Tragic Ceremony

 
  • Original-Titel: Estratto dagli archive segreti della polizia di una capitale europea
  • Alternative Titel: Tragica ceremonia en villa Alexander | Tragic Ceremony at Alexander Villa |
  • Regie: Riccardo Freda
  • Land: Italien/Spanien
  • Jahr: 1972
  • Darsteller:

    Camille Keaton (Jane), Tony Isbert (Bill), Máximo Valverde (Joe), Giovanni Petrucci (Fred), Luciana Paluzzi (Lady Alexander), Luigi Pistilli (Lord Alexander), José Calvo (Stan Luis, der Tankwart), Irina Demick (Bills Mutter)


Vorwort

So, reden wir mal über Riccardo Freda. Den in Ägypten geborenen Sohn italienischer Eltern hat’s damals in den späten Dreissigerjahren, nach Anfängen als Bildhauer und Kunstkritiker, im Heimatland zum Film verschlagen, ab 1942 war er dann auch als Regisseur unterwegs. Als solcher drehte er die obligatorischen Spaghetti-Western oder Giallos, war einer der Pioniere der Sandalenfilm-Welle der Fünfziger und Sechsziger (sein Lieblings-Genre) und prägte als früher Vertreter des italienischen Horrorfilms diesen massgeblich (siehe „I vampiri“ oder „Caltiki – il mostro immortale“ – Filme, an denen übrigens ein gewisser Mario Bava nicht ganz unbeteiligt war).

Mit diesem Urgestein als Regisseur, der Tatkraft dreier Drehbuchautoren und der Starpower eines ehemaligen Bondgirls (Luciana „Thunderball“ Paluzzi) kann „Tragic Ceremony“ (den ellenlangen Originaltitel, den man mit „Aus den geheimen Polizeiarchiven einer europäischen Hauptstadt“ übersetzen kann, spar ich mir) ja nur ein Meisterwerk sein.

Bill, ein junger Mann aus gutem Hause, schenkt seiner Mutter eine Halskette. Das Schmuckstück soll mal einer verrückten Alten gehört haben, die deswegen durch einen Dämon besessen wurde – ein Exorzist habe den bösen Geist zwar vertrieben, trotzdem kamen alle Beteiligten unter mysteriösen Umständen ums Leben. Kein Wunder, freut sich die Beschenkte so sehr über die Kette, dass sie lieber drauf verzichtet. Also nimmt Bill das Ding mit zu einem Bootsausflug mit drei Freunden und gibt es während eines Picknicks an Lande der blonden Jane weiter. Aufgrund einer Vision zeigt die ihm aber trotzdem die kalte Schuler und bändelt stattdessen mit dem braungebrannten Joe an – ohne die Kette zurückzugeben. Fred, der letzte im Bunde, hält sich da weitgehend raus und beschränkt sich darauf, auf der Gitarre rumzuklampfen.

Als man abends mit dem Strandbuggy die Heimreise antritt, geht unterwegs der Sprit aus. Eine Tankstelle ist zwar schnell gefunden, bloss zeigt sich der Tankwart unkooperativ und weigert sich, Travellerschecks von Bill anzunehmen, solange der sich nicht ausweisen kann – blöd nur, wenn man seine Brieftasche unten am Strand vergessen hat, und aufgrund einer akuten Massen-Amnesie denkt auch keiner dran, dass Joe und Fred noch die Kohle bei sich haben müssten, die Bill ihnen vorhin aufgrund einer verlorenen Wette zugesteckt hat (d’oh!).
Immerhin lässt sich der Alte dazu überreden, unseren Freunden etwas Notbenzin mit auf den Weg zu geben – dieses reicht dann auch bis zur Villa von Lord Alexander und seiner Lady. Das grosszügige Adelspaar spendet zwar Treibstoff, trotzdem will die Karre immer noch nicht. Also werden die jungen Leute – Gastfreundschaft wird hier noch gross geschrieben – über Nacht einquartiert.

Wie schon bei den Transformers, täuscht der erste Eindruck: im Keller des Anwesens veranstalten die Alexanders eine satanische Messe, in deren Verlauf Jane geopfert werden soll. Zum Glück sind Bill, Joe und Fred zur Stelle, um die Unglückliche zu retten. Die Satanisten kommen damit nicht wirklich zurecht, flippen völlig aus und metzeln sich gegenseitig nieder (natürlich wäre es logischer, sie würden die Störenfriede niedermetzeln, aber… aber… keine Ahnung). Unsere Freunde flüchten mit ihrem Strandbuggy (der plötzlich wieder läuft), tauchen aus Angst, für das Massaker verantwortlich gemacht zu werden, vorsorglich unter und suchen sich als Versteck das grade leer stehende Landhaus von Bills Vater aus, wo sie sich in Schuldgefühlen ergehen („Was haben wir getan?“, etc. Nicht, dass sie tatsächlich was gemacht hätten; Deppen).

Dank des Fernsehens erfahren Bill und Co., dass die Polizei tatsächlich nach ihnen, jedenfalls nach vier Hippies sucht, die verdächtigt werden, was mit diesem „an Sharon Tate erinnernden“ (eine wirklich geschmackvolle und eher beliebige Anspielung auf die Tate-LaBianca-Morde von 1969) Verbrechen zu tun zu haben. Erstens frag ich mich, wer der Polizei was gesteckt haben soll – die Satanisten sind alle tot, Lady Alexander ist spurlos verschwunden, der Tankwart ist zwar auch noch auf dem Anwesen rumgeturnt (und hat Bill erschreckt), aber der ist ja auch nur ein Geist (jedenfalls sprechen zwei Bullen, als sie bei der nun plötzlich verlassenen Tankstelle eine Pause einlegen, davon, dass der Besitzer schon seit Jahren tot sei). Zweitens kommen mir unsere Helden nicht besonders hippiemässig vor (klar, die Frisuren sind beschissen und die bunten Hemden – natürlich stilecht aufgeknöpft getragen – fürchterlich, aber das scheint mir für die 70er-Jahre noch verhältnismässig „normal“ zu sein).

Naja, ist auch egal, Hauptsache, man befindet sich in Sicherheit… ODER ETWA DOCH NICHT? Jedenfalls endet Bill plötzlich als blau angelaufene Leiche im Wandschrank (akute Schlumpfitis mit tödlicher Folge) und schneidet sich Gitarren-Heini Fred mit dem Rasiermesser die Kehle durch (mit dem Apparat wäre das nicht passiert). Jane macht sich mit einem fiesen Grinsen verdächtig, Joe reagiert voller Entsetzen, nimmt sich ein Motorrad sowie das Mädel und haut mit beidem in den nächsten Wald ab, um sich dort nach einem gemütlichen Spaziergang mit Jane ins Gras zu legen und mit ihr zu machen, was junge Leute heutzutage wohl „Rummachen“ nennen. Als er dann auf einmal halluziniert, dass Jane eine skelettierte Fresse hat, flüchtet er Hals über Kopf mit dem Motorrad, fährt in einen Fluss und säuft ab (hätt’ er mal schwimmen gelernt).

Jane landet daraufhin im Irrenhaus, wo sie eines Tages Besuch von der geisterhaften Lady Alexander kriegt und von dieser mit dem Messer abgestochen wird. Ende.


Inhalt

Tja. Gross einen Kopf um eine nachvollziehbare, durchdachte Geschichte hat sich hier augenscheinlich keiner gemacht, dabei stand doch, wie gesagt, ein Triumvirat von Drehbuchautoren zur Verfügung, das im italienischen und spanischen Billigkino dick im Geschäft war:
José Gutiérrez Maesso schrob bei „Django“ oder „Teufelscamp der verlorenen Frauen“ mit, Leonardo Martín war Co-Schreiberling bei zwei „Agente 077“-Streifen oder Bruno Corbuccis „Alle für einen – Prügel für alle“ (schöner Teutonen-Titel). Mario Bianchi hatte vorher zugegebenermassen erst ein Skript verfasst, wurde später aber sogar noch beschäftigter Regisseur (vor allem im, ähm, erotischen Bereich) und hat der Welt unter anderem „Sexorgien im Satansschloss“ geschenkt.
Trotz dieser geballten Autoren-Power macht die Geschichte ums Verrecken keinen Sinn: Hatte die Dämonen-Kette jetzt was mit den Satanisten zu tun, oder war das blosser Zufall? Weshalb hat Jane eine vorgreifende Vision von Bills Leiche, als er ihr das Ding anlegt? Wieso scheint es ihr Schmerzen zu bereiten, als sie runter in den Keller geht, so dass sie es sich vom Hals reissen muss? Aus welchem Grund drehen die Satanisten so durch, als Bill und Co. das Ritual unterbrechen? Weshalb versteckt sich Bill, als unsere Freunde nach ihrer Flucht aus der Villa einer Polizei-Patrouille begegnen? Weshalb haben unsere Helden Schuldgefühle (die Satanisten haben schliesslich angefangen und sich selbst umgebracht)? Wie ist Bill ums Leben gekommen und wieso ist er dabei blau angelaufen? Kommen die Continuity-Blödheiten hinzu (das „vergessene“ Geld, der plötzlich wieder laufende Strandbuggy). Das alles kann man sich nur noch schwerlich als Teil einer „albtraumhaften Atmosphäre“ schönreden.

Grundsätzlich nicht allzu geschickt ist die dramaturgische Struktur des Films: mit dem blutigen Ende der Schwarzen Messe ist der singuläre Höhepunkt des Streifens bereits zur Halbzeit abgehandelt, was folgt, ist eine lasche Zehn-, äh, Vier-kleine-Negerlein-Routine ohne Payoff – irgendwann sind halt alle tot, Ende. Wieso kein grosses Finale mit einem Zweikampf gegen Lady Alexander? Aber das hätte ja interessant werden können…
Bill hätte sich wunderbar als Final Boy angeboten, wird dann aber von unseren vier Protagonisten gleich als erstes aus dem Spiel genommen. Danke auch. Der Streit mit Joe um Jane, die Probleme mit seiner Mutter, die ihren Sohn bevormundet und seinen Vater mit dem Buchhalter betrügt, die Schwierigkeit, von seinen Freunden nicht bloss als reicher Schönling eingeschätzt zu werden – alles für die Sockenschublade.

Der Spanier Tony Isbert (bis heute in Film und Fernsehen unterwegs, zu sehen in „Fist Fighter“, „The Riff“ oder „Immortal Sins“), so eine Art Aushilfs-Helmut-Berger („Das Bildnis des Dorian Gray“), wär auch sympathischer gewesen als Máximo Valverde („Der Teufel kennt kein Halleluja“, „Haie am Todesriff“) in der Rolle des Joe, der nach Bills und Freds Tod als einziger männlicher Protagonist übrig bleibt.
Giovanni Petrucci („Die Rache des Spartacus“, Sartana – Töten war sein täglich Brot) hingegen hat einfach nicht besonders viel zu tun (ausser ab und zu auf seiner Gitarre rumzuspielen, und das auch nur, bevor er das Instrument in der Villa Alexander vergisst) und Jane, gespielt von Camille Keaton (die vorher beim „Geheimnis der grünen Stecknadel“ mitmachte und später mit „Day of the Woman“, auch bekannt als „I Spit on Your Grave“, so richtig berühmt wurde, bevor ihre Karriere mehr oder weniger versandete), tja, die ist bis dahin halt bereits zur Bösen-Fraktion gewechselt – bin mir jetzt aber auch nicht ganz sicher, weshalb. Ist sie von dem Dämon aus der Halskette besessen? Oder von Lady Alexander? Wie auch immer, schauspielerisch beschränkt sie sich jedenfalls darauf, relativ ausdruckslos bis dümmlich aus der Wäsche zu gucken.

Apropos Lady Alexander: da haben wir eben Ex-Bondgirl Luciana Palouzzi („Die unglaublichen Abenteuer des Herkules“, „Thunderball“, Der heiße Tod), die immerhin angemessen böse rüberkommt. In einer kleinen Nebenrolle als Stan Luis, den Tankwart, tritt der 1980 verstorbene José Calvo („Für eine Handvoll Dollar“, „Wir, die Trottel vom 12. Revier“) auf.
Alles in allem kann man immerhin sagen, dass einem keine der Knalltüten auf die Nerven geht, aber grosse Schauspielkunst und Charisma in Tüten sucht man vergebens.

Übrigens, was die Charakternamen angeht: der Film gibt natürlich vor, in England zu spielen; da sind dann auch die Polizeiautos „Police“ angeschrieben und untersucht Scotland Yard die Morde. Die Drehorte machen trotzdem einen sehr mediterranen Eindruck. Tja. Schon von den Edgar-Wallace-Streifen her ist man sich so was beispielsweise gewohnt, mit „Das Gesicht im Dunkeln“ hatte Freda bereits selbst so einen Streifen inszeniert…

Was die Inszenierung hier anbelangt: Kameraführung und Schnitt sind von der eher kruden Sorte. Es gibt zwar immer wieder kurze Kamerafahrten, ungewöhnliche Kamerawinkel oder hübsch atmosphärisch ausgeleuchtete Einstellungen (Highlight ist in der Hinsicht wohl die Treppe in den Keller runter, mit dem eindrücklichen Zwielicht und den wallenden Vorhängen), die überzeugen und guten alten klassischen Horror evozieren. Ansonsten herrschen aber Anschlussfehler (da verschwindet schon mal eine Zigarette im Maul von der einen zur nächsten Einstellung), Handkamera-Geruckel (am schlimmsten bei der Motorradfahrt über die Waldwege), wirrer Schnitt (zwei Rückblenden aus Bills Perspektive muss man erst einmal als solche erkennen und Janes Vorblende auf seine Leiche verwirrt mehr als was anderes) und seltsame Blickwinkel (da wird z.B. Jane durch so einen dreifachen Kerzenhalter hindurch gefilmt).
In Sachen Tempo überschlägt sich der Film nicht gerade, hier nimmt man’s noch so richtig schön gemütlich und Szenen werden regelmässig zwei- bis dreimal so lange ausgewalzt, wie nötig wäre: ständig wird überflüssiger Blödsinn geschwätzt und geht oder fährt man ewig lange in der Gegend rum. Auch die Auflösung der Teufelsmesse scheint gar nicht mehr aufhören zu wollen.

Wenigstens über die Effekte kann man sich freuen: der Film läuft denkbar harmlos an, wenn die Satanisten sich dann aber gegenseitig massakrieren, wird abgestochen, erschossen (gern in den Kopf) oder enthauptet, dass es eine wahre Freude ist; da haben sich in die eher traditionelle Geschichte ein paar Anleihen an den damals aufkommende Splatterfilm verirrt. Höhepunkt ist die Spaltung eines Schädels mit dem Schwert – die Filmemacher selbst waren von der Einstellung offenbar derart begeistert, dass sie diese in einem Flashback Janes gegen Ende satte viermal wiederholen. Danach wird’s wieder merklich ruhiger, abgesehen von Freds „Selbstmord“ und Janes skelettiertem Unterkiefer (über Bills Schlumpfitis hüllen wir den Mantel des Schweigens). Das alles ist halbwegs anständig und schön krösig gewerkelt, manchmal aber schon sehr durchschaubar. Da eher selten lange draufgehalten wird und die Effekte zurückhaltend über den Film verteilt werden, würde ich alles in allem nicht von beinhartem Goreschmodder reden. Verantwortlich war übrigens Carlo Rambaldi, der auch bei „Bloody Pit of Horror“, Femina Ridens, „Flesh for Frankenstein“ und „Blood for Dracula“, dem 1976er „King Kong“ oder gar „Alien“ rumgesuppt und mitgeholfen hat.
In Sachen Nudity gibt’s übrigens Null, Nada, Nüsch (höchstes der Gefühle ist, dass Tony Isbert mit freiem Oberkörper rumläuft), worüber ich sehr ungehalten bin. Zu meinem Pech scheint es durchaus eine freizügigere Fassung zu geben; was ich hier vorliegen habe, ist entweder gekürzt, oder damals wurde für Spanien (und nur die spanische Fassung hab ich hier vorliegen) in böser Absicht eine entschärfte Alternativfassung hergestellt (vgl. beispielsweise Sumpf der lebenden Toten). Buh!

Komponisten-Legende Stelvio Cipriani („Femina Ridens“, „A Bay of Blood”, „Blindman“, Papaya – Die Liebesgöttin der Kannibalen, „Orgasmo nero“, „Großangriff der Zombies“) schrob für den Film ein paar hübsche, melancholische Klänge, die mitunter zwar etwas dick auftragen, dafür aber überhaupt nicht zu den Spannungs- und Horror-Szenen passen.

Die DVD des australischen Labels Shoarma Digital (Code 0) wartet mit keinerlei Bonusmaterial auf und Bild- sowie Tonqualität sind nur mit „beschissen“ hinreichend zu beschreiben. Offensichtlich wurde die Fassung von einem abgenudelten Videoband gezogen, dementsprechend matschig nimmt sich das audiovisuelle Gesamterlebnis dann auch aus. Beim Pan & Scan ging zudem Bildinformation an den Seiten verloren – Originalformat soll ja 1.85:1 sein, präsentiert wird der Film in 4:3-Vollbild (wirklich auffallen tut’s allerdings nur bei Vor- und Abspann). Ton gibt’s bloss in der spanischen Sprachfassung, englische Untertitel sind anwählbar.
Beim Abspielen gibt’s ein paar Probleme: in meinem DVD-Player bleibt die Scheibe ungefähr nach einer halben Stunde etwas hängen und läuft für so zwei Minuten nur unter Ruckeln, auf dem Computer hat sich das Ding bloss mit scharf angedrohter Gewalt dazu überreden lassen, überhaupt zu laufen. Naja, die DVD stammt aus einer Secondhand-Kiste, vielleicht hat der Vorbesitzer Frisbee damit gespielt. Jedenfalls soll die US-Scheibe von Dark Sky Films in jeder Hinsicht besser sein.

Fazit: „Tragic Ceremony“ ist klassischer gothischer Horror mit ein paar Spritzern der damals aufkommenden Splatter-Welle. Insgesamt plätschert das eher krude inszenierte Ding relativ träge vor sich hin; dramaturgisch geht der Streifen spätestens in der zweiten Filmhälfte krachen und die Story ist insgesamt keinen Pfifferling wert. Immerhin wird’s nie so richtig langweilig und die Splattereffekte sowie einzelne gestalterisch hübsche Einstellungen retten durchaus über die Laufzeit. Alles andere als ein Muss oder ein unbedingt empfehlenswerter Geheimtipp, aber für Fans von europäischer Horror-Grütze nicht ganz uninteressant.

3/5
(c) 2009 Gregor Schenker


mm
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