Thriller – En Grym Film

 
  • Original-Titel: Thriller - En Grym Film
  • Alternative Titel: Thriller - A Cruel Picture | They Call Her One-Eye | Hooker's Revenge |
  • Regie: Bo A. Vibenius (als Alex Fridolinski)
  • Land: Schweden
  • Jahr: 1974
  • Darsteller:

    Madeleine (Frigga) (Christina Lindberg)
    Tony (Heinz Hopf)
    Lesbische Besucherin (Despina Tomazani)
    Madeleines Vater (Per-Axel Arosenius)
    Sally (Solveig Andersson)
    N.A. Björn Kristiansson
    N.A. Marie-Louise Mannervall
    N.A. Hildur Lindberg
    N.A. Stig Lokrantz
    N.A. Olle Nordlander


Vorwort

bt. 1 – They ever come back

Abt. 2 – Geheimnisvoll Skandalumwittertes

Auch wenn´s der ein oder andere vielleicht in seinen kühnsten Träumen gehofft hat, die unfreiwillige Zwangspause hat den Doc zwar erschüttert, aber nicht mund- bzw. tastaturtot gemacht. Es geht von neuer Wirkungsstätte aus mit voller Kraft weiter…

Und damit zum Film und zur zweiten Abteilung. Thriller gehört zu der Kategorie legendenumrankter Grindhouse-„Klassiker“, die bei ihrer Erstaufführung in den Bumskinos dieser Welt maximal von einer Handvoll Menschen gesehen wurden, sich aber durch die gute alte „stille Post“ in überirdisch große, einflußreiche Genre-Meilensteine verwandelt haben (es fragt sich vermutlich nicht nur der Doc – wenn kaum jemand diese Filme wirklich GESEHEN hat, wie zum Henker konnten sie dann einflußreich werden? Abgesehen von Quentin Tarantino wird sich wohl kaum ein Filmproduzent ein Verzeichnis billiger Exploitation-Reißer für spätere Verwendung angelegt haben?).

Wo wir den Namen Tarantino schon erwähnt haben – der unvermeidliche QT hält natürlich auch „Thriller“, ein Produkt aus der abseits des billigen Sexfilms eher überschaubaren schwedischen Exploitation-Filmographie, für ganz großes Tennis. Wenn man allerdings danach geht, muss man so ziemlich die komplette, weltweite B-und-darunter-Filmproduktion in den Klassikerrang hieven, denn dem guten Quentin fällt auch noch zu letzten Schmodderklopper von den Fiji-Inseln ein Insidergag ein, den er in seinem nächsten Film verwursten kann. Und ja, auch Thriller wird z.B. zitiert, wenn es um Einflüsse für Tarantinos Grindhouse-opus-magnum Kill Bill geht, speziell soll die einäugige Heldin des Schwedenhappens Pate gestanden haben für Killerbraut Elle Driver (alias Daryl Hannah). Gut, man kann selbstverständlich alles und jeden als Hommage für something or other sehen, aber abgesehen davon, dass Elle und unsere hiesige Heroine nur im Besitz eines funktionierenden Sehapparats sind und Leute umbringen, halten sich die Gemeinsamkeiten in Grenzen. Da Meister Quentin die entsprechende These aber nicht gerade entschlossen dementiert, soll´s damit meinetwegen ein Bewenden haben. Wer bin ich, QT ans Bein zu pinkeln (das mach ich dann doch lieber bei Fulci und Schnaas… nein, kein Review ohne gratitious Schnaas-Bashing).

Okay, kratzen wir also langsam die Kurve in Richtung unseres Films. Ein gewisser Bo A. Vibenius, den man selbst als Ober-Cineast nun nicht wirklich namentlich kennen muss (zumal er gerne und oft unter Pseudonym arbeitete, auch für Thriller liess er sich nur als Produzent mit eigenem Namen kreditieren und legte sich für die Regie einen schicken anderen Namen zu), fühlte sich also 1974 bemüßigt, der Welt ein Filmchen hinzuknallen, wie sie es bis dato nicht gesehen hatte (zumindest behauptet das das Werbematerial). Für die Hauptrolle rekrutierte er das schwedische Sexsternchen Christina Lindberg. Das Endresultat wurde in Schweden prompt verboten, was Vibenius, clever, wie findige B-Movie-Produzzer schon immer waren, sofort als werbewirksame Maßnahme aufgriff. In den Vereinigten Staaten lief der Streifen in einer um zwanzig Minuten („sex and gore“, verspricht das neumodische Covergeschreibsel vollmundig) gekürzten Fassung als They Call Her One-Eye und unter dem Titel Hooker´ Revenge in einer Doppelvorführung mit The Photographer´s Model (einem anderen 70er-Sexploiter), fiel anschließend weitgehend der Vergessenheit anheim und erarbeitete sich in der Community der Exploitationfreaks eben aufgrund der Tatsache, in seinem Heimatland mächtig verboten und in den US of A heftig beschnitten zu sein, den Ruf eines monumentalen Rape´n´Revenge-Klassikers (denn das ist letztlich das Genre, in dem wir uns bewegen).

Synapse Films, das rührige US-DVD-Label, das sich der digitalen Aufarbeitung gewalttätigen Krams, der´s eigentlich nicht verdient hat (siehe Entrails of a Virgin und Konsorten), hat sich nun (bzw. schon 2004, aber bis der Doc seine gierigen Griffel an eine großmütig gewährte Sachspende bekommt und dann noch Zeit findet, diese ausgiebig zu würdigen, dauert´s halt seine Zeit…) die Mühe gemacht, Thriller „painstakingly“ zu restaurieren und in Form einer limitierten DVD-Edition der zahlenden Kundschaft zu präsentieren. Na, da sind wir doch mal wieder gespannter als die sprichwörtlichen Flitzebogen. Hält Thriller, was die Propaganda verspricht? We´ll find out.

Aufgrund der eher, ähm, gewagten Darstellungen dieses Films erscheint mir ein FSK-18-Disclaimer angebracht.


Inhalt

Mit mächtig Lalülala brettert ein Polizeiwagen über die staubigen Schotterpisten der schwedischen Provinz. Ehe wir uns noch fragen können, wer hier warum hinter wem her ist, schalten wir auch schon um in einen Herbstwald. Ich ahne es – Rückblendenfilm… (seufz).

Also in den Herbstwald. Dort tollt ein kleines Mädchen (vier oder fünf Jahre alt, möchte ich scherzen) durch das Laub und spielt mit einem etwas abgerissen aussehenden, aber irgendwie freundlich wirkenden älteren Gesellen, den man zunächst mal für den Opa der Kleenen halten könnte (ich verkneife mir an dieser Stelle den gesetzlich vorgeschriebenen „alter Schwede“-Gag). Die Kleine schenkt dem alten Knacker hübsche Blätter, er hebt sie in die Luft, eigentlich perfekte Idylle. Zumindest solange, bis der Oldie eher stimmungsabträglich damit beginnt, schwarzen Globber (also offensichtlich nicht nur nach italienischer Auslegung glaubhaftes „Blut“) auszuhusten und dekorativ umfällt. Dies aber offenbar direktemang auf das kleine Mädchen und wo wir schon mal da sind, können wir ja auch mal dableiben.

Scheinbar gehen in Schweden die Uhren anders, denn schwarzen Globber zu husten und im Wald af kleine Mädchen zu fallen, scheint dort ein strafwürdiges Delikt zu sein (ich für meinen Teil hatte ja gedacht, der Opa ist hin). Jedenfalls wird der Opa verhaftet – ja, ich weiß ja, er hat sie missbraucht. Wurde mir aber auch erst beim zweiten Ansehen richtig klar, was auch an der subjektiven Kameraführung liegt (mir war beim ersten Durchlauf nämlich nicht klar, dass das subjektive Kamera aus Mädel-Sicht sein sein sollte). Der Kleinen Mami hält das Kind fest im Arm und weist das vom Alten schüchtern als Entschuldigungsgeste dargeboten Herbstlaub schroff zurück. Sehr kryptisch.

Später, um nicht zu sagen VIEL später – aus dem kleinen Mädchen ist ein durchaus nicht unattraktives End-Teenager-Geschoss geworden, auf den Namen Madeleine hört (gut, das vermutlich auch schon vorher) und auf dem elterlichen Gehöft die vertrauensvolle Aufgabe übernommen hat, mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen den Nachbarn die gute Mili zu verkaufen. Die beiden Kundinnen zerreissen sich auf dem Heimweg das Maul – ist schon sehr tragisch, das mit der armen Madeleine, seit „damals“ (was 15 Jahre her sein soll) ist das Mädel verstummt, was angesichts des gar traumatischen Vorfalls auch allgemeines Verständnis bei den Klatschbasen findet (mich würde nur mal interessieren, WAS nun eigentlich passiert ist. Okay, jaja, ich kapier schon durch die Blume, dass der alte Sack das kleine Mädchen mindestens unsittlich berührt hat. Nicht, dass wir eine zarte Andeutung hiervon hätten sehen dürfen sollen müssen, aber wie gesagt, „Blut globbern und umfallen“ lasse ich eben nicht als Motivation für lebenslange Verstummung des „Opfers“ gelten, auch wenn, wie die Klatschtanten verraten, der Globber-Grabscher wegen eines diagnostizierten Dachschadens straffrei ausgegangen ist).

Madeleines Tierliebe hat der ominöse Vorfall keinen Abbruch getan, und ihr Vater, der Bauer, ist auch ganz der Verständnisvolle und sorgt sich um das seelische Befinden seines Augensterns. Das schwer überarbeitete Püppchen soll doch gefälligst den Nachmittagsbus in die große Stadt nehmen und sich ´nen schönen Lenz machen – ich sag doch, in Schweden ist alles anders; normalerweise wollen die beschützerisch veranlagten Eltern doch eher NICHT, dass ein junges Ding allein in die gefährliche Großstadt schippert, wo doch dort allerlei Unheil auf sie lauert (und, dieser Film liefert eine ergreifende Feldstudie, diese vorsichtigen Eltern haben völlig Recht…). Madeleine schwingt sich wie befohlen in ein attraktives Minikleidchen und joggt zur Bushaltestelle. Dort sieht sie, wie im richtigen Leben halt auch, nur noch die Rücklichter des Personenbeförderungsgefährts (und, so wie ich die Buschauffeure kenne, das hämische Grinsen des Piloten im Rückspiegel). Naja, wer u viel Zeit braucht, um sich aufzubrezeln, den bestraft das Leben… nun könnte Madeleine theoretisch ein langes Gesicht machen und zum heimischen Hof zurücktraben, doch das böse Schicksal will es so (das ist zumindest gut für den Zuschauer, denn ein schwedisches Provinzbauerndrama mag haufenweise Kritikerpreise gewinnen, war aber noch selten ein anregendes Filmvergnügen).

Das erwähnte Schicksal will z.B., dass justament in der Minute, in der Madeleine noch trübsinnig auf den Fahrplan stiert, um durch bloße Willenskraft eine zusätzliche Busverbindung erscheinen zu lassen, der bärtige Jungdynamiker Tony in seiner brandneu erworbenen Sportschüssel, einem anno Neunzehnhunderttobak schwer angesagten Ford Capri, durch die Einöde brettert, das weibliche Gerät am Straßenrand parken sieht, ein bis drei geistige Hochrechnungen anstellt und Madeleine eine Gratis-Mitfahrt in die Stadt aufdrängt. Weil Madeleine nicht nur stumm, sondern auch gut vertrauensselig bis leicht doof ist und nie verdienstvolle Aufklärungsfilme wie Hitchhike to Hell gesehen hat, steigt sie tatsächlich ein. Die Konversation ist begreiflicherweise etwas einseitig, so dass Tony (für männliche Chromosomenträger muss das ein wahres Freudenfest sein) die Fahrt mit enthusiastischen technischen Daten des Capri (ach ja… „wenn ein Capri bei roter Sonne im Meer versinkt…“… sing-gröhl) ausfüllen kann und erwähnt, dass das einzige offenbar nicht serienmäßig eingebaute Stück Sonderausstattung „eine Schnalle zum Drin-Rumfahren“ sei (das haben die Automobilbauer bei Sportwagen bis heute nicht begriffen. Würde manchen Leuten beiderlei Geschlechts viel ersparen…). Nun, auch die schönste Spritztour in der motorisierten Penisverlängerung (was das wieder für Google tun wird, hihi) geht einmal zu Ende, aber Tony hat an Madeleines schweigsamer Gesellschaft Gefallen gefunden und lädt sie auch noch zu einem exquisiten Mehrgängemenü (mit Leckerlis wie flambiertem Pfeffersteak und natürlich ordentlich Schlammpagner) ein. Madeleine verhält sich schüchtern, zurückhaltend, unsicher, großäugig und stupsnäsig (naja, die letzten beiden Attribute sind ihr mehr oder weniger angeboren). Tony bestätigt so manches Vorurteil über uns Kerle, indem er zu Protokoll gibt, dass er Frauen, die es verstehen, die Quatschluke geschlossen zu halten, durchaus für ´ne gute Sache hält, aber uns Madeleinchen stellt auch für ihn eine eindeutige Rekordkandidatin in dieser Hinsicht dar.

Als Kavalier alter Schule fährt Tony nach dem Happa-Happa das Girl nicht etwa zurück aufs Land, sondern vielmehr in seine schniek nach den letzten Schreien der 70er-Jahre-Innenarchitektur eingerichtete selbstpersönliche Bude. Wir als aufgeklärte Zuschauer, denen man kein X für ein U vormachen kann, ist natürlich schon lange klar, dass Tony nichts Gutes im Schilde führt. Wer in seinem Küchenschränkchen k.o.-Tropfen bunkert, dem ist nun mal nicht zu trauen. Tony muss zwar mit der ein oder anderen motivierenden Ansprache ein wenig anschieben, bis Madeleine an ihrem Weinglas nippt, aber dann tut die böse Droge schnell ihre Wirkung. Die Kamera geht out-of-focus und unsere Protagonistin klappt auf der Couch zusammen. Da liegt sie doch gleich richtig…

Jedoch steht Tony nicht der Sinn nach simpler Triebbefriedigung und date rape, er ist ein noch viel üblerer Geselle. Deswegen ruft er zwei Komplizen an – der erste ist ein auf der Lohnliste seiner Organisation stehender Medizinmann namens Sam, der zweite sein eigentlicher Geschäftskompagnon. Beiden bindet er ans Bein, dass er einen vielversprechenden Neuzugang aufgerissen habe, immerhin schon den fünften in diesem Jahr (es ist übrigens Oktober, also schlägt Tony durchschnittlich alle acht Wochen zu. Sollte doch sogar der schwedischen Polizei mal auffallen, oder?). In 10 Tagen will er sie bis zur Marktreife umerzogen haben. Damit rückt der Ruhestand in der gemütlichen Schweiz (und in Gesellschaft des ein oder anderen wohlgefüllten Nümmerliköntlis, möchte ich raten) immer näher.

Sam, der Doktor, taucht schneller auf, als die Polizei erlaubt und drückt Tony ein Paket Drogen in die Hand, eine Spritzenladung leckerer Psychopharmaka wandert direkt in Madeleines Vene (Spritzenphobiker bitte wegsehen). Dafür bekommt der Arzt ein paar der ungefähr DIN-A4-großen schwedischen Kronenscheine in die gierige Pfote geblättert (ach, Ärzte. Verdienen einfach viel zu wenig und müssen sich daher kriminalisieren. Tragisch).

Dank Kalenderblatteinblendung sind wir im Bilde – satte zwei Tage später kommt Madeleine verwirrt, aber zumindest noch unberührt, wieder zu sich. Tony hält ihr frisch getippten Zettel unter die Nase und fordert ultimativ Unterfertigung an. Madeleine möchte das Schriftstück vor der Signatur doch ganz gerne mal lesen, was Tony aber vehement abschlägig bescheidet. Was ihr den zarten Wink gibt, dass nicht nur im Staate Dänemark, sondern auch im skandinavischen Bruderland einiges geruchstechnisch im Argen liegt und sie zu einem vorläufigen Fluchtversuch veranlasst. Dieser endet durch eine durch Tony verabreichte Ohrfeige. Madeleine ist offenbar so zart gebaut, dass sie die nicht unbedingt mit voller Kraft durchgezogene Watsch´n postwendend wieder ins Land der Träume schickt (schwedische Mädels halten echt nix aus…) Tony nutzt die erneute geistige Totalabwesenheit seiner Neuerrungenschaft zu einer erneuten Injektion.

Als Madeleine drei Tage später erneut die Augen aufschlägt (entweder ist das ziemlich krasser Stoff oder Tony schlägt ´ne härtere Klebe als ich gedacht hätte…), macht ihr Gastgeber reinen Tisch. Er habe sie mittlerweile heroinabhängig gemacht, wenn sie 48 Stunden keinen Schuss bekommt, heißt´s ade, du schöne Welt, solange sie aber macht, was er ihr sagt, wird sie regelmäßig die lebensspendene Tagesration erhalten (okay, ich bin jetzt nicht gerade der Oberdrogenexperte. Ich weiß auch, dass Heroin wirklich blitzeschnell abhängig macht, aber hat das ganze, was Tony da erzählt, wirklich Hand und Fuß? Unter diesen Bedingungen würde doch kein Junkie einen cold turkey überleben, oder?). Egal, es geht uns nicht um besseres Leben durch bewusstseinserweiternde Substanzen, sondern um viel ernsthafteres – Madeleine z.B. hält Tonys Ansinnen für mit ihren Zielen und Vorstellungen inkompatibel, tritt ihm vor´s Gemächte und nimmt die zarten Hufe in die Hand.

In leichtem Overkill (wie weit wird ein mit Drogen vollgepumptes Mädel, das von den letzten sieben Tagen ungefähr fünf Minuten bei Bewusstsein zugebracht hat, schon kommen?) nimmt Tony die Verfolgung per Automobil auf und lässt sich auch nicht dadurch aufhalten, dass Madeleine auf Fußgängerwegen quer durch einen Park flüchtet. In Sichtweite einer gut frequentierten Verkehrsstraße (inklusive reger Gehwegbenutzung) bricht sie erwartungsgemäß zusammen und kann von Tony, unbehelligt von etwaigen Passanten, die es doch normalerweise etwas seltsam finden sollten, dass ein Typ, der mit seinem Ford Capri durch einen Spaziergängerpark brettert, ein vor ihm gefallenes und ohnmächtiges Mädchen einsackt, in den Fond gepackt und hinfortgekarrt werden.

Wieder vergeht eine Woche (die Madeleine schätzungsweise im Koma verbringt). Madeleine studiert den vorhin erwähnten Zettel – ich hatte zunächst auf einen Arbeitsvertrag mit ungünstigen Bedingungen für die Arbeitnehmerseite getippt (aber da bin ich vermutlich zu twenty-first century…), in Wahrheit handelt es sich jedoch um einen sehr bitteren Abschiedsbrief an ihre lieben Eltern (Tony hat also scheinbar seine Hausaufgaben gemacht und sich informiert, wen er da eigentlich gekidnappt hat). Der Brief hat den Tenor, dass Madeleine es auf der Farm gehasst und sie sich dort eingeengt gefühlt habe, schließt mit den Worten „Ich will euch nie wiedersehen“, wird von ihr unterzeichnet (und von Tony treusorgend aufgegeben) und unter Tränen vom zutiefst seelisch-moralisch-persönlich angeschlagenen Vater gelesen. Diese Runde, zusammenfassend gesagt, geht klar an Tony.

Naja, so ganz weit weg lag ich mit meiner Vermutung hinsichtlich der Anbahnung eines Anstellungsvertrages doch nicht, denn selbstverständlich wünscht sich Tony, dass Madeleine gewisse Dienstleistungen horizontaler Natur erbringen soll (irgendwann drehe ich einen Film, in dem ein wahnsinniger Psychopath eine Frau entführt und sie zwingt, seine Socken zu waschen, die Hemden zu bügeln und ihm essen zu kochen. Ach, halt, wartet mal, gibt´s ja schon. Nennt sich „Ehe“. Dieser Gag wurde ihnen präsentiert von Alice Schwarzer und der Internationalen Frauenbewegung). Der erste Kunde wartet schon – ein vielleicht fünfzigjähriger geiler Buchhalter, der sich von Madeleine eine willkommen Abwechslung des eintönigen Ehelebens erhofft. Bekommt er auch, auch wenn ich mir durchaus vorstellen könnte, dass er dabei an etwas anderes (und erheblich freudenspendenderes) gedacht hat als „Madeleine zerkratzt ihm mit gespreizten Krallen das Gesicht blutig“. Tony übernimmt nicht nur die Rolle des Zuhälters, sondern auch die der Customer-Care- und Reklamationsabteilung. Ein solcher Affront darf nicht ungesühnt bleiben und deswegen schreitet Tony zur sofortigen Vergeltung. Und weil´s ja einen Grund geben muss, warum Madeleine auf dem Filmposter mit schicker Augenklappe posiert, können wir´s uns ja denken. Sehen müssen wir´s trotzdem – Tony sticht Madeleine ein Auge aus (die spekulative Gerüchteküche weiß zu dieser durchaus realistisch-graphisch gestalteten Szene zu vermelden, dass das Filmteam angeblich an einer echten Leiche werkelte. Ich hoffe doch eher auf das Können der Tricktechniker). Auf jeden Fall: YUCK!

Diese drastische Maßnahme bringt zumindest den gewünschten Erfolg – Madeleine ist jetzt brav, so dass Tony ihr die Rahmenbedingungen ihres Engagements auseinandersetzen kann. Er wird ihr jeden Morgen eine (ziemlich lange!) Liste der angemeldeten Kundschaft nebst einer Tagesportion Heroin reichen. Solange keine Klagen kommen, wird die Versorgung mit dem Stoff gewährleistet. Jeden Montag hat sie frei (und kann an diesem Tag wirklich tun & lassen, was ihr beliebt; theoretisch würde sie außer der Drogenabhängigkeit nichts davon abhalten, mal kurz bei den Polypen vorbeizuschauen) und bei anständiger Arbeit winkt sogar ein Gewinnanteil. Abgesehen von seinen Rekrutierungs- und Züchtigungsmethoden ist Tony ein vergleichsweise sozialorientierter Zwangsarbeitgeber. Und das Geschäft scheint zu brummen, weil Madeleine unter dem Kosenamen „Pirat“ jetzt besonders populär bei der zahlenden Kundschaft ist.

Und schon geht´s los. Der erste Besucher, dem sie nicht gleich die Augen auskratzt, will sowieso keinen Beischlaf, der ist Foto-Freak und nur darauf versessen, Madeleine in mehr oder weniger erotischen Posen und verschiedenen Stadien der (Un-) Bekleidetheit abzulichten (gibt´s für solche Hobbys nicht billigere Möglichkeiten?).

An dieser Stelle ein kleiner Einschub im Vorgriff auf die Nachbetrachtung – dies ist ein extrem langsamer Film. Wir haben JETZT gerade mal eben das Setup geschaffen und sind schon sage und schreibe 34 Minuten im Film…

Madeleine ist nicht allein in Tonys kleinem Privatbordell. Als Maddy ihr Heroin spritzt, schaut Sally aus dem Nachbarzimmer vorbei. Auch sie ist eine Zwangsprostituierte von Tonys Gnaden und nutzt die Gunst der Stunde, vulgo Tonys Abwesenheit und die Tatsache, dass Madeleine ihr nicht dazwischenquasselt, um ihr und uns ihre ergreifende Geschichte aufs Auge zu drücken (trifft sich gut, dass Madeleine eh nur noch eins hat, höhö). Sally ist tatsächlich schon mal erfolgreich zu Mama geflohen, wurde aber dort von zwei von Tony gedungenen Schergen aufgespürt und so durch die Mangel gedreht, dass es ihr „schon wieder in Ordnung vorkam, zurückzukommen“. Seit jener Rückkehr allerdings schafft Sally heimlich für „Extra-Service“ Kohle beiseite. Mit dieser Penunze will sie, sobald genug zusammen ist, eine Entziehungskur in der Schweiz finanzieren. So ungefähr ein Jahr, kalkuliert sie, muss sie noch durchhalten.

Und schon geht´s weiter, immer nach dem Motto „der nächste Herr, die selbe Dame“. Und bei dem sympathisch-debil grinsenden Schwedenkalle, der sich in plumper Manier auf Madeleine sacken lässt, wird´s jetzt auch, ähm, filmhistorisch interessant, denn wir präsentieren – Hardcore-Sex. Ja, Thriller ist für seine Porno-Elemente „berühmt“. Der Fairness halber wollen wir aber gleich hier anmerken, dass die Kamera zwar voll auf die „Action“ hält, die beteiligten Darsteller aber höchstwahrscheinlich nicht die nominellen Stars unserer Geschichte sind. Zum einen passen die Hintergrundfarben nicht zusammen, zum anderen achtet der Kameramann peinlich genau, bei Hardcore-Shots nie mehr zu zeigen als die im Einsatz befindlichen primären Geschlechtsmerkmale der Beteiligten. Klartext: ich möchte meine liebe Seele drauf verwetten, dass diese Szenen mit anderen Darstellern gedreht und in die „reguläre“ Handlung reingeschnitten wurden. Details braucht man an dieser Stelle von mir nicht zu erwarten, es gibt eh nichts zu sehen, was man in einem herkömmlichen Erwachsenenfilm nicht auch vorgeführt bekäme (eher weniger, ähem).

Und so geht das Leben weiter. Eines schönen Tages wird Madeleine auf die hysterisch blökende Sally aufmerksam. Die macht irgendwie den Eindruck, als wäre sie von Tony oder einem ihrer Freier dezent durchgeprügelt worden. Vermutlich war´s eher Tony, den dem hat sie einen Brief geklaut. Und da selbiges Schriftstück an Madeleine adressiert ist (! Also stand auf dem Brief an ihre Eltern tatsächlich der ABSENDER drauf??? Meine Fresse, Tonys Organisation rangiert knapp hinter dem bösen Ninja-Imperium aus Frauenlager der Ninja. In Punkto Dämlichkeit, that is), reicht Sally es auch gleich weiter. Der Brief beinhaltet Melodramatisches. Madeleines unfreiwillig unterschriebene Abrechnung mit den Eltern hat dort einen verhängnisvollen Denkprozess in Gang gesetzt (uns bildhaft vermittelt dadurch, dass Mama den Inhalt des Schreibens tränenüberströmt rezitiert). Wenn Madeleine ihre Eltern so sehr hasst und sie nie nie nie wiedersehen will, dann soll es halt so sein und die liebenden Erzeuger werden das Ihrige tun, um ein etwaiges Wiedersehen effektiv zu verhindern. Das klingt eher endgültig und beunruhigend, findet auch Madeleine und schmeißt sich an ihrem nächsten freien Tag in den Bus in die Provinz.

Sie kommt gerade rechtzeitig an, um dem Trauerzug für ein Doppelbegräbnis beiwohnen zu können. In der Tat haben sich ihre Eltern aufgrund des bösen Briefes freiwillig entleibt. Madeleine macht sich sicherheitshalber unsichtbar und lauscht heimlich dem Tratsch – vergiftet hätten sich die zwei, und das vermutlich nicht aus Versehen (diskutable These). Die Schuld für den Doppelselbstmord schanzt man unbürokratisch der missratenen Tochter zu. Madeleine flüchtet heulend in eine leere Kirche und bittet um göttlichen Beistand.

Der angerufene bzw. antwortende Gott scheint eher der übelgelaunte alttestamentarisch Rachsüchtige zu sein und nicht der sanftmütige der Bergpredigt – denn Madeleine hat jetzt an ihrem freien Montag ein volles Programm: erstens Karateschule, zweitens Schießplatz, wo sie sich von einem Militaria-Freak den Umgang mit einem Mauser-Gewehr beibringen lässt, drittens Fahrstunden für die etwas flottere Gangart durch die Prärie bei einem Rallyefahrer. Moderner Fünfkampf ist das nicht…

Aber auch das lecker Heroin will währenddessen redlich verdient sein. Tony präsentiert einen neuen Kunden, und der ist eine Kundin! Wo-hoo! Die holde Lesbe ist zwar ein wenig verblüht, will sagen, hat ihre besten Jahre schon ein paar Tage hinter sich (und wird deswegen wohl auf dem freien Markt nicht mehr fündig), aber noch einigermaßen ansehnlich. Kleiner amoralischer Einschub – schwedische FreierInnen sind scheinbar von der eher anspruchslosen Sorte. Mir persönlich würde es etwas auf den Keks gehen, wenn die bezahlte Lustdame wie Madeleine steif wie´n Brett im Bettchen liegt. Da hat man ja mit ´ner Gummipuppe mehr Spaß… (nicht, das ich das ausprobiert hätte, ähempt).

Für die nächsten gut zwanzig Minuten ergeht sich der Film, tut mir leid, das zu sagen, in einem Exerzizium bodenloser repetetiver Langeweile. Karatetraining, Hardcore-Sex, Schußtraining, Fotografen-Typ fotografiert, Rallyetraining, Lesbensex, Karatetraining, Hardcore-Sex usw. usf., you get the picture (und die Karateschule… naja, also ich würde dort nicht trainieren wollen, wenn ich, wie Madeleine, für einen blutigen Rachefeldzug üben würde. Das einzige, was man vom dortigen Schwarzgurt zu lernen scheint, ist „Abrollen“ in allen Variationen. Schwer offensiv). Nebenbei beginnt auch Madeleine, Geld auf die Seite zu legen, um ihren Vergeltungsschlag zu finanzieren. Alles geht gut (bzw. langweilig), bis ihr Karatelehrer sie beim verantwortungsvollen Drogengebrauch ertappt und sie wortlos des Unterrichts verweist (apropos „wortlos“ – mal ganz abgesehen davon, dass die Hauptfigur stumm ist, sind auch sonst Dialoge die Sache des Films nicht). Madeleine weiß Rat und lässt sich von zwei Soldaten (zumindest zwei Kerlen in Tarnanzügen) in die hohe Kunst des waffenlosen Nahkampfs einweisen.

Mit dieser spektakulären Änderung im Ablaufplan setzt sich das traurige Spiel weitere endlose Minuten lang fort (der größte Aha-Moment ist zweifellos der, dass im Hardcore-Part der männliche Part dem weiblichen vorwitzig einen Finger in den Anus einführt. Drücke ich mich nicht wieder gewählt aus?). Die Lesbe entwickelt ein gewisses Vergnügen daran, Madeleine ein paar Ohrfeigen zu verpassen (mensch, aufpassen, Madam, die geht doch gleich wieder k.o.!), wir dürfen einer Ejakulation beiwohnen usw. Gähn. Dear Mr. Vibenius, I got the point ten minutes ago, thank you very much.

Ha, kaum zu glauben, es geht mit echter Handlung weiter… Tony hat ein Präsent für Madeleine. Was originelleres als ein Gratis-Heroin-Shot ist ihm aber auch nicht eingefallen. Und, ach ja, Sally ist nicht mehr da, die hat jetzt ´nen lukrativen Job in Beirut. Behauptet zumindest Tony. Madeleine ist skeptisch und schleicht sich in Sallys Zimmer, wo ihre schlimmsten Befürchtungen übertroffen werden. Anstelle ihrer Sort-of-Freundin findet sich nur ein allgemeines Tohuwabohu nebst frisch blutbesudelten Bettlaken. Mir dünkt, Tony ist hinter Sallys kleines finanzielles Geheimnis gekommen und fand das nicht so töfte. Madeleine ist überzeugend entsetzt.

Ihre Agressionen kann sie beim Nahkampftraining mit den Söldnern abreagieren. Dem einen geht sie so brutal an die Gurgel, dass sein Kollege rettenderweise eingreifen muss. Eine Trainingsfahrt bei Nacht betrachtet der Rallyefahrer als bestandene Abschlussprüfung und auch beim Scheibenschießen überzeugt Madeleine ihren Lehrmeister mit einer ganzen Serie perfekter 10er. She´s ready to kick some serious butt.

Noch fehlen ihr aber die nötigen Hilfsmittel, aber dafür gibt´s in jeder Großstadt, so auch in dieser, vertrauenswürdig unvertrauenswürdige kriminelle Subjekte, die gegen monetäre Entschädigung keine unnötigen Fragen stellen und Munition sowie ein Auto beschaffen können (warum Madeleine sich zumindest den fahrbaren Untersatz nicht einfach bei Gebrauchtwagen-Ali kauft, versteh ich zwar nicht, aber sie wird schon ihre Gründe haben). Mit ihrem neuen Revenge-Mobil braust sie zum Schießstand, bricht dort den Schuppen ihres Schießtrainers auf und deckt sich dort mit Waffen ein, zur Krönung schnappt sie sich noch seine Schrotflinte und sägt ihr eigenhändig den Lauf ab (ein zartes Persönchen wie Madeleine? Ist die nebenbei auch noch in die Muckibude gegangen?). Mit ihrem langen Ledermantel und den an die Schädelrückseite geklebten Haaren (?) sowie der Gratiszugabe Augenklappe sieht sie jetzt sehr verwegen aus…

Styled to kill kann sie sich jetzt daran machen, ihre Todesliste abzuarbeiten. Opfer Nummer 1 ist der blonde sympathisch-debil grinsende Schwedenkalle, den sie zu Hause aufsucht (ich möchte jetzt nicht wissen, oder vielleicht doch, woher sie weiß, wo der wohnt. Hat Tony ein Adressverzeichnis aller Kunden? Okay, der verschickt die getürkten Briefe seiner Sklavinnen auch mit richtigem Absender, also ist dem alles zuzutrauen), ballert ihm (mit der Schrotflinte???) einen gezielten Kopfschuss in die Rübe und gibt ihm mit einer soliden Schrotladung in den Rücken den Rest (Schwedenkalle stirbt des guten Eindrucks wegen in Superzeitlupe). Nach sage und schreibe 84 Minuten beginnen wir also tatsächlich mit dem Revenge-Teil unserer Unternemung.

Irgendwie hab ich den Eindruck, dass mir trotz einer angeblich als ungeschnittenen Fassung annoncierten DVD-Version ein paar Minuten Film fehlen, denn in der nächsten Einstellung ist Tony bereits ein nervöses Wrack – zwei seiner Kunden sind bereits tot und Tony weiß auch, wer dafür verantwortlich ist: Madeleine, die seiner bescheidenen Ansicht nach „nuts“ ist und, da macht sich unser kriminelles Mastermind keine Illusionen, die könnte es durchaus auch auf seinen eigenen wertvollen Astralkörper abgesehen haben (ihm ist klar, dass sie schon allein der Drogen wegen früher oder später bei ihm auflaufen wird). Das ist ein Job für seine, von Sally erwähnte, spezielle Eingreiftruppe, die gegen ein Honorar von 10.000 Kronen pro Kopf auch gerne bereit ist, der einäugigen Killerin eine Falle zu sellen.

Ah, Zement mal, der PC-DVD-Player bringt es an den Tag – tatsächlich hat mir mein Standalone-Player vor dieser Szene fünf Minuten Film unterschlagen, und die erklärt tatsächlich einiges. Vor dieser „nervöses Wrack“-Szene trifft sich Tony also im Café einer Rennstrecke (ist das Anderstorp?) mit dem Fotografen-Fuzzi und der Lesbe, informiert diese über das gewaltsame Ableben von Mr. Sympatisch-Debil Schwedenkalle und macht die Rechnung auf, dass Madeleine vermutlich auch unser finsteres Trio killen möchte. Tony hat vorauseilend Flugtickets gekauft (eh, Einspruch, Euer Merkwürdigkeit – da reicht Tony Madeleine jeden Tag Kundenlisten, die eine ganze DIN-A4-Seite ausmachen und jetzt soll ich glauben, es gäbe INSGESAMT nur drei Kunden? Das kann doch keine profitable Unternehmung sein). Persönliches Pech für die Bande, dass Madeleine, woher auch immer sie das nun wieder weiß, bereits vor Ort ist, die Schrotflinte zückt und Fotografen-Fuzzi sowie Lesbe mit den bewährten Zeitlupen-Schrotflintenschüssen hinrichtet. Bei Tony geht ihr das Zielwasser aus, so dass der auch gehen kann, und zwar stiften und zur einen Absatz vorher geschilderten panischen Telefonkonferenz schreiten kann.

Zurück also zum Fallenstellen. Selbiges erweist sich als nicht sehr kompliziert, da offenbar stadtbekannt ist, bei wem Madeleine auf dem Schwarzmarkt einkauft. Das vertrauenswürdige unvertrauenswürdige Subjekt kunftet daher bei ihrem nächsten Einkaufsbummel aus, lagerbestandstechnisch auf dem Trockenen zu sitzen, empfiehlt aber seinen Kollegen, den Hot-Dog-Verkäufer am Hafen (!). Während wir uns noch fragen, ob es wirklich unauffällig ist, vor dem hintervorletzten verlassenen Lagerhaus in der allerletzten Ecke des Hafens einen Würstel-Bauchladen, auf den Cut-me-own-Throat-Dibbler sicher nicht neidisch wäre, zu betreiben, ist Madeleine schon dort vorstellig und tappt geradewegs in den von Tonys Brutaltrupp raffiniert gelegten Hinterhalt. Ihre weiblichen Instinkte sorgen allerdings dafür, dass nicht sie über den Haufen geballert wird, sondern die beiden gedungenen Killer (Ehrensache, dass die Herrschaften wieder in Zeitlupe zerlegt werden. Sam Peckinpah ist mein Zeuge).

Sensationellerweise geht die Kunde von heftigem Bleiaustausch in einem Hafen-Lagerhaus an der einheimischen Polizei nicht spurlos vorbei. Zwei recht verschlafen aussehende Gesetzeshüter (der Eindruck, es mit leicht zurückgebliebenen Hilfsarbeitern zu tun zu haben, verstärkt sich durch die Hiwi-Blaumänner, die unsere Cops anstelle schicker Uniformen tragen. Ich bin über die modischen Gepflogenheiten der schwedischen Polizei in den 70ern nicht informiert, aber als Gangster würde ich mir vor den Gestalten sicherlich nicht ins Hemd machen). Madeleine lässt sich scheinbar widerstandslos festnehmen. But she´s always the showgirl, I suppose. Anstatt die Cops einfach niederzuschießen, als sie ohne Deckung in die Lagerhalle marschierten, reißt sie sich lieber los, während sie abgeführt wird, und macht den Cops mit ihren grandiosen (muwa-ha-haa) Karatekünsten den Garaus. Memo an Filmemacher: eine schlecht choreographierte Martial-Arts-Szene (Martial Arts? Pffz. Praktisch während der gesamten Szene fragt man sich, WAS Madeleine eigentlich macht… Sie hampelt rum und die Cops fliegen durch die Gegend und spucken Blut) wird dadurch, sie zu einer fünfminütigen Super-Super-Superzeitlupen-Sequenz aufzublasen, bestimmt nicht besser, ganz im Gegenteil. Das Ende der (übrigens auch hundsmiserabel beleuchteten) Szene: die Bullen sind tot, und Madeleine kann sich ihrer Polizeikalesche bedienen.

So, und jetzt halten wir für einen Moment inne – leben Rape´n´Revenge-Thriller nicht grundsätzlich davon, dass man als Zuschauer der gepeinigten Frau die Daumen hält, sie möge alle, die ihr übel mitgespielt haben, erwischen? Das sind doch die niedrigen Instinkte, an die das ganze Genre des Selbstjustiz-Rachedramas appelliert. Welche moralische Berechtigung hat Madeleine, die beiden Polizisten, die nur ihren Job tun, zu killen?

Vermutlich die selbe, die sie auch dazu ermächtigt, eine wahre Amokfahrt mit dem Polizeiauto (selbstredend mit eingeschaltetem Lalülala usw.) auf den Asphalt zu zaubern, die etlichen unbeteiligten Verkehrsteilnehmern zum terminalen Verhängnis wird. Sie drängt die arglosen Autofahrer von der Straße, schickt einen Mini ins Gewölle, jagt einen anderen armen Fahrer in einen, hüstel, spektakulären Crash mit sofortiger Auto-Explosion und treibt einen Käfer-Piloten in einen unnötigen Aufprall auf ein (etwas seltsam am Straßenrand abgestelltes) stehendes Fahrzeug. Auch hier instant explosion und vermutlich feuriger Abgang der Fahrzeuginsassen. Liebe Filmemacher, Eure Heroine ist offiziell komplett durchgeknallt und taugt als Protagonistin nicht mehr für fünf Öre (ich hätte als einzig mögliche halbseidene Legitimation noch durchgehen lassen, dass Madeleine nun mehr einen prinzipiellen Brass auf die komplette Männerwelt schiebt, aber erstens erhaschen wir keinen Blick auf ihre Verkehrs-Opfer, und zweitens wurde sie ja auch von mindestens einer Frau ausgenutzt).

Die schwedische Variante von Death Race 2000 endet in einem Fischerdorf am Meer (oder an einem See, was weiß denn ich… ich war zwar mal in Schweden auf der Durchreise, aber deswegen hab ich mir noch lang nicht die komplette Geographie gemerkt), wo Maddy zunächst etwas sinnlos rumsteht, dann aber prompt unter heftiges Feuer genommen wird. Madeleine wehrt sich und verteilt ihrerseits großflächig Blei. Wer ist der geheimnisvolle Angreifer (und woher weiß der, dass sie sich hier rumtreibt)? Es ist Tony, der sich scheinbar unterbewaffnet fühlt, sich in seinen Capri und vom Hof braust. Madeleine nimmt die Verfolgung auf, wird aber durch einen im ungünstigen Moment quer kommenden Lkw blockiert. Mittlerweile total jenseits von Gut und Böse ballert sie beinahe dem verblüfften Truckdriver die Birne weg (ihm gelingt es grad noch, unter´s Armaturenbrett zu tauchen). Tony ist allerdings entkommen.

Aber seine Adresse hat sie ja. Und deswegen schreibt sie ihm einen Brief, in dem sie ihn – gasp – zu einem Duell herausfordert. Blödbirne Tony akzeptiert, auch da ihm die Wahl der Waffen gewährt wird, um die Sache ein für allemal zu beenden. Madeleine ihrerseits hat bereits den Duellplatz ausgewählt und, wie unfair, präpariert das Spielfeld zu ihren Gunsten (übrigens: ich finde ihre Handtasche mit den modisch prägnanten Außentaschen für Schrotkugeln todchique!). Als Ort hat sie ein Feld irgendwo in der schwedischen Prärie auserkoren. In einer Mauer versteckt sie Stabhandgranate von 1874 und verbindet diese per Faden mit ihrem Knöchel (meine erste Interpretation war die, dass sie eine kleine Versicherung einbaut – fällt sie tödlich getroffen hin, löst sie die Granate aus und Tony geht ebenfalls über den Orkus. Aber ihr Plan ist wesentlich weniger sophisticated, als ich ihr zugetraut hätte).

Tony erscheint tatsächlich zum verabredeten Zeitpunkt und legt eine Schauspieleinlage vom Feinsten hin. Es war doch alles nur ein Missverständnis, und man kann doch über alles reden, sofern Madeleine erst mal die Wumme weglegt (äh, Madeleineschätzchen? Wie war das noch mit der Wahl der Waffen?). Madeleine legt tatsächlich das Schießgewehr weg und flugs hat Tony ein vorher verstecktes Pistölchen in der Hand. Jetzt kommt ihr Notfallplan gut – mit einem Fußtritt in die Luft löst sie die Granate aus, die Explosion ist nichts anderes als ein Ablenkungsmanöver. Während Tony überrascht gen Granaten-Bumm blickt, zieht sie ihre Ersatzknarre und ballert ihm die Kniescheiben weg.

Wie alle großen sadistischen Gangster ist Tony im Abgrund seiner Seele ein weinerliches Weichei und jammert sich den Weltschmerz von der Brust, während Madeleine ihn seelenruhig verknotet und an ein Pferd bindet (der Zossen ist ein kupierter Brauereigaul, der nicht mal mehr in die Wurst gehört). Der winselnde Hobbyzuhälter wird hinter dem müden Klepper hergezogen. Irgendwo anders (weit kann´s nicht sein, die Reichweite des Gauls halte ich für sehr beschränkt) ist für Tony End of the Road. Madeleine hat ihn fix in ein Erdloch versenkt und mit Steinen zugedeckt. Nur die Rübe schaut noch raus und das auch nur, weil Madeleinchen sich was ganz besonders fieses ausgedacht hat. Um Tonys Hals wird eine Schlinge gelegt, das andere Ende am Zaumzeug des Möchtegern-Jolly Jumpers befestigt. Ein paar Meter vor das Pferdemaul stellt Madeleine einen Eimer mit schmackhaften Pferdeleckerli. Der Plan ist ja sowas von brillant – irgendwann wird der Gaul Kohldampf schieben, seinen Kadaver in Richtung des Eimers bewegen und dabei automatisch Tony strangulieren. Madeleine kann sich in Ruhe hinsetzen und warten (wenn man sonst nichts zu tun hat…). Nach einer Weile tut der Klepper tatsächlich so wie angedacht.

Womit die Rache erledigt wäre (hatte Tony nicht noch ein paar Komplizen? Naja, man kann sich nicht um alles kümmern). Madeleine schwingt sich in ihr geklautes Polizeiauto (dafür interessiert sich auch keine Sau, oder was) und fährt mit eingeschalteter Festbeleuchtung und Martinshorn dem Horizont entgegen – womit wir auch, welch Wunder des Mediums Film, wieder am Anfang des Streifens angekommen wären. Aber zum Glück ist´s keine Endlosschleife, sondern tatsächlich das ENDE.

Soweit also Skandalöses aus den Siebzigern. Ihr habt´s sicher gemerkt, für Doc-Verhältnisse war die Inhaltszusammenfassung richtiggehend kurz (wenn ich meinem Textprogramm trauen darf, keine acht Seiten) – liegt nich daran, dass ich keine Lust gehabt hätte, sondern, wie eigentlich meistens in solchen Fällen, eher daran, dass der Film nicht wirklich viel hergibt.

Ich darf daher einen der wesentlichen Punkte der Nachbetrachtung bereits im zweiten Satz herausstellen – Thriller ist ein ausgesprochen langsamer Film. 107 Minuten können sehr sehr lang werden, und, bei aller Freundschaft, in Thriller SIND sie lang, denn auch, wenn der Film sich eindeutig als Exploitation-Film positioniert, so kann er sich von der schwedischen Tradition des langsamen, tiefschürfenden Kunstkinos a la Ingmar Bergman (ha, jetzt rastet der Doc mal wieder völlig aus, mag da manch einer denken, aber diejenigen bitte ich dann kurz innezuhalten und sich daran zu erinnern, dass Bergman mit Die Jungfrauenquelle einen Streifen inszenierte, der seinerseits in gewisser Form stil- und genreprägend für den Selbstjustiz-Rache-Thriller war) lösen.

Die zentrale Schwierigkeit des Thriller-Plots besteht darin, dass es einfach zu wenig Story für eindreiviertel Stunden Film gibt. Ich will nicht unken, aber ein „normaler“ Hollywood-Regisseur wäre mit dem Film, ohne etwas wegzulassen oder die „Moral“ des Films zu verfälschen, nach 70 Minuten fertig gewesen. Sowohl inhaltlich als auch dramaturgisch und filmtechnisch bläht Vibenius die Story nach allen Regeln der Kunst auf, schindet hier ´ne Minute, baut da eine unnötige Szenenverlängerung ein – was Thriller zu einer sehr zähflüssigen Angelegenheit macht. Der Streifen findet nie einen gelungenen Erzählrhythmus, sondern hangelt sich sehr mühselig von einer Schocksequenz zur nächsten, und da die im Gegensatz zum rapportierten Ruf des Films vergleichsweise dünn gesät sind, wird der Film zwischendurch arg ermüdend. Ein Grund dafür liegt natürlich auch im typisch skandinavischen Umgang mit Dialogen. Nicht nur, dass die Hauptfigur stumm ist, auch die sonstigen Charaktere sind lakonische Gesellen, die keine Silbe mehr als unbedingt notwendig sprechen. Folge: mehrere Sequenzen von sicherlich jeweils knapp zehn Minuten Länge, in denen kein Wort gesprochen wird, das, was visuell vor uns ausgebreitet wird, aber auch nicht dazu angetan ist, den Zuschauer zu fesseln.

Selbstverständlich kann sich Thriller mit Fug und Recht Stammvater des Rape´n´Revenge-Subgenres schimpfen (sofern man der Ansicht nachhängt, das wäre ein weitgehend positiver Claim). Wie wir alle bereits aus diversen Diskussionen, auch im hiesigen Forum, wissen, ist das ein ziemlich heikles Thema. Es appelliert, wie alle selbstjustizorientierten Themen, an niedere Instinkte und beutet, nach Ansicht einiger, unverhältnismässig das Verbrechen der Vergewaltigung für Unterhaltungszwecke aus. Ich mag nicht mehr als nötig moralisieren – für diese Art Filme besteht offenkundig seit über drei Dekaden ein Markt und es haben sich schon größere Geister als Vibenius, die Schöpfer von I Spit on Your Grave usw. an dieser Thematik versucht (z.B. Abel Ferrara mit Ms. 45 aka Die Frau mit der 45er Magnum). Von der Papierform her leben diese Filme davon, dass der Zuschauer mit der gepeinigten Frau solidarisieren und sympathisieren soll und ihren anschließenden Rachefeldzug, wenn´s den Tätern an den Kragen geht, mit Wohlwollen begleitet (zweifellos nicht sehr rechtsstaatlich, aber wenn wir nur noch Filme ansehen würden, deren Protagonisten ausschließlich auf dem sicheren Boden des Gesetzes agieren, wären alle unsere DVD- und Videoschränke verdammt leer). Thriller versucht freilich auch diese Karte zu spielen – natürlich soll die bedauernswerte Madeleine das Objekt unserer Sympathie sein. Es bleibt nur irgendwie beim „soll“ – ans Herz wächst zumindest mir Madeleine, trotz allem Ungemachs, das ihr zustösst, nicht wirklich. Zum einen, jetzt lehne ich mich natürlich mal wieder weit aus dem Fenster und werde mir vielfältigen Unmut zuziehen, trägt sie eine gewisse Teilschuld; für jemanden, der aufgrund eines so traumatisierenden sexuellen Übergriffs in der Kindheit die Sprache verloren hat, steigt sie verdammt vertrauensselig-naiv-blöd in den Wagen eines wildfremden Typen und lässt sich sogar noch in dessen Wohnung abschleppen. Ich weiß, sowas kommt vor, aber es fällt mir schwer, bei Personen (beiderlei Geschlechts, um das mal klarzustellen), die offenbar nicht mit dem geringsten gesunden Menschenverstand ausgestattet sind, Mitleid zu empfinden. Außerdem hält sie aufgrund der arg luschigen Organisation von Tonys Syndikat, wie auch im obigen Text erwähnt, eigentlich nichts davon ab, an ihrem „freien Tag“ die Polizei, einen Arzt oder eine sonst vertrauenserweckende Person über ihr garstiges Schicksal zu informieren (ich bin über den Zustand der schwedischen Gesellschaft anno 1974 nicht informiert, aber dass man so kaltherzig ist, einer jungen Frau, die in die Drogenabhängigkeit und Prostitution getrieben wurde, nicht in Form einer Therapie zu helfen, kann ich kaum glauben. Schließlich ist Skandinavien doch heute noch der Inbegriff des sozialen Gemeinwesens).

Der schwerwiegendste Lapsus des Films, was die Charakterisierung Madeleines angeht, ist allerdings, dass sie in ihrem Rachefeldzug deutlich überdreht. Wie schon erwähnt, ist einer der wesentlichen Faktoren, der einen Rape´n´Revenge-Film „funktionieren“ lässt, der Umstand, dass das „Opfer“ mit den verdammenswerten „Tätern“ aufräum, mithin also diejenigen der „gerechten Strafe“ zuführt, die ihm übel mitgespielt haben. Madelein verliert aber frühzeitig jeden Maßstab – es beginnt mit der unnötigen Tötung der Polizisten und kulminiert in ihrer Amokfahrt, die zahlreiche unschuldige Menschen das Leben kostet. Zweifellos ist es der gewichtige Punkt, den Vibenius mit seinem Film machen will (sofern wir mal zu seinen Gunsten annehmen wollen, dass Vibenius wirklich eine „Botschaft“ vermitteln will und nicht nur einfach einen Exploitation-Schocker zum Geldscheffeln realisieren wollte), dass Madeleine nicht nur schlicht Rache an ihren Peinigern verübt, sondern regelrecht zum außerhalb jeglicher Moral agierenden Monster wird, aber es zerstört den Film in seiner Goutierbarkeit. Madeleine ist, ab dem Mord an den Polizisten, als „anfeuerungswürdige“ Protagonistin untauglich. Was ihr an schändlichen Dingen widerfahren ist, legitimiert nicht ihre blindwütigen Aktionen gegen alles und jeden; aus dem bemitleidenswerten jungen Ding wird eine Bestie, die ihren Peinigern an Brutalität und Hass absolut überlegen ist. Ich wiederhole, das mag eine wesentliche (und vielleicht nicht mal ungerechtfertigte) Aussage des Films sein, schadet ihm aber enorm (zumal Madeleine auch am Ende keine „come-uppance“ erfährt. Weder erfährt sie eine persönliche Katharsis, die ihr Einsicht in ihr Tun gewährt, noch wird sie von der „Gesellschaft“ bzw. deren ausführender Exekutivorganen „bestraft“ – besonders dieser Umstand dürfte den Moralwächtern nicht gefallen haben. Ein Ende, das Madeleines Taten in irgendeiner Form relativiert, in einen moralischen Kontext gesetzt hätte, hätte dem Film, nicht nur im Hinblick auf Praktiken der Zensurbehörden, geholfen).

Die Story an sich strotzt vor logischen Brüchen – beginnend mit der Prolog-Sequenz, in derdem Zuschauer erst klar wird, was vor sich geht, so er schnallt, dass die Szene aus subjektiver Madeleine-Sicht geschildert wird (und wieso globbert der alte schwarzen Schmodder? Machen das alle geilen alten Säcke vor der Tat?), aber nicht endend bei Fragen wie „woher kann Madeleine * grundsätzlich* Auto fahren?“, „woher hat sie die Adresse ihres ersten Opfer?“ und „was macht sie in dem Fischerdorf am See und woher weiß Tony, dass sie dort ist?“ (ich klammere mal, mangels einschlägiger Sachkenntnis, den Komplex „Heroinsucht und Abhängigkeit“ aus. Da gibt´s sicher Experten, die mir beantworten können, ob das in der hier geschilderten Form Sinn macht). Fraglich ist auch, warum Madeleien sich zum krönenden Abschluss eine Wile-E.-Coyote-geprüfte Tötungsmethode für Tony ausdenkt, obschon es m.E. doch für sie wesentlich befriedigender wäre, wenn sie (simpel, aber, wenn gekonnt umgesetzt, auch schön langsam und schmerzhaft) Tony einfach, auf Deutsch gesagt, den Schwanz abschießen und ihm beim Verbluten zusehen würde.

Gut, lassen wir die Geschichte mal außer Acht und wenden uns den filmischen Meriten von Thriller zu, soweit solche auszumachen sind. Logisch, Thriller ist billig realisiert. Die Sets sind sparsam dekoriert (worin der ein oder andere vorwitzige Kritiker gleich auch wieder ´ne „Message“ vermutet), der betriebene Aufwand insgesamt gering (die beiden Autoexplosionen – in Schweden scheinen die Autos mit dem selben Wasserstoff befüllt zu werden wie die „Hindenburg“; ein sanfter Tatsch gegen einen Felsen am Straßenrand und BUMM… die schwedische Unfallstatistik muss seitenweise Autoexplosionen auflisten – sind mit Sicherheit das mit Abstand teuerste am Film). Vibenius ist, das muss man deutlich sagen, kein sonderlich talentierter Regisseur. Er versucht sich zweifellos am bewußt langsamen, lakonischen naturalistischen Bergman-Stil zu orientieren, bleibt aber halt nur ein talentfreier Imitator. Seine Szenen haben keine interne Spannung, sie plätschern vor sich hin und dauern, wie auch schon angedeutet, stets länger als sie müssten. Zudem hat Vibenius keinerlei Gespür für Dramaturgie, was besonders in dem Part auffällig wird, der zwischen dem Selbstmord von Madeleines Eltern (etwa bei Minute 45 des Films) bis zum Beginn ihres Vergeltungsschlags (bei Minute 70) abgespult wird. Allein schon aufgrund der Laufzeitangaben werdet Ihr, liebe Leser, schockiert bemerken – das sind fast 25 Minuten! 25 Minuten, in denen sich streng genommen NICHTS, aber auch überhaupt nichts handlungsrelevantes tut, denn diese komplette Sequenz wird durch die extrem langatmigen, repetetiven und schlichtweg nervigen Trainings-/“Arbeits“-Szenen bestritten. Lieber Herr Vibenius, ich hab´s schon in der Inhaltsangabe angemerkt – der Punkt ist schnell gemacht, allerspätestens nach fünf Minuten, danach vermitteln uns diese Szenen nichts mehr neues, nichts mehr, was wir wissen müssten. Man hätte diese 25 Minuten beinahe komplett und verlustfrei in einer fünfminütigen Montage verwursten können und hätte damit verhindert, dass das Publikum im Kinosessel bzw. auf der Fernsehcouch einschläft oder, soweit diese Option durch Filmgenuss in den heimischen vier Wänden besteht, sich ein gutes Buch greift oder den Vorspulknopf der Fernbedienung beansprucht. Ja, Herr Vibenius, es mag sein, dass sie sowohl den enormen Zeitaufwand, den Madeleines Vorbereitungen beanspruchen, als auch die Monotonität ihres Prostitutions-Alltags dadurch verdeutlichen wollen, aber das muss doch um Himmels Willen NICHT IN ECHTZEIT geschehen… Es ist so ermüdend.

Ermüdend ist auch ein gutes Stichwort, was die „Actionszenen“ des Films betrifft. Vibenius wandelt hier in den Fußstapfen von Sam Peckinpah und das bedeutet EXTREEEME SUUUPERZEITLUUUPEEE. Auch das hab ich oben schon durchblicken lassen – eine Martial-Arts-Sequenz, die im echten Leben vielleicht dreißig Sekunden dauert und zudem alles andere als umwerfend choreographiert ist, wird nicht dadurch besser, dass man sie in Zehnfachzeitlupe ablaufen lässt; eher wird der Zuschauer dazu gezwungen, die Szene zu analysieren und festzustellen, wie schwach, wie unübersichtlich sie gelöst wurde. Die Theatralik der ebenfalls in Superslowmotion dargebotenen sonstigen Sterbeszenen schafft ebenfalls keine Intensität, sondern nur lächerliches Pathos.

Wo wir bei Sterbeszenen sind, ist das eine günstige Gelegenheit, um mal in Punkto „Brutalität/Sex/Gewalt“ nachzuhaken – bekanntermaßen (oder auch nicht) der „unique selling point“ des Films und dann doch wieder nicht so großartig der Rede Wert, zumindest, was die Gewalt angeht. Von „Gore“, vollmundig auf dem Coverblurb versprochen, kann man eh nicht sprechen. Die einzige wirklich „icky“ Szene würde ich technisch gesehen eh unter „Splatter“ und nicht unter „Gore“ verbuchen, es ist die zugegeben sehr drastische Augen-Ausstech-Szene, an der sicher auch Signore Fulci seine helle Freude gehabt hätte, die zartbesaitete Gemütern schon arg an die Nieren gehen kann (die haben aber vermutlich schon bei der detaillierten Spritzensetzung das Handtuch geworfen). Abgesehen davon belässt es der Film, was sein Gewaltpotential angeht, bei fünf Erschießungen der blutigen Peckinpah-Schule (auch wenn ich mich immer noch wundere, wie man mit einer abgesägten Schrotflinte einen sauber ausgeführten Kopfschuss hinbekommt), die aber auch niemanden, der Wild Bunch gesehen hat, sonderlich beeindrucken werden. Zeitlupen-Allergiker sollten auch diese Szenen meiden. Die finale Tötungsszene bezüglich Tony bleibt eh off-screen.

Bleibt also der Sex-Faktor und den bedient Vibenius ausführlich durch seine zahlreichen Hardcore-Porno-Einlagen. Lassen wir für den Moment dahingestellt, ob sie der Aussage des Films dienlich sind oder eher nicht (ein Dauerbrenner in der kritischen Auseinandersetzung mit dem Film, wobei „kritisch“ in dem Fall nicht Feuilletonisten und ähnliche seriöse Kritiker meint, sondern Internet-Nerds, die zuviel Zeit und zuwenig Leben haben. Leute wie yours truly also; Synapse hat übrigens mittlerweile eine Hardcore-freie Variante des Films nachgeschoben); ich persönlich tendiere eher dazu, dass es diese Szenen nicht gebraucht hätte (sie geben dem Film m.E. keine zusätzliche „Tiefe“. Tiefe, hähä). Selbstverfreilich sind diese Szenen dazu da, um das Publikum zu schocken – das wird, wie wir als ein- und ausgebildete Cineasten wissen, auch heute noch von provokanten Regisseuren so gemacht (wir denken an Lars von Triers Idioten und den französischen Schmu Baise-Moi, der eh eine gewisse Geistesverwandschaft zu Thriller aufzuweisen scheint, aber wenigstens etwas flotter inszeniert ist, dennoch aber in die Mülltonne gehört). Die Krux an den Porno-Szenen ist, abgesehen davon, dass sie mit an tödlicher Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mit den legitimen Film-Darstellern durchgeführt wurden (wäre man böswillig, könnte man Vibenius unterstellen, er hätte sie aus kommerziellen Erwägungen in den Film geschnitten, um den Streifen auch in herkömmlichen Porno-Kinos laufen lassen zu können), dass sie zu oft und zu repetetiv eingesetzt werden. Nach dem ersten Hardcore-Shot vermittlen diese Szenen keine neuerliche Schockwirkung (so sie beabsichtigt war), es ist nur immer wieder das selbe stupide Rein-und-Raus-Geschiebe (meist in ungefär zehn-fünfzehnekündigen Zwischenschnitten), zwar voll explizit, aber uninteressant. Ich bleibe dabei (und so viel zu „dahingestellt sein lassen“, gelle), der Hardcore-Stuff ist überflüssig und schädigt den Film.

Schädigen tut im übrigen auch der Soundtrack, und zwar die empfindlichen Horchlöffel des Docs, da er größtenteils aus dissonanten elektronischen Düdelfröp-Geräuschen besteht. Um aber wenigstens etwas positives zu sagen – die Kameraarbeit ist nicht schlecht, auch wenn der Film sein bestes (und zu Beginn reichlich eingesetztes) Stilmittel, die subjektive Kamera, in der zweiten Filmhälfte ziemlich aus den Augen verliert.

Kommen wir zu den darstellerischen Aspekten des Films. Christina Lindberg sieht fürwahr schnuckelig aus (und jünger als die 20 Jahre, die sie im Filmkontext wohl sein soll. Real dürfte sie so Mitte 20 gewesen sein; eines der wenigen gelungenen Schock-Elemente des Films ist, dass Christina Lindberg ein echtes „Kindergesicht“ aufweist und der Film dadurch, dass er seine Protagonistin quasi jünger macht als sie wirklich ist, härter wirkt), ist aber keine große darstellerische Leuchte. Es gehört zweifellos zu den schwierigeren Aufgaben des Schauspielertums, einer stummen Rolle, noch dazu einer so gewichtigen, da sie beinahe permanent im Mittelpunkt des Films steht, echte Emotionen abzugewinnen und ein reines Sex-Starlet wie Lindberg (die in ihrer Karriere ansonsten hauptsächlich schwedische Sexfilme abdrehte und während des Booms entsprechender Lichtspielwerke auch in verschiedenen teutonischen Varianten des Themas auftauchte, so z.B. in zwei oder drei Schulmädchenreports und Mädchen, die nach München kommen) stösst dann halt rasch an die Grenzen des schauspielerischen Vermögens. Wenn sie Emotionen aller Art ausdrücken soll, belässt sie´s zumeist dabei, die großen Augen (bzw. das eine, das übrig ist) weit aufzureißen und ansonsten eine erstaunt-verwirrten Miene aufzusetzen. Eine besondere emotionale Bandbreite ist da nicht zu verzeichnen.

Der einzige Co-Star mit gewichtiger Rolle ist Schurke Tony, mit weltlichem Namen Heinz Hopf. Der ist mir als sadistischer Schurke irgendwie zu lieb und nett. Auch das mag irgendwo eine Aussage des Films sein, dass solche Abgründe auch hinter augenscheinlich vertrauenswürdigen Fassaden lauern, aber Hopf bringt zu selten „Leben“ in die Rolle (wirklich in seinem Element scheint er nur zu sein, als er drehbuchgemäß ein kettenrauchendes Wrack am Rande des Nervenzusasmmenbruchs sein muss). Trotz seines teutonisch klingenden Namens ist (bzw. war) Hopf ein echter Schwede und dort vielbeschäftigter TV-Akteur, der in den 70ern in einigen skandinavischen Exploitern, aber auch bei Bergmans Fanny und Alexander dabei war. Genre-Freunde könnten ihn unter Umständen aus Mask of Murder (dem „ersten Teil“ mit Rod Taylor und Christopher Lee, nicht dem von deutschen Verleihern mit dem Titel Mask of Murder 2 versehenen Drew-Barrymore-Streifen Doppelganger) kennen.

Der Rest des Ensembles ist Beiwerk (die Lesbe, Despina Tomazani, kommt mir irgendwie bekannt vor, aber da kann und werde ich mich wahrscheinlich auch täuschen. Der einzige Titel ihrer Filmographie, der mir überhaupt entfernt was sagt, nämlich Blood Tide, kann sich nämlich rühmen, von mir nicht gesehen zu sein). „Sally“ Solveig Andersson spielte in einigen 70er-Schwedensex-Filmchen wie Eva: Swedish and Underage oder Dagmar´s Hot Pants (große klassische Filmwerke, zweifellos).

Zur DVD von Synapse – präsentiert wird Thriller in anamorphem Widescreen-Format (1.78:1). Kudos an den Publisher, überhaupt einen brauchbaren Print aufgetrieben zu haben, qualitativ kann der aber kaum überzeugen. Natürlich ist auch bei Thriller zu berücksichtigen, dass wir es mit einem billigen Exploitation-Fetzer zu tun haben, von dem niemand gedacht hat, dass dreißig Jahre später Freaks nach einer gloriosen DVD-Edition gieren, objektiv aber ist der Print zwar verschmutzungs- und störungsfrei, aber auch ziemlich vergrieselt, unscharf und kontrastarm, und zudem stark qualitätsschwankend (weil aus unterschiedlichen Master-Quellen zusammengedoktort). Einen Beamer würde ich nicht unbedingt mit der Scheibe behelligen wollen. Akustisch hat der Konsument die Wahl zwischen schwedischem O-Ton und englischer Synchro (jeweils Dolby Digital Mono) und kann, für den zu empfehlenden O-Ton-Fall, gut lesbare englische Untertitel zuschalten. Der Sound ist nicht weltbewegend (wie auch), aber zweckmäßig.

Synapse listet auf dem Cover ein ganzes Rudel von „Special Features“, von denen aber bei kritischer Betrachtung nicht wirklich viel übrig bleibt. Ein Trailerarchiv präsentiert sich nur in Nuancen unterscheidende drei Trailer (einer davon der Doppelvorstellungs-Trailer inklusive der Vorschau auf The Photographer´s Model) und einen TV-Spot (die beiden Standalone-Trailer scheinen aus spanischsprachigen Quellen zu stammen, wenn man die dort festen Untertitel ins Kalkül zieht). Ein einminütige „outtake“-reel stellt ein paar eher uninteressante Outtakes (ach) zusammen. Brauchbar sind die ausführlichen Still Galleries, die in drei Sektionen unterteilt sind: Behind the Scenes, Production Stills und, yumyum, „In Bed with Christina“ (in letzterer finden sich diverse Nudie-Shots der Hauptdarstellerin). Eine weitere Still Gallery stellt die einzig überlebenden Standfotos der ursprünglichen Kampfszene mit Tonys Thugs und den Polizisten zusammen – diese Sequenz wurde vom Labor ruiniert (man kam dort mit der Zeitlupe nicht zurecht) und wurde in der nun vorliegenden Form nachgedreht (ursprünglich fand diese Action-Szene unter freiem Himmel statt und wirkt, soweit man das nach den Standbildern beurteilen kann, besser als die letztlich zwangsweise verwendete). Unter „Alternate Harbour Fight“ kann man sich eine aus alternativen Einstellungen von Synapse zusammengepfriemelte Variante der gerade angesprochenen Lagerhaus-Szene ansehen. Die Unterschiede sind marginal – ein im Endschnitt nicht verwendeter Dropkick Madeleines ist die so ziemlich spektakulärste Aktion des ganzen Films, ansonsten ist der wesentliche Unterschied, das einige Martial-Arts-Szenen nicht in Zeitlupe, sondern Echtzeit abgespielt werden, was tatsächlich besser aussieht. Recht schwachsinnig ist das Gizmo „Thriller: The Story in Pictures“ – hier wird der komplette Film in 37 Sekunden in einer Stakkato-Standbildfolge zelebriert (vielleicht DIE zu bevorzugende Art, sich den Film zu Gemüte zu führen). Zu guter Letzt finden sich Filmographien für Bo A. Vibenius und Christina Lindberg, das Booklet beinhaltet zwei Seiten informativer Linernotes.

Okay, durch ausführliche Analyse haben wir das Review doch noch auf badmovies.de-kompatible Länge gebracht. Ist doch auch was. Dabei hätten wir uns den ganzen Schmarrn bequem sparen können, weil Thriller, in der liebgewonnenen Tradition geheimnisumwitterter Skandalfilme aus vergangenen Tagen, summa summarum nix taugt. Seine zweifelhaften moralischen (oder amoralischen) Vorstellungen könnte man ja noch mit ein paar mentalen Klimmzügen freundlich übersehen, aber der Aufwand ist unnötig, weil der Film als FILM unfähig ist. Er ist extrem langweilig, ermüdend, uninteressant und seine des Schocks Willen eingesetzten Schockszenen (Auge und Hardcore) verleihen ihm keine zusätzliche Existenzberechtigung (wenn ich Porn sehen will, dann kuck ich Porn, wenn ich Splatter sehen will, kuck ich Splatter). Sofern man nicht filmhistorisch interessiert ist und grundsätzlich ALLES sehen muss, was irgendwie den Ruf des Verruchten und Verbotenen hat (nach Deutschland hat´s der Film m.W. nie geschafft – wenn, wäre er sowieso ein direkter Kandidat für den § 131 StGB), kann sich die Investition sparen. Wie so oft in solchen Fällen, ist der „Skandal“ an sich das mit Abstand interessanteste am Film. Da wir uns aber hier prinzipiell um den Unterhaltungswert eines Films Sorgen machen, spreche ich nun das Todesurteil: It´s boring as hell…

(c) 2005 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 7

BIER-Skala: 3


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Thomas Hortian
14. April 2018 3:25

Red‘ nicht so’n Shit, der ist super!