Top Fighter 2

 
  • Deutscher Titel: Top Fighter 2
  • Original-Titel: Top Fighter 2 - Deadly Fighting Dolls
  •  
  • Regie: Toby Russell
  • Land: Großbritannien
  • Jahr: 1996
  • Darsteller:

    Shenagh Cameron (Narrator), Sophia Crawford, Kara Hui, Judy Lee, Moon Lee, Kathy Long, Elaine Lui, Angela Mao, Michiko Nishiwaki, Cynthia Rothrock, Lingfeng Shangguan, Lin Tung, Michelle Yeoh, Pan Pan Yeung, Yukari Oshima u.a.


Vorwort

Wenn es ein Gebiet gibt, auf dem der asiatische (speziell der aus Hongkong und Taiwan stammende) Actionfilm seinem westlichen Äquivalent etwas voraus hat, dann, dass Frauen als kapable Kämpferinnen dort schon viel länger ernst genommen werden – bereits Ende der 60er Jahre schickten Regisseure wie King Hu talentierte weibliche Stars ins Rennen – kein Wunder, denn die harte Schule der chinesischen Oper machte und macht in ihrem eisernen Regiment wenig Unterschied zwischen Männlein und Weiblein; Akrobatik und das Nachstellen von Kampfszenen sind traditionelle Elemente der chinesischen Oper, also hatten auch Absolventinnen der knochenharten Ausbildung mit ihren 16-Stunden-Trainingstagen ein mehr als solides Fundament, um im swordsplay- und später, mit Bruce Lees Durchbruch, auch im Kung-fu-Film Fuß zu fassen bzw. Hand- und Fußkante zu schwingen.


Inhalt

Toby Russell, der Martial-Arts-affine Sohn von Skandalregisseur Ken Russell, der für das von mir immer noch als Bootleg-Klitsche eingeschätzte „Eastern Heroes“-Videolabel zwei Tape-Magazine realisierte und später für die BBC eine sechsteilige Martial-Arts-Dokureihe namens „Stop! Kung-Fu!“ drehte, setzt den taffen Ladies aus Fernost (und einigen ihrer westlichen Kolleginnen) ein Denkmal, nachdem er ähnliches mit der Dokumentation „Top Fighter“ schon für die männlichen Kampfsportfilmikonen getan hatte.

Bei „Top Fighter 2“ handelt es sich um eine Low-Budget-Doku – größtenteils werden Filmausschnitte aus sprichwörtlich Dutzenden mehr oder weniger einflußreicher Martial-Arts-Klassiker präsentiert, dazwischen gibt’s kurze Interviews mit einigen der beteiligten Damen; ein simples, aber im Normalfall auch ausreichendes Format, dem allerdings ein wenig der durchgängige Narrative fehlt. Sieht es anfangs so aus, als würde sich Russell um eine chronologische Aufarbeitung des „femme-fatale“-Genres (das in Übersee immer populärer war als in der asiatischen Heimat) kümmern, verliert er diesen Fokus mit fortschreitender Laufzeit aus den Augen; da nimmt er plötzlich einen Schwenk, um en bloc die großen „ausländischen“ Genre-Stars wie Yukari Oshima (alias Cynthia Luster), Cynthia Rothrock oder Sophia Crawford einzuführen, springt dann wieder zurück in die frühen 70er, um Angela Mao ausgiebig zu würdigen (was gewiss kein Fehler an sich ist) – es wirkt, je länger der Film läuft, ein wenig wirr, sinnfrei montiert, so, als hätte man das Angela-Mao-Interview erst spät im Produktionsprozess bekommen und dann einfach ans Ende des schon zusammengebauten Films angetackert. So verpasst die Doku die Chance, die Entwicklung der Frauenrollen und ihrer speziellen Kampffähigkeiten im HK-Actionfilm wirklich schlüssig darzustellen.

Macht aber auch nicht so viel, weil die vorgeführten Clips wirklich eine wahre Fundgrube sind und teilweise – das ist das Kuriosum der Filmdokumentationen an sich – FSK-16-freigegeben Szenen zeigen, die teilweise in den hierzulande regulär (und zumeist ab 18 freigegebenen) Fassungen fehlen (so z.B. bei einem kurzen Clip aus Straflager der Geschändeten oder einem ziemlich, ähem, legendären Fight aus „Escape from Brothel“, den Sophia Crawford komplett nackt bis auf die Knochen bestreitet, den die meisten internationalen Fassungen nicht beinhalten). Von klassischem swordsplay über wing-chung-Kung-fu traditioneller Machart bis zu moderner femme-fatale-Action Marke „Iron Angels“ oder „Lady Hunter“ wird alles geboten, mal in kurzen Clips, mal in voll ausgespielten Szenen (der Film verabschiedet sich dann auch mit der kompletten, gut acht Minuten langen Showdown-Sequenz aus dem Judy-Lee-Klassiker „Queen Boxer“), da ist für jeden was dabei, von der eleganten Poesie der King-Hu-Filme, der athletischen Leichtigkeit und Akrobatik des 70er-Kung-fu-Booms bis hin zu den explosiven, beinharten und gelegentlich auch schusswaffenhaltigen Auseinandersetzungen des zeitgenössischen Actionfilms. Wenn man über die Auswahl der Filmclips nicht meckern kann und sollte (wenn auch natürlich der durch „Tiger & Dragon“ angefachte Boom des traditionellen wuxia-Kinos fehlen muss, weil die Doku nun auch schon ein paar Jahre auf dem Buckel hat), muss man allerdings stark kritisieren, dass die Produzenten es nicht geschafft haben, die Clips zu identifizieren – wenn nicht die (größtenteils ausgesprochen gelangweilt klingende) Erzählerin (ich gehe hier von der O-Ton-Version aus) zufällig gerade erwähnt, welchen Film wir gerade ausschnittsweise genießen dürfen, fehlt jegliche Information, keine Einblendung des Filmtitels, keine Aufzählung im Nachspann, gar nichts, was sehr schade ist, da „Top Fighter 2“ ansonsten wunderbar als Einkaufsliste für den casual fan, der nicht jeden Shaw-Brothers-Film von 1971 anhand zweier herumstehender Nasen sofort namentlich benennen kann, fungieren könnte (es gibt z.B. gleich am Anfang einen weiteren full-frontal-nudity-Kampf aus einem traditionellen Eastern, den ich mir sofort beschaffen würde, wüsste ich, nach was ich suchen müsste). Für eine Dokumentation, die sich ja als Hommage an und Abhandlung über ein wirklich nicht gerade übersichtliches Genre versteht, ein herbes Manko, das den praktischen Nutzwert stark einschränkt.

Die Interviews sind eine hit-or-miss-Angelegenheit – wie schon bei den „Eastern Heroes Video Magazines“ stört, dass die Aufnahmen offensichtlich oft mit miesem Equipment gedreht und nicht nachgearbeitet wurden; da fällt es teilweise schwer, aus den Nebengeräuschen (wenn Russell und der zu interviewende Star sich in einem öffentlichen Restaurant o.ä. getroffen haben) die Statements tatsächlich zu verstehen, was eh schon schwer genug ist, weil die wenigsten asiatischen Schauspieler in verständlichem akzentfreien Englisch parlieren, sondern eher mühselig radebrechen; da wäre es sinnvoller gewesen, die Damen, die der englischen Sprache nicht in dem Maßen mächtig sind wie es Michelle Yeoh oder Elaine Lui sind, auf Chinesisch (oder eben Japanisch) reden zu lassen und zu übersetzen (bei einigen Segmenten, in denen den Stars sprichwörtlich die Worte fehlen, hat man das dann auch so gehandhabt. Warum also nicht durchgängig?). Abhängig von der Sprachbegabung der Aktricen schwankt auch der Informationswert – teilweise gibt es interessante Einblicke in den Trainingsdrill der Peking-Oper, Elaine Lui ihrerseits gibt sich erstaunlich unenthusiastisch und selbstzweifelnd, andere Damen kommen über Allgemeinplätze nicht hinweg und wiederum andere haben einfach zu wenig Zeit für vernünftige Statements (Cynthia Rothrock, die erste „Westlerin“, die sich im asiatischen Kino durchsetzen konnte, kommt geradezu kriminell zu kurz).

In Verbindung mit einigen behind-the-scenes-Aufnahmen (z.B. wenn Yukari Oshima endlos einen „Bauchklatscher“ mit anschließender Rolle und Doppel-Kick wiederholen muss, bis der Director zufrieden ist) und schon fast erschütterenden Stunt-Szenen (Moon Lee rekapituliert einen völlig mißglückten Stunt, bei dem eine Explosion zu früh gezündet wurde, und sie einige Zeit im Krankenhaus verbringen musste, um ihre Hand- und Gesichtsverbrennungen auszuheilen – klare Sache, der Regisseur ließ die Szene so drin, und „Top Fighter 2“ führt sie auch en detail vor) wird jedenfalls deutlich, dass das Leben einer Action-Heldin in Hongkong kein Spaß ist; 24-Stunden-Drehs, keine Stunt-Doubles, gnadenloser Sinn für’s Detail (wie Cynthia Rothrock ausführt, dauert das Drehen einer einzigen Kampfszene in Hongkong schon mal einen Monat), man und auch frau muss aus besonderem Holz geschnitzt sein, um das durchzuhalten – ich schätze, es gibt doch ein paar Jobs, mit denen leichter die Miete zu bezahlen ist. Auf jeden Fall ist es anerkennenswert, dass Russell den Pionierinnen des Genres (Judy Lee, Angela Mao) viel Platz einräumt und reine Exploitation-/Cat-III-Stars wie Amy Yip vergleichsweise stiefmütterlich behandelt.

Zu erwähnen ist noch, dass das deutsche Coverartwork ungeniert lügt – „PRÄSENTIERT VON JACKIE CHAN“ steht da in großen Lettern, und Top-Billing für unser aller Lieblingsjackie gibt’s überdies. Needless to say, dass Jackie Chan mit der Produktion dieses Films weniger zu tun hat als Bill Gates mit einem Hartz-IV-Antrag. Selbstverständlich präsentiert Jackie gar nichts und ist nur einmal kurz als Nebendarsteller einer early-70’s-Produktion im Bild. Ziemlich dreister Etikettenschwindel, der vom deutschen Publisher betrieben wird.

Bildqualität: „Top Fighter 2“ kommt von Great Movies in 4:3-Vollbild, mit gelegentlichen Filmausschnitten in Letterbox. Die Qualität ist freilich stark schwankend, da ich nicht mal darüber spekulieren möchte, von welchen Video- oder Laserdisc-Releases Russell die Ausschnitte zusammengesammelt hat; manches ist im chinesischen Original, manchmal mit Untertiteln, manchmal in englischen Synchronfassungen, teilweise sind die Clips stark ramponiert.

Tonqualität: Wir haben die Wahl zwischen einem nervigen deutschen Off-Sprecher in der Teutonen-Dolby-5.1-Fassung und einer, wie gesagt, recht gelangweilt klingenden Off-Sprecherin in der englischen Dolby-2.0-Version. Ich habe mich nach kurzer Überlegung für die „gelangweilt“-Option entschieden. Die Interviews kranken teilweise unter dem schon oben dargestellten Problem der nicht ausgefilterten Nebengeräusche, die Filmausschnitte sind zum Teil sehr knarzig.

Extras: Immerhin eine Bildergalerie sowie der Trailer auf Russells erste „Top Fighter“-Doku.

Fazit: Das Anliegen ist hehr, die Ausführung medioker – Russells Dokumentation erledigt prinzipiell einen guten Job dabei, die traditionell große Rolle von kämpfenden Frauenzimmern im HK- und Taiwan-Kino anhand der größten Stars des Genres zu beleuchten; die Clips sind gut ausgewählt und zeigen die Ladies von ihrer besten und spektakulärsten Seite, aber die fehlende Identifikation der Clips machen den Film gerade für diejenigen, an die er sich speziell wenden müsste, nämlich eben die Nicht-Experten, die sich hier Anregungen holen könnten, untauglich. Dazu kommen noch die erwähnten Schönheitsfehler bei einigen Interviews. Trotzdem – zum Grabbeltischpreis von 3-4 Euro ist „Top Fighter 2“ eine Investition, bei der auch nur am Rande an battlin‘ babes interessierte Actionfreunde nicht viel falsch machen können. ’s wär halt noch besser gegangen…

3/5
(c) 2009 Dr. Acula


mm
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