Um Null Uhr schnappt die Falle zu

 
  • Deutscher Titel: Um Null Uhr schnappt die Falle zu
  • Original-Titel: Um Null Uhr schnappt die Falle zu
  • Alternative Titel: The Trap Snaps Shut at Midnight | Jerry Cotton - Um Null Uhr schnappt die Falle zu | Jerry Cotton - The Trap Snaps Shut at Midnight |
  • Regie: Harald Phillip
  • Land: BR Deutschland
  • Jahr: 1965
  • Darsteller:

    George Nader (Jerry Cotton), Horst Frank (Larry Link), Heinz Weiss (Phil Decker), Dominique Wilms (Maureen), Allen Pinson (Harry), Alexander Allerson (Husky), Monika Grimm (Ruth Warren), Helga Schlack (Helen Culver), Ricky Cooper (Pal), Werner Abrolat (Krot), F.G. Beckhaus


Vorwort

Jede Woche verbraucht die große Staudammbaustelle in New Jersey 20 Kanister Nitroglyzerin und jede Woche wird der Sprengstoff zuverlässig per Truck angeliefert. Dieses Mal allerdigns müssen die Lieferanten unabgeladener Dinge wieder umkehren, denn die Baustelle steht in Flammen.

Obwohl der Laster noch voll ist, legen die Trucker ihren üblichen Boxenstopp in einem Motel ein und lassen sich über Nacht prompt den Laster klauen. Lou und Fat sind allerdings gelinde erstaunt, dass ihr erbeutetes Klauvehikel noch beladen ist, sie hatten den Explosives-Truck eigentlich leer haben wollen. Fat wird die Sache zu heikel – er ergreift die Flucht.

Am nächsten Morgen rauscht der Truck, gesteuert von Lou, direktemang in die Auslage des Juweliers Cartier (seltsamerweise im deutschen Dialog konsequent „kartscher“ genannt). Begreiflicherweise gerät die Polizei angesichts eines ordentlich beschrifteten Krawumm-Lkws leicht in Panik, was es Lous Komplizin Maureen erlaubt, den Laden leer zu machen. Von Nitro ist an Bord des Lkw aber keine Spur – nach kurzer Erleichterung realisieren die Cops, was Sache ist. Der Sprengstoff wurde ja mitgeklaut, muss also noch irgendwo sein. Und weil das Nitro nicht ewig von der Kühltechnik auf nicht-explosivem Level gehalten wird, kann das in einer Katastrophe enden. Das ist eindeutig ein Fall für das FBI (oder „den FBI“, wie sich der Film auszudrücken beliebt) und damit für den besten Mann, den Hoovers Truppe zu bieten hat – Jerry Cotton!

Der hat auch schnell eine Spur – ein Anruf aus dem Motel führt ihn mehr oder weniger direkt zu Ruth Warren, der Sekretärin des Sprengstoff-Herstellers, und ebenfalls schnell hat Jerry raus, dass Ruth gerne Lous Freundin sein würde und ihn deswegen mit dem Tipp versorgt hat.

Dieselbe Schlussfolgerung hat aber inzwischen auch der örtliche Top-Gangster Larry Link getroffen bzw. aus dem aufgegriffenen Fat herausprügeln lassen. Larry ist der Meinung, dass das Nitro bei ihm erheblich besser aufgehoben ist als bei einem drittklassigen Kleingauner, denn mit dem Stoff lässt sich doch einiges anfangen. Es ist aber Jerry, der Lou zuerst aufspürt und sich von ihm zum Nitro-Versteck bringen lässt. Larry hat aber indes eine neue Verbündete in Person von Maureen, die ebenfalls ungefähr weiß, wo „die Suppe“ versteckt ist. In einer tätlichen Auseinandersetzung zieht Larry aufgrund zahlenmäßiger Überlegenheit seiner Schläger den Längeren und kann sich das Nitro unter den Nagel reißen.

Wenig später geht bei der „Morning Post“ ein anonymer Anruf ein, wonach Polizei und FBI leider leider des Aufenthaltsorts von zwanzig freilaufenden Nitrokanistern verlustig gegangen seien. Das ist doch ’ne Story, oder? Das FBI kann nicht wirklich dementieren und so bricht in New York eine Panik aus. Unglücklicherweise liegt auch noch eine Hitzewelle schwer über der Stadt, was die Haltbarkeit des Zeugs deutlich vermindert.

Larry hätte da eine Idee – er sitzt ja selbst ungern auf einer Bombe dieses Ausmaßes, und für schlappe fünf Millionen Dollar würde er dem FBI nur zu gern den explosiven Krempel zurükgeben. Während die Behörden über dem alten Dilemma „sich erpressen lassen oder schlimmstenfalls über Manhattan ’ne Abdeckplane legen müssen“, verleiht Larry seiner charmanten Bitte Nachdruck – es könnte ja schon mal, so rein zu Demonstrationszwecken, ein Kanister irgendwo in der Stadt hochgehen…


Inhalt

Ich geb zu, ich hab ewig keinen Jerry-Cotton-Roman mehr gelesen, aber früher, als die Erde noch jung war, Dinosaurier regierten und es nur drei Fernsehprogramme gab, man mithin also noch fast genötigt wurde, seine Zeit mit Lesen zu verbringen, gehörte ich durchaus zu den Stammlesern der Abenteuer von Jerry Cotton und seinem Freund und Kollegen Phil Decker. Zusammen mit Perry Rhodan und John Sinclair ist Jerry einer der letzten Heftroman-Dinosaurier, der’s ins 21. Jahrhundert geschafft hat (auch wenn ich alter Meckerkopp ein strikter Gegner der Neuerung bin, dass Jerry Cotton jetzt Farbcover hat. Jerrys s/w-Bilder aus alten Krimis waren für mich immer eines der Unterscheidungsmerkmale der Serie gegenüber all den anderen Krimiheften).

Als Jerry Cotton noch „neu“ und eine Verkaufssensation war, lag eine Verfilmung nahe – die deutschen Studios suchten ja eh händeringend Material, um neue Franchises neben den Wallace-Filmen zu etablieren, warum nicht nach den ersten erfolgreichen Bond-Kloppern eine Art „deutschen“ James Bond? Wenn ich mich recht erinnere, entstanden in rascher Abfolge fünf Jerry-Cotton-Filmabenteuer, die Titelrolle ging an George Nader (ewig im Herzen eines jeden Trashfans dank seiner Star-Turns im unvergessenen „Robot Monster“) – okay, he quite looks the part, aber man muss zweifelsohne feststellen, dass Nader im Charisma-Department nicht gerade den großen Hauptgewinn gezogen hat (ehrlich – mir wäre da ein Blacky Fuchsberger glatt lieber). Aber egal.

Für „Um Null Uhr schnappt die Falle zu“ erdachte das Team Fred Denger/Kurt Nachmann, nicht unbedingt Experten für Kriminalkost, sondern bis dato eher mit Karl-May-Western (Denger) oder Schlagerfilmen (Nachmann) aufgefallen (juxigerweise landeten beide in den 70ern im Sexfach, und Denger schrieb Adrian Hovens fröhliche Gesellschaftskomödie „Hexen geschändet und zu Tode gequält“), eine Plotte, die erfreulich unklischeehaft ist – die Jagd nach dem Nitro ist wirklich mal was anderes als die übliche Mördersuche oder das Herumstochern in den Eingeweiden des organisierten Verbrechens, mit dem Jerry Cotton sich üblicherweise befasste. Das „whodunit“ spielt hier keine gesteigerte Rolle, das ist allen Beteiligten spätestens zur Filmhalbzeit klar, es ist dann tatsächlich eher eine Story, die stärker in Richtung „Eurospy“ denn „Krimi“ schielt.

Es hilft, dass mit dem exaltierten Larry Link (die Sorte Gangster, der sich in seinem Büro einen zwanzig Zentimter tiefen Pool einbauen hat lassen, in dem er herumlümmelt und seine Anweisungen ins Nebenzimmer brummt) ein würdiger Gegner (und mit Horst Frank einen Schauspieler, der sogar wesentlich charismatischer ist als Nader) präsentiert wird, der Jerry uncharaktischerweise praktisch stets einen Schritt voraus ist (von Phil Decker wollen wir nicht reden, der ist hier, dargestellt vom späteren Traumschiff-Kapitän Heinz Weiss, sowohl von der Kompetenz als auch der Wichtigkeit der Rolle her eine ziemliche Nullnummer). Mit der Belgierin Dominique Wilms, die bereits an Eddie Constantines Seite einschlägige Erfahrungen gesammelt hatte, gibt’s auch noch eine „femme fatale“, wohingegen das Kapitel „damsel in distress“ auch schon ungefähr nach einem Filmdrittel zugeschlagen wird (Jerry rettet Ruth Warren vor Links Schlägern, und damit ist ihre Rolle im Film dann auch erschöpft).

In seinen Spannungssequenzen orientiert sich der Film dann auch deutlich am von Bond geprägten Action-Stunt-Stil – wenn auch in bescheidenerem technischen Rahmen. Herumhangeln an Wolkenkratzerfassaden, Kampfszenen auf Brückenträgern oder ein Finale mit drohender Zugkollision sind sprechendes Zeugnis dafür, dass die Produzenten so ungefähr verstanden hatten, was den Bond-Appeal ausmachte (ungelogen bleibt die Countdown-Uhr, die die Zeit bis zur Explosion des Nitros runterzählt, bei „0:07“ stehen. Halleluja). Der technisch-handwerkliche (oder finanzielle) Background fehlt halt, um Jerry Cotton wirklich zu einer Bond-Alternative zu machen. Die Rückprojektionen (natürlich wurde der Film nicht an Originalschauplätzen gedreht, sondern die Stars amtieren vor rückprojizierten New-York-Aufnahmen) spotten teilweise jeder Beschreibung und werden im Filmverlauf kontinuierlich schlechter (was auch dafür sprechen kann, dass der Produktion im Laufe der Zeit die Mittel ausgingen und darunter die Sorgfalt litt).

Harald Phillip, unter den Vohrers, Reinls und Gottliebs doch eher ein Mann aus der zweiten bis dritten Reihe (auch wenn er 1971 mit „Die Tote an der Themse“ an eine der Spätausläufer der Wallace-Reihe rangelassen wurde), ist auch kein besonders guter Regisseur, der vor allem mit dem Schnitt so manchmal seine liebe Not hat. Gerade im Finale, in dem Jerry Cotton die Kollision eines Passagierzugs mit dem Nitro-Wagen verhindern muss, ist der Schnitt katastrophal und macht in Verbindung mit den an der Stelle wirklich schäbigen Rückpro-Aufnahmen fast unmöglich zu verfolgen, was genau geschieht.

Auf der Plusseite verbucht der Streifen einen einmal mehr enorm lässigen Jazz-Score von Peter Thomas und einen prägnanten, wenn auch kurzen Auftritt von „Raumpatrouille“-Atan Shubashi F.G. Beckhaus als Gangster Fat. Die Dialoge sind launig und nehmen manchmal spätere Rainer-Brandt-Großtaten vorweg – Brandt himself spricht einen von Horst Franks Goons.

Die technischen Schwächen verleiden mir leider eine bessere Bewertung, die die kompetente und recht originelle Story eigentlich verdient hätte. Aber eins kann man sagen – wesentlich besser als der völlig verunglückte Comedy-Reboot mit Christian Tramitz ist „Um Null Uhr schnappt die Falle zu“ allemal, und wenn man sich von den handwerklichen Mankos nicht zu sehr ins Bockshorn jagen lassen kann, verbringt man recht vergnügliche 90 Minuten mit dem Film.


BOMBEN-Skala: 7

BIER-Skala: 6


mm
Subscribe
Benachrichtige mich zu:
guest
2 Comments
älteste
neuste beste Bewertung
Inline Feedbacks
View all comments
mm
Webmaster
TomHorn
22. Mai 2017 14:45

Und jetzt sag den englischen Titel dreimal schnell hintereinander…:)