Three Burials

 
  • Deutscher Titel: Three Burials
  • Original-Titel: The Three Burials of Melquiades Estrada
  •  
  • Regie: Tommy Lee Jones
  • Land: USA
  • Jahr: 2005
  • Darsteller:

    Tommy Lee Jones (Pete Parkins), Barry Pepper (Mike Norton), Julio Cedillo (Melquiades Estrada), January Jones (Lou Ann Norton), Melissa Leo (Rachel), Dwight Yoakam (Belmont)


Vorwort

Irgendwo in einem kleinen Nest in Texas, nah an der mexikanischen Grenze. Pete Parkins ist Vorarbeiter auf einer Ranch, Melquiades Estrada, ein illegaler mexikanischer Einwanderer, sein fähigster Cowboy und bester Kumpel. Mike Norton seineszeichens ist dagegen frisch mit seinem attraktiven jungen Eheweib zugezogener Gesetzeshüter der Grenzpatrouille, dessen übermotivierter Pflichterfüllungstrieb, der ihn schon mal illegale Grenzgänger ohne Ansehen der Person bzw. des Geschlechts verprügeln lässt, seinem Chef auf die Nerven fällt. Eines weniger schönen Tages will Estrada einen Kojoten mittels einiger Gewehrschüsse vertreiben. Norton, der in der Nähe gerade die Vorzüge des neuen Hustler auslotet, fühlt sich bedroht und ballert den Mexikaner aus sicherer 300-Meter-Entfernung über den sprichwörtlichen Haufen. Zu Parkins’ persönlicher Betroffenheit ist der gewaltsame Tod seines Freundes der lokalen Ordnungshüterschaft mehr oder weniger wurscht – „war ja eh nur ein Illegaler“, und das, obwohl schon bald recht klar auf der Hand liegt, wer die tödlichen Schüsse abgefeuert hat. Parkins greift zur Selbsthilfe, entführt Norton und klaut Estradas Leiche, um sie in dessen mexikanisches Heimatdorf zu seiner Familie zu bringen. Hoch zu Ross, mit der Leiche und der renitenten Geisel im Gepäck, macht sich Parkins auf über die Grenze – eine gefährliche Reise, denn nicht nur die raue Landschaft und tierisches Kroppzeuch hat es auf die ungewöhnliche Reisegesellschaft abgesehen, sondern auch die Grenzpatrouille, die die Entführung eines der ihren, selbst wenn’s ein Idiot ist, nicht billigen kann. Rasch muss Parkins auch erkennen, dass der Trek nicht nur auf Norton einen „pädagogischen“ Effekt hat, sondern auch auf ihn selbst…


Inhalt

Der Western, wenn ich mit gleich mal mit einer Abschweifung beginnen darf, ist tot. Daran mögen auch gelegentliche Wiederbelebungsversuche durch Mainstream-Hollywood nichts ändern – wie so manches Genre, dass sich mehr oder weniger durch Zeitablauf erledigt hat, sehe ich für die gute alte Pferdeoper eine Daseinsberechtigung nur mehr als Randgruppenprogramm im Arthouse-Bereich; man denke da nur an „Brokeback Mountain“. Warum komme ich im Zusammenhang mit „Three Burials“ auf diese Eulogie aufs Westerngenre? Nun, weil „Three Burials“ recht offensiv als Neo-Western beworben wird (z.B. als „genialster Western seit ‚Erbarmungslos’“) – und sich bei Sichtung dann doch als astreines Arthouse-Kino entpuppt.

Das sollte aber eigentlich schon durch den Namen des Drehbuchautors deutlich werden – Guillermo Arriaga war als solcher zuständig für Programmkinofavoriten wie „Babel“, „21 Gramm“ und „Amores Perros“. Die notwendige Knete spuckte dagegen u.a. Frankreichs Vorzeigekommerzfilmer Luc Besson aus, fotografisch betätigte sich der zweifache Oscar-Gewinner Chris Menges („The Mission“, „The Killing Fields“). Darüber hinaus verdient selbstredend Erwähnung, dass es sich um das Kino-Regiedebüt von Tommy Lee Jones handelt (er inszenierte 1995 bereits einen TV-Western namens „The Good Old Boys“). Allein diese Kunst-Star-Power in wesentlichen Stabfunktionen garantierte nahezu zwei Goldene Palmen in Cannes (für Jones als Darsteller und Arriaga als Drehbuchautor).

Nun müssen Preise in Cannes und die Beteiligung von critic’s darling, wohin man nur sieht, noch nicht automatisch einen passablen Film ergeben, zumindest wenn man sich als Zuschauer prinzipiell erst mal gut unterhalten lassen möchte – dazu ist festzustellen, dass die euphorischen Cover-Quotes („a stone cold classic“, „ein Pulverfass“, „Adrenalinstoß“) einen anderen Film meinen müssen. „Three Burials“ erweist sich als gefälliges, manchmal durchaus kraftvolles, aber eben mindestens genauso oft etwas ziellos mäanderndes (ha, dieses Wort will ich schon seit Ewigkeiten mal in einem Review unterbringen) Schuld- und Erlösungsdrama mit allen moralisierenden Zutaten, die ein solches Werk eben braucht. Natürlich sympathisiert der Streifen stärker mit den Leiden der illegalen Immigranten und gibt sich jede Mühe, seinen Antagonisten Mike Norton besonders in der ersten Filmhälfte als hassenswertes Monster zu zeichnen (in der zweiten Filmhälfte ist Norton dann nur wenig mehr als ein personifizierter Sandsack); der Versuch, dem „Monster“ dann wieder eine gewisse Menschlichkeit zuzubilligen, hat dann wieder Angst vor der eigenen Courage (eine richtige nachvollziehbare Katharsis spendiert man Norton nicht; vom Güteklassearschloch, der sich nichts dabei denkt, seine Frau direkt an der Küchenzeile durchzunageln, ausgehend, kommt – was man andererseits wieder positiv anrechnen kann, weil das Klischee verweigert wird – nicht wirklich eine echte Entwicklung (eine tränenreiche Entschuldigung an Estradas Grab ringt sich Norton auch nur ab, weil Parkins ihm widrigenfalls ein paar zusätzliche Luftlöcher zu stanzen droht). Das liegt freilich daran, dass den Film in seiner zweiten Hälfte wesentlich mehr Parkins‘ Entwicklung interessiert – er muss nämlich erfahren, dass die ganze Aktion weder Norton zu einem besseren Menschen macht noch ihm persönlich bei der Bewältigung Estradas Tod hilft (zumal sich, Spoiler sicherheitshalber mal eingeschaltet, herausstellt, dass Estrada wohl doch nicht der edle Gutmensch war, als den Parkins ihn sah).

Das Drehbuch ist, wie ich es kaum anders erwartet hatte, hochgradig konstruiert (und kratzt mehr als einmal an der Grenze zur puren Unglaubwürdigkeit – natürlich hatte nämlich des bösen Grenzers Ehefrau einen one-night-stand mit niemand anderem als Melquiades Estrada, eingefädelt durch Pete Parkins; ein anderer Punkt, mit dem ich ein Problem habe, ist, dass Parkins während des gesamten Films nie Schwierigkeiten hat, sich auf Spanisch zu verständigen, als er aber endlich Estradas Frau gegenübersteht, als erstes „Sprechen sie Englisch?“ dummfragt); gelegentliche Ausflüge nach Absurdistan inbegriffen (so in einer bzw. zwei sicherlich hochgradig symbolischen throwaway-Szenen: da hört zum einen ein blinder Ami, der irgendwo im Nirgendwo in seiner Hütte haust, pausenlos mexikanisches Radio, ohne ein Wort zu verstehen, weil ihm der Klang der Sprache gefällt, und drei Täler weiter kucken mexikanische Arbeiter ohne englische Sprachkenntnisse eine Yankee-Seifenoper. Schwer eindrucksvoll, wie das mangelnde Verständnis der Kulturen so auf den Punkt gebracht wird). Insgesamt riecht das Script nach Ambition (wen wundert’s beim Autoren?), aber es scheint irgendwie seiner eigenen Courage nicht so recht zu trauen und serviert dann noch ein eher kryptisches Anti-Ende, das den Zuschauer in jeder Hinsicht unbefriedigt zurücklässt.

Tommy Lee Jones als Regisseur ist sicherlich kein Innovator – die erste Hälfte des Films inszeniert er in fröhlich-unbekümmerter non-linearer Erzählweise (der Film beginnt mit der Entdeckung von Estradas Leiche und dröselt, dies sogar noch aus unterschiedlichen Perspektiven, während Parkins versucht, irgendjemanden für die Aufklärung des Mordes zu interessieren, die Entwicklungen – Estradas Ankunft, die Freundschaft zwischen Estrada und Parkins, die Tat an sich – bis zu den Todesschüssen auf. Es ist nicht immer ganz einfach, auf Anhieb mitzubekommen, in welcher „Zeitebene“ der Streifen sich gerade aufhält; es gibt sicher Regisseure, die mit diesem Stilmittel virtuoser umgehen als Gelegenheits-Director Jones. In der zweiten Hälfte geht’s dann straightforward voran, wobei einige schöne Natur- und Landschaftsaufnahmen das Auge durchaus zufriedenstellen (es könnte durchaus spektakulärer sein und irgendwie wirkt der Film nicht sonderlich „kinematisch“, sondern, obwohl auf 35 mm gedreht, eher „videoartig“. Das Tempo ist, auch das keine Überraschung angesichts der Drehbuchlage, ruhig und bedächtig – es gibt keinen echten Spannungsbogen, auch Szenen, die offensichtlich auf eine emotionale Reaktion des Zuschauers spekulieren, bleiben eher wirkungslos; ob das am unerfahrenen Regisseur Jones (der sich aber genug bei seinen bisherigen Spielleitern abgeschaut haben dürfte) oder an einem Drehbuch, das sich nicht ganz einig zu sein scheint, welchen Punkt es nun machen möchte, bleibt dahingestellt.

Großartige Action-Szenen gibt’s nicht zu erwarten (aber ein-zwei Ruppigkeiten, die mit FSK 12 durchgehen). Positiv fällt die angenehme, zwar (wer ist überrascht?) country-lastige, aber sich sehr gut einfügende Musik auf.

Auf der Darstellerseite gibt sich Tommy Lee Jones keine Blöße – es gibt kaum einen Akteur, dem ich den alten, desillusionierten, aber bis zum Letzten loyalen Cowboy eher abnehmen würde als ihm. Zerknittert, faltig, grantig – es ist eine Prachtrolle für Jones und er erfüllt sie mit Leben. Die Überraschung ist sicherlich Barry Pepper, den ein breites Publikum aus „Der Soldat James Ryan“ und ein schundgestähltes Trashologen-Fandom aus dem unsterblichen Trainwreck „Battlefield Earth“ kennt. Pepper bewältigt die Rolle des Mike Norton angemessen verachtenswert und meistert auch die wenigen Turns ins emotional-menschliche, die ihm erlaubt werden, mit Bravour. Chapeau. Hätte ich ihm nicht zugetraut (aber so versauen einen Travolta-Scientology-Filme für’s Leben…). Den Estrada gibt Julio Cedillo („The Mist“, „The Life of David Gale“) sehr sympathisch, January Jones („American Wedding“, „Dirty Dancing 2“, nicht verwandt mit Tommy) als Lou Ann Norton ist nicht nur ein echter Hinkucker, sondern auch mit einigen überzeugenden Schauspielszenen (was man angesichts ihres bisherigen Ouevres nicht unbedingt erwarten musste), Melissa Leo („21 Gramm“, „The L Word“) und Dwight Yoakam („Panic Room“, „Hollywood Homicide“, „Crank“) lassen sich ebenfalls nicht hängen. Solides Schauspielerkino ist also zumindest garantiert.

Bildqualität: Ascot Elite liefert einen zauberhaften 2.35:1-Widescreen-Print (anamorph), der nicht den geringsten Anlass zur auch nur allerkleinsten Kritik bietet (außer, man rechnet den erwähnten „Videolook“ als Kritik ein). Thumbs enthusiastisch up.

Tonqualität: Deutscher und englischer Ton werden jeweils in Dolby Digital 5.1 geliefert, wobei beide Tonspuren einiges an untertiteltem spanischen Dialog beinhalten. Die Klangqualität ist einwandfrei. Mitgeliefert werden deutsche (für Hörgeschädigte) und englische Untertitel.

Extras: Die hier vorliegende 2-Disc-Special-Edition (eine einfache Single-Disc-Version ist ebenfalls erhältlich) erfreut mit einer prallgefüllten zweiten Scheibe mit Extended und Deleted Scenes, einer Making-the-Music-Featurette, dem Kinotrailer, einem Making-of und einer Frage- und Antwortrunde mit Tommy Lee Jones und Guillermo Arriaga. Auf Scheibe 1 findet sich zudem ein Audiokommentar von Tommy Lee Jones, January Jones und Dwight Yoakam. Kann man bestimmt nicht meckern.

Fazit: Ich werde schlussendlich mit „Three Burials“ nicht ganz warm. Gute Intentionen allein (und noch dazu solche, die in und aus sich nicht wirklich ganz klar werden) reichen halt nicht aus, um die doch beträchtliche Laufzeit von zwei Stunden zu füllen; letztlich ist der Film zu unspannend, zu dahinplätschernd, um ehrlich zu begeistern. Als Neo-Western mit der Betonung auf Western daher eher eine Themenverfehlung, aber zumindest gutes Schauspielerkino mit gut aufgelegten Akteuren; speziell Tommy-Lee-Jones-Fans sollten einen Blick drauf werfen, denn die alternder-Cowboy-Rolle ist die, für die der Mann offensichtlich geboren wurde. Jetzt müsste er „nur“ noch einen packenderen Film drum stricken…

2,5/5
(c) 2008 Dr. Acula


mm
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