Todesgrüße aus Shaolin

 
  • Deutscher Titel: Todesgrüße aus Shaolin
  • Original-Titel: Za jia gao shou
  • Alternative Titel: Todesgrüsse von Bruce Lee | The Dragon, The Hero |
  • Regie: Godfrey Ho
  • Land: Taiwan
  • Jahr: 1979
  • Darsteller:

    John Liu, Dragon Lee, Mars, Kam Chiang, Phillip Ko, Alexander Grand, Tino Wong, Bolo Yeung


Vorwort

Dank der verwirrenden Charaktervielfalt, den nicht gerade gedächtnisfreundlichen chinesischen Namen und der Tendenz der Figuren, sich nicht unbedingt mit jenen anzureden, wird die Inhaltsangabe heute mal recht schwierig für mich. Also, wir sind mal wieder in Mandschu-Zeiten. Die fiesen Mandschu-Knilche machten als Bedrohung für ihre Fremdherrschaft die Shaolin-Klöster aus und brannten diese nieder. Nur ein Mönch überlebte und gab die Kampfkünste der Kriegermönche an zwei Schüler weiter, die jeweils wieder ihre ältesten Söhne unterrichten. In der siebten Generation hatte sich jedoch eine Famlie mit den Mandschus arrangiert, so dass es zum Zweikampf der letzten Shaolin-Fighter kam, den der Mandschu-Kollaborateur für sich entschied. Das vollzieht sich alles während der Opening Credits, jetzt sind wir eine weitere Generation weiter.

Der Sohn des unterlegenen Shaolin-Erben lebt in der Provinz, hat nur rudimentäre Kung-fu-Kenntnisse, die aber allemal reichen, gegen die hergelaufenen Schläger eines lokalen Gangsterbosses zu bestehen – und daneben hat er mit „Bruce“ (typischer chinesischer Vorname während Mandschu-Zeiten) einen schlagkräftigen Kumpel.
Der Gangsterboss Sitzt-mit-Whiteface-im-Rollstuhl beschäftigt einen Henchman namens Chan, der seinen Claim, jeden Gegner innerhalb von zwei Minuten in die nächste Welt zu befördern, per Eieruhr legitimiert. Sitzt-mit-Whiteface-im-Rollstuhl plant mit seinem westlichen Auftraggeber einen großangelegten Antiquitätenschmuggel, hat aber trotzdem Zeit, zum Spaß jedem Freiwilligen, der einen seiner Kämpfer beseigt, 20 Goldmünzen zu bieten (wer tatsächlich gewinnt, hat das persönliche Pech, dass sich dann Chan um ihn kümmert).

Eines Tages taucht ein Fremder in der Stadt auf, macht sich direkt auf den Weg zu Sitzt-mit-Whiteface-im-Rollstuhl, verdrischt mehrere seiner Schläger und beansprucht, in seine Dienste aufgenommen zu werden. Auch wenn Chan um seine hervorgehobene Position bangt, steht der Rolliinsasse diesem Ansinnen sehr aufgeschlossen gegenüber.
Weniger allerdings Kann-nicht-wirklich-Kung-fu-Sohn nebst Bruce, denn der Fremde ist niemand anderes als der letzte Vertreter des bewussten anderen Shaolin-Erben-Clans und damit ohne weiteres Sohn des Mörders von Kann-nicht-wirklich-Kung-fu-Sohns Papa. Das schreit nach Rache und brüllt nach Revanche, doch des Fremden überlegene Shaolin-Kampftechnik ist Kann-nicht-wirklich-Kung-fu-Sohns Kung-fu dann doch, naja, eben überlegen. Letzterer nimmt Nachhilfe, während Bruce beim Versuch, ein Dienstmädchen, das von Sitzt-mit-Whiteface-im-Rollstuhl unsittlich bedrängt wird, zu retten, schafft, dass Letzterer Erstere umbringt und dann auch noch von Chan vermöbelt zu werden.

Letztlich aber outet sich der Fremde als Undercover-Cop, der Sitzt-mit-Whiteface-im-Rollstuhl schon lange im Nacken sitzt – und der entpuppt sich dann auch noch als der wahre Mörder von Kann-nicht-wirklich-Kung-fu-Sohns Daddy. Sieht so aus, als wäre ein Showdown von drei Guten gegen zwei Böse unausweichlich…


Inhalt

Der gute alte Eastern-Klopper aus der dritten Liga, ein fester Bestandteil der hinteren Reihen jeder Videothek in den 80ern… Unser heutiges Corpus Delicti ist tatsächlich eine Kooperation von Regisseur Godfrey Ho und Proudzent Joseph Lai, die beweisen, dass sie, bevor sie auf den Trichter kamen, dass mit dem Reinschneiden von Ninjakrams in Filme, die sich dagegen nicht wehren können, leicht Asche zu verdienen ist, durchaus auch mal was fabrizieren konnten, was verdächtig nach einem „richtigen Film“ aussieht.

„Todesgrüße aus Shaolin“, in seiner früheren Existenz auf Video der nicht wirklich elementaren Rolle von Dragon Lee wegen als Brucesploiter („Todesgrüße von Bruce Lee“) vermarktet (aber wohl auch nur auf diesem unserem deutschen Markt), ist ein furchtbar gewöhnlicher Holzer mit einem Plot (erdacht von einem gewissen On Szeto, der über mehr als 30 Jahre insgesamt 114 Drehbücher verfasste, u.a. auch die zu „Hurra, die Knochenbrecher sind da“, Bruce Lee – Die Todesklaue des Tigers und „Ultra Force 1“), der von vorn und hinten betrachtet keinen Sinn ergibt, sich nur notdürftigst den Gesetzmäßigkeiten eines nachvollzehbaren Narrativs unterwirft und in schöner Regelmäßigkeit WTF-Momente einbaut, die dann doch deutlich machen, wieso die späteren IFD-Ninja-Hobel so aussehen, wie sie aussehen…

Natürlich bringt „Todesgrüße aus Shaolin“ nicht diese bodenlose Insanity, mit der die unberechenbarsten IFD-Klassiker unvorbereitete Seelen in die Verdammnis stürzen – allerdings ist die „who-gives-a-shit“-Mentalität, die hier dafür sorgt, dass Ho und Szeto wirklich jeden doofen Einfall, der ihnen nachts um drei im Suff an der Hotelbar kam, in ihr Script einbauten, schon irgendwo der logische Vorfahr der Patchwork-Filme.
Was haben wir hier z.B.? Einen Ersatz-Drunken-Master, der aber nicht dem Weine frönt, sondern offensichtlich seine Zeit damit verbringt, sich die Birne vollzukiffen, ein Stoned Master sozusagen („leider“ gibt er diese Technik nicht an seinen Schüler weiter, der muss im nüchternen Zustand mit seinen Feinden balgen. Aber immerhin ist das herrlich inkonsistent, weil der Film drauf rumreitet, dass niemand der Shaolin-Technik, die der Fremde beherrscht, das Wasser reichen kann, er aber gegen Chan allein aufgeschmissen ist und die Technik, die Kann-nicht-usw. beim Stoned Master lernt, der des Fremden im Finale voll ebenbürtig ist).
Dragon Lee aka „Bruce“ absolviert mehr oder weniger Gastauftritte – er ist null in die Handlung integriert, hat alle 20 Minuten mal eine Kampfszene (und, wie oben dargestellt, seine Glanzleistung ist es, dass er die Maid, die er zu schützen beabsichtigt, indirekt umbringt. Könner) – „Todesgrüße“ ist trotz der hiesigen Vermarktung kein reinrassiger Bruceploiter, es macht nur den Eindruck, als ob Ho und Lai dachten, wenn Dragon eh schon in der Gegend rumlungert, kann man ihn und seine Lee-Imitation ja auch in den Film einbauen.
Chan, der Chef-Henchman des Obergauners, hat eine Spezialtechnik am Start, die Sturmböen aufziehen lässt und bezieht seine Kraft „aus der Erde“ (er wird demgemäß besiegt, in dem man verhindert, dass seine Schweißfüße mit der Heimatscholle Kontakt aufnehmen).
Und der Oberhammer ist Mister Obergangster himself. Dachte ich am Anfang noch, der Knabe würde sich das weiße Gesichts-Make-up auflegen, damit er mit seinen westlichen Geschäftspartnern „auf Augenhöhe“ verhandeln kann, impliziert der Streifen spätestens zur Mitte, der Knabe wäre ein Vampir (zumindest beißt er gern in Hälse…)! Ach ja, und kastriert ist der Herr nach einem unglücklichen Zusammenstoß mit einem Schäferhund in jüngeren Jahren (als er versuchte, einen Knaben zu vergewaltigen!) auch – und die „Kastration“ bekommen wir sogar graphisch mit einem durch die Gegend fliegenden blutigen Gummipimmel dargestellt. Ächz!

Wie schon gesagt – das ist ’ne Menge Wahnsinn für einen Streifen, den ich eigentlich für den zwölfadrölfzigtausendsten „Dein-Meister-hat-meinen-Meister-getötet“-Kung-fu-Heuler von der Stange hielt, aber diese Hilariösität hat er eben nicht durchgehend. Zwischen diesen Ein- und Anfällen inspirierter Geisteskrankheit gibt’s halt jede Menge „gewöhnlichen“ Martial-Arts-Standardkrams inklusive unlustigem HK-Humor mit depperten comic-relief-Charakteren, Trainingsmontagen und einen „Plot“, der eigentlich keiner ist, weil niemand versucht, eine Geschichte im Wortsinn zu erzählen, sondern nur Episoden aneinanderreiht, die idealerweise mit einer Kampfszene enden und mit viel Daumendrücken und Vaterlandsliebe zu einem Showdown zusammenlaufen, bei dem alle Beteiligten endlich mal am gleichen Ort sind und sich zum Last-Man-Standing die Köpfe einschlagen können.

Ho inszeniert den Kram immerhin so, als sei ihm Ende der 70er noch nicht ALLES völlig wurscht gewesen (ja, irgendwie, die Wissenschaft streitet noch, wie genau, drehte er auch später noch ein paar formal anständige Filme) – im Gegensatz zu den Shaw Brothers (gerade bei Die Pranke des Gelben Löwen noch hierfür gelobt) machen Ho und Lai sich nicht die Mühe, elaborate Sets auf der Soundstage aufzubauen, sondern drehen on location – on nicht sonderlich eindrucksvoller location, fraglos (das Quartier des „Stoned Masters“ verdankt seine Existenz sicherlich keiner Vorplanung, sondern mit Sicherheit dem Umstand, dass Lai und Ho über ein verlassenes Gebäude stolperten und das gleich mal in ihren Drehplan einbauten).
Die Kostüme sind – bis auf Kann-nicht-richtig-Kung-fu-Sohns neckischen Bolero im Finale – von der eher schlichten Sorte. Die Kampfszenen an und für sich sind nicht übel – nicht übermäßig spektakulär, aber durchaus kompetent vorgetragen (sofern man John Lius Stil etwas abgewinnen kann) und von Godfrey Ho auch recht annehmbar gefilmt. Er geht überwiegend nicht ganz so nah ran an die Action, erlaubt sich aber auch close-ups und geht nie weiter weg als in die dezente Halbtotale. Der Body Count ist moderat, auch wenn gestorben wird, wird’s nicht umwerfend blutig (weswegen mich die Kastration so wundert…), allerdings darf Chan bei seiem Ableben ein wenig kotzen. Ist doch auch was.

Die Darsteller, die ich größtenteils nicht identifizieren kann, sind für die Verhältnisse einer Low-Budget-Produktion aus dem Hause Lai okay, es sind ja auch ein paar bekannte Namen dabei, z.B. Mars aus Jackie Chans Stunt-Team (dem er freilich erst später beitrat), Phillip Ko, der später selbst unter die Regisseure ging und u.a. „Platoon Warriors“ und „Born to Fight 5/6“ inszenierte, Westimport Alexander Grand (auch im „Mighty Peking Man“ zu sehen) und natürlich Bolo Yeung („Bloodsport“), der hier mit einem, hihi, majestätischen Brusthaartoupet zwei Fights in der Auftaktphase des Films bestreitet.
Dragon Lee ist einer meiner Liebilngs-Bruce-Lee-Imitatoren – er sieht dem großen Bruce zwar nicht sonderlich ähnlich (vor allem, da er für’nen Asiaten allgemein und Nordkoreaner speziell ungewöhnlich meist mit verbotener Langhaarmatte rumlief), aber von den mir vertrauten Möchtegern-Bruces ist er derjenige, der die Mannerismen des Vorbilds, seine Gestik, seine Mimik, seine stets mitschwingende unterstellige Arroganz, am ungezwungensten, natürlichsten reproduziert.
John Liu hingegen – hm, seit ich vor über zwanzig Jahren das Ocean-Tape von „Fausthieb des Todes“ erstand, halte ich den guten John eigentlich für den langweiligsten Martial Artist der jüngeren Geschichte (selbst wenn er mal Christian Anders für seinen Film „In den Klauen des C.I.A“. verpflichtet hat. Verdammt, jetzt brauch ich DAS Ding auch noch), aber hier ist er regelrecht charismatisch (mag auch daran liegen, dass er eine vergleichsweise ambivalente Rolle spielt). Seinen speziellen Kampfstil werde ich vermutlich nie richtig ins Herz schließen (obwohl kaum einer höher kicken kann als er. Weswegen er die „ich-umklammere-mein-eigenes-Bein“-Pose öfter bringt als van Damme seinen Spagat), ich kann ihn hier jedoch tolerieren.

Bildqualität: Ein 4:3-Print (ca. 1.85:1 Letterbox), der das Kraut sicher nicht fett macht, sich aber recht anständig auf Großbild aufblasen lässt – ein paar Verschmutzungen und Defekte sind zu verzeichnen, für’n Budget-Release ist das aber gangbar. Schärfe und Kontrast bewegen sich adäquat im unteren Durchschnittsbereich.

Tonqualität: Deutscher Ton in Dolby Stereo 2.0. MiG, die den Streifen in ihrer „John Liu Box Vol. 1“ veröffentilcht haben, präsentieren den Streifen erstmals ungekürzt – einige Dialogpassagen, die nichts Elementares vermissen ließen (ein paar Hintergründe zu den fiesen Geschäften der Gangster und großartige Gemmen chinesischen Humors), sind jetzt im O-Ton mit festen Untertiteln eingefügt. Der deutsche Ton ist ein wenig knarzig, aber noch brauchbar. Die Synchro müht sich um Rainer-Brandt-Feeling durch den Einbau einiger schnoddriger (aber nicht anachronistisch wirkender) Sprüche.

Extras: Trailershow.

Fazit: Was eigentlich ein völlig belangloser Shaolinheuler der Holzklasse wäre, wird durch ein paar Vorwegnahmen späterer Lai/Ho-Insanity zwar nicht zum instant trash classic, aber zumindest zu einem Filmchen, das man aus trashologisch-historischer Sicht wenigstens einmal gesehen haben sollte. Das wäre jetzt eigentlich ein Fall für eine 2,5/5-Wertung, da ich sowas aber nicht habe, ziehe ich den Bolo-Yeung-Joker und hieve die Angelegenheit auf ’ne ganz knappe 3/5 – die gilt hauptsächlich und insbesondere für Lai/Ho-Fanatiker und Dragon-Lee-Freunde. Wessen Ding das jetzt nicht so ist, der sollte lieber bei Jackie Chan bleiben… (ja, und mir ist klar, dass ich in die Hölle komme, weil ich eine Ho/Lai-Zusammenarbeit höher bewertet habe als einen „Shaw Classic“. No risk, no fun!).

3/5
(c) 2012 Dr. Acula


mm
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Vero
Vero
6. Oktober 2022 18:45

lustiger comment! Ich bin mit Kung-Fu filmen in meiner Jugend aufgewachsen und mochte immer diese ungewöhnliche düstere Stimmung. Zu der Zeit ein großer John Liu und Philip Ko Fan hat der Film mich nostalgisch geprägt, versteh aber Deine Bedenken und Einwände. Klasse Kommentar mit genau meinem Humor. Danke!