Things To Do!

 
  • Deutscher Titel: Things To Do!
  • Original-Titel: Things To Do!
  •  
  • Regie: Hendrik Röhrs
  • Land: Deutschland
  • Jahr: 2007
  • Darsteller:

    Robert Alexander Koch (Casper), Sylwia Walocha (Lena), Ruth Fröhner (Marie), Stephan Lenze (David), Marco Soumikh (Peter), Norbert Eichstädt (Caspers Vater), Hannah Kobitsch (Paula)


Vorwort

Das Leben ist nicht fair – keine neue Erkenntnis, aber speziell, wenn man mit dem nun wirklich unchristlichen Vornamen „Casper“ gestraft ist, ganz besonders treffend. Casper ist eine echte Vollniete – verschlossen wie eine Miesmuschel, kontaktfreudig wie der Papst beim Speeddating und dazu noch feige wie die Pest – als eines Nachts der Tankstelle, in der er sich seine wenigen Flocken verdient, zwei Hip Hopper auflaufen, um sich nur ganz unschuldig ein Sixpack Bier zu kaufen, versteckt Casper sich und zahlt die von den den Möchtegern-Homies dann eben unentgeltlich mitgenommenen Pilsetten lieber aus eigener Tasche. Seinen WG-Genossen Marie und David geht Casper energisch auf dem Keks – mehr als „hallo“ und „gut Nacht“ sagt er nicht – und wenn die beiden wüssten, dass er z.B. das allabendliche Zähneputzen im Bad nur vortäuscht, um den eigentlichen Akt der Dentalreinigung heimlich in seinem Zimmer zu vollführen, bevor er sich ohne Ton Tom-und-Jerry-Cartoons ansieht, würden sie ihn für noch bekloppter halten es eh schon.. Offiziell firmiert Casper als Student, aber ’ne Uni sieht er nie von Innen – als er aufgrund seiner allgemeinen Inkompetenz seinen Tankstellen-Job verliert, entwickelt sich die Situation unerfreulich. Doch da gibt es Lena – die hat von Casper via Peter, Maries und Davids Stammkneipenwirt gehört und läuft ihm zufällig über’n Weg, als er gerade sein großes Depri-die-Welt-ist-schlecht-Gedächtnis-Besäufnis durchziehen will. Lena findet Casper voll süß und wider jegliche Wahrscheinlichkeit landen die beiden noch am gleichen Abend in der (genauer gesagt ihrer) Kiste. Das Erlebnis schockiert ihn nun aber auch wieder zutiefst – er schleicht sich hinfort und unternimmt alle erdenlichen Anstrenungen, um Lena aus dem Weg zu gehen, wenn er nicht gerade in der Kneipe hockt (ohne etwas zu trinken) und die Zeit totschlägt. Speziell Marie hat die Nase von ihrem offensichtlich leicht gestörten Mieter voll und unterbreitet ihm die fristgemäße Kündigung. Nach der ein oder anderen Beleidigung der bös gemeinten Art flüchtet Casper, nachdem sein leicht dementer Vater, der nicht ahnt, dass Casper mitnichten in seine Fußstapfen tritt und Architektur studiert, ihm nicht wirklich eine Hilfe ist, zur einzigen Person, die ihn bislang vorbehaltlos akzeptiert hat – Lena. Die ist zunächst ganz happy, muss aber bald erkennen, dass ein dauerhaftes Leben mit einem Typen, der nicht mehr tut als vor sich hin zu gammeln und ihr nicht mal seinen Nachnamen verraten will, alles andere als einfach ist…


Inhalt

Neues von meinen deutschen Independent-Lieblingen, denn obwohl streng genommen nicht „Transcendental“ drauf steht, handelt es sich bei „Things to do“ um das neueste Werk jenes inzwischen nur noch unter „Klappe, die Erste“ firmierenden Filmclans, dem meinereiner den bislang besten absolut unabhängig entstandenen, abendfüllenden Genrefilm verdankt (ich rede natürlich von „Dunkel – das erste Kapitel“) und die in der Folgezeit durch ein Rudel interessanter Kurzfilme bewiesen, dass sie ersten nicht vorhaben, sich auf diesen Lorbeeren auszuruhen, sondern zweitens auch kein Bedürfnis verspüren, sich auf „Horror“ im Besonderen oder „Phantastik“ im Allgemeinen festzulegen.

Mit „Things to do“ legen meine Freunde eine trotz aller von mir ausgeschütteten Vorschusslobhudeleien überraschend ruhige, bedächtige und dennoch intensive, äh, okay, jetzt komme ich ins Schleudern, denn in welches Genre packe ich den Film nu, hmmm… versuchen wir’s mal mit „Psycho-Dramödie“ vor, wobei die dramatisch-tragischen Elemente überwiegen und die komödiantischen Aspekte eher dazu angetan sein sollten, dem Zuschauer das Lachen im Halse stecken bleiben zu lassen; Casper, das haben wir schnell raus, ist heftig verhaltensgestört und die Situationen, über die man zunächst mal ob der Absurdität grinsen möchte, in erster Linie traurig, auf der einen Seite bemitleidenswert, auf der anderen Seite aber durchaus so gestaltet, dass man Casper, dem Protagonisten, einen kräftigen Tritt in den Hintern geben möchte.

Das Script von Hendrik Röhrs und René Rausch ist, was im Indie-Bereich auch bemerkenswert ist, wo man doch gern mal zu Tode quasselt, erstaunlich sparsam im Umgang mit Dialogen – das verstehe ich mal durchaus als Statement dahingehend, dass man sich einfach „nicht viel zu sagen“ hat, nicht nur in Person von Casper, der eh in seinem Schneckenhaus sitzt, sondern auch bezüglich der anderen Figuren (Marie scheint als einziges Gesprächsthema ihren Ärger über Casper zu haben, was David wieder größtenteils sprachlos zurücklässt; Lena versucht vergebens, Casper zu Smalltalk zu bewegen usw.). Anstatt vieler Worte lässt der Film die (sorgsam ausgewählte) Musik sprechen, die geschickt eingesetzt Stimmungen unterstreicht und verdeutlicht.

Ein wenig schwächelt „Things to do“ vielleicht in seinen Charakterisierungen – während Caspers Verhalten wenigstens noch rechtzeitig vor Toresschluss erklärt wird, bleiben einige andere wichtige Figuren ein wenig konturlos: warum Lena auf Casper abfährt, wird nicht klar (okay, es ist natürlich richtig, dass Liebe sich öfter mal rationaler Begründung verschliesst, aber es müsste ja irgendwo einen „hook“ geben. Lena ist quasi schon in Casper verliebt, als sie ihn nur aus den second-hand-Erzählungen des Kneipenwirts kennt, und die sind kaum dazu geeignet, in ewiger Liebe zu entflammen), auch aus Caspers Vater werde ich nicht ganz schlau (man scheint mir zu implizieren, dass er unter beginnendem Alzheimer oder einer ähnlichen Demenzkrankheit leidet, aber vielleicht bilde ich mir das nur ein), ebenso bin ich nicht ganz mit Marie glücklich – auch wenn ich mir vorstellen kann, dass ein Typ wie Casper in der WG nicht gerade für Frohsinn und Partystimmung steht, scheint mir sein Verhalten innerhalb der WG jetzt auch nicht so abgrundtief abstoßend zu sein, um eine solch agressive Abneigung zu entwickeln. Da laboriert der Film insgesamt etwas an seiner absoluten Konzentration auf Casper, die anderen Figuren kommen motivationstechnisch ein wenig zu kurz (auch wenn andere Reviewer ein wenig mäkeln, dass der Subplot um Maria und David von der zentralen Geschichte ablenke. Sehe ich nicht so, wir brauchen auch ein wenig Perspektive „von außen“, um überhaupt einen Kontext für Caspers Verhalten zu haben).

Formal gibt’s nix zu meckern – dass die Kameraführung nicht ohne die gewohnte Indie-Statik auskommt, ist in einem hauptsächlich als Drama angelegten Film nicht so ausschlaggebend wie in einem Horror- oder Actionfilm. Was mir heute allerdings extrem auffiel, war der Videolook – mag mich täuschen, aber vormalige Werke des Teams wirkten „kinematischer“, aber das mag auch wieder daran liegen, dass ich eine Vorab-DVD habe, die möglicherweise vom Endprodukt abweicht (ich denke mal wieder an den ein oder anderen Post-Production-Filter, den man drüberknallen könnte, um die penetrante Video-Schärfe etwas abzuschwächen). Das Tempo des Films ist, das habe ich bereits oben anklingen lassen, ruhig und bedächtig, gibt den Akteuren Zeit, jenseits des Herunterrasselns von ausgewendig gelerntem Text zu * spielen *. Das ist, man halte sich fest, ein Fall von „Schauspielerkino“ im Independent-Bereich. Gibt’s jetzt auch nicht sooo oft… Außerdem sollte man lobend anmerken, dass „Things to do“ vom so-oft-gesehenen „wir-gehen-innen-Wald-und-filmen-ein-bissl-rum“-Syndrom weiter entfernt ist als die Erde vom Mars; natürlich ist das dem Thema geschuldet, aber ich erkenne absolut positiv an, dass es durchaus von Gewinn für’s Endresultat sein kann, wenn man sich die Mühe macht, ein paar Klinken putzt und dafür an echten Locations wie Tankstellen und Supermärkten drehen darf; schon wirkt das ganze deutlich „filmischer“ als das sicherlich manchmal lustige, aber oft auch nur peinliche Improvisieren.

Oder anders ausgedrückt – ich hätte absolut kein Problem damit und keinerlei Bedenken, „Things to do“ auf einem der typischen öffentlich-rechtlichen 23.30-Fernsehspiel-Sendeplätze auszustrahlen und einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen (aber ich hab ja schon nach „Dunkel – das erste Kapitel“ gesagt, dass man diesem Team durchaus auch mal die Kohle für einen „richtigen“ Film in die Hand drücken sollte) – sowohl inhaltlich als auch formal läuft gerade auf diesen gefürchteten Terminen für „junge Filmemacher“ qualitativ erheblich schwächeres. Ultra-Low-Budget-Independent-Film sieht selten besser aus.

Und das auch ohne Mitwirkung renommierter Mimen… die Hauptrolle spielt Robert Alexander Koch, den wir auch schon aus „Dunkel – das erste Kapitel“ oder „Splitter“ kennen. Das ist vielleicht auch mein einziges kleines Problem damit – ich kenne Koch aus seinen, hm, sagen wir mal „aktiveren“ Rollen, so dass ich mich zunächst daran gewöhnen musste, ihn einen derart labilen, „schwachen“ Charakter spielen zu sehen, aber in der Folgezeit gelingt es Koch, dieses Vorurteil (das natürlich nur Hardcore-Transcendental-Fans trifft) zu überspielen und die Rolle zu seiner zu machen, sowohl die Abgekapselt- und Unsicherheit als auch die gelegentlichen Ausbrüche roher Emotion überzeugend zu verkörpern. Sylwia Walocha als Lena gibt eine sehr sympathische, lebhafte Figur ab (mit dem oben geschilderten Manko, dass ihre Motivation nicht ganz ausgearbeitet ist). Ruth Fröhner und Stephan Lenze erledigen ihren Job als Marie bzw. David angemessen; nicht auf dem Level wie Koch oder Walocha, aber für den Rahmen einer Indie-Produktion okay. Mein persönlicher Favorit ist allerdings Marco Soumikh als Kneipenwirt Peter – dessen knochentrockene Performance macht einfach Laune.

Exzellent ist, auch das klang schon an, die musikalische Untermalung, die größtenteils durch einheimische Independent-Bands wie Monohead, Wendy Says No, You and Music oder die Hip-Hopper Der Plot erledigt wird, und durchaus nicht nur als begleitendes, sondern prägendes Element eingesetzt wird. Da mir hier (wie erwähnt) eine Vorab-DVD vorliegt, halte ich mich in Punkto Technik und Ausstattung mal zurück (ganz abgesehen davon, dass mein total vermurkster Desktop nu offensichtlich gar keine DVDs mehr abspielen will, so dass sich das Thema „Screenshot“ auch erledigt hat… grumpf). Zur Zeit tourt der Streiten durch Programmkinos – Infos über Termine und sicher auch bezüglich anstehender DVD-VÖ findet der geneigte Zuschauer auf der Myspace-Seite http://www.myspace.com/ttdfilm.

Schlusswort: Man kennt ja seine Pappenheimer mittlerweile – und es ist schön, dass sie einen nach wie vor nicht enttäuschen. Mit „Things to do“ beweist die Crew um Hendrik Röhrs und René Rausch (nicht zu vergessen Lars Dreyer, der die Kamera schwang), dass sie im Independent-Bereich eine Sonderstellung einnehmen und sich mittlerweile aus dem „machen wir mal aus Fun ’nen Film“-Stadium längst herausgearbeitet haben. Das ist ernsthaftes „Filmemachen“ auf mehr als nur ansprechendem Niveau. Da gibt’s nicht viele hierzulande, die mithalten können (oder wollen)… Wer Low-Budget-Filme mag, auch wenn sie eher dramatisch-tragikomisch-schräg daherkommen, sollte „Things to do“ unbedingt mal antesten. Schließlich muss man ja von Anfang an „dabei“ gewesen sein und ich hab so dieses unbestimmte Gefühl, dass wir das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht haben…

4/5
(c) 2008 Dr. Acula


mm
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