Untote wie wir

 
  • Deutscher Titel: Untote wie wir
  • Original-Titel: The Revenant
  •  
  • Regie: Kerry Prior
  • Land: USA
  • Jahr: 2009
  • Darsteller:

    David Anders (Bart), Chris Wylde (Joey), Jacy King (Mathilda), Louise Griffith (Janet), Stacy Glassgold (Julia), Emiliano Torres (Miguel)


Vorwort

Ein völlig unangebrachter Anfall von Menschlichkeit im Kriegsgebiet Irak (auch zu übersetzen als „elende Dussligkeit“) hat GI Bart in einen Rebellen-Hinterhalt einerseits und aus dem Leben andererseits befördert. Seine Herzensgute Janet, deren Ansinnen nach standesamtlicher Bestätigung der Beziehung Bart zu Lebzeiten tunlichst aus dem Weg gegangen ist, schmeißt sich in verwüstetem Seelenzustand noch auf der Trauerfeier Barts bestem Kumpel Joey, einem Slacker-slash-Kiffer, an den Hals. Soweit, so bestenfalls ein moralisches Problem, bis Bart in voller, äh, „Lebensgröße“ vor Joeys Wohnungstür steht. Der gefallene Kriegsheld ist aus seinem Grab gekraucht und hat keine Ahnung, was los ist.
Nachdem Bart dekorativ Joeys Teppich blutig begöbelt und bei Anbruch der Dämmerung wie, äh, tot umfällt, zieht Joey Mathilda, praktizierende Wicca-Hexe, hinzu. Die diagnostiziert einen eindeutigen Fall von Untotsein und empfiehlt, Bart umgehend den Kopf abzuschneiden, alldieweil sich sonst garantiert Ärger einstellen wird. Joey lehnt freilich entrüstet ab – einem besten Freund trennt man nicht die Rübe ab, selbst wenn er ein blutgieriger Untoter ist.
Die Frage der artgerechten Ernährung stellt sich jedoch und wird zufällig beantwortet, als ein mexikanischer Ganove unser dynamisches Duo überfällt. Joey hat ’ne Idee – warum verbindet man nicht das für Bart Angenehme mit dem für die Gesellschaft Nützliche und dünnt das reichhaltige Angebot an kriminellem Gesocks aus? Gesagt, getan, und mit jeder erfolgreichen Mahlzeit vergrößert sich das Waffenarsenal der „Revolver-Rächer“. Die Öffentlichkeit liebt die Vigilanten, aber auf Dauer kann das doch nicht gut gehen, oder doch?


Inhalt

Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich jedes zweite Review mit den Worten „Noch eine Zombie-Komödie? Tut das Not?“ beginne. Aber es hilft ja nix… darum:
Noch eine Zombie-Komödie? Tut das Not? „The Revenant“, bzw. „Untote wie wir“, wie der Streifen nun in seiner kommerziellen Auswertung hierzulande heißt, feierte wie so ziemlich jede ZomCom der letzten Jahre Deutschlandpremiere auf dem FantasyFilmFest, blieb aufmerksamkeitstechnisch aber (zumindest bei mir, hihi) eindeutig zweiter Sieger und erster Verlierer gegen DeadHeads (ich hab ja nicht per se etwas gegen ZomComs, nur hege ich die Hoffnung, dass man als Filmemacher ja auch ein anderes Thema aufgreifen könnte, bzw. anders ausgedrückt – eine pro Festival reicht mir). Zumal gute Effektleute ja noch selten formidable Autoren und Regisseure geworden sind und D. Kerry Prior, Mastermind hinter „The Revenant“ (Drehbuch, Schnitt & Regie) kommt nun mal aus der FX-Ecke, genauer gesagt verdiente er sein Geld dereinst als Effektkünstler für Dream Quest Images und arbeitete in dieser Funktion u.a. an „Nightmare 3/4“, „Das Böse 2-4″ ,“The Abyss“, und „Circuitry Man“. Ich kann jeden Trickhexer verstehen, der mal auf eigene Rechnung seinen eigenen Kreaturen Leben einhauchen möchte, aber das Basteln eines lustig-blutigen Effekts ist halt doch was anderes als das Schreiben eines schlüssigen Drehbuchs (nicht wahr, Herr Ittenbach?).

Egal. Prior will also die durchaus wohlbestellten Felder des lustigen Untotenhorrors beackern – da muss man sich heutzutage schon ein gewisses Gimmick ausdenken, um nicht in der Masse unterzugehen. Priors Gimmick ist, dass seine Zombies keine echten Zombies sind – „Revenant“ übersetzt sich grob mit „Wiedergänger“ (allerdings entspricht der „Revenant“ des englischen Sprachraums nicht dem „Wiedergänger“ der deutschen Folkore); dieser anglophile Untote, der in England erstmals in Schriften aus dem 12. Jahrhundert (und damit älter ist als die osteuropäische Vampir-Lore) ist eine Art Kombination aus „herkömmlichem“ Zombie und klassischem Vampir – er ist ein verwesender Leichnam, der sich allerdings im Vergleich zum gemeinen Romero-Zombie nicht von Menschenfleisch oder HIRRRN!! ernährt, sondern vampirgleich von menschlichem Blut.

Allerdings tut diese kleine Veränderung nicht entsetzlich viel zur Sache – es ist eine für die Geschichte eher belanglose Vampir-Zombie-Melange, die eigentlich nur von beiden Genre-Archetypen die langweilige Seite dominieren lässt. Der Vampir-Seite wird die sexuelle Komponente entnommen, dem Zombie das anders triebgesteuert-animalische. Artikulierungsfähige Zombies haben zwar durchaus „wacky-fun“-Potential, das haben der erwähnte „Deadheads“ oder Wasting Away bewiesen, doch „The Revenant“ will mehr sein als eine Slapstick-Klamotte – Prior versucht für meine Begriffe etwas gewollt, den gerade im Fernsehen (dank Serien wie „Dr. House“) angesagten „Dramedy“-Stil, also die Auflockerung klassischer Drama-Stoffe durch „quirky“, sprich schräge, Hauptcharaktere auf den Zombiefilm zu übertragen. Ein interessantes Experiment, das jedoch dramaturgisch scheitert.

Ihr habt sicherlich schon im Header gestaunt – knapp zwei Stunden ist für ’ne Independent-ZomCom ein ordentlicher Kanten Holz, ganz besonders, wenn man filmemacherseits auch beabsichtigt, die Spanne nicht mit lustigem Zombiegemetzel a la „Braindead“, sondern interessantem Charakterstuff und Story zu füllen. Und das ist leider das Hauptproblem Priors – er hat kaum interessanten Charakterstuff und die Story an sich zerfällt in mehr oder minder mitreißende Episödchen. Es hat schon seinen Grund, warum Prior so zur Filmmitte den Kunstgriff, seine Protagonisten in wild herumballernde Vigilanten zu verwandeln, anwenden muss – die Figuren wären ansonsten komplett auserzählt. Bart ist ein ziemlich farbloses Weichbrot (und warum genau er sich in einen Untoten verwandelt, bleibt völlig außen vor. Ich bin ja immer dafür, althergebrachte Mythen zu entrümpeln, aber man möge dann halt bitte anstelle der klassischen Interpretation IRGENDETWAS anbieten), Joey ein eher unsympathischer Vollzeit-Slacker (wie finanziert der Herr eigentilch sein Leben? Sieht nicht so aus, als hätte er ’nen Job) – sie wirken inkompatibel (nicht nur, weil der eine lebt und der andere nicht, ähm), es gibt kaum eine nachvollziehbare Begründung, warum die beiden „best buddies“ sind bzw. waren.
Seine Nebenfiguren behandelt Prior noch stiefmütterlicher (es wird SPOILERig) – Janet und Mathilda, die für große dramatische Entwicklungen (meint zumindest Prior) gebraucht werden, sind derartige Plot-Non-Entitäten, dass ihre jeweiligen (obacht, extremer Spoiler) Sterbeszenen wirkungslos bleiben – da ist keine emotionale Wucht dahinter, weil wir die Figuren, die wir zuvor vielleicht jeweils fünf Minuten gesehen haben, nicht kennen. Prior *versucht* „großes Drama“, aber er weiß nicht recht, wie er es hinschustern soll. „Sympathieträger schokierend umbringen“ ist zwar durchaus ein probates Mittel, aber halt auch nur dann, wenn die Figuren, die der Autor umbringt, dann auch Sympathieträger sind.

Ein totaler Ofenschuss ist auch das Ende – ich bin kein Happy-End-Fanatiker, aber in einem irgendwie ja schon hauptsächlich „lustig“ gemeint ist, möchte ich dann schon wenn schon kein „glückliches“, dann wenigstens ein „lustiges“ Ende. „Revenants“ letzte 20 Minuten sind eine Lehrstunde in Depri-Filmmaking (wobei man als Zuschauer einen Vorteil gegenüber den Filmfiguren hat: wir *könnten* uns erfolgreich umbringen…), das ist zu hoffnungslos, zu traurig, zu unangemessen für die Figuren (auch wenn sie nicht SO likeable sind, wie Prior sich das wohl mal vorgestellt hat).

Das hört sich alles furchtbar negativ an, ist aber dann auch nicht ganz so schlimm – der Film hat einige schöne Lacher (ganz besonders die erste Begegnung des auferstandenen Barts mit Joey), die Vigilanten-Nummer bringt ein wenig dringend erforderliches Tempo in die zweite Filmhälfte (und die Szene, in der Bart und Joey den Überfall auf den Laden eines asiatischen Elvis-Imitators verhindern, ist tatsächlich wirklich extrem witzig) und manchmal schafft’s der Film tatsächlich, ein wenig zu berühren.
Handwerklich ist das alles ausgesprochen anständig – sicherlich war der Streifen nicht ZU teuer, aber Prior holt aus seinem Budget einiges raus. Wird niemand mit einem Michael-Bay-Film verwechseln, aber sowohl Kameraführung (erledigt von Doku-Filmer Peter Hawkins, der aber auch bei „Mad Men“ Kameradienste verrichtet), Schnitt (von Prior selbst besorgt) und Production Design sind aller Ehren wert, ebenso wie die nicht überaus zahlreichen, aber soliden Splatter-(die sich was Explizität und Anzahl angeht zum Ende hin steigern) und Make-up-Effekte (die FSK-18-Freigabe scheint mir allerdings stark übertrieben. Der Streifen ist mit Sicherheit *nicht* härter als das, was mittlerweile gewohnheitsmäßig mit blauem Siegel durch den FSK-TÜV gewunken wird).

Zu den Akteuren: David Anders („Children of the Corn“, „Into the Blue 2“) macht sich als Bart recht spielfreudig und, hihi, lebhaft, allerdings verbindet ihn keine echte Chemie mit Chris Wylde („Evolution“, „Joe Dreck“), der mir, das muss ich zugeben, mit fortschreitender Laufzeit aber auch ziemlich auf den Zeiger ging (mag zu einem gewissen Teil auch an seiner Rolle gelegen haben).
Jacy King („Grey’s Anatomy“) könnte mit ihrer Wicca-Hexe möglicherweise Eindruck schinden, gäbe ihr das Script irgendetwas gehaltvolles zu tun; Louise Griffiths (Alone in the Dark II, Tekken) hat nicht viel zu tun, verfügt aber auch nicht wirklich über Ausstrahlung, die sie auch in einer wenig aussagekräftigen Rolle memorabel machen könnte.

BluRay: Die getestete Vorab-BluRay aus dem Hause Universal bringt den Film in sauberem 2.35:1-Widescreen, gutem Ton und mit umfangreichem Bonusmaterial. Bei amazon.de lässt sich das Werk auch in einer limitierten Steelbook-Sonderauflage erwerben.

Fazit: Das Review hat sich möglicherweise negativer angehört als ich dem Film tatsächlich eigentlich gegenüber eingestellt bin. Er hat seine erfolgreichen Momente, aber er laboriert halt einfach daran, dass er für seine amtliche Laufzeit zu wenig Ideen, zu wenig Drive hat. Auf ein handlicheres 90-Minuten-Format gekürzt, also ohne den dramaturgischen Leerlauf, könnte „The Revenant“ ein wirklich guter Untoten-Spaß sein, aber gerade der an sich anerkennenswerte Versuch, verstärkt dramatische Elemente einzubringen, ist letztendlich die Achillesverse des Films. Ich gräme mich nicht über die zwei Stunden, die ich mit „The Revenant“ verbracht habe, doch es hätte eben ein viel besserer Film sein können. Ich verbleibe also mit einer neutralen Bewertung:

3/5
(c) 2012 Dr. Acula


mm
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