blonde „in unseren Kreis“ einführen, sprich, also auch zur Untoten machen will. Na, wer sagt´s denn, kaum ist der halbe Film rum, haben wir schon eine Story.

Omar möchte währenddessen Linda bespringen und darf selbiges auch tun, doch postkoital meldet sich die Gräfin telepathisch bei ihrem neuen Lieblingsopfer und lockt sie zu sich – was ohne weiteres funktioniert, jedenfalls lässt Lindas mentaler Widerstand zu wünschen übrig (Omar schnarcht dieweil den Schlaf der Ungerechten. Nächste wertvolle Lektion für Sackträger: Nach dem Sex nicht gleich wegpennen, dann geht euch die Partnerin nicht mit der nächstbesten Vampirin durch. Mittels zahlreicher Gesichts-Close-ups, man glaubt fast, bei Fulci zu sein, erspart Franco uns nähere Einzelheiten, wie genau sich Linda zur Gräfin in die Villa beamt, jedenfalls ist sie bald da und im roten Farbfilter (Farbfilter regiert bekanntlich). Die Gräfin überreicht für die beeindruckende sportliche Leistung einen fetten Kristallpokal. Halt, nein, das ist doch nicht die Siegprämie, das Gefäß ist mit einer verdächtig dickflüssigen roten Flüssigkeit gefüllt. Die nächtliche Reise hat Linda offenbar durstig gemacht, es wird gesüffelt. Apropos „süff“, recht süffisant fragt die Gräfin nach dem Schluck, wie das Blut denn nun gemundet habe (nein! Was für eine teuflische Überraschung). Linda sacht sicherheitshalber mal gar nüscht (richtig, nur nicht auf irgendwas festlegen lassen). Mit dem Trunk ist Linda offiziell in den Club der Vampire aufgenommen („nun, da du von unserem schwarzen Wein gekostet hast“. Farbenblind sind Vampire also auch noch), die Gräfin schmatzt Linda einen ungefragten Kuss auf die Lippen, bittet um „Erlösung“ und sinkt wie das sprichwörtliche Brett aufs Bett. Na dann…

Agra umklammert zwischenzeitlich in der Klapse ein selten häßliches Clowns-Spielzeug (und es spricht vermutlich nicht wirklich für mich und meine verdorbene Fantasie, dass ich dieses Ding gleich mal als potentiellen Dildo identifizierte) und scheint eine Art akuten telepathischen Einfersuchtsanfall zu erleiden, als Linda sich der Gräfin, zwar mit leichtem Widerwillen, aber dennoch entschieden annähert…

Der Chronist würde gern weitere Einzelheiten berichten, aber die müsste er erfinden. Der Film geht nämlich zu allgemeiner Überraschung damit weiter, dass Omar in Sewards Klinik (ersichtlich die einzige Stätte medizinischer Versorgung in der ganzen Türkei) als bewußtloser Patient rumeiert und Linda sich schwere Sorgen macht. „Er hat eine Menge Blut verloren, aber es ist nicht schlimm“, erneuert Seward meine Zweifel an seiner fachlichen Kompetenz und Linda, bei der rein gedächtnistechnisch immre noch nicht alles auf Abruf bereit steht, spekuliert, dass ihm das selbe passiert sein könne wie ihr, was immer das auch nun gewesen sei (wenn ich den Film richtig verstehe, hat sich die Gräfin zu Omar ins Zimmer gebeamt, was ihrer vorherigen Verlautbarung, Kerle nicht leiden zu können, jetzt aber auch wieder den Zahn zieht). Dr. Seward, Diplomat alter Schule, verklickert Linda, dass sie ja keine Ahnung von der Materie habe (hm, ungefähr genau so tut das sein Namensvetter in Killer Barbys vs. Dracula auch. Alter Dialog-Recycler, der Jess). Linda wagt es, auf die immerhin auch bei Omar vorhandenen „Zeichen“ am Hals hinzuweisen und muss sich von Seward ein echauffiertes „Ich bin hier der Vampirexperte“ anhören. Und weil Seward entweder wirklich ein Experte ist oder doch wieder nur im Drehbuch gespickt hat, kann er im Brustton der Überzeugung verkünden, dass Omar sowieso nicht das „Reich“ der Vampire betreten könne und damit sicher sei (abgesehen davon, dass die Vampire ihn trotzdem aussaugen können, aber das scheint Seward als Bilderbuchmediziner als vernachlässigbares Problem einzustufen). „Ich bin in merkwürdige Umstände geraten“, rhabarbert Linda (wörtlich zitiert; aber besser in „merkwürdige“ als in „andere“ Umstände, gelle?).

Als Ausgleich für derartigen verbalen Dummfug offeriert uns Seward die sicherlich überraschende Theorie, Vampire seien durch Spaltung des Kopfes mit einer Axt oder Durchbohrung des Schädels zu tilten (ich wußte immer, dass Stoker nicht wußte, wovon er schrob). Bevor Seward sich endgültig um seinen Expertenkopf und Spezialistenkragen reden kann, wird er zu Agra gerufen, die immer noch heftig hysterisiert und sich in orgiastischen Zuckungen ergeht, bzw. sich darüber ausheult, dass „sie“ „in ihr“ war und sie jetzt wieder verlassen habe. Und jetzt gäbe es keine Rettung mehr für Agra – „Sie können mir nicht mehr helfen, Doktor!“ Plötzlich allerdings dreht sich die Gefühlslage der Bekloppten um 180 Grad – „sie“ habe ihr gerade mitgeteilt, dass „sie“ zurückzukehren beabsichtige, um Seward kennenzulernen (that´s all rather mysterious and stuff und ich habe mal wieder den grundsätzlichen Gedanken, dass Franco den Heuler einfach so runtergefilmt und alles eingebaut hat, was ihn am jeweiligen Drehtag gerade durchs durchkokste Hirn gegangen ist).

Omar hat sich zwischenzeitlich relativ unproblematisch vom drastischen, aber nicht schlimmen Blutverlust erholt und kann sich wieder Sorgen um Linda machen, weil die sich „seltsam“ verhält. Seward setzt sich einen äußerst mitteilungsfreudigen „du-hast-doch-keinen-Schimmer-wovon-du-redest-Kerl“-Blick auf und behauptet, dass es Linda schon viel besser gehe, was Omar durch persönliche Feldstudie untermauert zu widerlegen sucht. Nach seiner unmaßgeblichen Meinung werde Linda täglich schwächer und würde einen weiteren Zwischenfall nicht überleben. Keine Bange, meint Seward, er habe Linda alles gesagt, was sie wissen müsste, jetzt käme es nur noch auf ihre „Abwehrkräfte“ an (aha, er hat ihr WickMediNait verschrieben), und wenn die stark genug sind usw., sei Linda bald außer Gefahr. Völlig irrationalerweise genügt Omar diese armselige Argumentation. Auf dem Weg nach draußen wird er von Agra, die sich unerlaubt aus ihrer Zelle entfernt hat, abgefangen, die ihm zunächst (nicht wirklich überzeugend, wenn man mich fragt) versichert, nicht bekloppt zu sein und zweitens herzlichst bittet, ihrer Herrin und Gebieterin, die auf dem Bergesgipfel hause, doch freundlicherweise auszurichten, ihr, also Agra, zu helfen. „Sie wird dich aber hassen, denn du bist ein Mann“, gibt sie fairerweise warnend zu (was ihre Qualifikation, sich geeignete Botschafter auszusuchen, allerdings etwas ins Wanken bringt), bevor sie von Seward und seinem Assi wieder eingefangen wird. Offensichtlich steht unbeaufsichtigtes Mit-Agra-sprechen in dieser Klinik erst seit kurzem nicht mehr unter Todesstrafe, denn Seward blafft den ein angemessen dämliches Gesicht dazu machenden Omar wütend an, er möge sich doch nun bitte dringlichst verpissen und sich nie wieder blicken lassen (das ist schon ziemlich streng, wenn man bedenkt, dass Seward ja irgendwo behandelnder Arzt von Omars Tusse ist).

Ist sowieso nicht Omars Tag, denn Linda geht ihm auch noch ab – das gemeinsame Hotelzimmer jedenfalls ist leer. Kommt daher, dass Linda schon wieder unter hypnogesafteter Beeinflussung auf Wanderschaft ist, dabei aber, wie auch immer, Memmet in die Hände fällt und von dem betäubt und abgeschleppt wird. Wußte ich´s doch, dass es der Jess nicht mit einem Kurzauftritt bewenden lässt.

Aber bevor wir jetzt ernstlich zu viel Laufzeit mit, hüstel, Story verschwenden, tritt unser Auteur diesbezüglich heftig auf die Bremse. Jess weiß, was die Zuschauer wünschen, nämlich eine komplette Wiederholung der eröffnenden Tanz-Performance der Gräfin mit ihrer Roboter-Maid. Okay, seien wir mal ausnahmsweise gerecht und fair – es ist zwar die selbe Szene in aller Ausführlichkeit, aber wenigstens aus anderen Kameraperspektiven gefilmt. Beim Höhepunkt der Darbietung, dem abschließenden leidenschaftlichen Kuss, kann die Gräfin sich aber nicht beherrschen und beißt ihrer nichtsahnenden Bühnenpartnerin in den Hals, was allerdings im Publikum niemanden entscheidend zu stören scheint (passiert ja vielleicht auch öfter, wer weiß).

Seward ist, wie wir uns ja schon gedacht haben, nicht wirklich der sympathische Oberheld. Der Kerl macht sich nämlich die Rechnung auf, die uneingeschränkte Numero Uno im sicher hart umkämpften Markt der Top-Vampirologen zu werden, wenn er selbst einer werden würde. Dafür muss er allerdings einen Vampir finden, der ihn beißt; seine Hoffnung richtet sich hierei auf die Gräfin, die sich auch pflichtschuldigst in seiner Klinik materialisiert. Die beiden liefern sich etwas belanglosen Smalltalk, bis Seward zur Sache kommt und wünscht, vampirisiert zu werden. Kommt gar nicht in Frage, hat die Vampirbraut da eisenharte Prinzipien, sie ist maximal gewillt, Seward sofort und auf der Stelle beim Sterben zu assistieren. Das wiederum findet der Onkel Doktor wieder nicht gar so prickelnd, zückt ein Kruzifix und rasselt ein Gebet herunter. Bei Jess Franco kann man sich da nicht so sicher sein (weil dessen Vampire sich bekanntlich an die wenigsten Genre-Konventionen zu halten pflegen), aber ausnahmsweise hilft´s. Die Gräfin weicht zurück und macht einen angemessen angefressenen Eindruck, aber als Vampirin von Welt hat man ja vorgesorgt. Morpho tritt aus den Schatten, und es zeigt sich, dass es durchaus seine Vorteile haben kann, als untoter Blutsauger nicht vampirisiertes Personal zu halten. Morpho jucken nämlich Bibelsprüche und Kruzifix herzlich wenig, er würgt Seward unbürokratisch zu Tode. Siehste wohl, das kommt davon.

Wo die Gräfin schon mal hier ist, kann sie ja auch Agra einen Besuch abstatten, was die Verrückte ziemlich freut (und Jess Franco Gelegenheit zu einem seiner gefürchteten „ich-film-durch-irgendwas-durch“-Shots bietet – heute schindet er Eindruck mit einer Einstellung durch der Gräfin ornamentverziertes durchsichtiges Cape). Der Frohsinn ist jedoch nur von kurzer Dauer, denn die Gräfin mag sich von ihrer vormaligen Gespielin nur endgültig verabschieden. Kaum gesagt, beamt sie sich weg (mithilfe der selben schlichten Überblendungseffekte, mit denen Franco auch dreißig Jahre später noch arbeitet) und Agra heult sich die Augen aus.

Omar ist auf der Suche nach einem Mitstreiter für die gerechte Sache in Lindas Seelenklempner Dr. Steiner fündig geworden (ich bin zwar der Meinung, mit dem nächstbesten Teppichhändler vom Basar hätte er einen besseren Griff getan, aber naja). Sewards Entleibung ist mittlerweile stadtbekannt (und Steiner ist ein wenig schadenfroh, dieweil er den Kollegen wohl für wenig vertrauenserweckend hielt. Kuck mal, wer da spricht…) und Omar hat sich zu der Überzeugung verstiegen, dass Sewards Mörder Lindas gegenwärtigen Aufenthaltsort disponieren würden (keine Ahnung, wie er auf die Idee kommt, dass die Ereignisse was miteinander zu tun haben, und er hat ja noch nicht mal Recht). Steiner glaubt ihm zwar kein Stück, erklärt sich aber trotzdem bereit, bei der Suche nach Linda zu helfen (vermutlich ist sie ´ne lukrative Patientin).

Linda befindet sich, wie wir uns ja noch knapp erinnern, nicht wirklich in den Klauen der Vampire, sondern in den viel unappetitlicheren Grabschern des fiesen Memmet. Der hat Linda schon längst in seinen Weinkeller verfrachtet und an einen Stuhl gefesselt (yummy, Bondage). Und da er in suspekter Manier eine Säge zückt, dürfen wir wohl davon ausgehen, dass er nicht nur ein paar Bilder für eine BDSM-Webpage knipsen will (es sei denn, die spielt im Snuff-Department). Und das macht er nicht nur aus Jux, Dollerei und weil der Luftdruck gefallen ist, nein, er hat ´ne echte Motivation (bzw. das, was Franco dafür hält): Agra ist nämlich, so unwahrscheinlich es angesichts Memmets spektakulärer Häßlichkeit und Agras kontrastierender Attraktivität auch sein mag, des Memmets angetrautes Eheweib (wenn die Türkei nur zehntelwegs ein Rechtsstaat ist, was die CDU/CSU ja vehement bestreiten würde, sollte Memmet ja eigentlich nichts daran hindern, spätestens jetzt, nach Sewards Ableben, Agra aus der Klinik zu holen und an ihr rumzuspielen). Weil Agra ihm durch diese blöde Tusse auf der Insel (hence also die Gräfin) genommen worden sei, lebt Memmet nun eine generell Wutigkeit auf Weibsbilder aus und demonstriert anhand seines im Nebenkeller aufgehängten vorhergehenden Opfers, wie er das praktiziert. Blut und Schreie, das geilt den perversen Sack auf. „Du sollst mich lieben“, keift er (da muss er aber noch Überzeugungsarbeit betreiben) und fabuliert, dass Linda unter seiner Folter die höchste Glückseligkeit erfahren werde (wieso wundert es mich nicht, dass Franco sich für seinen selbstpersönlichen Auftritt die Rolle eines Frauenfolterers auf den Leib geschrieben hat?). Linda ist für eine Blondine verhältnismäßig clever und steigt auf des abgedrehten Lüstlings Fetisch ein. Sie behauptet, sich vor lauter Vorfreude auf Schmerz und Lust schon fast in den Slip zu machen, wenn Memmet sie doch nur schnell mal eben losbinden würde. Memmet ist leider Gottes dämlicher, als sicher auch die türkische Polizei erlaubt und kommt dieser Bitte mit sabbernder Begeisterung nach. Ehe er sich´s versieht, hat sich die losgebundene Linda die Säge gegriffen und Memmet damit gekillt (selbstverständlich without any visible gore). Patentes Ding!

Steiner und Omar sind mittlerweile in dem abgelegenen Bergdorf, in dem die Gräfin residiert, angekommen (welch Glück, dass Agra Omar die Adresse auf die Nase gebunden hat), finden auch die Gräfin, aber begreiflicherweise keine Linda. Hindert Steiner und Omar nicht daran, prophylaktisch ein paar Schüsse aus den mitgebrachten Kanonen abzufeuern (Unschuldsvermutung zählt heute gar nix mehr, oder wie?), was die Vampirin rätselhafterweise (selbst nach Sewards Auslegung können ihr ein paar handelsübliche Patronen doch nix anhaben) in die Flucht schlägt. Morpho steuert den Fluchtwagen, Omar und Steiner können nur dumm hinterherkucken. Diese fulminante Actionszene dauert bestimmt gut und gerne fünf Sekunden.

Wie auch immer – Linda schippert zur bewußten Insel, was natürlich dem Cinematographer die Möglichkeit gibt, seinen geliebten Skorpion wieder prominent ins Bild zu setzen (Skorpione können doch nach dem alten Witz nicht schwimmen? Wieso badet der dann im Pool?) und begehrt Einlaß in den Bungalow, muss aber doch zur Selbsthilfe greifen (wow, die bringt die Terrassentür mit bloßen Fingernägeln von außen auf? I´m impressed). Nach kurzer Suche findet sich die Gräfin geschwächt, aber noch halbwegs lebendig. „Es geht zu Ende mit mir“, stöhnt die Untote und auf Lindas überaus dämliche Frage, ob sie eventuell behilflich sein könnte, fällt ihr doch was ein. Ja, doch, da wäre was, Lindas Blut zum Bleistift, das würde helfen. Da mag nun aber Linda wieder nicht mitspielen, weil sie sich zwischenzeitlich, wie und warum auch immer, entschlossen hat, dem Untoten-Zirkus doch nicht beizutreten. „Du… willst… mich… verlassen?“, röchelt die Gräfin. Och nöö, für ´ne Runde Fummeln ist immer noch Zeit. So sieht´s zumindest aus, aber Linda hat heute die Fiesheit mit Löffeln gefressen und beißt ihrerseits die verblüffte Gräfin in den Hals. Offensichtlich ist es für einen Vampir äußerst ungesund, von einem Nichtvampir gebissen zu werden (you live and learn), weswegen die Gräfin zunächst mal bewußtlos zusammensinkt (Agra wälzt sich indes mal wieder in wilden Orgasmen durch ihre Bude).

Nun macht Linda Nägel mit Köpfen bzw. Nägel in Köpfe. Sie zieht nämlich einen beeindruckend langen Metallstift aus ihrem Handtäschchen und dengelt selbigen mit Schmackes in der Vampirin hübsches Köpfchen. Blut spritzt ins Gesicht der Blonden und Agra trifft in der Klinik fast der Schlag. Weil man Kerle schlichtweg zu gar nichts brauchen kann, kommt Morpho die entscheiden Sekunde zu spät, kann Linda nur noch überaus energisch vom Leichnam seiner Meisterin wegschubsen und ihr den Nagel aus… dem Auge ziehen! Das ist doch ein Fulci-Film, die Zooms haben nicht gelogen! (Wenn Francos Maskenbildner auch nur die geringste Ahnung von dem, was sie tun, hätten, könnte man jetzt sogar von einer ungefähr zweisekündigen Gore-Szene sprechen). Als aufrechter Diener einer dahingeschiedenen Vampirelle rammt sich Morpho den Nagel selbst in die Plauze (Franco, großer Künstler, zeigt uns das als Reflektion in einem metallischen Lampenschirm) und verscheidet solidarisch.

Während man uns bildhaft versichert, dass auch der Skorpion im Pool ordnungsgemäß abgesoffen ist (Tiersnuff!), treffen Omar und Steiner auf der Insel ein. Sie finden nur die zusammengesunkene, aber lebendige Linda, dagegen haben sich die Leichen von Gräfin und Morpho (!! Warum auch der? Der war doch nach bisheriger Faktenlage kein Vampir, sondern ein Normalsterblicher?) in Luft aufgelöst. Wir zoomen mal kurz ominös aus dem vorher schon eingeführten Metall-Lampenschirm, Linda stammelt „Ich versteh´s nicht, ich versteh´s nicht“ (das Drehbuch? Das versteh ich auch nicht). Omar plädiert für die „es-war-ein-böser-Traum“-Theorie (er muss es wissen), aber Linda ist sich sicher, die grausigen Geschehnisse für den Rest ihres Lebens erinnern können zu müssen… Le Finis.

Jedes Mal, nachdem man einen Jess-Franco-Film zum ersten Mal gesehen hat, glaubt man, zukünftig zu sichtende Werke des Meisters könnten einen nicht erschüttern. Okay, natürlich ist Vampyros Lesbos kein ähnliches trainwreck von Amateur-Video wie Killer Barbys vs. Dracula, aber dennoch ein ziemlich, äh, interessantes Erlebnis.

Wie bei Franco-Filmen eigentlich üblich, kann die Existenz eines Drehbuchs getrost ins Reich der Fabel verwiesen werden. Auch Vampyros Lesbos ist nichts anderes als eine mehr oder weniger zusammenhanglose Abfolge von Szenen, die man nur mit äußerst strapaziertem Wohlwollen als flüssigen Narrative interpretieren kann. Oder, um es kurz und prägnant auszudrücken – eigentlich passiert in dem Film nicht richtig viel. Eigentlich sogar fast nichts. 85 Minuten lang… Für einen Franco-Film ist der Streifen relativ dialoglastig (und das ist ein übles Zeichen, weil wenn Franco für etwas NICHT bekannt ist, sind es gute Dialoge) und ausgesprochen arm an dem, was man in seinem jugendlichen Leichtsinn „Action“ nennt.

Aber man kann nicht verhehlen, dass der Streifen eine eigentümliche Atmosphäre ausstrahlt – keine Ahnung, warum eigentlich, denn der Film bedient weder gothische Schauerklischees altmodischen Zuschnitts noch seinerzeit aufkommende reißerische Elemente (wenn man von den milden Bondage-Szenen absieht), aber gerade durch die Orientierungslosigkeit des Films, seine Weigerung, sich den Konventionen erzählerischen Filmemachens zu unterwerfen, wird eine gewisse surreale Wirkung erzielt. Der Film hat tatsächlich etwas traumwandlerisches an sich – schließlich sind auch Träume selten straff strukturiert und inszeniert.

Unter diesen Umständen kann man schon fast wieder verzeihen, dass die Story sich gar nicht erst bemüht, Sinn zu ergeben, die Charaktere (welche Charaktere) stupide geschrieben sind und sich auch ebenso stupide verhalten. Ich will Vampyros Lesbos jetzt gewiß nicht in den Rang eines erhabenen Kunstfilms liften, weil Jess Franco Kunst nicht absichtlich machen könnte, wenn er vorher einen dreißigjährigen Workshop mit Picasso, Dali und Van Gogh belegt hätte, aber der Film und konsequenterweise auch sein, hüstel, Script, sind letztlich Belege für die These, dass aus aus rein kommerziellen Erwägungen gedrehtem Billigrotz zufälligerweise und ganz gewiß nicht aufgrund des Talents der Beteiligten etwas werden kann, das so aussieht, als * wäre * es Kunst.

Sicherlich sind in der „Story“ einige Bräsigkeiten versteckt, über die man sich beim genaueren Nachdenken (und auch beim weniger genauen) schon mal wundern darf (mich würde z.B. schon einfach mal interessieren, wie denn Dracula nun gestorben ist; außerdem ist der ganze Seward-Charakter doof inklusive der diversen Plot-Points um seine Privatklinik, die in der Türkei offenbar nicht nur die exklusive medizinische Versorgung gewährleistet, sondern auch alle Polizei- und Detektivdienste verrichtet), aber, ich weiß, ich wiederhole mich und strapaziere den Punkt, in der, und auch da wiederhole mich, sicher nicht wirklich absichtlich geschaffenen „surrealen“ Welt dieses Films fällt das zwar auf, ist aber nicht so entscheidend. Versteht mich nicht falsch, der Film und seine Story sind natürlich idiotisch an der Grenze zur Oberdebilität, aber es ist wesentlich auffälliger, wenn man nach dem Filmkonsum drüber nachdenkt (und sich vielleicht noch ein ellenlanes Review aus dem Kreuz leiert), denn beim Filmkonsum selbst. Gibt dem Terminus „Filme, über die man nicht nachdenken sollte“ eine ganz eigene Bedeutung.

Handwerklich, da gibt´s kein Vertun, ist Vampyros Lesbos sicherlich der bislang beste Franco-Film, den ich gesehen habe. Klar gibt´s auch hier seine typischen Trademarks wie kuriose Kamera-Einstellungen (durch Gegenstände, in Spiegelungen etc.), ein paar Zooms, von denen man meinen könnte, diverse italienische Schmodderregisseure hätten sie als nachahmenswertes Role Model identifiziert, sinnlos dazwischengeschnittene Tieraufnahmen und Stock-Footage-Shots (meinetwegen auch von Franco selbstgedreht, das wage ich nicht abschließend zu beurteilen, die nicht wirklich, eh, zwingend da sein müssten, wo sie nun im Film sind (ganz besonders verliebt hat sich Franco offensichtlich in ein Hafen-Panorama mit vor der Mole dümpelndem Frachter, den Shot hat er mindestens fünfmal eingebaut), aber es ist zu erkennen, dass sich Franco hier, sozusagen auf dem künstlerischen Höhepunkt seiner Karriere, noch wirklich Mühe gegeben hat und tatsächlich auf Dinge wie Bildkomposition u.ä. noch Wert legte. Das macht den Film, obwohl er auch kaum ernsthaft etwas gekostet haben kann, zumindest recht schön anzuschauen (und entweder verdient sich der Set-Dekoreteur wirkliche Fleißpunkte für die Ausstattung des Insel-Bungalows oder Franco hat eine gute, da perfekt ausgestattete Location aufgetrieben).

Tempo ist die Sache des Films natürlich nicht – wie schon gesagt lebt der Film von seiner surrealen Traum-Atmosphäre und ein rasantes, zupackendes Tempo wäre da natürlich kontraproduktiv (in der Tat stört die kurze „Action“-Szene, in der Omar und Steiner die Gräfin in ihrer Villa „aufspüren“ und mit blauen Bohnen beschießen, den Flow des Films empfindlich, weil sie zum Restfilm einfach gar nicht passt). Der Film hat keinen Spannungsbogen (bzw. überhaupt keine Spannung), sondern rollt in seiner genügsamen, gleichmütigen Langsamkeit vorbei, lässt dem Zuschauer überhaupt keine andere Wahl, als sich auf die schönen Bilder und die noch zu würdigende Musik einzulassen und sich in die Atmosphäre des Films zu versenken. Sicher nicht jedermanns Sache, aber durchaus worthwile, wenn man denn für diese Art Filmkonsum empfänglich ist. Für die Freunde der „es-muss-alle-Nase-lang-etwas-passieren“-Schule ist der Streifen aber sowas von nichts, das glaubt Ihr gar nicht…

Als „Horrorfilm“ im Wortsinne darf man Vamypros Lesbos natürlich nicht sehen – Franco ging´s hier ersichtlich weniger um schockiernde Bluteffekte und Schmoddereien denn darum, die Reize seiner weiblichen Darstellerinen ins rechte Licht zu setzen. Daher gibt es Nacktszenen in geradezu inflationärer Anzahl, die durchaus mit einem bei Franco auch nicht selbstverständlichen Gefühl für Ästhethik inszeniert sind, aber kaum wirklich horribles – für die wenigen „bösen“ Elemente im Film sorgt über weite Strecken nur der schwachsinnige Memmet-Subplot mit Franco selbst als durchgeknalltem Frauenfolterer mit seinen kurzen Bondage-Eskapaden und dem lächerlichst-aussehendsten Kunstblut ever. Der Gräfin Bissattacken sind praktisch völlig blutleer (schon seltsam für einen Vampirfilm) und die singuläre „Goreszene“ mit dem durchbohrten Auge dürfte auch keinen Amateurfilmer, der auch nur mal mit Ketchup im Bad experimentiert hat (und wer hat das nicht?) beeindrucken. It´s not a gorefest (und auch kein „Blutrausch“, wie auch bei CMV reißerisch auf dem Cover steht), it´s more a trip for the eyes.

And for the ears, denn die seit einigen Jahren kultisch verehrte Musik des Streifens ist tatsächlich, eh, kurios. Easy Listening-Mucke, manchmal etwas jazziger, manchmal an Michael Holms Hexen-Score erinnernd, machnmal mit wirklichen Kapriolen wie verzerrten Stimmfetzen und lächerlich knarzenden E-Gitarren. Schon irgendwie, äh, chillig.

Summa summarum darf man sich nicht wundern, dass Vampyros Lesbos vom zeitgenössischen Publikum mit Nichtachtung gestraft wurde – das ist ein Film, der wirklich über die Jahre „reifen“ musste, bevor man ihn aufs Volk loslassen konnte… aber ich muss zugeben, je länger ich mich mit dem Film befasse, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass er subjektiv zu meinem Lieblings-Franco wird – nicht zum unterhaltsamsten oder beklopptesten, aber zu dem, den ich mir wohl am ehesten bald wieder ansehen werde.

Schauspielerisch gibt´s, wie üblich bei Franco, viel Schatten und sehr wenig Licht. Das Licht verströmt dabei praktisch ausschließlich sein damaliges Leib- und Magenstarlet Soledad Miranda unter ihrem Teutonen-Pseudonym Susann Korda. Miranda hat in der Tat die notwendige verrucht-„outerworldly“ Ausstrahlung für die mysteriöse Vampirin (auch wenn ich ihre deutsche Synchronstimme, in Unkenntnis ihres originalen Timbres, nach wie vor für zu dunkel und damit unpassend halte). Natürlich muss sie nicht wirklich schauspielern, sondern nur sexy aussehen, aber das kann sie, und, wie gesagt, sie hat Charisma und eine erotische Screen-Präsenz, die sie durchaus zur treffenden Besetzung macht. Miranda drehte 1970 achtmal mit Franco (darunter im hier gastbesprochenen Der Teufel kam aus Akasawa, Sie tötete in Ekstase und Nachts, wenn Dracula erwacht; das wäre mit Sicherheit noch Jahre so weiter gegangen (und hätte vermutlich dazu geführt, dass Bethmann heute nicht mit Lina Romay, sondern mit Soledad filmen würde), wäre sie nicht im Sommer 1970 bei einem Autounfall in Portugal ums Leben gekommen.

Die skandinavische Blondine Ewa Strömberg, der es im Gegensatz zu Miranda an der notwendigen Ausstrahlung (und, wenn ich böse wäre, würde ich sagen, auch an der notwendigen Attraktivität) mangelt und die sich auch in ihren wenigen schauspielerischen Szenen nicht wirklich mit Ruhm bekleckert, aber zumindest kein Problem damit hat, aus den Klamotten zu fahren, machte mit drei Edgar-Wallace-Filmen erste Bekanntschaft mit dem deutschen „Exploiter“ (hüstel), spielte im zweiteiligen Historien-Epos Kampf um Rom eine Germanin, fand sich neben Didi Hallervorden in Die Hochzeitsreise, und gab sich 1970/71 fünfmal die Dröhnung mit Jess Franco, neben diesem Film auch in Sie tötete aus Ekstase, Der Teufel kam aus Akasawa und X312 – Flug zur Hölle.

Andrés Monales alias Victor Feldman, der den Omar völlig farblos spielt (was aber auch nicht wundert, weil seine Rolle streng genommen völlig unnötig ist), war von 1970 bis 1972 exklusiv für Franco tätig und gab sich u.a. im Horst-Tappert-Heuler Der Todesrächer von Soho die Ehre.

Die Goldene Himbeere für die entweder desinteressierteste, verständnisloseste oder einfach miserabelste darstellerische Leistung überreiche ich mit Freuden dem gar nicht mal unrenommierten britischen Charaktermimen Dennis Price als Dr. Seward. Der Veteran, der seit 1938 vor der Kamera stand, „glänzt“ durch debile Mimik, und sichtlichen Unwillen, mit Schmarrn wie diesem überhaupt in Verbindung gebracht zu werden (was ihn nicht daran hinderte, in späteren Franco-Dummfugsfilmen wie Erotic Rites of Frankenstein oder Dracula vs. Frankenstein mitzuspielen, wie er überhaupt in der Endphase seiner Karriere, er verstarb 1973, auf Billig-Horror festgelegt war und u.a. in Tower of Evil, Horror Hospital oder Theatre of Blood dabei war). Seine „größten“ ernstzunehmenden Filme dürften wohl zwei Agatha-Christie-Verfilmungen aus den 60ern sein (Ten Little Indians, Murder Most Foul).

Auch der Schweizer Paul Muller als Dr. Steiner (bedeutungslose Rolle auch das, und mit entsprechendem Herzblut gespielt) ist ein Franco-Regular, der aber auch bei dessen Italo-Kollegen Fulci, Lenzi oder Margheriti immer wieder gern gesehen war. Heidrun Kussin (Agra) verdient sich ihren Platz in der Filmhistorie durch die Mitwirkung in zwei der seinerzeit dringend notwendigen Aufklärungsfilme von Oswalt Kolle (Deine Frau, das unbekannte Wesen; Zum Beispiel: Ehebruch). José Martinez Blanco (Morpho) verdankt seinen überschaubaren Ruhm der Tatsache, in der spanischen Zeichentrick-Adaption von Clever & Smart von 1969 den Jeff Smart gesprochen zu haben (um so „lustiger“, dass seine Rolle in Vampyros Lesbos stumm ist. Ist das Jess Francos Versuch, ironisch zu sein?).

Gesehen wurde der Streifen in der CMV-Fassung. Ich bin ja ein Fan der Entscheidung dieses Labels, von den Super-Jewel-Cases zu kleinen Buchboxen überzugehen, denn ich finde diese „Glasboxen“ einfach nur potthäßlich. Tschuldigung. Von Ascot oder Splendid wollte sie kein Schwein haben, von CMV aber sollen sie deswegen Kult sein, weil sich das Label ein Frontcover spart? Seltsame Logik. Ist aber auch egal. Mittlerweile ist Vampyros Lesbos in dieser DVD-Fassung auf Börsen relativ erschwinglich geworden.

Für den entrichteten Obolus erhält man einen hübschen anamorphen 1.85:1-Widescreen-Transfer, der insgesamt ein wenig auf der grobkörnigen Sorte ist (aber der Film ist a – alt und b – low budget, so that can happen), aber erstaunlich wenig Verschmutzungen oder Bilddefekte aufweist und auch kaum Laufstreifen. Viel besser ist das wohl kaum hinzukriegen. Die Kompression ist unauffällig, Detail- und Kantenschärfe angesichts des Quellmaterials überdurchschnittlich, die Farben schön, wenngleich sie manchmal eine Idee kräftiger sein könnten. Allerdings scheint der Bildtransfer aus unterschiedlichen Mastern zusammengesetzt zu sein, denn einige wenige Szenen (zumeist Agra in ihrer Zelle) fallen qualitativ etwas ab.

Akustisch wird der Zuschauer (bzw. -hörer) aussschließlich von der deutschen Synchronfassung in Dolby Mono belästigt, was absolut in Ordnung geht. Die Tonspur ist ebenfalls aungesichts des Alters des Films erstaunlich rauschfrei und gut verständlich, die skurrile Musik kommt gut zur Geltung.

An Extras gibt´s leider nichts außer dem etwas ramponierten Trailer und einer ziemlich unübersichtlich gestalteten Filmographie von Soledad Miranda auf zwei Tafeln.

Das Wort zum Sonntag: Vampyros Lesbos nimmt sicherlich nicht zu Unrecht seinen Spitzenplatz im Franco´schen Ouevre ein – es mag Franco-Filme geben, die erheblich unterhaltsamer, weil doofer, oder einprägsamer, weil härter sind (da fiele mir z.B. Greta – Haus ohne Männer aka Ilsa – The Wicked Warden ein), aber die lesbischen Vampire haben, sicherlich rein zufällig und unabsichtlich entstanden, eine gewisse lyrisch-verschroben-verträumte Qualität. Selbstredend hat auch dieser Film seinen Anteil kopfpatsch-auslösender Momente und grottiges Schauspiel (besonders von Dennis Price), aber es „stört“ weniger als in anderen Filmen des Meisters, weil der Streifen nun mal in seiner vorliegenden Form gar keinen Sinn ergeben kann oder will, sondern eben das Äquivalent eines gefilmten drogenbeeinflussten Traums ist. Daraus folgt, dass Vamypros Lesbos kein Partyfilm ist (BIER-Wertung daher heute wieder mit dem Hinweis „ist jetzt nicht wirklich gemeint, dass der Film so LUSCHTICH ist“), mit dem man seine übliche Stammrunde Horrorfans erschrecken kann, sondern eher ein Vertreter der Sorte „Hirn ausschalten, Augen und Ohren öffnen und einfach nur genießen“. Und das macht den Film zu einem der „ansehbarsten“ Francos!

(c) 2005 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 7

BIER-Skala: 7


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