Thirst – Blutdurst

 
  • Deutscher Titel: Thirst - Blutdurst
  • Original-Titel: Thirst
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  • Regie: Rod Hardy
  • Land: Australien
  • Jahr: 1979
  • Darsteller:

    Chantal Contouri (Kate Davis), Shirley Cameron (Mrs. Barker), Max Phipps (Mr. Hodge), Henry Silva (Dr. Gauss), Rod Mulinar (Derek), David Hemmings (Dr. Fraser), Walter Pym (Mr. Ditcher)


Vorwort

Eigentlich wollte Kate Davis ja in Urlaub fliegen, aber zuvor wird sie aus heimatlicher Hütte von einer geheimnisvollen Organisation, die sich „die Bruderschaft“ nennt, entführt und auf eine abgelegene Farm verschleppt. Dort eröffnet das Ärzteteam um Dr. Fraser der verblüfften Frau, eine Nachfahrin der legendären Gräfin Bathory und aus diesem kühnen Grunde Vampir zu sein. Und hier, auf der Farm, will man ihr das notwendige Rüstzeug mitgeben, um eine glückliche und erfüllte Vampirexistenz zu führen. In der Tat sind heimliche Beutezüge nicht nötig (obschon die Vampire hier keine Probleme mit Tageslicht oder Spiegeln haben) – trinkbares Menschenblut wird auf der Farm industriell von „Spendern“ (die sich ansonsten dem Müßiggang des Am-Pool-Rumlungerns und Federballspielens hingeben können) gezapft, verarbeitet und zum weltweiten Export abgepackt. Kate will vom Vampirdasein nichts wissen. Während Dr. Fraser, der Leiter der Farm, persönliches Gefallen an Kate gefunden hat und für einen sanften, rücksichtsvollen Umgang plädiert, wollen seine Kollegen Barker und Dr. Gauss andere Seiten aufziehen – eine unbarmherzige „Konditionierung“ soll Kate tauglich machen, um eine Beziehung mit dem Vampir Mr. Hodge einzugehen (der wünscht sich nämlich eine Verbindung zweiter altehrwürdiger Vampirfamilien). Während Frasers Abwesenheit setzen sich die Hardliner durch und unterziehen Kate einer Art Gehirnwäsche, die ihren „Blutdurst“ anregen soll. Die Behandlung schlägt scheinbar an, denn wieder ins wirkliche Leben entlassen, tötet Kate im Blutdurst ihre Sekretärin und trinkt sie aus. Als sie allerdings wenig später versucht, auch ihren Liebhaber Derek zu beißen, meldet sich ihre Willensstärke wieder zu Wort. Die Bruderschaft greift an und bringt Kate und Derek zurück auf die Farm. Kate soll weiter konditioniert werden, aber da macht Dr. Fraser nicht mehr mit…


Inhalt

Erst neulich saß ich mit dem Kollegen Lindwurm bei einer oder fünf Hopfenkaltschalen zusammen und sinnierte, welches wohl der erste Film war, der den geriatrischen Vampirmythos entstaubte und richtig modernisierte. Wir kamen allerdings beide nicht weiter als zu den üblichen verdächtigen „Near Dark“ und „The Lost Boys“ (mir schwirrten zwar noch Bruchstücke des 1973er-Alain-Delon-Thrillers „Der Preis für ein Leben“ durch die alkoholisierten Gehirnnebel, aber weil ich mich wirklich nur noch äußerst vage an den Streifen erinnern konnte, hielt ich meine Klappe. Berechtigterweise, denn in DEM Film geht es um eine Verjüngungskur durch menschliches Blut. Das kann man zwar ansatzweise dem Vampirgenre zurechnen, aber so richtig halt auch wieder nicht). Die australische Produktion „Thirst“, die dem Vernehmen nach gerade für ein 2010er-Release neu aufgelegt wird, tja, die fiel keinem von uns ein (und das, obwohl die DVD, vor Monaten für den berühmten Euro vom Grabbeltisch erstanden, keine zwei Meter von uns entfernt in meinem Reise-DVD-Köfferchen schlummerte). Dabei könnte dieser Film tatsächlich der von uns gesuchte erste ernsthafte Versuch sein, den Vampirismus aus der gothic-/romantic horror-Ecke zu befreien und in einen modernen, technischen (die IMDb listet „Thirst“ sogar unter „science fiction“) Kontext zu setzen. Und, Überraschung, „Thirst“ erledigt diesen Job richtig gut und steht auch noch fast dreißig Jahre nach seiner Entstehung ausgesprochen gut da.
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Die Idee der „Menschenfarmen“, in denen industrialisiert für Vampire sicher (ohne Risiko der Ansteckung mit Krankheiten) konsumierbares Blut produziert und abgepackt wird, ist schlicht und ergreifend grandios – auch wenn natürlich Fragen offen bleiben, zu allererst diejenige, wie die Vampire an ihr Menschenmaterial rankommen. Freiwillig sind die „Spender“ wohl nicht da, allerdings haben sie sich mit ihrem Schicksal abgefunden (wahrscheinlich sind sie unter Drogen gesetzt, dafür spricht ihr „abwesendes“ Auftreten. Das ganze Setting erinnert ein wenig an die gute alte „Zeitmaschine“ und die Eloi (die wie die Spender hier ein sorgloses Leben mit sinnbefreiten Freizeitaktivitäten verbringen) und die Morlock (ähnlich wie das akustische Signal der Morlock sind hier Durchsagen dafür zuständig, die zur Abzapfung vorgesehenen Probanden an die „Zapfstellen“ zu lotsen, was dann auch willenlos vollzogen wird). Wie schon bei Wells selig ist es keine große intellektuelle Leistung, hierin einen gesellschaftspolitischen Kontext der Ausbeutung von Unterprivilegierten durch eine herrschende Kaste zu sehen (Geldprobleme scheint die nach eigenen Angaben weltweit operierende Bruderschaft jedenfalls nicht zu haben, wobei interessanterweise auch nicht-weiße Vampire gezeigt werden).

Der Vampir-Mythos selbst wird relativiert – das Vampirdasein scheint kein biologisches „Muss“ zu sein, sondern eine bewußte Entscheidung. Es ist den Vampiren, so sie denn wollen, offensichtlich durchaus möglich, ein normales Leben ohne Blutgenuss zu führen. Das Bluttrinken hält aber wohl den Alterungsprozess auf und ermöglicht es den Vampiren daher anscheinend, sich durch schiere „longevity“ an die Schaltstellen der Macht vorzuarbeiten. Die klassischen Achillesfersen des Vampirs (Sonnenlicht, Spiegel, schätzungsweise auch Kruzifixe, auch wenn dahingehend nichts gezeigt wird, etc.) spielen keine Rolle (der einzige Nod an den typischen Gothic Horror, eine Szene, in der Kate sich in einem Sarg erwachend wiederfindet, ist lediglich ein Bestandteil der Konditionierung, der sie an ihr Vampirsein gewöhnen soll).
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Ebenso vermeidet es das Script von John Pinkney (der seltsamerweise außer einer Folge einer TV-Serie zwölf Jahre zuvor nichts zu verbrochen haben scheint) die Vampire zu dämonisieren. Klar, ihre Handlungen sind objektiv gesehen falsch, aber aus *ihrer* Sicht handeln die Vampire logisch, vernünftig und bedacht darauf, „Kollateralschaden“ zu vermeiden (schließlich werden die „Spender“ nicht völlig ausgelutscht, es wird ihnen nur ein Teil des Blutes entnommen, damit sie wiederverwendbar bleiben). Dazu kommt noch die Schilderung von zwei Fraktionen im Vampir-Lager, die zwar schlussendlich das selbe wollen, aber einen härteren (Gauss, Barker) bzw. einen weicheren (Hodge, Frakes) Kurs fahren wollen – eine erstaunlich differenzierte Darstellung.

Das Storytelling selbst ist recht geschickt – die „Sargerweckungsszene“ dient als Teaser/Opener und macht dem Publikum damit klar, dass es sich um eine Vampirgeschichte dreht. Von dort aus blenden wir eine Woche zurück und erfahren, wie Kate von der Bruderschaft entführt und bereits vor-bearbeitet wurde; hier macht die Flashback-Erzählstruktur sogar einmal Sinn, da wir mit einer guten Szene anfangen, die Interesse weckt und doch nicht wirklich *viel* über den nachfolgenden Film verrät (außerdem ist es nicht das Ende der Geschichte, sondern aus dem Mittelpart entnommen). Von dort ab wird die Story chronologisch erzählt, führt die futuristische Facility der Bruderschaft ein (mit durchaus mal witzigen Szenen – für ein „Festival“ reisen einige Touristen-Vampire an und erhalten, stilecht vom weiblichen Tour Guide mit lustigem Hütchen, eine Führung durch die Anlage); das Festival selbst zeigt uns, dass die Vampire für ein theatralisches Ritual auch nicht davor zurückschrecken, ihre blanken Fangzähne in die Halsschlagader eines präparierten Opfers zu schlagen, ehe das set piece, die gut zehnminütige „Konditionierung“ Kates folgt, in der sie durch eine Fülle alptraumhafter Szenarien (inklusive aufbrechender Wände wie einst bei Polanskis Ekel gehetzt wird (wenn ich meckern würde, täte ich hier anmerken, dass nicht klar wird, ob diese Konditionierung ausschließlich durch Psychopharmaka und/oder Hypnose bewirkt wird oder auch „reale“ Elemente verwendet werden. Anhand des Films würde ich zu letzterer These tendieren). Im Finale lässt die Story dann etwas nach und wandelt sich in ein reines Flucht-Szenario, freilich nicht ohne einen fiesen Twist.
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Für Regisseur Rod Hardy, einen versierten TV-Director, der nachdem er Australien verlassen hatte, schnell in Amerika Arbeit fand und dort u.a. den Hasselhoff-Heuler „Nick Fury: Agent of Shield“ abdrehte, ehe er hauptsächlich für Serien wie „Akte X“, „JAG“ oder „Battlestar Galactica“ tätig wurde, war „Thirst“ bis 2007, als er mit Harry-Potter-Star Daniel Radcliffe das Drama „December Boys“ realisierte, der einzige Ausflug ins Kinofach. Im Gegensatz zu vielen seiner hauptamtlichen TV-Kollegen hat er keine Probleme damit, den größeren „scope“ einer Kinoproduktion zu bewerkstelligen. Fraglos hilft das ausgezeichnete, von typischer 70er-Futuristik geprägte production design (und der gewinnbringend eingesetzte Kontrast des „gestelzten-Garten-Party“-Looks der Exteriors und der industriell-futuristischen Interiors), aber Hardy treibt den Stoff mit gutem Tempo voran, erlaubt sich kaum Längen und hat mit Vincent Monton (der auch „Long Weekend“ und den down-under-„Halloween“-Klon „Snapshot“ fotografierte) einen patenten Kameramann am Start, der sich einige interssante Einstellungen aus dem Ärmel schüttelt. Der filmische Höhepunkt ist sicherlich die schon erwähnte Konditionierungs-/Alptraumsequenz.

Den Score besorgt, wie bei einer australischen Produktion nicht anders zu erwarten, Brian May (Patrick, „Mad Max“, „Road Warrior“, „Steel Dawn“), der neben einigen leider etwas über-orchestrierten symphonischen Themes auch einige memorable, weniger opulent arrangierte Stücke verwendet.

Trotz der fehlenden Jugendfreigabe sind kaum gröbere Härten zu verzeichnen – ein-zwei schmoddrige Make-up-Effekte, zwei-drei zarte Halsbisse und jede Menge Blut in Reagenzgläsern, Leitungen und Behältnissen sollten heutzutage eine Freigabe ab 16, wenn man denn wollte, problemlos gewährleisten. Chantal Contouri macht sich auch kurz nackig.

Ein Schwachpunkt des Films ist leider die Besetzung der Hauptrolle. Chantal Contouri („Snapshot“) müht sich redlich, die zunehmende Verzweiflung ihres Charakters glaubhaft hinzubekommen, gerät aber ab und an doch ins Chargieren. Ihre Performance ist nicht wirklich schlecht, aber der Film hätte eine etwas versatilere Schauspielerin in der zentralen Rolle verdient. Dafür ist der Rest des Ensembles bestens aufgelegt – Shirley Cameron, eine erfahrene australische TV-Schauspielerin, überzeugt in der wesentlichsten Schurken-Rollen der steinharten Mrs. Barker, Paradebösmann Henry Silva („Nico“, „Alligator“, „Buck Rogers“, „Chained Heat“) hat zwar nicht zu viel zu tun, trägt aber sein Image überzeugend spazieren und hat den spektakulärsten Abgang des Films, David Hemmings (Barbarella, „Blowup“, „Profundo Rosso“) behält als Dr. Fraser genau die richtige Note an Undurchsichtigkeit, um seine Motive und Motivationen unklar zu halten. In wichtigen Nebenrollen finden sich Max Phipps („Road Warrior“, „The Cars that Ate Paris“) als „heiratswilliger“ Vampirclanvorsteher und Rod Mullinar („Patrick“, „Todesstille“) als Kates Geliebter Derek (mit Pornoschnäuzer extraordinaire).

Bildqualität: Mir liegt die auf gut sortierten Grabbeltischen zu findende ScreenPower/EuroVideo-DVD vor, die den Film prinzipiell in ausgezeichnetem anamorphen 2.35:1-Widescreen präsentiert – schicke Farben, gute Schärfe- und Kontrastwerte, theoretisch wenig zu meckern, wenn… sich nicht nach 20 Minuten ein heftiges Ruckeln einschleichen würde, das den Sehgenuss leider in Augenfolter umwandelt. Keine Ahnung, ob man hier mal wieder ein NTSC-Master bei der Normwandlung verhunzt hat, es ist jedenfalls kaum anzusehen… die Stärke des Ruckelns variiert über die Filmlaufzeit, besonders schlimm ist es zwischen Minute 25 und 35 ungefähr.

Tonqualität: Konsequenterweise führt die Ruckelei dazu, dass in der deutschen Sprachfassung der Ton so ab erste Drittelmarke um ein bis zwei Sekunden hinterherzuhinken gedenkt. Dazu kommen noch Ton-Drop-outs in der Synchrofassung, was alles darauf schließen lässt, dass hier einfach beim Mastering geschlampt wurde. Die englische Sprachfassung läuft klaglos durch und bleibt synchron. Beide Tonspuren sind in Dolby 2.0 codiert. Die deutsche Fassung ist sprachtechnisch ein wenig lauter und klarer, beide Spuren sind allerdings völlig rauschfrei, Musik und Soundeffekte kommen wie üblich in der Originalsprachfassung kräftiger.

Extras: Der auf dem Cover angepriesene Audiokommentar fehlt ebenso wie die Bildergalerie (eins davon kann man verschmerzen…), so dass als Zusatzmaterial der amerikanische Kinotrailer sowie drei TV-Spots verbleiben. Nicht verschwiegen werden soll, dass es eine weitere Auflage des Films aus dem Hause CMV gibt, wo die fehlenden Extras offensichtlich vorhanden sind (und hoffentlich auch der Bildtransfer verbessert wurde).

Fazit: „Thirst“ ist ein hochinteressanter früher Versuch, das Vampir-Genre nicht nur simpel zeitlich, sondern auch inhaltlich in die Neuzeit zu transferieren. Faszinierende Ideen, eine interessante Geschichte ohne grobe Schwarz-Weiß-Malerei, gut gefilmt und solide gespielt (mit Abstrichen in der Hauptrolle) sorgen für eineinhalb Stunden ausgezeichnete Genre-Unterhaltung. Nichts für Freunde des romantisch-gothischen Vampirs klassischer Prägung, aber gelungen als Kombination des gründlich entrümpelten Genre-Archetyps mit futuristischen und leisen sozialkritischen Elementen. Die EuroVideo-DVD ist leider aufgrund der Bild- und Tonprobleme unbrauchbar. Thumbs up aber für den Film (ungefähr 20 Klassen besser als der ungefähr zeitgleiche und ungerechterweise viel bekanntere Australo-Horror Patrick Und ja, der blonde Jüngling auf einem der Screenshots ist niemand anderes als Patrick persönlich. Auch die australische Filmwelt ist klein…).

4/5
(c) 2008 Dr. Acula


mm
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