- Deutscher Titel: Trollhunter
- Original-Titel: Trolljegeren
- Alternative Titel: The Troll Hunter |
- Regie: Andre Ovredal
- Land: Norwegen
- Jahr: 2010
- Darsteller:
Otto Jesperseon (Hans, Trolljäger), Glenn Erland Tosterud (Thomas), Johanna Morck (Johanna), Tomas Alf Larsen (Kalle), Urmila Berg-Domaas (Malica), Hans Morten Hansen (Finn Haugen), Robert Stoltenberg (polnischer Bärenjäger), Knut Naerum (E-Werk-Chef), Eirik Bech (Campingplatz-Leiter), Torunn Lodemel Stokkeland (Hilde, Tierärztin)
Vorwort
Thomas, Johanna und Kalle, Filmstudenten aus Volde, begeben sich auf Bärenjagd. Ein ausgebüxter Petz soll nämlich die Gegend unsicher machen und praktisch alle staatlich autorisierten Bärenjäger sind vor Ort – und zudem ein geheimnisvoller Geselle namens Hans, den die Bärentöter einvernehmlich für einen gefährlichen Wilderer halten. Die Studis kommen auf den naheliegenden Gedanken, dass Hans ein interessantes Dokumentations-Subjekt wäre, doch der, kaum aufgespürt, verweigert natürlich total. Die drei Filmer folgen ihm trotzdem – schlechte Entscheidung, denn *etwas* verletzt Thomas und demoliert den alten Golf I der Truppe. Aber Hans ist von so viel Hartnäckigkeit beeindruckt, zudem geht ihm sein „Scheißjob“ ziemlich auf die Nerven, da sind die Studis vielleicht geeignetes Ventil zum Streßabbau. See, Hans ist professioneller Trolljäger im Dienste einer staatlichen norwegischen Geheimorganisation. Seine Aufgabe ist es, alle Trolle zu töten, die ihre „Reviere“ verlassen – und das ohne bezahlte Überstunden, Nachtzuschlag oder Gefahrenzulage. Thomas & Co. heften sich nun mit Hans‘ Genehmigung an dessen Fersen – gar nicht recht ist das Finn Haugen vom „Trollsicherheitsdienst“, der stark dafür wäre, dass das Geheimnis der norwegischen Berg- und Waldtrolle auch ein solches bliebe – was schwer genug ist, wenn jene (Tiere ohne höhere Intelligenz) geradezu in Scharen ihre Reviere verlassen und in menschlich bewohnte Territorien vordringen, dort Vieh reißen und allgemeines Chaos anrichten. Hans soll der Trollmigration auf den Grund gehen und das wird akut lebensgefährlich…
Inhalt
Ich weiß nicht, ob ich Keith von Teleport City dafür hassen soll, dass er coole Filme offensichtlich grundsätzlich *vor mir* sieht oder doch den metaphorischen Kasten Bier dafür rüberreiche, dass er mich oft genug überhaupt erst in Richtung cooler Filme schiebt, von denen ich ansonsten wieder mal als Letzter hören würde – z.B. Gallants, „Norwegian Ninja“ (den ich mir beim FFF zu Gemüte führe) oder eben „Trollhunter“. Könnte natürlich daran liegen, dass es in NYC wahrscheinlich mehr Festivals abseitigen Kinos gibt als hier… Egal, „Trollhunter“ wollte ich sehen, und Universal sei Dank bin ich zumindest in diesem unserem Lande damit ausnahmsweise mal am Puls der Zeit.
Ich hab mich in den letzten zwei-drei Jahre ab und an wohlwollend über’s neue norwegische Genre-Kino ausgelassen – gut, ab und zu kommt auch in Skandinavien auf einen Cold Prey ein Detour, aber insgesamt ist das, was die kleine norwegische Filmindustrie ausspuckt, überraschend hochwertig. Was auch daran liegen mag, dass die Elche keine Berührungsängste vor eher, naja, abstrusen Geschichten haben. Womit wir endlich beim Thema wären… Eigentlich, höre ich diejenigen, die schon wissen, worum’s geht, aufstöhnen, ist das „found-footage“-Subgenre mittlerweile durch. „Blair Witch Project“ und zuletzt Cloverfield schienen zur Thematik alles gesagt zu haben, was sagenswert wäre, und Epigonen wie Cannibals – Welcome to the Jungle oder The St. Francisville Experiment zogen den ein oder anderen Weisheitszahn ohne Betäubung (zu „Paranormal Activity“ sag ich mal nix, weil mich der nun sowas von überhaupt nicht interessierte…), d.h. um bei mir mit dem Gimmick noch landen zu können, muss man schon ’ne ziemlich coole Grundidee haben. Und die hat André Ovredal zweifellos: Trolle existieren, werden von der Regierung totgeschwiegen und eine spezielle Geheimbehörde sorgt dafür, dass das auch so bleibt – wenn das mal nicht freaky ist..
Ovredal gelingt es, unter den verschärften Bedingungen eines found-footage-Films, der sich schwerlich klassischer Erzählmethoden bedienen kann, recht elegant eine komplexe Mythologie aufzubauen. Eng am klassischen norwegischen Sagenschatz (der außerhalb der Landesgrenzen freilich recht unbekannt ist, weswegen so manche Anspielung, die jeder Erstklässler in Oslo verstehen dürfte, weil sie eben auf Sagen- oder Märchenmotiven basiert, sich dem gemeinen Mitteleuropäer nicht auf Anhieb erschließt) angeleht postuliert Ovredal eine Vielzahl unterschiedlicher Trollarten und -unterarten, ihre Lebensgewohnheiten und Spleens (so z.B., dass die Trolle „Christenblut“ wittern, was Atheismus zu einer unabdingbaren Voraussetzung für die nähere Beschäftigung mit diesen possierlichen Monstern macht – wobei „Trollhunter“ durchaus die Frage aufmacht, wie das denn nun mit Muslimen aussieht). Mindestens ebenso wichtig ist dem Film aber die andere Seite – wie genau funktioniert die Vertuschungsverschwörung und was bewegt einen professionellen Trolljäger?
Nun, auf den ersten Punkt bezogen orientiert sich die Mythologie an klassischen Vorbildern – ein massiv landschaftsumdekorierender Troll-Amoklauf wird als Tornado-Resultat ausgegeben, im Zweifelsfall sind Bären an allem Schuld (die Szene, in der die Filmemacher auf den polnischen Bären-Beschaffer treffen, ist Gold!) und zum Ende hin erlaubt sich Ovredal sogar, Ministerpräsident Stoltenberg einzubauen; der obrigkeitshörige Bürger glaubt natürlich, was einem erzählt wird (und wundert sich in Form eines E-Werk-Chefs erst, als Thomas ihn darauf anspricht, dass eine Hochspannungsleitung, die im Kreis angelegt ist und den Strom also genau genommen nirgendwohin liefert, doch ein bissl merkwürdig ist); im zweiten Punkt erlaubt sich Ovredal seine spitzeste Satire… der Trolljägerberuf ist wie jeder „öffentliche Dienst“ nahe daran, an seiner eigenen Bürokratie zu ersticken (inklusive sinnlose Formular-Ausfüllerei), derjenige, der die meiste Ahnung hat (eben Hans) hat am wenigsten zu sagen und kämpft vergeblich um Überstundenausgleich oder Nachtzuschläge – (ich SPOILERE mal ein wenig heftiger) davon, dass ihn ein staatlich angeordnetes „Massaker“ leicht traumatisiert hat, wollen wir gar nicht reden.
Man mag kritteln, dass Hans‘ plötzliches Umschwenken von totaler Blockade zu völliger Kooperation mit den Filmemachern nicht völlig glaubwürdig ist (auch wenn man es so interpretieren kann, dass die Hartnäckigkeit der Studenten und die Tatsache, dass sie eh schon mehr gesehen haben als eigentlich geplant, Hans einerseits Respekt abnötigt und sie andererseits, wie auch von ihm kurz thematisiert, als geeignetes Ventil, um seinen angestauten Frust loszuwerden, tauglich erscheinen lässt), wie insgesamt die Charakterarbeit nicht die große Stärke des Scripts ist (natürlich auch ein Problem des gewählten Formats, da es vergleichsweise schwierig ist, in found-footage-Material großartigen character background einzubauen. „Cloverfield“ gelang das recht gut, „BWP“ zumindest für die Figur der Heather); über die Filmstudenten erfahren wir ziemlich genau nichts, was kaum echte emotionale Beteiligung ermöglicht. Zum Glück ist die Story schräg , sind die Ideen bizarr genug, um über fehlenden charakterlichen Tiefgang hinwegzuhelfen (und, seien wir ehrlich, wegen der Charakterentwicklung Johannas sehen wir uns „Trollhunter“ nicht an).
Eins muss man aber klar sehen – für „echt“ halten kann man „Trollhunter“ sicher nicht (sowohl von der filmischen als auch der erzählerischen Ebene her). „Trollhunter“ versteht sich bewusst komödiantisch und funktioniert in gewisser Weise als sanfte Parodie des „found-footage“-Genres (spätestens, wenn Hans seinen Land Rover in ein trollsicheres Gefährt umbaut, das in „Mad Max“ oder „Death Race“ auch nicht fehl am Platz wirken würde, ist’s mit jeglicher Ernsthaftigkeit vorbei); andererseits ist es gerade die stoische Ernsthaftigkeit, mit der Figuren wie Hans oder Trollsicherheitsdienst-Chef Finn ihre Standpunkte vertreten, die in einem „dokumentarischen“ Film freilich wesentlich effektiver wirkt als in einem klassischen „scripted narrative“, der Kontrast zwischen absurdem Inhalt und „seriöser“ Darbietung wird so wesentlich schärfer und griffiger.
Bei allen satirischen politischen Anspielungen (es ist schon lustig – Norwegen ist mal wirklich ein liberales Land und nicht mal nach dem Breivik-Massaker in Hysterie verfallen, wie sie hierzulande programmatisch wäre, und trotzdem werden Filme gedreht, in denen die Regierung fies vertuscht) sind die Essenz eines Monsterfilms nunmal die Begegnungen mit den Monstern. In treuer Tradition des found-footage-Films lässt sich „Trollhunter“ relativ lange Zeit, bis wir einen ersten Blick auf die titelgebenden Geschöpfe werfen dürfen, dann aber dürfen wir auch ausführlich begutachten, was die Tricktechniker sich haben einfallen lassen – hier bleibt nichts der Fantasie des Betrachters überlassen wie bei der Blair-Hexe, hier sehen wir nicht nur, wie bei J.J. Abrams mal da einen Tentakel, dort eine Schuppe, this is the full monty! Es untergräbt sicherlich etwas den authentischen „Anspruch“, dass der Kameramann in Seelenruhe auf zehn Meter hohe Trolle, die ihn am liebsten fressen wollen, hält, aber in dem Fall bin ich mehr als geneigt, einen guten Blick auf die Monster hektischer Zappelkamera vorzuziehen.
Das Design der Trolle – wiederum stark beeinflusst von norwegischer Folkore – unterstützt die humorigen Aspekte des Films. „Menschliche“ Gesichter mit Knollennasen, die ab und an an den guten alten Steinbeißer aus der unendlichen Geschichte erinnern, schwächen den „Horror“ der dramatischen Monsterbegegnungen ab; mag die Situation für die Protagonisten todernst sein, ist es schwer, als Zuschauer „ernst“ zu bleiben, wenn unsere Helden z.B. in einer Höhle a la „The Descent“ von einer Horde pelziger Waldtrolle mit langen Nasen, die man instinktiv eher knuddeln möchte, bedroht werden (ähnliches gilt für eine zentrale Sequenz auf einer Brücke, in der Hans in ein hysterisch-komisches Kostüm gesteckt wird). Die CG-Animation der Trolle ist dabei – für ein sicherlich nicht gerade auf finanzielle Rosen gebettetes Projekt – erstaunlich gut, flüssig, detailfreudig und „physisch“ (und auch abwechslungsreich – wenn ich richtig mitgezählt habe, werden uns vier unterschiedliche Trollarten präsentiert).
Womit wir dann auch schon (schon?) nahtlos bei der filmischen Umsetzung angekommen wären. Wie die meisten neueren found-footage-Vertreter verzichtet „Trollhunter“ auf die BWP-erprobte multiple Kamera – wir haben eine Kameraperspektive, mit der müssen wir zufrieden sein (es ist hier in Ordnung, weil die Figuren der Filmemacher selbst, wie oben gesagt, nicht elementar wichtig sind; immerhin wird auf der Kamera-Position gewechselt). Ovredal schlägt ein vergleichsweise gemäßigtes Tempo an (kein Wunder, packt er doch quasi „Curse of the Blair Witch“ und „Blair Witch Project“ in einen Film) und in der Tat mutet „Trollhunter“ vielleicht zehn Minuten zu lang an (die Auftaktphase könnte etwas flotter gestaltet sein und auch wenn „hysterisch durch den Wald rennen“ nicht so breiten Raum einnimmt, wie man befürchten durfte, ist’s für meinen Geschmack immer noch etwas zu viel des Guten), aber im Großen und Ganzen findet er das richtige Gleichgewicht zwischen den Monsterszenen und dem Situations-Irrwitz.
Was die Kameraarbeit angeht, ist mir „Trollhunter“ beinahe etwas zu perfekt für seinen „notdürftig zusammengeschnittenes Fundmaterial“-Ansatz. Es liegt sicherlich zum einen daran, dass consumer cameras seit BWP selig mehrere technologische Quantensprünge hinter sich haben und nicht mehr von Haus aus einen raueren, ungeschliffenen Look mitbringen (was man mit einer stinknormalen Digicam von Canon machen kann, bewies ja unlängst The Silent House, auch wenn der Film an sich nix taugte), stellenweise kollidiert mir aber das gezielte Draufhalten auf ein heranstürmendes Monster (oder das Umschalten auf Nachtsicht im dramaturgisch angemessenem Zeitpunkt, auch wenn die Nachtsichtbilder sehr stimmungsvoll sind) mit der Verhaltens-Glaubwürdigkeit eines im Filmsinne bestenfalls ambitionierten Filmschülers in akuter Lebensgefahr. Aber sei’s drum – dem Unterhaltungswert tut’s keinen Abbruch und, wie auch schon oben angedeutet, „Trollhunter“ nutzt das Format nicht zwingend für einen „Echtheits“-Anspruch als für die Gegenüberstellung der aberwitzigen Grundidee und der bis zum Ende durchgezogenen „ernsthaften“ Präsentation und zieht daraus seinen Witz.
Die FSK-12-Freigabe ist absolut in Ordnung – die zwei-drei „intensiveren“ Passagen sind unblutig und dank der schon erwähnt eher drollig-naiven Gestaltung der Trolle nicht wirklich horribel. Wenn man „Blair Witch Project“ ab 12 durchwinken konnte, geht das bei „Trollhunter“ alle mal.
Schauspielerisch ist „Trollhunter“ weitgehend die one-man-show von Otto Jespersen, einem norwegischen TV-Comedian (der sich vor Kontroversen nicht scheut – er verbrannte mal in einer Fernsehshow eine US-Flagge und sollte dafür für einen Monat einfahren, letztlich wurden die Anschuldigungen aber fallen gelassen) und dessen wunderbare, wie schon gesagt, stoische Ernsthaftigkeit, mit der er absonderlichste Texte völlig natürlich vorträgt, bewunderungswürdig ist. Dagegen fallen Glenn Erland Tosterud („Das Orangenmädchen“), Johanna Morck („Cold Prey 2“) und der zumeist „hinter der Kamera“ verborgene Tomas Alf Larsen („Cold Prey“, „Cold Prey 2“) ab – natürlich zu allererst, weil sie nicht im Ansatz vergleichbar ergiebiges Material zu spielen haben (besonders für Morck fällt dem Script sehr wenig ein, Tosterud darf wenigstens im denkbar unpassendsten Moment hysterisch werden). Hans Morten Hansen ist als TSD-Mann Finn angemessen undurchschaubar-fies.
Bildqualität: Bei einem Major-Release überrascht’s nicht, dass die optische Präsentation tadellos ist. „Trollhunter“ wird von Universal in feinem 1.85:1-Widescreen (anamorph) vorgelegt. Farben, Kontrast und Schärfe sind ausgezeichnet, die Kompression, soweit anhand des mir vorliegenden Pressemusters zu beurteilen, ebenfalls ohne Fehl und Tadel.
Tonqualität: Deutscher oder norwegischer Ton in Dolby 5.1. Die deutsche Synchro ist für meinen Geschmack passabel, aber etwas zu steril ausgefallen, ich bevorzuge daher trotz der fremden Zunge den O-Ton mit Untertiteln.
Extras: Als Bonusmaterial gibt’s diverse erweiterte oder gestrichene Szenen, Improvisationen und Outtakes, eine Featurette über die visuellen FX und Behind-the-Scenes-Material. Kann man nicht meckern.
Fazit: „Trollhunter“ war nicht *ganz* der Hammerfilm, auf den ich insgeheim spekuliert hatte – dafür fehlt dem Streifen auf Charakterebene ein wenig Tiefe, und eine leichte Straffung hätte der Sache vielleicht auch gut getan, aber es ist auch so ein hochunterhaltsames Stück Horror-Komödie; nicht zum Brüllen komisch, da seine Gags vergleichsweise subtil ausfallen (oder eben auf außerhalb Norwegens kaum bekannte Folkore abzielen) – man wird sich nicht permanent vor Lachen auf die Schenkel schlagen, aber überwiegend ein breites Grinsen auf den Lippen tragen. Die völlig hysterisch-irre Grundidee, ihre konsequente Umsetzung, die höchst respektablen FX und natürlich die erstklassige Vorstellung von Otto Jespersen machen „Trollhunter“ aber trotzdem zu einem must-see – im found-footage-Genre ist durchaus noch Leben drin, man muss eben nur die zündende Idee haben!
4/5
(c) 2011 Dr. Acula