Tödliche Rache

 
  • Deutscher Titel: Tödliche Rache
  • Original-Titel: Una spada nell'ombra
  • Alternative Titel: Die Rache des Ritters | Sword in the Shadows |
  • Regie: Luigi Capuano
  • Land: Italien
  • Jahr: 1961
  • Darsteller:

    Tamara Lees (Gräfin Ottavia Dellarocca), Livio Lorenzon (Hauptmann Mellina), Germano Longo (Braccio), Mario Valdemarin (Fabrizio), Gabriella Farinon (Lavinia, als Gaby Farinon), Pina Cornel (Iolanda), Gianni Rizzo (Giorgio), Loris Gizzi (Roger), Lydia Johnson (Marta), Diego Michelotti (Fabio)


Vorwort

Eigentlich hatte ich ja keine Italien-Wochen beabsichtigt, aber nachdem mein eigentlicher „Plan“, die Rückstände in meiner amazon-prime-Watchlist aufzuarbeiten (der Nachteil an Streaming-Angeboten ist nun mal offensichtlich – man weiß nie so genau, wie lange der Kram verfügbar sein wird), irgendwie in eine Abfolge italienischer Historienschinken mutierte, muss man sich der normativen Kraft des Faktischen ja nicht zwingend entziehen. Gerade prime bietet eine ganze Grabbelkiste schön altmodischer sword & sorcery-, Piraten- und Mantel- und Degenfilme vom Stiefel und, so ehrlich muss man ja sein, die passen eigentlich alle serienmäßig auf diese Seite.

Heute also TÖDLICHE RACHE (eine hilfreiche Unterscheidung zu „leicht verletzender Rache“, „deine Mutter beleidigende Rache“ oder „ernsthafte Körperverletzung zufügende Rache“), einen Film, der die IMDb etwas überfordert, behauptet die Datenbank doch, der Kram wäre in Deutschland indiziert, aber da wurde der Streifen wohl mit dem 1978er-Jim-Brown-Western gleichen Verleihtitels verwechselt, der in der Tat seit den 80ern mit dem Zeichen der Indizierung gebrandmarkt ist. Außerdem ist sich wohl niemand so ganz sicher, wann der Film gedreht wurde – die IMDb behauptet 1963 (einigermaßen unbestritten lief er zumindest im Dezember 1963 in deutschen Kinos an), Letterboxd spekuliert auf das Jahr 1961, und das amazon-prime-Listing lautet auf 1960. Ich fühle mich glatt aus grundsätzlichen Gründen moralisch verpflichtet, das Jahr 1962 in den Ring zu werfen – dafür habe ich genauso viele Beweise wie die drei anderen Datenkraken auch, nämlich keine (die deutsche Fassung vermeidet auch eine Copyright-Angabe).

Der nächste strittige Punkt wäre dann noch die Filmlänge. Die IMDb gibt 95 Minuten an, der Print auf prime geht gerade mal 79 und *scheint* in der Tat einige wichtige Szenen zu entbehren, einfach weil man sie bei Ansicht des Filmes aus der internen Logik heraus vermisst, aber angesichts der fragwürdigen Herkunft der anderen IMDb-Statistik-Angaben würde ich, wie Sonny Ezekiel Fitzpatrick es ausdrücken würde, aus meiner Patschhand kein Grillstück machen.

Im Vorspann fällt uns immerhin ein einigermaßen spannender Name auf – zusammen mit dem nicht sonderlich distinguierten Auftragsschreiberling Gino De Santis (SEDDOK – DER WÜRGER MIT DEN TEUFELSKRALLEN, ROBIN HOOD IN DER STADT DES TODES) verfasste das Drehbuch Sergio Sollima, der mit DER GEHETZTE DER SIERRA MADRE , BRUTALE STADT oder der Sandokan-Miniserie DER TIGER VON MALAYSIA zumindest einige Scripts geschrieben hat, an die man sich heute noch wohlwollend erinnert.

Regisseur Luigi Capuano, Jahrgang 1904, gehörte ersichtlich eher zum „alten Schlag“ der Italo-Regisseure und hatte sich zu Beginn seiner Laufbahn um dem einheimischen Publikum mundgerecht servierte Melodramen und Musikfilmen gewidmet, ehe er sich ab 1960 als Macher schnell heruntergekurbelter  Historienabenteuer neu definierte; in rascher Folge kamen u.a. HERKULES, DER HELD VON KARTHAGO, ZORRO UND DIE DREI MUSKETIERE, DER LÖWE VON SAN MARCO oder  DIE RACHE DES SANDOKAN in die Kinos. Als „Lewis King“ versuchte er sich mit DIE WAFFE DES TEUFELS an einem Eurospy-Fetzer und mit DESPERADO – DER GEHEIMNISVOLLE RÄCHER drehte er auch den obligatorischen Western, nach einem weiteren ZORRO-Film 1971, der außerhalb Italiens nicht mehr in die Kinos kam, hängte er seine Regiekarriere an den Nagel. Er verstarb 1979.

TÖDLICHE RACHE (auf DVD unter dem Titel DIE RACHE DES RITTERS erschienen) soll also meine offizielle Eintrittskarte in den wunderbaren Kosmos von Capuano sein (ich bin zwar recht zuversichtlich, dass ich den LÖWEN VON SAN MARCO und mindestens einen seiner SANDOKAN-Filme zwar gesehen habe, räume aber gleichzeitig ein, nicht die geringste Erinnerung daran zu haben. Ich betrachte mich also einfach mal als Capuano-„Jungfrau“.


Inhalt

Wir befinden uns in Italien, und auch wenn uns niemand verrät, wann und wo genau die Geschichte sich denn abspielen soll, tippe ich zumindest in erster Hinsicht auf den Übergang von Spätmittelalter in beginnende Renaissance, also mal so spätes 14./frühes 15. Jahrhundert.  Die Zeit halt, in der sich die Medici und ihre Rivalen mit Freuden gegenseitig die Köppe einschlugen. Ein ähnliches Szenario haben wir in der unspezifizierten, aber wesentlich weniger eindrucksvollen ländlichen Gegend, in die wir geworfen werden. Hier irgendwo in der Pampa steht ein Schloss der nicht wahnsinnig beeindruckenden Sorte, aber so verlassen wie die Ecke ansonsten ist, wäre vermutlich „weil’s da ist“ schon ein vollkommen ausreichender Grund, um sich deswegen Schwerter in die Magengrube zu stecken („niederstechen“, wie es der Film konsequent nennen wird).

Die schwarz-grau gekleideten Truppen eines eindringenden Feindes, angeführt von dem spärlich kopfbehaarten, dafür aber gut schwertfuchtelnden Hauptmanns Mellina (Livio Lorenzon, DIE RACHE DES SPARTACUS, ZWEI GLORREICHE HALUNKEN), fahren mit den Verteidigern des Blödsinns amtlich Schlitten (was die aus meiner Sicht schon allein aufgrund der modischen Verfehlung ihrer zweifarbigen Kasperlehosen vollkommen verdient haben). Naja, jedenfalls geben sich die Truppen des Schlossherren zwar allergrößte Mühe, aber sie werden nach und nach niedergemetzelt, was sich unvermeidlich irgendwann auch zum Schlossherren, dem Herzog von Altavilla (Tullio Altamura, KAMPF DER GIGANTEN, HERKULES GEGEN DIE TYRANNEN VON BABYLON), und seiner Frau rumspricht. Er weiß auch, wer die Angreifer sind – die Schergen handeln fraglos im Auftrag der Familie Dellarocca, mit der die Altavillas in einer herzlichen Blutfehde verbunden sind. Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst. Der Herzog entscheidet sich edelmütig, an der Seite seiner loyalen Soldaten in einem glorreichen last stand zu fallen, und die Herzogin, weil doof, schließt sich an. Damit die Altavillas aber nicht an Ort und Stelle auf die Liste der ausgerotteten Tierarten gesetzt werden, soll Haushofmeistermajordomuswasauchimmer Fabio (Diego Michelotti, CASTIGATA – DIE GEZÜCHTIGTE, DER LÖWE VON THEBEN) wenigstens den kleinen Stammhalter Fabrizio in Sicherheit bringen – was dank eines Geheimgangs im Kamin auch machbar ist. Mit erfolgreich aus dem Schluss flüchten ist die Sache aber nicht getan, denn die Dellarocca-Truppen führen sich auf wie die Axt im Walde und metzeln auch Dienstboten, Bauern und ähnliches Gesocks ohne Rücksicht auf gesellschaftliche Stellung, Geschlecht oder Alter nieder. Als in Blickweite von Fabio eine Mutter mit ihrem ungefähr in Fabrizios Alter befindlichen Steppke gekillt wird, kommt Fabio ein Geistesblitz – er packt Fabrizio in die Klamotten des hingemeuchelten Kindes, zu Tarnungszwecken (nein, wir denken jetzt nicht drüber nach, dass Fabio die Kleider ja nur bekommen kann, WEIL DIE VERDAMMTEN DELLAROCCAS ÜBERHAUPT KEINEN UNTERSCHIED MACHEN, WEN SIE DA UMBRINGEN!). Aber weil Fabio ein Guter ist, hat er Recht und ich nicht und die Flucht gelingt…

Rein schlachtentechnisch ist die Sache jedenfalls entschieden – und die Gräfin Ottavia Dellarocca (Tamara Lees, FRINE – SKLAVIN DER LIEBE, SEMIRAMIS – KURTISANE VON BABYLON) kann in ihre neue Wohnung einziehen (lebte die vorher auf der Straße?). Ihre Soldaten versichern ihr, dass die Altavistas, äh, Altavillas in kompletter Familienstärke in die ewigen Jagdgründe aufgefahren sind – sogar die passende Kinderleiche hat man gefunden (okay, das macht Fabios Plan etwas weniger blöd, alldieweil die Dellaroccas zumindest die gezielte Suche nach Fabrizio einstellen werden, aber in der murder-and-pillage-Phase des Feldzugs war’s, wie gesagt, den Soldaten doch grad wurst, wer ihnen da ins Schwert läuft). Mellina macht sich Hoffnungen, ob des triumphalen Triumphs zum Grafen befördert zu werden, aber die Dellarocca gibt ihm einen amtlichen Korb. Womöglich, weil sie den ganzen Krieg angezettelt hat, weil der Herzog Altavilla ihren Göttergatten hat umbringen lassen. Es ist ein Motiv.

Aber halt – jemand von der ursprünglichen Schlossbesatzung hat versteckt i n einem Schrank überlebt ! Ein kleiner Junge, ungefähr in Fabrizios Alter, und womöglich ein anderer herzöglicher Sohn? Mellina wäre dafür, den unnützen Fresser gleich mal abzumurksen, aber der hat ein Argument auf seiner Seite – er ist des Herzogs Bastard Son namens Braccio, war bislang am herzöglichen Hofe verhasst und verlacht und ist auf die Altavillas daher ungefähr genauso gut zu sprechen wie die Gräfin, die ihn dann auch quasi adoptiert. Die Zeiten waren einfacher, als es noch keine Standesämter und die dazugehörige Bürokratie gab.

FÜNFZEHN JAHRE SPÄTER. Wir wussten, dass es darauf hinaus läuft.

In der uns nun schon wohlbekannten Gegend hat ein Sprengel des Fahrenden Volks (Disclaimer: in der Folge werde ich in der Tat und gänzlich politisch inkorrekt das Wort „Zigeuner“ verwenden, wie es der Film als Kind seiner Zeit natürlich auch tut) unter der weisen Führung von „Mutter“ Marta (Lydia Johnson,  die ihre Karriere noch in zaristisch-russischen Stummfilmen begann) sein Lager aufgeschlagen und tut das, wofür Zigeuner allgemein bekannt sind – sie feiern eine wilde Party mit Wein, Weib + Gesang. Okay, es singt grad keiner, aber heiße Rhythmen werden gespielt und es wird getanzt, bis der Rasen brennt, insbesondere in Person der rassigen Iolanda (Pina Cornel, DER SCHWARZE BRIGANT). Fabio – mittlerweile mit neckischem Ohrring im Lauschlappen, also perfekt assimiliert, ist so etwas wie Martas rechte Hand, und das bedeutet selbstredend, dass Fabrizio nicht weit sein kann. Naja, momentan ist weiter weg als gedacht, nämlich nicht, wie von Iolanda dringend gewünscht, im Moshpit. Es tut der Stimmung keinen großartigen Abbruch, dafür steigert sie sich noch mal enorm, als der Abgängige und seine enorme Nase mit ein paar Genossen und einer Herde Pferde im Schlepptau im Lager einreiten. Fabrizio und seine Nase sehen mittlerweile aus wie Mario Valdemarin (DAS VERRÄTERISCHE AUGE, SANDOKAN, HERKULES EROBERT ATLANTIS) und der grinst ob der berechtigten Frage, woher denn die Hottehüs auf einmal kommen, dass die ganz allein und unbeaufsichtigt irgendwo herumgestanden hätten, und man ja quasi moralisch verpflichtet gewesen wäre, die armen Gäule einer sinnvollen Verwendung zuzuführen (Wurst draus machen?). Auf Nachfrage muss er zwar zugeben, dass „allein und unbeaufsichtigt herumstehen“ präziser als „auf einer Koppel der Dellaroccas allein und unbeaufsichtigt herumstehen“ verstanden werden muss, aber, wie Gene Simmons es formulieren würde: That would be semantics, and I’m not anti-semantic (ja, macht keinen Sinn, aber ich widerspreche nicht dem Herrn der Zunge). Marta entscheidet auf der Basis, dass die Dellaroccas bekannte Arschlöcher sind, dass die Pferde behalten werden. Und so können Fabrizio und seine Nase mit Iolanda in den circle pit und abpogen.

Dieweil, auf dem nunmehrigen Schloss der Dellaroccas, wo wir Zeuge eines Wunders werden – der mutmaßlich erste und einzige realistische Ritter-Zweikampf von Kombattanten in kompletten Kopf-bis-Fuß-Metallrüstungen! In den Early Iron Man Suits stecken Mellina und Braccio (nunmehr Germano Longo, DIE SKLAVEN DER SEMIRAMIS, DIE GEWALTIGEN SIEBEN, PIRATENKAPITÄN MARY), und offiziell ist das Ganze ein Übungskampf, den Mellina durch, nach Braccios Ansciht, übertriebene Anstrengung klar für sich entscheidet. Warum, fragt Ihr Euch, ist der Kampf realistisch? Weil die Herrschaften in ihren Konservendosen akkurat die Mobilität, Beweglichkeit und Reaktionsschnelligkeit von Litfaßsäulen haben, die Nummer also wesentlich weniger elegant aussieht als der Sexakt von Nilpferden und der gefallene Braccio von zwei Mann wieder in die Vertikale gewuchtet werden muss. Ich weiß nicht, ob das Absicht war, um dem Publikum mal zu zeigen, wie es WIRKLICH aussieht, wenn nicht mit dem Supersoldatenserum geimpfte Leute in 50-60 Kilo schweren Rüstungen stecken und „kämpfen“, wenn ja, dann kudos, Signor Capuano, kudos.

Vordergründig sind Mellina und Braccio beste Kumpels, aber von Beginn an ist uns klar, dass eine gewisse Spannung zwischen dem älteren, erfahrenen Soldaten und dem von ihm mentorierten hitzköpfigen Jungspund besteht. Lutsch mich rund und nenn mich Bärbel, aber ich hab den starken Verdacht, das hat was mit der für ihr Alter immer noch recht reizend aussehenden – und skandalöserweise immer noch unverheirateten – Gräfin Ottavia zu tun. Dieweil Mellina keinen Hehl daraus macht, dass er immer noch hochgradig daran interessiert ist, der Gräfin völlig legal im Schlafgemach aus ihren 38 Unterröcken zu helfen, vermutet der Hauptmann augenscheinlich nicht völlig unzutreffend, dass die Ottavia ihrerseits mindestens ein Gräfinnenauge auf das schmucke Mannsbild Braccio geworfen hat, der ja nun auch langsam im heiratsfähigen Alter angekommen ist. Hier eröffnet sich Konfliktpotential. Zunächst mal gibt’s aber ein paar andere Hühnchen zu rupfen. Zum einen wird Ottavias Tochter Lavinia, zuletzt in irgendeine Händlerstadt verklappt, aufs Schloss zurückkehren, und auch das Girl ist, wie’s der Deibel so will, im passenden Alter, um an einen geeigneten Bräutigam verheiratet zu werden. Lavinia wird in Begleitung der reichen Cousins Roger und Giorgio, die ihr Geld mit dem Einzel- und Großhandel von Waren aller Art verdient zu haben scheint. Dies bedarf der Vorbereitung und natürlich der Planung einer etwaigen Ehe. Und außerdem ist freilich der Pferdediebstahl nicht unbemerkt geblieben, und das kann sich die Gräfin natürlich aus purem Prinzip nicht gefallen lassen. Die Frage nach dem „wer“ ist leicht beantwortet, wer außer Zigeunern sollte schon die sprichwörtlichen Pferde stehlen? Mellina würde gern eine entsprechende Strafexpedition führen, aber Ottavia besteht darauf, dass Braccio sich bewährt.

Braccio trabt also mit einigen Soldaten zum Zigeunerlager, wo er, in guter alter Zigeunersitte, zunächst mal als eine Art wandelnder Geldbeutel angesehen wird, den es auszunehmen gilt. Braccio muss sich also erst mal Wahrsagerinnen und Teppichverkäufern erwehren, ehe er zu Marta vordringt und die Herausgabe (der vorsichthalber im nahen Wald versteckten) Pferde verlangt. Marta weiß von Pferden natürlich überhaupt nichts, und wenn sie’s wüsste, würde sie’s Braccio nicht auf die Nase binden, aber Braccio hat heute seine Freundlichkeits-Unterhose angezogen und offeriert den Zigeunern einen fairen Deal – er wäre durchaus bereit, die Pferdedieberei auf sich beruhen zu lassen, wenn die Zigeuner einen marktgerechten Kaufpreis dafür entrichten, und wenn’s mit Bargeld eher mau aussieht, ist er auch bereit, Naturalien in Zahlung zu nehmen. Eher nicht die Dienstleistungen von Handleserinnen oder ein paar hässliche Flokatiteppiche, er dächte da vielmehr an ein hübsches Frauenzimmer, z.B. Iolanda, das sich als Dienstmagd auf dem Schloss zur persönlichen Verwendung des lieben Braccio doch ganz fein machen würde. Ist jetzt eigentlich nicht der tyrannischte Vorschlag aller tyrannischen Vorschläge, fällt aber dennoch bei Fabrizio, der ja, wie schon angedeutet, praktisch der ausgesuchte Ehemann für Iolanda ist, auf wenig fruchtbaren Boden. Fabrizio und seine Nase  schlagen einen Zweikampf vor, der Sieger kriegt Iolanda und Pferde, der Verlierer nur was aufs Maul. Im Gefühl sicherer Überlegenheit willigt Braccio ein und bekommt erwartungsgemäß von Fabrizio und seiner Nase die vorlaute Fresse poliert. In einem unerwarteten Anfall von Fair-Play nimmt Braccio die Niederlage erst mal wie ein Mann und reitet als begossener Pudel unverrichteter Dinge nach Hause zurück.

Wo sich eh aus seiner Sicht erfreulicheres tut… Lavinia ist eingetroffen und, mei, ist das Mädel putzig (Gabriella „Gaby“ Farinon, … UND VOR LUST ZU STERBEN, ASSIGNMENT OUTER SPACE), im Gegensatz zu den fetten, gefräßigen und hochnotkomischen Cousins Roger (DER HOFNARR – freilich nicht der mit Danny Kaye, ZORRO GEGEN MACISTE) und Giorgio (Gianni Rizzo, DIE SKLAVEN DER SEMIRAMIS, SPARTACUS UND DIE ZEHN GLADIATOREN, ADIOS SABATA), die sich ein paar Wochen/Monate auf Gräfinnenkosten durchfressen wollen. Braccio und Lavinia haben sich schon seit Kindertagen nicht mehr gesehen und sind beide durchaus angetan von dem, was sich aus dem jeweils anderen entwickelt hat. Ottavia ist zwar hocherfreut über die Rückkehr ihres Augensternchens, andererseits prophylaktisch schon mal ein wenig eifersüchtig, da sich Braccio auffällig für das Girl interessiert (ich kann’s ihm nicht verdenken). Aber Braccio hat nicht nur Liebesdinge zu regeln, denn natürlich ist er unser offizieller Hauptschurke und hat demzufolge die Niederlage im Zweikampf gegen Fabrizio (selbstredend weiß bislang weder der eine noch der andere, wer der jeweils andere ist) nicht so gut verdaut. Aufgrund der eigenen schmerzlichen Erfahrungen will er die tödliche Rache allerdings nicht selbst ausüben, sondern Mellina überlassen, da der, wie auch bereits erwiesen, seiner langjährigen Erfahrung wegen der bessere Kämpfer ist. Natürlich bindet er Mellina nicht auf die Nase, dass er hier Braccios persönlichen Büttel spielen soll, sondern setzt ihm den Floh ins Ohr, dass die Zigeuner auf der ein oder anderen Tube Gold sitzen würden, und könnte sich der Hauptmann doch ganz unbürokratisch in die eigene Tasche stopfen, wenn er die Fahrenden ausmerzt. Ein Argument, dem der Herr Hauptmann sich nicht vollständig verschließen kann und daher seinen Brutaltrupp zusammenstellt und gegen die Zigans ins Felde führt.

Fabrizio und seine Nase sind mal wieder unterwegs, um irgendwo Schindluder zu treiben, also stehen die Zigeuner auf relativ verlorenem Posten ob des hinterhältigen Angriffs (es hilft sicher auch nicht, dass manche von ihnen Pfeil und Bogen, ihrer bevorzugten Waffe, reichlich ratlos gegenüberstehen und vermutlich mehr Erfolg hätten, wenn sie die Pfeile aus der Hand werfen würden). Hütten und Wagen stehen in Flammen, Frauen und Kindern sind mal wieder genauso fette Beute wie gestandene Krieger. Fabio fängt sich einen heftigen Schwertstreich mittschiffs ein und verröchelt in Martas Armen. Erst als Fabrizio, seine Nase und einige Getreue eintreffen, wendet sich das Blatt und Mellina muss mit seinen Leuten den Rückzug antreten, ohne vom versprochenen Gold auch nur eine Unze gesehen zu haben. Was seinem Verhältnis zu Braccio in der Folge aber keinen gesteigerten Abbruch tut. Pack schlägt und verträgt sich, offenbar.

Die Dellaroccas blasen indes zu einer fröhlichen Jagdpartie, besonders zur Freude der Cousins, die sich an der reich gedeckten Tafel mehr als nur angemessen bedienen. Das Gelage der Haiopeis wird aber unsanft durch einen ziganesischen Überfall unterbrochen. Fabrizio, seine Nase und ihre Spießgesellen zerlegen das Jagd-Picknick für meine Begriffe unangebracht fröhlich ob des wie-lange-auch-immer-zurückliegenden Massakers (in der Darstellung von Zeitabläufen ist der Film eher… vage) in seine Bestandteile, stechen diverse Soldaten nieder, klauen das Tafelsilber und führen sich allgemein auf, als wären sie Robin Hood und seine Merry Men (yeah, das Vorbild der Story ist deutlich zu erkennen). Aus unerfindlichen Gründen (auch Braccio versteht’s nicht) schwingt sich Lavinia auf ihr Ross und galoppiert von hinnen. Fabrizio und seine Nase befürchten Schlimmes und verfolgen die holde Maid, und das mit Recht, denn ein paar Kilometer weiter ist sie augenscheinlich garstig vom Pferd gefallen und hat sich wohl ein gräfliches Knöchelchen verstaucht o.ä.

Das bedeutet, dass Fabrizio und seine Nase sich als edle Retter aufspielen können und NATÜRLICH verlieben sich Fabrizio nebst Nase und Komtesschen Lavinia stantepete bis über die grünen Ohren ineinander, will sagen Robin hat seine Marian gefunden. Man neckt sich ein wenig, aber da Braccios Mannen im Anmarsch sind, müssen Fabrizio und seine Nase sich erst mal verdünnisieren. Aber der junge Held gibt Lavinia eine Halskette als Geschenk mit auf den Weg und ihr auch noch den Rat, dass sie, wann immer sie mit ihm in Kontakt treten zu wünsche, eine Nachricht hier an der entsprechenden alten Eiche hinterlegen möge.

Ob Fabios Dahinscheiden ist Marta nun gewillt, Fabrizio und seiner Nase das Geheimnis ihrer Herkunft zu erklären, und an dieser Stelle verliert mich der Film. Klar, das ist ein althergebrachtes Klischee, das erfüllt werden muss – ABER: Fabrizio war ganz ersichtlich im Prolog ungefähr 8 Jahre alt (und alles andere würde auch keinen Sinn machen, wenn er nach dem 15-Jahres-Zeitsprung ein ausgewachsener Mann mit über-ausgewachsener Nase ist). Nach eigener Erfahrung ist man in diesem Alter nicht gehirnamputiert – es spricht also nichts dagegen, dass auch ein 23 Lenze junger Fabrizio und seine Nase sich bestens daran erinnern können sollten, acht Jahre lang in einem verfluchten Schloss als Fürstensohn gelebt zu haben, verdammich. Zudem war Fabio dem Jungen gegenüber ja auch nicht zur Verschwiegenheit verpflichtet (ganz im Gegentum: bei der Fluch aus dem Schloss gab er dem Kurzen auf den weg, JA NICHT ZU VERGESSEN, was er erlebt hat) – warum also fallen Fabrizio und seine Nase jetzt aus allen Wolken, als sie von ihrer adligen Abstammung als von und zu Altavillas erfahren? Schon sinnvoller ist’s, dass Marta dem Jüngling auch ein paar Dokumente, insbesondere Bau- und Lagepläne des Schlosses und seiner diversen Geheimgänge in die Pfote drückt.

Der Grund für entsprechende Eichen-Post wird auch bald geliefert, denn Ottavia hat sich mittlerweile entschieden, dass Lavinia aus taktischen und wirtschaftlichen Gründen von Giorgio vor den Traualter geschleppt wird.  Das findet Lavinia jetzt irgendwie nicht so knusper, und das junge Liebespaar trifft sich zur Krisenbesprechung an der Eiche. Blöderweise hat Martas kleine Geschichtsstunde bei Fabrizio und seiner Nase Denkprozesse der nicht so großartigen Art ausgelöst. Die Dellaroccas haben seine Familie gekillt, Lavinia ist eine Dellaroca, ergo: Liebe ist nicht, sondern nur Hass. Das trifft Lavinia natürlich wie ein Messerstich in die hübsche Brust, und, zugegeben, auch Fabrizio und seine Nase sind sich nicht hundertprozentig sicher, weil… lieb hat er sie ja doch irgendwie. Bevor die Sache allerdings endgültig befriedigend ausgekaspert werden kann, treffen Braccios Truppen ein und überwältigen auf der Grundlage schierer numerischer Überlegenheit von ca. 20:1 unseren verhinderten Loverboy.

Also dürfen Fabrizio und seine Nase sich mal die Kerkerzelle, die früher ihrer Familie gehört hat, von innen ansehen. Lavinia verschafft sich kraft ihrer familiären Autorität als Gräfinnentochter Zugang zur Zelle (Bondagefreundin und Dominatrix?), aber Fabrizio bleibt abweisend. Braccio gefällt aber überhaupt nicht, dass Lavinia sich mit dem Gefangenen trifft, denn er hat ganz eigene Pläne. Mittlerweile hat Ottavia sich nämlich dazu entschlossen, selbst wieder in den Hafen der Ehe einzulaufen, und das mit Braccio. Das wiederum lässt dem enttäuschten Mellina die Barthaare ausfallen, aber Braccio nimmt seinen Mentor beiseite. Ja, Ottavia steht auf ihn, das ist auch klar, aber er will nicht wirklich was von der alten Schabracke, zumal er durchaus weiß, dass Mellina ihr in Loyalität und ehrlicher Liebe verbunden ist. Braccio himself möchte Lavinia abschleppen, weil auch sie der Weg an den Grafentitel ist und dabei vermutlich mehr Spaß in der Kiste macht. Momentan muss er Ottavia gegenüber noch das dankbare lovetoy spielen, aber sein Plan ist es, ihr über die nächsten Wochen so auf die Nerven zu gehen, dass sie sich von ihm lossagt und in Mellinas aufnahmebereite starke Arme sinkt. Mellina kann sich damit anfreunden, auch wenn da noch das Problem besteht, dass Ottavia das Mädchen mehr oder minder Giorgio in die Hand versprochen hat. Aber eins nach dem anderen.

Zunächst mal besucht Braccio Fabrizio und seine Nase im Kerker, um ihn aus Spaß etwas zu foltern, und dort konfrontiert der Angekettete Braccio mit der Wahrheit über seine Abstammung. Eine wertvolle Information für Braccio und ein Grund mehr, für das ränkeschmiedende Duo Braccio und Mellina Fabrizios baldiges Ableben zu orchestrieren. Davon darf nur wieder Lavinia nichts wissen – die wird nämlich mit Giorgio und Roger zurück in die Stadt geschickt (gegen ihren ausdrücklichen Willen), und mit hinter dem Rücken gekreuzten Finger versichern Gräfin, Braccio und Hauptmann dem Mädchen, dass Fabrizio in baldigster Bälde freigelassen werden wird. Warum sie Fabrizio nicht am nächsten Balken aufhängen, sobald die Kutsche mit den Reisenden durchs Schlosstor ist, bleibt ihr Geheimnis, und sie werden es alle bald bereuen. Eine schöne Überraschung ist dagegen für Braccio, dass plötzlich Iolanda vor der Tür steht und auf das Angebot einer kleinen feinen Dienerinnenstellung im Schloss zurückkommt. Wer kann dazu schon nein sagen?

Die Kutsche wird nämlich von den Zigeunern überfallen – hauptsächlich wollen sie Lavinia, das Gepäck und die Wertsachen von Giorgio und Roger werden aber natürlich auch dankend angenommen. Lavinia soll als Gegengeisel dienen und Marta lässt die aufs Haupt geschlagen bekommene gräfliche Eskorte ihrer Chefetage ausrichten, dass Fabrizio in Vollbesitz seiner Nase binnen 24 Stunden freigelassen werden muss, widrigenfalls Lavinia dran glauben muss.

Dienst ist Dienst, Schnaps ist Schnaps und Familienblutfehde ist Familienblutfehde, aber irgendwo hört der Spaß ja dann doch auf. Ottavia ist nicht glücklich dabei, aber sie befiehlt Fabrizios Freilassung, bittet aber ungeschickterweise Braccio um die entsprechende Veranlassung, und der ist nun mal der letzte, der Fabrizio durch seine Nase frische Luft atmen sehen will. Das bindet er dem armen Fabrizio auch auf die bewusste Nase, hat aber nicht einkalkuliert, dass Mellina weiß, wie man vermeintliche Vier-Augen-Gespräche im Kerker über einen Luftschacht mithören kann. Und Mellinas Loyalität gehört, wie wir wissen, ausschließlich und nur Ottavia, ergo petzt er umgehend und demonstriert ihr auch Braccios falsches Spiel. Die Gräfin zitiert Braccio auf eine strenge Standpauke zu sich, und als der merkt, dass seine halbseidene Ausrede, er habe gegenüber Fabrizio und seiner Nase nur ein kleines Späßchen gemacht, damit er sich noch mehr freut, wenn er freigelassen wird, nicht mal von einem niederbayerischen Bergbauern geglaubt wird, greift er sich einen Dolch und sticht die Gräfin fatal nieder. Das erweckt nun wieder nicht Mellinas Wohlgefallen, und Braccios Vorschlag, sich weitere Handlungen gut zu überlegen, alldieweil der Tat-Dolch aus Mellinas Beständen stammt, ist der für irgendwelche Verhandlungen nun absolut nicht zu gebrauchen und stürzt sich in einen Zweikampf auf Leben und Tod.  Braccio gelingt es endlich, seinem Lehrmeister eins überzubraten – Mellina berührt im Tod Ottavias geliebte Hand.

Damit wäre ein Problem gelöst, doch ein andere stellt sich dem Usurpator – während er damit beschäftigt war, seine Ersatzeltern zu killen, haben die Zigeuner dank der Geheimpläne und Iolandas Insider-Informationen Fabrizio und Nase befreit. Dabei hat sich Iolanda – von Kameras leider unbeobachtet – einen Schwertstreich eingefangen. Iolanda besteht auf der „tis but a scratch“-Ausrede, aber wir ahnen Tragik, die auf ihren Durchlauf wartet.

Im Zigeunerlager ist man zwischenzeitlich absolut bereit, Nägel mit Köppen zu machen und der Drohung, Lavinia zu töten, Taten folgen zu lassen. In fact hat man sie bereits gefesselt auf einen Klepper gehockt und an den nächstbesten Baum eine dekorative Schlinge geknüpft, mit der erkennbaren Absicht, letztere um Lavinias zarten Hals zu legen. Lavinia, Gott hab sie selig, ist traurig, aber tapfer bereit, ihr Leben baumelnderweise auszuhauchen. In LETZTER SEKUNDE taucht allerdings der Befreiungstrupp mit Fabrizio, seiner Nase und der waidwunden Iolanda auf… Streng genommen könnte man Lavinia jetzt trotzdem aufhängen, schließlich haben die Dellaroccas ihn rein faktisch gesehen nicht freigelassen… aber ich will ja nur wieder sinnlose Gewalt gegen Frauen sehen, har-har.

Nachdem Iolanda in Fabrizios Armen stirbt und damit wieder mal diejenige, die den Helden wirklich innig und wahrhaftig liebt, die Angeschissene ist, während der sich mit einem Mädel vergnügt, das er bis dato dreimal für insgesamt fünf Minuten gesehen hat, ist nun alles für das Grande Finale angerichtet.

Braccio ist am Ziel seiner Wünsche – er ist der Graf (wie eigentlich? Eine Hochzeit mit Ottavia haben wir bis dahin nicht gesehen, auch wenn ihn die Bediensteten als „Graf“ angesprochen haben) und hat für seine Hofschranzen ein Festgelage ausgegeben. D.h. das Gelage übernimmt primär er, die restlichen Dinnergäste sitzen mit versteinerten Gesichtern an der Tafel und geben dem neuen Chef wortlos zu verstehen, dass er ihretwegen sehr gern und auf der Stelle ein One-Way-Ticket nach Egalwohinblossweg lösen dürfte. Irgendwann wird’s auch Braccio zu langweilig, seine Leute zu beleidigen und schickt alle ohne Nachtisch ins Bett. Nun öffnet sich die Kamin-Geheimtür und ihr entsteigt zunächst Lavinia, nach aller Logik die rechtmäßige Gräfin. Beeindruckt Braccio nicht sonderlich, schon eher allerdings, dass ihr Fabrizio und seine Nase folgen, und die sind beide kampfeslustig. Ihr könnt Euch denken, wie’s ausgeht…

Nach zwei Epen, die zumindest wohlwollend als lose orientiert an historischen Gegebenheiten klassifiziert werden können, ohne dass man sich vollkommen für die Aussage in Grund + Boden schämen muss, gebot es ja schon allein das Gesetz der Serie, dass ich jetzt auch mal absoluten Kappes erwische. Und ja, TÖDLICHE RACHE ist Kappes. Eigentlich lohnt es sich nicht, viele Worte über den Film zu verlieren (schrob er auf Seite 9 seines Reviews), denn er ist wirklich nur ein trüber Aufguss vielfach durchgekauter Motive (natürlich in allererster Linie des Robin-Hood-Mythos, von dem sich TÖDLICHE RACHE zahlreiche Plotpoints und Charakterentwürfe ausborgt),

Nun ist gut geklaut, wie wir gerade hier schon oft festgestellt haben, immer noch deutlich besser als schlecht selbst erfunden, aber dann sollte man schon mit ein wenig Enthusiasmus an die Sache herangehen. TÖDLICHE RACHE macht übers eine kompletten (?, siehe oben) 79 Minuten Laufzeit nie einen anderen Eindruck als den eines halbherzig, lieblos, uninteressiert heruntergschluderten Auftragsprodukts (was es freilich vermutlich auch war), an den niemand auch nur einen Tropfen Herzblut vergossen hat. Alles erfüllt so grade eben die Mindestanforderungen an einen Film, den man einigermaßen guten Gewissens ins Kino prügeln kann, ohne dass das gefoppte Publikum einem anschließend den Schädel einschlagen will, aber es ist eben so leidenschaftslos runtergerasselt, dass man sich beim Ansehen fragt, ob keinem der Beteiligten nicht unterwegs mal aufgefallen ist, dass man das auch mit ein wenig mehr Einsatz, etwas mehr Willen zum Erfolg hätte angehen können.

Die Plotte ist dabei noch das geringste Problem, im Gegenteil, mit dem Liebesfünfeck Ottavia-Bracccio-Mellina-Lavinia-Fabrizio hat die Geschichte sogar eine durchaus tragfähige Idee, um seine Hauptfiguren in ein fröhliches Bäumchen-wechsle-dich-Spiel der Allianzen und Intrigen zu schicken, aber am Ende machen Sollima und De Santis da nicht arg viel draus, außer ein bisschen Kabbeleien zwischen Braccio und Mellina, die dialogtechnisch trotzdem die Höhepunkte setzen. Für die Anwesenheit von Giorgio und Roger findet das Script nicht wirklich einen tragfähigen Grund, und die Zigeuner verschwimmen abseits von Iolanda und Marta zu einer gesichtslosen Masse ohne eigenständige Charakterzüge, essentiell sind sie wie die namenlosen Soldaten schlicht Kanonenfutter, das in den Kampfszenen geopfert werden kann, ohne dass dadurch der Fortgang der eigentlich interessierenden Geschichte merklich gehindert wird.

Wie ich oben schon schrob, ist unklar, ob der Film mit 79 Minuten wirklich komplett ist – ab und an kommt’s mir schon so vor, als würden gewichtige Transitionen fehlen (nicht nur der Tod des Herzogpaares fällt auf, auch zwischen dem Überfall aufs Zigeunerlager und dem Jagdpicknick und an einigen anderen Stellen tun sich Lücken auf). Ganz interessant wäre es an der Stelle zu erfahren, welches Produktionsdatum nun tatsächlich stimmt – trifft nämlich die Angabe 1960 von amazon prime zu, wäre es insofern verständlich, als es dann Capuanos erster swahsbuckler gewesen und damit verständlich wäre, dass der Regisseur sich an das Sujet erst herantastet.

Jedenfalls wirkt der Film alles andere als dramaturgisch rund, entwickelt nie wirklich einen echten „Flow“, und macht es durch die Aneinanderreihung von vermeintlichen set pieces ohne storytechnische Unterfütterung schwierig, sich auf die Figuren einzulassen. Wobei natürlich auch gesagt werden muss, dass der Film massiv unter der Fehlbesetzung der Heldenfigur leidet – Mario Valdemarin ist weder hübsch noch sympathisch noch charismatisch noch physisch beeindruckend genug für die Rolle, und einen sonderlich talentierten Eindruck macht er zudem auch noch. Chemistry mit der wirklich entzückenden Gabriella Farinon ist gleich null (dafür liefert sich die Farinon ein heißes Kopf-an-Kopf-Rennen mit Lilo Pulver um den Titel der süßesten Komtess der Filmgeschichte). Germano Longo spielt sich als Braccio zwar auch nicht gerade um Kopf und Kragen, hat aber eindeutig mehr Ausstrahlung, mehr Präsenz und wäre, wenn er die gewünschte Verschlagenheit aus seinem Blick nehmen würde, auch glatt deutlich sympathischer als Valdemarin – ein Rollentausch wäre da mehr als angebracht gewesen. Recht kurios ist, dass Livio Lorenzon als der gealterte Schwertmeister der Gräfin nur ein paar Jahre älter war als Valdemarin und Longo, aber manch einer hat halt von frühester Jugend an ein reifes Gesicht… Er hat einige recht drollige Momente in der zugegeben auch besten Rolle des Films. Tamara Lees ist mir als Ottavia auch zu wenig larger-than-life und sieht man die bemühte, aber wirkungslose Lydia Johnson, weiß man erst mal wieder, was man an einer Maria Ouspenskaya hatte.Vom comic-relief-Duo Gianni Rizzo (der einen „und“-Kredit bekommt, als wäre er ein bemerkenswerter Gaststar) und Loris Gizzi fährt letztgenannter deutlich besser (Rizzo war seinerseits ein deutlich besserer Gehlas in DIE SKLAVEN DER SEMIRAMIS).

Auch optisch gibt der Film nicht viel her – die Landschaft ist langweilig (und noch dazu offenbar im Herbst fotografiert, d.h. die Bäume haben nicht mal Blätter), die Schloss-Interiors auch nicht übermäßig aufwendig oder sehenswert. Die Kostüme verdienen da und dort einen Lächerlichkeitspunkt, aber was mir komischerweise sehr auffiel, war, dass die Zigeuner deutlich „moderrnere“ (von mir eher aufs 17. oder 18. Jahrhundert verortete) Kostüme tragen als die hohen Herren des Adels. Irgendeine Botschaft? Oder nur Zufall, weil die Kostümkammer den Kram eben hergab? Wer weiß…

Der auf amazon prime verfügbare Print ist deutlich ramponiert und laboriert auch an einigen jump cuts durch fehlende Frames, ist aber insgesamt noch watchable. Wenn man denn meint, man sollte das Ding unbedingt sehen…

Sollte man aber nicht unbedingt. TÖDLICHE RACHE hat außer dem süßen (aber zugeknöpften, wir reden von 1960, Ihr Ferkel!) Anblick von Gabriella Farinon keine Argumente in die Waagschale zu werfen, warum man sich ausgerechnet diesen mittelalterlichen Abenteuerfilm ansehen sollte, wenn nicht nur Hollywood, die britische Filmindustrie und nicht zuletzt Bella Italia selbst viele, viele wesentlich unterhaltsamere und auch von den production values her wertigere Alternativen anbieten. Skip this one.

© 2019 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 7

BIER-Skala: 3


mm
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