Tote faulen in der Sonne

 
  • Deutscher Titel: Tote faulen in der Sonne
  • Original-Titel: Un posto all'inferno
  • Alternative Titel: Soldier II | Soldier 2 - Tote faulen in der Sonne | A Place in Hell | Raiders of the Bloody Beach |
  • Regie: Giuseppe Vari (als Joseph Warren)
  • Land: Italien
  • Jahr: 1969
  • Darsteller:

    Guy Madison (MacGraves), Maurice Poli (Mario, als Monty Greenwood), Hélène Chanel (Betsy), Sandro Korso (Sergeant), Claudio Biava (Stanton), Fabio Testi (Ross), Gino Turini (Trevor), Derrick Williams (Jim), Lilia Neyung (Esperanza)


Vorwort

Südostasien im Zweiten Weltkrieg – US-Marine-Kriegsberichtserstatter MacGraves will in Manila eigentlich nur seinen Alkoholpegel stark erhöhen und aufgestauten Samenüberdruck abbauen, doch just als er voll wie die sprichwörtliche Strandhaubitze über Nutte Betsy steigen will, fällt es den Japanern bei, die Stadt zu bombardieren. Die Dirne im Schlepptau rettet MacGraves sich auf das Boot des GI Mario, der nur unterwegs war, um für eine Marinebasis auf einer Nachbarinsel ein paar Besorgungen zu erledigen.
Dort angekommen stellt das ausgenüchterte Trio fest, dass die Söhne Nippons auch hier bereirs das Kommando übernommen haben, stößt aber auf ein paar US-Überlebende, sprich Kameraden von Mario. Dass im Eifer des friendly-fire-Gefechts Betsy sich fatalerweise einige zusätzliche Körperöffnungen zuzieht, wird achselzuckend hingenommen. Krieg ist halt nix für Mädchen.

Nachdem es dem Sprengel gelungen ist, einige amerikanische Gefangene zu befreien und sich noch mit dem britischen Offizier Rodney und seinen einheimischen Helfern verstärkt hat, muss MacGraves, zwar nur Schreiberling, aber dank seines Majorsrangs dummerweise ranghöchster Offizier, ein paar Entscheidungen treffen – z.B. die, dem Briten bei seiner Mission zu helfen, auch wenn die eher japanische Züge hat, will meinen, Kamikaze-artig anmutet. Die Amerikaner bastelten auf der Insel nämlich an einer extrem leistungsfähigen Radaranlage und wenn die den Japsen in die Hände fallen würde, wäre dies begreiflicherweise für den weiteren Verlauf des Pazifikkrieges für die Allierten recht unschicklich. Auch wenn MacGraves bunte Truppe durchaus primär daran interessiert ist, ihre jeweiligen Astralkörper möglichst rasch von der Insel zu subtrahieren, gibt’s ja noch sowas wie Soldatenehre. Die Japaner sehen das deutlich weniger entspannt…


Inhalt

Die „Gold Collection“ von Great Movies/Best/NUM (wie immer sich der Laden momentan auch nennen mag), die so manchen Supermarktgrabbeltisch belebt, nimmt es sicherlich gerne in Kauf, dass der Käufer solcher Ware nicht der größte Filmexperte der Welt ist und die OFDb entgegen jeglicher Notwendigkeit (speziell eben im Umgang mit Grabbeltischware) nicht auswendig gelernt hat. Was sich mit dem Titel „Soldier 2“ und einem recht neu wirkenden Coverfoto tarnt, ist natürlich nur ein vierzig Jahre alter italienischer B-Kriegshobel und mitnichten und -neffen die Fortsetzung des Kurt-Russell-SF-Actionfilms oder auch nur des von Great Movies/Best/NUM (wie auch immer) unter dem Titel „Soldier“ vermarkteten Mel Gibson-Frühwerks „Die grünen Teufel vom Mekong“.

Für uns hartgesottene badmovies-Kucker ist ein solcher – für unsereins leicht durchschaubarer – Etikettenschwindel natürlich eher ein Kaufgrund denn ein Hindernis. Schnell hingeschluderte italienische B-Ware hat ja meistens gelinden Unterhaltungswert. Unser heutiges Prachtexemplar hörte in seiner Zeit auf den poetischen Titel „Tote faulen in der Sonne“ (das ist dem heutigen Publisher immerhin noch den Untertitel wert) und stammt aus der Werkstatt des Produzentenduos Francesco Giorgi und Antonio Lucatelli, das der Welt auch Gassenhauer wie „Django – sein Colt singt sechs Strophen“ oder „Todeskommando Tobruk“ bescherte, insgesamt aber ein überschaubares Ouevre zu verantworten hat (goldene Kokslöffel haben sich die Herrschaften offenkundig nicht verdient).

Drehbuchautor Adriano Bolzoni hingegen ist ein Mann nach dem Geschmack des badmovies-Freunds. Er schrieb schon Knaller wie Brenno der Barbar, „Hermann der Cherusker – Die Schlacht im Teutoburger Wald“, den Che-Guevara-Exploiter Che Guevara – Stosstrupp ins Jenseits, zwei „Plattfuss“-Filme, den großartigen Trashklopper „Kampf um die 5. Galaxis“ und „Beyond Justice“ (mit dem stellaren Cast Rutger Hauer, Carol Alt, Kabir Bedi, Omar Sharif und Elliot Gould). Da könnte man durchaus mit einem Feuerwerk unfreiwilligen Humors rechnen…

… und stellt fest, dass die Italiener nach Kräften versuchen, seriös zu amtieren und potentes Drama zu servieren. Wie konnte jetzt das wieder passieren? Nun, es liegt wohl daran, dass Bolzoni – wie auch immer er auf die Idee kam – mal versehentlich einen ziemlich interessanten Charakter in den Mittelpunkt stellt. MacGraves ist eine Art Hemingway-Figur, ein Schriftsteller-slash-Abenteurer, der im spanischen Bürgerkrieg mit den Republikanern gegen die Faschisten kämpfte, dem Alk und den Frauen zugetan ist (durchaus in dieser Reihenfolge) und während des japanischen Angriffs auf Manila erst mal graphisch Betsy vor die Füße kotzt; ein kantiger Charakter, der denkbar ungeeignet ist, im Kriegs- und Krisenfall ein Kommando zu übernehmen und diese Einschätzung auch persönlich voll und ganz unterschreiben würde (quasi seine erste „Amtshandlung“ auf der Insel ist es, die Feldflasche eines getöteten Japaners auf Alk-Bestände zu untersuchen und den vorgefundenen Sake mit „besser als nichts“ zu quittieren), aber halt blöderweise ehrenhalber für seine Reportagen im Marine-Auftrag einen Rang ehrenhalber verliehen bekommen zu haben und nunmehr in einer Gruppe von Gefreiten und Sergeanten ranghöchster bis einziger Offizier zu sein.
Es bleibt ihm schlicht nichts anderes übrig, als Verantwortung zu übernehmen; zunächst „nur“ für die kleine Gruppe überlebender US-Soldaten, später praktisch für den Kriegsausgang schlechthin; aus dem Hallodri, der am Krieg kein wirkliches persönliches Interesse hat, muss im Eildurchgang jemand werden, von dessen Aktionen eine beträchtliche Anzahl Leben abhängt. Und so macht der kettenrauchende kotzende Alkoholiker vom Filmbeginn im Verlauf der neunzig Filmminuten (107, hätte man die italienische Originalfassung vor sich) einen Reifeprozess durch. Bolzoni versucht, auch im supporting cast den ein oder anderen Akzent zu setzen (Jim, der einzige Schwarze in der Gruppe, hält sicherheitshalber praktisch alles für eine rassistische Verschwörung), schafft es aber nicht, dieses Konzept, quasi ein „character drama“ im Gewand eines Kriegsfilms aufzubauen, komplett durchzuziehen – zumal er später mit dem britischen Offizier mit klischeehaftem Empire-Habitus eine Figur einbaut, die nahe am Cartoon liegt. Der in Shorts durch den Busch marschierende Gentleman kollidiert mit dem Versuch, die ein oder andere tiefschürfende Erkenntnis über Sinn oder Sinnlosigkeit des Krieges zu erbringen und Konflikte innerhalb der Soldatenriege aufzuzeigen – man ergibt sich dann doch relativ schnell dem Kriegsfilmklischee; MacGraves ‚ Charakter-Reise verläuft dementsprechend zu linear, auch wenn theoretisch der britische „by-the-book“-Soldat ein brauchbarer Kontrapunkt zu MacGraves überfordertem Zufalls-Befehlshaber sein könnte.

Regisseur Giuseppe Vari alias „Joseph Warren“, der nach einigen unbedeutenden Dramen ab 1960 im Sandalen- und Spaghetti-Western-Bereich tätig war und sich nach einer zehnjährigen Pause 1987 mit dem unsäglichen Endzeitschlonz „Urban Warriors“ (den dringlich mal jemand auf ’ne DVD klatschen sollte, postuliert er doch, dass die Menschheit nach dem Dritten Weltkrieg innerhalb von ACHT STUNDEN eine Mad-Max-Barbaren-Biker-Kultur aubaut) in die Rente verabschiedete, müht sich redlich, aber einigermaßen erfolglos um eine recht flotte Inszenierung, deren Schwachpunkt ironischerweise die in regelmäßigen Abständen gesetzten Actionsequenzen sind; die bestehen nämlich überwiegend daraus, dass unsere Helden ihre Wummen in die grobe Richtung einer japanischen Kolonne halten und die gelben Statisten mehr oder weniger überzeugend tot umfallen – dynamisch aufgebaute Action sieht anders aus, aber in den guten alten 60ern wusste das ja noch kaum jemand (die hatten ja auch nix anderes). Dazwischen wird eifrig durch einen recht aufgeräumten Urwald marschiert und werden Männergespräche geführt (als Frau hat man’s in diesem Film nicht leicht – Betsys „friendly-fire“-Abgang hat schon etwas geradezu spektakulär zynisches, insbesondere die Reaktionen bzw. der Mangel an solchen bei den übrigen Beteiligten, und wie hoch die Chancen sind, dass Esperanza, des Briten einheimisches Helferlein, den Nachspann erlebt, kann sich der Genrekenner sicher auch an seinen neun Fingern abzählen), hin und wieder ein Blick zu den Japanern geworfen und bei aller gelbe-Gefahr-Dämonisierung zumindest beiläufig darauf hingewiesen, dass auch die Schlitzaugen irgendwie Menschen sind (und sich z.B. an der Brauqualität amerikanischer Gerstensafterzeugnisse erfreuen können). Gelegentliche humoristische Auflockerung durch den ein oder anderen flotten Spruch wechselt sich mit zu erwartendem Soldaten-Pathos und Heldentodgehabe ab.
Das ist für die Verhältnisse eines billigen Italo-Schotterfilms gelegentlich recht frisch fotografiert (Kameramann Stelvio Massi bearbeitete etliche Western wie „Beichtet, Freunde, Halleluja kommt“, „Sartana – noch warm und schon Sand drauf“ oder „Django – Ein Sarg voll Blut“, ging aber auch unter dem schicken Pseudonym Max Steel unter die Regisseure und fabrizierte u.a. den Joan-Collins-Skandälchenfilm „Die Zuhälterin“, „Black Cobra“ und einige unverlangte „Mondo Cane“-Nachzieher), da wird schon mal ein dutch angle verwendet und in Richtung aufs Finale hin mal eine recht ungewöhnliche POV-Sterbeszene ausgepackt. Ebenfalls Richtung Ende erlaubt sich Vari, mit der Erwartungshaltung des Zuschauers zu spielen und eine extrem langsame (bei manchen Gemütern sicherlich nervtötende) Sequenz einzubauen, in der Esperanza über fünf-sechs Minuten hinweg dialogfrei ein sprichwörtlich leerstehendes Dorf durchsucht (es hätte mir besser gefallen, wenn Vari nicht dann doch der Versuchung erlegen wäre, eine Ballerszene anzuschließen – mal mit einem soliden Stilbruch zu enden, wäre speziell für einen italienischen Heuler bemerkenswert gewesen. Nicht notwendigerweise gut, aber zumindest bemerkenswert).

Der Score von Roberto Pregadio (der später eigentlich nur noch unterbelichteten Exploitation-Trash wie diverse SS-Lager-Filme, „Black Emanuelle“-Kappes, „Gunan – König der Barbaren“ oder „Mondo Cannibale 3“ beschallte) ist gefällig und für 1969 mit Analog-Synthisizer-Klängen überraschend modern.

Der Bodycount ist immens (die Anzahl der niedergemachten Japaner dürfte locker ins Dreistellige gehen), aber wie bei einem End-60er-Produkt kaum anders zu erwarten, nahezu völlig ungraphisch, für sichtbare Schusswunden reicht’s nur in Ausnahmefällen.

An der Schauspielerfront rettet Guy Madison, einer der ersten US-Stars, der sich in Europa bzw. Italien eine solide Karriereverlängerung erarbeitete (Frauen für die Teufelsinsel, „Die Rache des Sandokan“, „Der Sohn des Django“, „Höllenkommando“) einiges – er hat die wettergegerbte Ausstrahlung eines sich selbst gegenüber rücksichtslosen Abenteurers, aber auch die joviale Leutseligkeit und die Fähigkeit, im Bedarfsfalle auf „ernst“ umzuschalten. Im Kontext italienischer B-Kriegsfilme eine gute Performance, die etwas mehr Drehbuchfutter verdient gehabt hätte.
Maurice Poli („Das Superding der sieben goldenen Männer“, „Wolfsblut“, „Papaya – Liebesgöttin der Kannibalen“, „Söldner der Apokalpyse“), Sandro Korso („Io, Emmanuelle“ – die erste offizielle Emmanuelle -Adaption mit Erika Blanc in der Titelrolle) und der vielbeschäftigte Fabio Testi („Das Phantom im Mädchenpensionat“, „Die Rache der Camorra“) amtieren für Genreverhältnisse passabel, aber nicht denkwürdig.
Hélène Chanel („Cjamango“, „Kampf um Atlantis“) wird rasch abserviert, hat bis dahin kaum Gelegenheit, sich auszuzeichnen; ihre „Nachfolgerin“ als offizielle Frau-im-Film, Lilia Neyung („Der Sarg bleibt heute zu“, „James Tont operazione U.N.O.“), darf die Klischeerolle der einheimischen Verbündeten spielen, macht sie ganz patent, aber eben auch nicht überwältigend einprägsam.

Bildqualität: Der 2.35:1-Letterbox-Print (non-anamorph) läss sich prinzipiell auch auf Flatscreen-Breitformat aufblasen, ist aber insgesamt eher schauderhaft ausgefallen – verschwommen, unscharf, nachzieherintensiv, schwankend in der Farbtreue. Nun ja, man soll sich solchen Kram eben doch nicht auf der Hightech-Glotze reinziehen…

Tonqualität: Ausschließlich deutscher Ton in Dolby Digital 2.0. Brauchbar, aber auch nicht mehr.

Extras: Eine Bildergalerie.

Fazit: Im Kontext italienischer Kriegsfilme macht sich „Tote faulen in der Sonne“ beinahe manierlich. Autor Bolzoni und Regisseur Vari versuchen zumindest, nicht nur die üblichen Genreklischees herunterzuleiern, sondern den ein oder anderen interessanten Charakter in die ein oder andere Situation zu bringen – jou, man nimmt ihnen letztlich die per voice-over drübergeklatschte Antikriegs-Botschaft nicht ab (aber welchem Kriegsfilm, der sich eine solche Message alibihalber umhängt, tut man das schon?), jau, die Actionszenen selbst ziehen die Wurst nicht vom Teller, und doch… ich fühlte mich nicht völlig un-unterhalten, was hauptsächlich an der sympathisch-knurrigen Vorstellung von Guy Madison liegt. Für ’ne Weiterempfehlung reicht’s dann aber doch nicht, dafür verschenkt der Streifen sein Potential zu unnötig. Genre- und Italo-Komplettisten oder Guy-Madison-Fans dürfen reinkucken, der Rest sollte die Scheibe in der Grabbelkiste liegen lassen…

2/5
(c) 2012 Dr. Acula


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