- Deutscher Titel: Too Tired To Die
- Original-Titel: Too Tired To Die
- Alternative Titel: Zum Sterben zu müde |
- Regie: Wonsuk Chin
- Land: USA
- Jahr: 1998
- Darsteller:
Kenji (Takeshi Kaneshiro)
Tod/Jean (Mira Sorvino)
Balzac-Mann (Jeffrey Wright)
Fabrizio (Michael Imperioli)
Pola (Geno Lechner)
John Sage (Ben Gazarra)
„Black Soldier“ (Sandra Prosper)
Lulu (David Thornton)
Wahrsagerinnen (Aida Turturro)
Anouk (Hye-Su Kim)
Capri (Gretchen Mol)
Araber (Rizwan Manji)
„White Soldier“ (Bill Sage)
Flughafen-Clerk (Jamie Harrold)
Vorwort
Ich wusste es immer, einmal kommt der Tag, an dem mir wirklich kein einleitender Text mehr für ein Review einfällt. Liegt daran, dass ich – ehrlich gesagt – mit dem Film, als er mir aus dem letzten Paket entgegenpurzelte, nicht wirklich was anfangen konnte. Takeshi Kaneshiro sagt mir zwar was, aber als Wong Kar Wei-Ignorant (nö, ich boykottiere den nicht, nur seine Themen interessieren mich im allgemeinen nicht sonderlich) hatte ich noch keinen der Filme, für die der gute Takeshi (könnte ja jetzt gemeinerweise noch sagen, Beat Takeshi Kitano wäre mir lieber gewesen) bekannt ist (Fallen Angels, Chungking Express) gesehen. Mira Sorvino sagte mir auch was – aber auch die Oscar-Gewinnerin (Mighty Aphrodite, obwohl sich ein Gutteil der Filmwelt einig zu sein scheint, dass der Oscar ausgewürfelt wurde) hatte ich ausser in Mimic nie bewusst geortet. Und mit Wonsuk Chin ist dann auch noch ein Regisseur am Werk, von dem ich nun wirklich noch keine Silbe gehört hatte (kein Wunder, Too Tired to Die is sein erster Film). Die Inhaltsangabe auf dem Waschzettel schien sich auch nicht ganz sicher zu sein, in welche Schublade sie den Streifen denn nun packen sollte. Da hilft dann nur noch eins: mit einem ratlosen Schulterzucken die Scheibe in den Player stopfen und sich überraschen lassen…
Inhalt
Überraschen lassen ist ein gutes Stichwort, denn unser Film beginnt schwarz-weiss und stumm mit einer Texttafel „Es war einmal in Bagdad“ – ein junger Orientale ist im Stil einer klassischen Stummfilm-Verfolgungsjagd auf der Flucht vor einer (reichlich westlichen Zuschnitts seienden und für einen Stummfilm anno 1910 ein bissl zu sexy aussehenden) jungen Frau und ihren zwei Schergen… bevor wir noch Aufklärung erhalten, was es mit der Szene auf sich hat, wacht unser eigentlicher Protagonist, gestört durch´s Piepsen seines Telefons auf – Kenji heisst er und hat den Stummfilm grad eben geträumt (ich kenn das – ich kann mich an einige meiner Träume, mit denen man Psychologen auf Jahre hinaus beschäftigen könnte, erinnern, und abgesehen davon, dass ich ab und zu in Widescreen – inkl. schwarzer Balken – und mit Abspann träume, hatte ich auch schon den ein oder anderen s/w-stumm-Traum. Möglicherweise besagt dies aber auch nicht mehr, als dass ich zuviele Filme sehe). Am Telefon ist Mama Kenji… unser japanischer Freund lebt in New York und gammelt dort mehr oder weniger vor sich hin, Job hat er keinen, aber auch keinen Bock, sich einen zu suchen und seinen Lebensunterhalt bezahlen die mütterlichen Finanzspritzen (hm, auch das kommt mir latent bekannt vor). Mama bedingt sich aber doch die ein oder andere Gegenleistung aus, so z.B. am nächsten Tag den Sohn einer Freundin vom Airport abzuholen und durch New York zu kutschieren. Kenji ist vollauf begeistert, kann aber schlecht nein sagen.
Kaum tritt er vor die Tür, um sein hartes Tagwerk (das, wie´s aussieht, darin besteht, den ganzen Tag in einem Pseudo-Intellektuellen-Cafe´ zu verbringen und Espresso zu schlürfen), wird er von einem arabischen Typen umgerannt, der dem aus seinem Traum auf´s Haar gleicht und der von zwei irgendwie uniformiert wirkenden Skatern verfolgt wird. Kenji wundert sich, geht aber dennoch ins Cafe´, wo er einen Freund treffen will und mit der neuen Aushilfskellnerin angeregte Dialoge über die schmeckbaren Unterschiede von koffeinfreiem und koffeinhaltigem Espresso führt (wieso muss ich bei solchen Dialogen immer automatisch an Pulp Fiction denken?), bis eine hübsche Blondine ins Cafe´ stolpert und noch in der Tür ohnmächtig zusammenbricht. Während das überforderte Bedienpersonal noch brütet, ob das gefallene Mädel nun einen „Krankenwagen oder die Speisekarte“ braucht, spielt Kenji den Helfer in der Not und bietet der Gestrauchelten seinen Entkoffeinierten an (also, ich bin ja nun wirklich kein Kaffeetrinker, aber ich weiss auch, dass wenn der Kreislauf kracht schon ein doppelt Koffeinierter nötig ist). Kenji hält seine neue Herzensdame zutreffenderweise für europäischen Modells, scheitert aber beim munteren Länderraten an der exakten Herkunft – die Gute ist nämlich Deutsche… die Enthüllung dieser Tatsache bringt Kenji munter ins Ramblen über die Vorzüge teutonischer Fussballkicker vom Schlage Rummenigges und Beckenbauers – leider scheint dem guten Japaner niemand erzählt zu haben, dass deutsche Mädchen im allgemeinen Fussball für nur geringfügig interessanter und gesprächswürdiger halten als Fussfäule, Meerschweinchenzüchten und Chip-Tuning von Opel Mantas, so dass die Anmache (und nix anderes isses) auf recht verlorenem Posten steht. Insofern trifft es sich für Kenji nicht ungünstig, dass er den arabischen Rempel-Typen vorbeisprinten sieht und instinktiv seinen Espresso stehen lässt, um die Verfolgung aufzunehmen. Tatsächlich gelingt es ihm, den manierenlosen Dauerläufer zu tacklen, was dessen rollergebladete Verfolger und deren attraktive weibliche Vorgesetzte zu Dankesbekundungen veranlasst – und bei näherem Hingucken ist auch die Frau direkt aus seinem Traum entsprungen… die verklickert ihm, dass auch der Renner ihm zu Dank verpflichtet sei („er war sein ganzes Leben auf der Flucht“) und fragt, „wie wir denn verschwinden sollen“. Ehe Kenji sich noch einen gesteigerten Reim auf die Sache machen kann, vanishen Frau, Rollerblader und Araber into thin air und hinterlassen nur einen hübschen kleinen Schmuckstein.
Kenji macht sich auf zurück ins Cafe´, wo sein deutsches Mädel gerade den Abflug macht und sich immerhin auf sein hartnäckiges Drängen zu einem unverbindlichen Abenddate hinreissen lässt (es muss dieser Abend sein, weil sie morgen zurück nach Paris fliegt). Mittlerweile ist auch Kenjis italienischer (und in der Originalfassung übelst akzentierender) Kumpel Fabrizio eingetroffen und muss über die neuesten herzensbrechenden Aktivitäten seines Buddies unterrichtet werden – dies übernimmt dankenswerterweise Balzac-Man, ein Typ, der mit einem Balzac-Wälzer im Cafe´ sitzt, sich ungefragt als Nacherzähler aufdrängt und dank seines eher photographischen Gedächtnisses die vorherige peinliche Anbaggerszene detailgetreu rezitieren kann (und einen blöden Japaner-Witz von gibt, den nicht mal im Film jemand lustig findet). Fabrizio hat eine 35-mm-Kopie von „James Bond jagt Dr. Nö dabei. „Was ist eigentlich aus Ursula Andress geworden?“ fragt sich Balzac-Man (sie hat Kannibalenfilme gedreht, that is). Ah-ha, gutes Stichwort für Fabrizio, denn weil NIEMAND weiss, was aus Ursula Andress geworden ist, hat er es sich zur Aufgabe gestellt, eine Dokumentation „What ever happened to the Bond Girls“ zu drehen (nicht, dass das irgendwohin führen würde). Kenji will von Balzac-Man wissen, wie das Buch ist… was den Balzac-Man entrüstet – so lange er das Buch nicht fertiggelesen hat, kann er das ja wohl schlecht sagen, oder, um´s grundsatzphilosophischer zu gestalten: „Du wetsst nichts über dein Leben, bis du es gelebt hast“.
Später erzählt Kenji Fabrizio von seinem Traum und der Begegnung mit den Traumgestalten im echten Leben, was Fabrizio für nur bedingt interessant hält, aber ihm gern einen Lubitsch-Film aus der privaten Videokollektion ausleiht („Lubitsch is da king!“). Hypernervös wartet der sichtlich schwer in die Deutsche verliebte Kenji darauf, dass die Stunde des Rendezvous heranbricht, entschliesst sich zu einem Beruhigungsschläfchen und, was soll ich Euch sagen, verpennt… was´n Looooser! Aber Kenji hat mehr Glück als Verstand (was, so wie ich die Sache betrachte, kein allzugrosses Kunststück ist), denn gerade als er frustriert den Treff im Cafe´ wieder verlassen will, taxi´ed die ebenfalls verspätete Germanin (Mooooment! Wir Deutsche sind immer pünktlich! Die wird sofort ent-nationalisiert! Wo kommen wir denn dahin, unser Ansehen im Ausland durch Unpünktlichkeit zu schädigen!) vor und das Date kann doch noch seinen Lauf nehmen. Die geheimnisvolle Traum-Frau und ihre Helfer beobachten die beiden, aber they´ve got other fish to fry: „Wir müssen drei Leute abholen!“
Wer ist die geheimnisvolle Unbekannte? Des Rätsels Lösung ist nicht gar so schwer, wenn wir sie in der Wohnung einer chinesischen Familie auftauchen sehen, deren Oberhaupt nicht total überrascht ist, sie zu sehen, schliesslich „hole ich viele verschiedene Menschen ab“, wie sie sich auszudrücken pflegt. Verrate ich jetzt eine grosse Überraschung, wenn ich Euch versichere, die Dame ist niemand anderes als der Tod persönlich? Vielleicht, aber wohl nicht, denn wenn der Oberchinese sie zu der üblichen symbolischen Schachpartie auffordert, sollte der Groschen auch bei den Langsameren fallen und erst recht, wenn plötzlich ein cooler chinesischer Killer, der aussieht, als sei er versehentlich vom nebenan gedrehten John-Woo-Film auf´s falsche Set marschiert, eintritt, die drei Chinesen (mit´m Kontrabass, SCNR) blutig über ihre jeweiligen Haufen ballert (und sich fröhlich frei aus der Pfanne, mit der man ihn eigentlich k.o. zu schlagen gedenkte, ein wenig finger food abgreift… yep, he IS cool) und sich dafür ein „Gute Arbeit“ seitens der Todes-Lady anhören darf… „Bei deinem Job schätze ich, wir sehen uns bald wieder,“ fügt sie noch hinzu… (jau, auch der Tod ist cool).
Dieweil hat unsere deutsche Freundin Kenji in eine Disse abgeschleppt (oder umgekehrt) und überredet den gesundheitsbewussten Japaner zu seiner ersten Zigarette, bevor der seiner Peinlichkeitsperformance von vorhin noch eins drauf setzen kann und versucht, ihre Geburtsstadt zu erraten. Nachdem er so ziemlich jede deutsche Grossstadt aufgezählt hat, muss sie ihm wieder auf die Sprünge helfen – sie kommt aus… Nürnberg (ja! ja! ja! Mein Lokalpatriotismus fühlt sich voll befriedigt, vor allem, weil ich drei Sekunden vorher dachte „wär lustig, wenn sie aus Nürnberg wäre“). Weniger erfreut ist Kenji allerdings, dass sich eine Bekannte von Fabrizio namens Capri (Ford oder Insel?), doof wie brot, gesprächsmässig aufdrängt – wenigstens verrät die Deutsche so gezwungenermassen ihren Namen… Pola („wie Paula Abdul?“ freut sich Capri ein Loch in den Bauch, „nein, wie Pola Negri,“ korrigiert Pola und stellt Capri damit sichtlich vor eine unlösbare mentale Aufgabe). Capri babbelt Kenji zu und der kann nicht eingreifen, als Pola von Capris Begleiter auf die Tanzfläche entführt wird. Ist nicht ganz dein Tach heute, wa, Kenjikeule?
Lady Tod (hm, in Zukunft werde ich, wenn ich Terry Pratchett lese, bei Susan Sto Helit immer Mira Sorvino vor Augen haben, Discworld-Leser wisse, worauf ich anspiele) hat dieweil ihre philosophischen fünf Minuten – „junge Leute“ holt sie nämlich ungern, es bricht ihr das Herz. „Sie sind gar nicht die herzlose Schlampe, für die ich sie immer gehalten habe“, gibt sich einer ihrer Henchmen mitfühlend… Pola hat Capris Begleiter dieweil abgeschüttelt und lädt Kenji auf´n Tasskaff oder Glas Chardonnay in ihre Bude ein, wo Kenji „den Tod“ riecht und Pola sicherheitshalber den Schmuckstein schenkt, der sie „beschützen“ wird. Nun hofft Kenji auf eine ordentliche Portion Ficki-Ficki und die Sache lässt sich auch love-scene-technisch gut an, aber Pola versetzt dem Koitus den Interruptus – aus irgendwelchen Gründen KANN sie nicht, was Kenji erwartungsgemäss und verständlicherweise frustriert. Dass Pola ihm ihre Pariser Adresse zusteckt und sich seine geben lässt, wg. Briefwechsel, tröstet den verhinderten Stecher nur wenig… zwar schlägt Pola ihm noch vor, sie in Paris zu besuchen, aber was folgt, ist als höflicher Rauswurf treffend umschrieben. Ich sagte doch, Kenji, ist nicht dein Tach…
Kenji ist bedient und haut sich in die Heia, wo er sofort und umgehend wieder einen Schwarz-Weiss-Traum mit Lady Death in der Hauptrolle hat, die ihn dort in seiner japanischen Heimat besucht, von seiner Mutter freundlich beherbergt und bewirtet wird und von Pola (die sich im Traum „Borä nennt und Japanerin ist) ein deutsches Poem vortragen lässt. Kenji kriegt im Traum die Krise, weil alle Welt, d.h. Mama und Pola so nett zum Tod sind, der ihn holen will (wie er sich sicher ist)… im Wachzustand kriegt er die Krise aber noch verschärft, denn wem kuckt er ins hübsche Antlitz, als er die Augen aufschlägt? Dem Tod persönlich. „Oh nein,“ entfährt es ihm und unterbreitet dem Tod den Vorschlag, doch später wiederzukommen, weil er noch ´ne Prise Schlaf brauche. Tod offeriert Kenji einen Morgenkaffee und verblüfft ihn damit, ihn nicht jetzt sofort mitnehmen zu wollen, sondern erst in 12 Stunden, genauer gesagt um 9 Uhr abends – weil er ihr vorhin dabei geholfen habe, den Araber zu schnappen, fühle sie, ihm diese Gnadenfrist schuldig zu sein, damit er noch mal richtig auf die Kacke hauen kann und den Tag so leben, als ob es sein letzter wäre (har-har)… Kenji trägt´s mit relativer asiatischer Gelassenheit.
Und ruft, nachdem Tod sich verzupft hat, erst einmal Mama an und flunkert ihr vor, einen Job gefunden zu haben. Dann will er Pola auftreiben und vermutlich einen neuen Anlauf unternehmen, in deren Bettchen zu landen, aber die ist schon unterwegs nach Paris… Kenji lässt sich zum JFK-Airport taxieren, stellt dort fest, dass es schwierig ist, jemanden zu finden, wenn man nicht weiss, mit welcher Gesellschaft derjenige fliegt und überlegt kurz, ob er mit der Concorde nach Paris jetten soll, um seine letzten Momente in Polas Gesellschaft zu verbringen, aber selbst der Überschallhobel ist zu langsam für diese Zwecke (zudem ist Kenji sich nicht sicher, ob mit 9 Uhr abends Ortszeit gemeint ist – ich würde meinen, zwölf Stunden sind zwölf Stunden, ob in NY oder Paris).
Kenji will also zurück nach Downtown gurken, muss sich aber das Taxi mit einem zwölfjährigen altklugen und naseweisen Mädel teilen, das ihn nicht nur (eher unbegreiflicherweise) mit Tony Leung aus Der Liebhaber verwechselt (ähnlich sehen sich die zwee aber nu wirklich nicht), sondern dem schon bald seine Kinnlade im Fussraum suchenden Kenji ausführlich schildert, dass und warum sie Sex für das Wichtigste im Leben hält (da blieb selbst mir die Spucke weg). Das Gör verabschiedet sich mit einem Abschiedsbussi und einem Armband als Geschenk („I love Paris“ steht da ironischerweise drauf, was für Kenji sicher einen weiteren Tiefschlag darstellt). Gewisse Strassen von Soho, NYC scheinen Venice Beach in wenig nachzustehen (war nie im Big Apple, kann´s nicht beurteilen), jedenfalls gibt´s da auch genügend Freaks und … Wahrsagerinnen. Kenji beschliesst, sein zweifelhaftes Glück zu versuchen und lässt sich aus der Hand lesen. Die Fortune-Tellerin versichert ihm, noch mindestens 50 Jahre zu leben, drei Kinder, sieben Enkel und jede Menge Kohle zu machen. Kenji weiss es besser und verlangt energisch seine 20 Dollar zurück und versucht´s zwei Strassenstände weiter bei einer Tarot-Legerin. Lesson Learned: Tarot ist im Zweifelsfall glaubhafter als Handlesen, denn was diese Wahrsagerin ihren Karten entnimmt, gefällt ihr nicht… panisch drückt sie Kenji seine Kohle zurück in die Patschhand, packt ihre Sachen zusammen und macht extrem vorzeitig Feierabend…
In seiner Ratlosigkeit sucht Kenji Fabrizio, der wie´s aussieht einen extrem spannenden Job in einem Fast-Food-Tempel sein Eigen nennt (tja, Künstler halt), auf, aber der hat Schicht und keine Zeit. In seiner Not beschliesst Kenji, bei dem sich offensichtlich die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass er vor seinem Abkratzen ordentlichen Sex braucht, das koreanische Mädchen, das ihm jeden Tag vor einer Galerie über den Weg läuft, anzubaggern – er folgt ihr in die Ausstellung des bekannten Künstlers John Sage, drängt sie an die nächstbeste verfügbare Wand und schlabbert ihr einen Schmatz auf. Das Girl leistet zwar wenig Widerstand, entschlängelt sich aber nichtsdestotrotz Kenjis Zugriff, der so wieder nicht zum Stich kommt. Erwähnte ich, dass es nicht den Tach ist, Kenji??
Also zieht sich Kenji ins Cafe´ zurück, wo er in die Fänge des Balzac-Man gerät, der ihm ein Ohr abkaut und dem er den Bären aufbindet, mit Pola heissen Sex fernab jeder Vorstellungskraft gehabt zu haben… ausserdem möge der sich doch bitte um seinen eigenen Kram, sprich seinen Balzac-Schmöker kümmern. Worauf Balzac-Man mit dem verblüffenden Geständnis aufwartet, den Wälzer gar nicht zu lesen – „es macht eh keinen Unterschied. Ich muss doch nur sagen, ob er mir gefallen hat oder nicht… an der Wahrheit ist niemand interessiert, nur an dem, was die Leute glauben.“ Da hat der gute Mann einen validen Punkt. Alas, das können wir nicht ausdiskutieren, weil plötzlich Kenji auffällt, dass seine soeben abgeschmatzte Korea-Maid mit einem alten Sack von Grauhaarträger gegenüber sitzt & poussiert, und das geht Kenji persönlich auf den Senkel, so dass er sich genötigt sieht, dem alten Knacker persönlich die Meinung zu geigen, ob er sich denn nicht schäme und sich vielleicht lieber ein Weibsstück im passenderen Alter suchen möge. Der alte Knabe, niemand anderes als der in New York weltberühmte Künstler John Sage himself (eine Art Pop-Art-Künstler, der eine zwei mal drei Meter grosse Leinwand einfarbig in blau für Kunst hält) und Korea-Girl Anouk staunen Bauklötze über den ungebetenen Tischgast, der als Begründung für seinen Angriff die „ich-werde-heute-abend-sterben“-Trumpfkarte zieht. Sage fragt sich und Kenji zwar, warum er das nicht seinem Frisör oder seiner Freundin erzähle, aber Pola ist ja bekanntlich entflogen usw. usf. Selbst dem Japaner geht nach ein paar Minuten auf, dass er in unkontrolliertes Rhabarber-Gesülze ausbricht. Immerhin ist Sage beeindruckt genug, Kenji zu seiner abendlichen Dinner Party einzuladen – „Sollten sie ihr Leben nicht bis zur letzten Sekunde auskosten?“ …
Endlich taucht Fabrizio auf, dem aber kann Kenji zu seiner eigenen Überraschung von seinem anstehenden Ableben nicht berichten, daher gibt er ihm nur einen Brief für Pola, den der Italiener für ihn abschicken soll, lesen darf er ihn kenjiswegen auch, aber nicht jetzt. Fabrizio wundert sich, tritt vor die Tür und wird vom nächstbesten vorbeibrausenden Auto totgefahren – nennt man wohl „Ironie des Schicksals“ (immerhin, Kenji, es ist nicht nur nicht dein Tach…)
Kenji ist verständlicherweise etwas deprimiert und sucht Ablenkung in einer Peep-Show, die ihn irgendwie nicht befriedigt (das wäre ja auch ganz was neues, dazu wurden die Dinger schliesslich nicht erfunden). Er versucht, eine Nutte aufzugabeln, aber da er nicht mit Gummi vögeln will und sie die Alternative „nur reden“ für keine brauchbare Geschäftsgrundlage hält, muss er sich mit Transe Lulu begnügen, der/die/das gerade ihre/seine gönnerhaften fünf Minuten hat und gratis zum Gespräch bereit ist. Falls sich Kenji Aufmunterung versprochen hat, war das allerdings ein Griff ins Klo, denn Lulu hat auch nur Downendes beizusteuern: sein/ihr Freund hat sie verlassen, der Freund seiner/ihrer Freundin hat sie/ihn vergewaltigt, der Vermieter droht mit Rauswurf etc. etc. „Was würdest du tun, wenn du wüsstest. dass du heute abend stirbst?“ fragt Kenji unschuldig und Lulu, nicht nur Transe, sondern offenbar auch Filmkenner, vermutet sicherheitshalber psychopathische Tendenzen, die Kenji aber ausräumen kann… „Ausschlafen, meine Wohnung aufräumen und in der letzten Sekunde einen wildfremden Menschen umarmen… was kann man mehr wollen?“ Ich denke mal, das ist nicht unbedingt das, was Kenji hören wollte (aber zumindest ist es gar nicht so schlecht, finde ich – fragt sich nur, was der betreffende Wildfremde davon hält, wenn er plötzlich ´ne Leiche am Hals hat, literally).
In Ermangelung besserer Ideen marschiert Kenji tatsächlich zu Sages Dinner-Party – überlaufen ist die nicht gerade, dann ausser Kenji ist dort erst mal nur Anouk zu sehen, die sich rätselhafterweise nicht mehr an den Kuss in der Galerie erinnern kann. Den einzig weiteren Gast schleppt Sage an – und Kenji kippt beinah aus den Schuhen, denn es ist der Tod herself! Oder doch nicht?? Sage stellt den Neuankömmling als Anouks Adoptiv-Bruder Jean vor (ja, Bruder – das Make-up-Team schminkt Mira Sorvino sogar die Andeutung eines Oberlippenbärtchens hin). Sowohl Jean, seines Zeichens Fotokünstler, der von Kenji gleichmal ein Polaroid mit dem Arbeitstitel „Portrait eines jungen Mannes, der in drei Stunden sterben wird“ (sehr einfallsreich) knipst als auch Sage hegen eine gewisse Faszination für Japan – Sage enthüllt dem Ehrengast sogar sein neuestes Werk „1953“ (eine japanische Flagge im 2.35:1-Widescreen-Format… nö, das ist jetzt ohne Scheiss, denn Sage will das Gemälde auch als Hommage an die Einführung von Cinemascope verstanden wissen) und erzählt dazu passend ein paar Anekdoten aus seiner Zeit in Okinawa und Tokio als Navy-Soldat („Wir Amerikaner sehen die Welt immer nur durch Kriege“) und monologisiert die Frage, wann er sich vom idealistischen Jungspund in den alten Sack, der versucht, mit jungen Frauen sein eigenes Altern zu kompensieren, verwandelt habe. Jean möchte mit Kenji am liebsten einen 35-mm-Film drehen („lass uns ein Meisterwerk vollbringen“), aber Sage hat kein Filmmaterial da und so geht Jean solches besorgen. Kenji spekuliert, dass Sage, being old and stuff, ihm den Sinn des Lebens erklären könne (bzw. was man aus dem Leben lernen kann), aber Sage muss schamvoll zugeben, dass er dies nicht weiss. Also wendet sich Kenji weltlicheren Dingen zu und fragt unbürokratisch, ob er mal schnell mit Anouk Sex haben könne. Sage erklärt leicht echauffiert, dass er sich das Mädel nicht einfach ausleihen könne, woraus Kenji Besitzansprüche herleitet und in hysterisches Rambling a la „warum ficken wir uns nicht alle gegenseitig“ ausbricht – schliesslich habe Anouk auch vor Sage Kerle gehabt und abgesehen davon habe er sie eh schon geküsst, was Anouk energisch bestreitet, aber Sage misstraurisch stimmt. Als Kenji praktisch demonstriert, wie die Küsserei vor sich gegangen sei und sich anschickt, die Koreanerin gleich auf dem nächstbesten Tisch flachzulegen, platzt Sage der Kragen und er schlägt Kenji nieder – die beiden fighten ein Weilchen, wobei Kenji aufgrund jugendlicher Dynamik die Oberhand zu gewinnen droht, bis … er plötzlich von Anouk in den Rücken gestochen wird (das Mädel, nicht dumm, hat sich nämlich ein Fleischermesser aus der Designer-Kitchen geholt). Schmerz schärft Realitätssinn – heftig blutend (aber nicht abkratzend, tödlich war die Wunde nämlich nicht, obschon ich fast damit gerechnet hatte, aber es ist auch noch nicht 9 Uhr) entschuldigt sich Kenji bei Anouk und bittet um eine Umarmung, aber Anouk lehnt dankend ab (kann ich ihr auch nicht wirklich verdenken, erstens wegen Kenjis Verhalten und zweitens versaut man sich doch die Klamotten mit dem Blut…).
Und so verlässt Kenji angestochen die seltsame Party und streift bei Pola vorbei, wo zu seiner Überraschung Licht brennt und das Mädel auf Klingeldruck sogar zugibt, anwesend zu sein – das gibt Kenji nun endgültig den Rest und er versucht, sich vor ein Auto zu werfen, was von Yoichiru verhindert wird – dem bewussten Sohn der Freundin der Mutter, den Kenji natürlich nicht vom Airport abgeholt hat… Kenji ist von der Lebensrettung nicht eben emotional überwältigt und empfiehlt sich unter Verweis auf dringende Erledigungen mit dem Ratschlag, Yoichiru möge doch morgen mal bei ihm anrufen (und damit wird der arme nicht-englischsprechende japanische Tourist stehen gelassen… dabei hatte er auf Unterkunft bei Kenji spekuliert… so ein Schlingel).
Kenji geht nach Hause, erinnert sich alter japanischer Traditionen und begeht um 8.15 Uhr abends mit Anouks Küchenmesser Harakiri (was sichtlich weh tut). Begleitet von einem französischen Changsong („I´m a sucker for french chansons – I had to ask Jacques Brel for an autograph when I got him“) taucht pünktlich Mme. Tod auf und fragt Kenji, warum er denn das nu wieder gemacht habe. Kenji will aber nur noch sterben, muss aber bis 9 Uhr ausharren – er stellt fest, dass der Tod zu Tränen gerührt ist… sie singt ihm „je ne regrette rien“ (französische Rechtschreibung ohne Gewähr) vor…
Schon ein sehr seltsamer Film, den der gebürtige Taiwanese Wonsuk Chin da hingezaubert hat – und irgendwie auch kein Wunder, dass auch der deutsche DVD-Vertrieb nicht recht wusste, was er mit dem Ding anfangen sollte und versucht, den Streifen mit seinem DVD-Packaging und der Fotoauswahl hierauf, in die asiatische Action-Kino-Ecke zu schubsen (was, wie Ihr sicher, falls Ihr bis hierhin durchgehalten habt, natürlich absoluter Blödsinn ist). Aber auch grössere Experten haben so ihre Schwierigkeiten mit der Katalogisierung von Too Tired To Die (auch die Tatsache, dass das DVD-Label den reisserischer klingenden englischen Titel anstelle der in den opening titles verwendeten deutschen Übersetzung verwendet, lässt tief blicken) – von schwarzer Komödie bis Drama reichen die Schubladen, in die man diesen Film steckt und passend ist letztendlich keine… ähnlich, wenngleich noch vergleichsweise bodenständiger, wie Donnie Darko entzieht sich Too Tired To Die jeglicher Einordenbarkeit.
Allerdings wird aus einem Film, der sich geschickt den üblichen Genre-Einvernahmen entzieht, nicht automatisch ein Meisterwerk. Too Tired To Die behandelt grundsätzlich ein faszinierendes und vielschichtig interessantes Thema – was würde man tun, wenn man wüsste, nur noch zwölf Stunden zu leben zu haben? Daraus kann man einen Thriller, eine Komödie oder eine surreale Psychostudie machen. Wonsuk Chins Problem ist, dass er sich letztlich für nichts entscheidet – der Film reisst viele interessante Punkte an, entwickelt sich aber nirgendwohin, seine philosophischen und psychologischen Aspekte führen ins Nirgendwo, wenn sie überhaupt zu Ende gedacht werden – oft wird nur eine These halbherzig aufgestellt und dann im Raum hängen gelassen (wie z.B. Balzac-Mans nachdenkenswerter Einwurf über das Interesse an der Wahrheit oder ein kurzer Diskurs zwischen Kenji und Sage über die Oberflächlichkeit des Subjektiven – boah, welch Worte mal wieder auf dieser Seite). Man wünscht sich oft, der Streifen würde sich den Mut und die Zeit nehmen, diese Themen nicht nur schlagwortartig einzuwerfen, sondern ein wenig durchdiskutieren, aber das geschieht leider zu selten, was zu einem Grossteil am schwach geschriebenen zentralen Charakter Kenji liegt – Kenji hat keine Eigenschaften, er ist ein nicht gerade unsympathischer, aber auch nicht besonders ans Herz wachsender perspektivloser Faulenzer, der keine eigene Philosophie, keine eigene Ethik hat. Es wirkt so, als wäre Kenji dazu gedacht, als quasi „intellektuell und philosophisch Unbelasteter“ ziellos durch die Gegend streifen und mehr oder weniger wahllose Zusammenstösse mit ihm (zumeist) geistig überlegenen Vertretern unterschiedlicher Philosophie-Schulen haben (fast könnte man meinen, das wäre „Sophies Welt“ für die MTV-Generation).
Die Story entbehrt zudem beinahe jeglicher Dramatik – man möchte meinen, eine solche (im wahrsten Sinne des Wortes) „deadline“ würde einen Menschen emotional heftiger aufwühlen als es bei Kenji hier der Fall ist (vielleicht ist das aber auch ein bewusstes Spiel mit den Klischees, die man als Europäer bzw. Amerikaner über Asiaten im allgemeinen hat) – bis zu seinem Ausbruch bei Sages Dinnerparty nimmt Kenji seinen nahenden Tod als gegeben hin, versucht nicht, sich gegen das Schicksal aufzulehnen – ich weiss nicht, ob das glaubhaft ist… aber ich will das auch nicht zu hoch hängen, schliesslich ist die Intention des Films anders. Was mich ein wenig wunderte, ist, dass das moralische Dilemma, ob bzw. dass Kenjis Selbstmord in Konsequenz die Folge der Kenntnis seines Todes war, nicht ausgespielt wird (ja, ich weiss, dass die Gestalt Tod an sich unmoralisch, bzw. besser „übermoralisch“ ist, aber es deutet sich vorher an, dass ihr die Menschen, die sie holt, nicht gleichgültig sind. Wie wird sie damit fertig, dass Kenjis Tod eigentlich nur durch ihre Abkehr vom gewohnten Prozedere, nämlich die „12-Stunden-Frist“ verursacht wird? Ihre Reaktion auf seinen Tod erscheint mir dafür etwas zu schwach).
Dennoch bleibt der Film stets interessant – er hat Momente, bei denen man aufspringen und Regisseur/Autor Chin begeistert auf die Schulter klopfen möchte (einige der Dialoge sind herausragend, besonders mit Balzac-Man), andere dagegen sind nicht wirklich schlecht, wirken aber eher wie eine Themaverfehlung (so z.B. Kenjis Begegnung mit der Nutte). Auch wenn ich den Film nicht wirklich als Komödie rechnen würde, so schimmert doch ein ironischer, gelegentlich lakonischer Humor mit (ganz besonders in den Szenen mit Tod und ihren „Soldaten“).
Chins Inszenierung ist stilsicher und für einen first-timer geradezu bemerkenswert – der Streifen ist, da muss man auch mal dem D.O.P. ein Lob zollen – wunderschön fotografiert (ganz besonders die schwarz-weiss-Aufnahmen), die musikalische Untermalung dezent und passend. Auch wenn ich vorhin angemerkt habe, dass dem Streifen ein wenig die der 12-Stunden-Frist eigentlich innewohnende Dramatik abgeht, ist das Tempo des Films angenehm und genau richtig – vielleicht scheute Chin vor längeren Dialogpassagen (so wie von mir eigentlich weiter oben gefordert) zurück, um den „flow“ des Streifens nicht zu stören. Nicht einmal die überraschende (wenn man das deutsche DVD-Cover nicht angesehen hat) John-Woo-Gedächtniseinlage (die übrigens rein action-technisch überzeugend inszeniert ist) „stört“ – sie fügt sich harmonisch in das Gesamtbild ein. Hier reift durchaus ein Regie-Talent heran.
Ein grosses Problem des Films ist die Besetzung der Hauptrolle mit Takeshi Kaneshiro – zwar hat der Junge eine gewisse eingebaute likeability, aber die Tragik seines Charakters kann er nicht vermitteln… da mag zwar reinspielen, dass das Script ihm nicht wirklich eine Entwicklung zubilligt (die Suche nach dem „Sinn des Lebens“ in den letzten Stunden desselben ist ein wenig dünn als Motivation, so widersinnig das auch klingt… zumal es über weite Strecken so aussieht, als wäre der Sinn des Lebens für Kenji nicht mehr als ein guter Fick – wobei… naja… so ganz unrecht…) – hinzu kommt, dass der Streifen nachsynchronisiert wurde – offenbar haben alle Beteiligten beim Dreh in ihren jeweiligen Landessprachen gearbeitet – die englische Synchronisation, ich weiss nicht, ob Kaneshiro sie selbst gesprochen hat, ist verdammt unsynchron mit den Lippenbewegungen (das trifft aber auch auf Geno Lechner zu), was einen unprofessionellen Eindruck hinterlässt und unbewusst auch auf das Urteil über den agierenden Schauspieler zurückschlägt. Vielleicht hätte Chin einen Japaner (es sollte unbedingt ein Japaner sein, da Chin „fasziniert“ ist von der Tatsache, dass viele japanische junge Männer nach New York ziehen und dort auf hohem Niveau rumgammeln) besetzen sollen, der der englischen Sprache mächtiger ist als Kaneshiro. Andererseits ist Kaneshiro mittlerweile auch in USA und Europa sowas wie ein bekannter Name, was der Popularität des 1998 in Sundance aufgeführten und danach fünf Jahre auf einen ordentlichen Release wartenden Streifen nur gut tun kann (auch wenn Kaneshiro inzwischen eine „gefährliche“ Reputation hat, seine Co-Stars bei verunglückten Stunts zu verletzen).
Mira Sorvino hingegen bietet eine ansprechende Leistung – die ungewöhnliche Rolle macht ihr sichtlich Spass (übrigens gewann Chin Sorvino bereits vor ihrem Durchbruch in Mighty Aphrodite für die Rolle und auch als Oscar-Preisträgerin stand Sorvino zu ihrem Wort, die Rolle zu spielen, sobald die Finanzierung des Streifens geklärt war) – natürlich hat sie den mit Abstand interessantesten Charakter zu spielen (die Vorstellung der Personifikation des Todes als attraktiver Frau hat auch ihre Reize, muss ich sagen – gleichfalls die Deutung des Charakters, die mich nun doch irgendwie an Terry Pratchetts Tod-Interpretation erinnerte… auch dort hatte der Sensenmann ein aus reiner Neugier getriebenes Interesse an seinen, eh, Opfern). Die deutsche Theater- und Fernsehschauspielerin Geno Lechner kann ebenfalls durchaus überzeugen, gleiches gilt für den erfahrenen Routinier Ben Gazarra als John Sage. Ohne Michael Imperoilis Chico-Marx-Impersonination als Fabrizio hätte ich allerdings gut leben können (die „Ethnisierung“ des Casts, wohl als Sinnbild des Schmelztiegels New York gedacht, ist mir insgesamt auch etwas zu gewollt).
Eine recht pfiffige Idee (wenn es denn überhaupt eine solche ist und nicht nur eine Einbildung meinerseits) ist die, gewisse Figuren bzw. Darsteller doppelt auftreten zu lassen – bei Sorvino ist es mit ihrer Zusatz-Rolle als Jean klar, die Wahrsagerinnen werden beide von Aida Turturro verkörpert und letztlich ist nicht auszuschliessen, ob´s Anouk (mit ihrer Darstellung durch die Koreanerin Hye-Su Kim ist Chin übrigens alles andere als zufrieden, er hatte sie sich von den koreanischen Geldgebern aufdrängen lassen) nicht auch zweimal gibt (das gäbe dem Ende von Sages Dinner-Party eine gewisse zusätzliche morbide Note, wenn Kenji schlicht und ergreifend auf dem falschen Dampfer gewesen wäre).
In Deutschland hat sich ein Label namens Sunrise Entertainment (das allerdings wohl nicht mehr als ein Ableger von Laser Paradise ist, mit dessen ausschweifendem Logo meldet sich nämlich die Disc selbst) des Films erbarmt. Ein ca. 1.78:1-Widescreen-Transfer von durchaus brauchbarer Bildqualität erfreut das Auge, leider leidet der Print selbst unter ein paar Kratzern und Verschmutzungen, aber insgesamt kommt die gute Kameraarbeit angemessen zur Geltung und auch die Schärfe ist okay, ohne zu begeistern. Satte vier Tonspuren werden geboten, neben den deutschen Dolby 5.1- und 2.0-Spuren gibt´s die beiden Mix-Varianten auch in Englisch (sort-of, da auch viel Japanisch, Französisch, Mandarin und Kantonesisch gesprochen wird, dann mit eingebrannten deutschen Untertiteln). Die 2.0er-Spuren sind die etwas kräftigeren, bei 5.1 ist das ganze naturgemäss etwas differenzierter und räumlicher (was du nicht sagst, Doc). Für den Hausgebrauch hab ich mich nach einigem Hin- und Her-Probieren für die englische 2.0-Spur entschieden. Erfreulich: es werden optionale deutsche Untertitel (für Hörgeschädigte) angeboten, die nur einen schweren Hammer aufweisen (ein von Kenji genuscheltes „I´m cold“ wird als „Ich will gehen“ interpretiert). An Extras gibt´s sechs Trailer, darunter auch den für Too Tired To Die, Texttafelbiographien für alle wesentlichen Akteure (die auch gesprochen werden) und eine nette kleine Sektion per Textinsert kommentierter Filmgoofs (vier Stück, allesamt continuity-Fehler).
Too Tired To Die ist, um langsam zum gefürchteten Fazit zu kommen, kein vollauf geglückter Film – es ist ein Film voller guter Ideen und guter Ansätze, der sich allerdings darum drückt, Stellung zu beziehen, eine eindeutige Aussage zu machen (aber vielleicht ist ja gerade das die Aussage). Wer sich nicht daran stört, dass die Story insgesamt nicht befriedigend geführt und abgeschlossen wird und viele Szenen und angerissene Ideen nicht ausgearbeitet werden und nirgendwohin führen, wird sich mit dem Film sicher nicht langweilen – dafür stecken zu viele positive Aspekte drin, einiges an Dialogperlen und viele wunderschön gedrehte Szenen. Als Regisseur ist Chin bereits jetzt ein Stilist, jetzt muss er noch an seinen Fähigkeiten als Autor arbeiten. Potential jedenfalls ist vorhanden und da jeder „etwas andere“ Film schon fast von Haus aus beim Doktor einen Stein im Brett hat, gebe ich dem Film trotz seiner vorhandenen Schwächen eine Empfehlung auf den Weg – bekanntlich ist niemand perfekt, und schon gar nicht beim ersten Versuch. Too Tired To Die bleibt trotz einiger Mankos im Drehbuchbereich ein interessanter Versuch – der Film schafft es, zu unterhalten und dennoch nachdenklich zu stimmen. Ich bin gespannt auf Chins zukünftige Werke…
(c) 2004 Dr. Acula
BOMBEN-Skala: 5
BIER-Skala: 6
Review verfasst am: 01.09.2004