The Violent Years

 
  • Original-Titel: The Violent Years
  •  
  • Regie: William Morgan
  • Land: USA
  • Jahr: 1956
  • Darsteller:

    Jean Moorhead (Paula Parkins), Barbara Weeks (Jane Parkins), Art Millan (Carl Parkins), Theresa Hancock (Georgia), Joanne Cangi (Geraldine), Gloria Farr (Phyllis), Glen Corbett (Barney Stetson), Lee Constant (Sheila), Timothy Farrell (Lt. Holmes), F. Chan McClure (Det. Artham), I. Stanford Jolley (Judge Clara)


Vorwort

Eigentlich hätte ich dieses Review vor MARRIED TOO YOUNG machen müssen. Die beiden Filme sind in jedem Fall kinda-sorta verschwistert und verschwägert, und wenn MARRIED TOO YOUNG ein rares Beispiel für einen vergleichsweise progressiv-liberalen „Aufklärungsfilm“ ist, dann ist THE VIOLENT YEARS das glatte Gegenteil; die Produktionsfirma Headliner hätte sich für den Streifen gut und gerne in „Hardliner“ umbenennen können. Aber jetzt war THE VIOLENT YEARS halt nur der „Bonusfilm“ auf meiner MARRIED-TOO-YOUNG-DVD und damit definitionsmäßig „zweite Wahl“. Man kuckt das Bonusmaterial nun mal erst nach dem Hauptfilm…

Okay, wer sich auf diesen Seiten nicht erst seit gestern rumtreibt, wird wissen, dass THE VIOLENT YEARS einmal mehr auf das Konto von badmovies-Papst Edward D. Wood Jr. geht, und wenn es einen Film unter seiner Beteiligung gibt, den man als finanziellen Erfolg werten kann, dann ist es dieser. THE VIOLENT YEARS lief in den Drive-Ins und dem sonstigen Exploitation-Circuit prima, und sogar gut genug, dass Headliner ihn in schöner Regelmäßigkeit mit neuen Zweitfilmen auf die Reise schickte. Es wäre aber keine Ed-Wood-Geschichte, wenn unser Held von diesem Erfolg persönlich etwas gehabt hätte. Wood war in diesem Fall „nur“ Drehbuchautor, und das bedeutete im B-Bereich dieser Tage, dass von einer „Gewinnbeteiligung“ keine Rede sein konnte, der werte Schreiberling vielmehr mit einer Einmalzahlung abgefrühstückt wurde, und bei Woods überschaubarem Verhandlungsgeschick darf man bezweifeln, dass er mehr als einen Tausender dafür in die Hand gedrückt bekam. Immerhin hielt man Eddie bei Headliner in ausreichend guter Erinnerung, um ihm 1961 THE SINISTER URGE anzuvertrauen und dann eben 1962 als Script Doctor für MARRIED TOO YOUNG anzuheuern. Ein paar Flaschen Fusel sollten also durchaus für Eddie `bei rumgekommen sein.

Als Regisseur verpflichtete Headliner William Morgan, einen Cutter-Veteranen, der an relativ großen Filmen wie OF HUMAN BONDAGE oder Disneys Giftschrank-Film ONKEL REMUS‘ WUNDERLAND herumgeschnippelt hatte, später aber auch an Jack Arnolds TARANTULA. Als Regisseur hatte Morgan weniger Meriten – in den 40ern hatte er für Poverty-Row-Studio Republic eine Handvoll B-Quickies, darunter ein paar singing-cowboy-Schinken mit Gene Autry, gedreht, aber seit 1943 nicht mehr in leitender Positoin einen Film betreut. Wie Headliner auf die Idee kam, ausgerechnet ihn anzuheuern, wird das Geheimnis von Roy Reid bleiben.

Sei’s drum. Eins ist jedenfalls sicher – 1956 stand der „juvenile delinquent“-Film noch in voller Blüte (ja, gerade auf dem Zenit, streckte doch diese unchristliche Negermusik Rock’n’roll langsam ihr Fühler in die Randbezirke der bürgerlichen Gesellschaft aus). Man kann dahingestellt sein lassen, ob Eddie der richtige Mann am richtigen Ort ist (mit Jugendkulturen konnte Ed zeitlebens nicht wahnsinnig viel anfangen und Rock’n’roll erklärte er als „rote und schwarze und lila und grüne Punkte, die in der Gegend herumspringen und schreien“ [was wiederum mindestens einer meiner Bekannten für die beste Definition von Rock’n’roll hielt, die er je gehört habe]), aber unterhaltsam werden sollte es…


Inhalt

Huch? Bin ich versehentlich in der Schlussszene von MARRIED TOO YOUNG gelandet? Wieder einmal stehen wir in einem Gerichtssaal einem grimmig kuckenden Richter gegenüber. Der hat aber heute wenigstens einen Namen, Clara (I. Stanford Jolly, THE CRIMSON GHOST, OUTLAW QUEEN), und präsidiert nicht über zwei Sätze Eltern, sondern nur über einen. Und von denen sehen wir zunächst auch nur die sehr dekorativen Hinterkopfpartien. Für uns als Zuschauer ist das alles erst mal reichlich kryptisch, alldieweil Clara offensichtlich über einen Antrag der uns noch nicht näher bekannten Hinterköppe befinden soll. Das Verhalten und der Tenor seines Sermons lässt darauf schließen, dass der Robenträger dem Anliegen der Antragsteller nicht spezifisch wohlgesonnen ist. Was mag wohl der Hintergrund dieser Verhandlung sein? *nägelkau*

Wir schalten um in die Wohnstube derer von und zu Parkins, die, wie uns der Film glaubhaft zu versichern versucht, vielleicht nicht ganz den oberen Zehntausend, aber zumindest den 1 % anzugehören scheinen. Die eher klaustrophobisch gedrängte Kulisse spricht dagegen, aber wir wissen ja auch, dass Headliner sich vielleicht bessere und größe Sets hätte leisten können, aber warum sollte man das tun, wenn’s auch so geht? Die zwei anwesenden Familienmitglieder sind Tochter Paula (Jean Moorhead, AUF U-17 IST DIE HÖLLE LOS, LEDERJACKEN RECHNEN AB, DER KOLOSS), für die Verhältnisse von 1956 ein relativ steiler Zahn, und ihre Erzeugerin Jane (Barbara Weeks , WHITE EAGLE, TWO-FISTED SHERIFF). Paula begehrt ein Elterngespräch, aber Jane reagiert unwirsch – sie hat nämlich gerade ü-ber-haupt keine Zeit, weil sie dringende Wohltätigkeitsangelegenheiten zu erledigen hat, dafür wird Klein-Paula doch sicherlich allergrößtes Verständnis aufbringen. Paula zieht die „ich-bin-ganz-die-brave-Tochter“-Karte und lässt Muttchen zu ihrem Charity-Event aufbrechen.

Hätte Mama mal lieber die paar Minuten Zeit investiert… denn so bleibt Paula ja gar nichts anderes übrig, als sich ihrem Hobby zu widmen und ihre Riot-Grrl-Gang zusammenzutrommeln. Das Girl-Power-Quartett besteht neben Paula aus Georgia (Theresa Hancock), Geraldine (Joanne Cangi, IT’S A GREAT LIFE) und Phyllis (Gloria Farr). Deren Namen haben den Vorteil, dass sie sich bei Ausübung ihrer spaßbringenden extracurrikulären Aktivitäten mit Männernamen (Paul, George, Jerry und Phil) anreden können. Und womit vertreiben sich vier 17-jährige Mädels die Zeit, dass sie sich dabei mit Männernamen anreden? Mit VERBRECHEN!!!1111 Danke Eisenhower!
Die aktuelle Spezialdisziplin der Crimemiezen ist das Ausrauben von Tankstellen. Man fährt maskiert vor, bedroht den singulären Tankwart mit allerhand Kugelgeben, dieweil eine der vier Schnepfen ins Kassenhäuschen pilgert und die Barschaft einstreicht. Als Abschiedsgeschenk bekommt der arme Zapfpistolenschwinger noch einen Revolverkolben auf die Rübenrückseite gedengelt. Aua!

Die Polizei ist ratlos, wie die Polizei es gemeinhin zu sein pflegt. Lt. Holmes (Timothy Farrell, JAIL BAIT, GLEN OR GLENDA?) kann seinem ausführenden Ermittlungsschergen Detective Artman (F. Chan McClure) nur auf den Weg geben, dass es sich mittlerweile um den SIEBZEHNTEN!!! Überfall nach dem gleichen Schema gehandelt habe. Das ist keine Verbrechenswelle mehr, das ist eine Serie von domestic terrorism! Holmes stimmt dabei besonders sorgenvoll, dass die Bande immer brutaler wird – früher oder später, düstert er vor sich hin, werden sie jemanden ermorden. Artman weist darauf hin, dass sie es ja schon versucht haben, denn der Tankwart, offensichtlich ein bemitleidenswertes Opfer der Glasschädelkrankheit, kämpft auf der Intensivstation noch um sein Überleben (und DIE haben den Krieg gewonnen?).

Auch die Presse ist besorgt – Starreporter Barney Stetson (Glen Corbett, ROLLSCHUHFIEBER) hat sich Holmes‘ weitgehende Kapitulation angehört und geht damit nun bei seinem Chefredakteur hausieren, und wer ist dieser Chefredakteur? Wer? NA???  Carl Parkins (Art Millan, DER ENGEL MIT DEN BLUTIGEN FLÜGELN, JUNGLE JIM), und damit niemand anderes als Paulas lieber Daddy! Wenn der mal wüsste!!
Nun ist es aber nicht so, dass die nicht-chinesische Viererbande sich exklusiv auf das Erleichtern von Tankstellen spezialisiert hat, frau nimmt auch andere Gelegenheiten mit, wenn sie sich bieten. Z.B. cruisen die Vier in ihrer Cabrio-Kalesche an einer Ecke vorbei, die sicher nicht ganz die offizielle Lover’s Lane ist, aber von dem gegenwärtig in einem ebenfalls offenen Wagen herumpoussierenden Pärchen (wer-auch-immer als  Shirley, womit dann auch eindeutig klar wäre, wer hier das Drehbuch geschrieben hat, und es wundert mich nur, dass sie keinen Angorapulli trägt). Augenscheinlich halten die Girls zwei potentielle Zeugen für wesentlich ungefährlicher als einen (naja, eine davon ist ein Mädchen, und wer wird der schon glauben, ne?), daher wird auf Masken verzichtet, nicht aber auf den Überfall. Der Boy darf seine spärliche Barschaft und seine Armbanduhr abdrücken, Shirley ihre Juwelen (scheint auch nicht gerade auf der Schattenseite des Lebens geparkt zu haben) und, weil Paula heute ein bisschen Spaß will, sich ausziehen. Bevor jemand ins Sabbern gerät – wir schreiben immer noch das Jahr 1956 und das heißt, dass Shirley unter ihren Klamotten ein Unterkleid trägt, das heutzutage selbst als Oberbekleidung von konservativen Kreisen als „stark übertrieben“ angesehen würde. Zudem sind Paula und ihre Jüngerinnen keine Lesben und daher nicht an Shirleys Reizen interessiert, sondern vielmehr an denen des Jungen! Der wird mit vorgehaltener Knarre ins nächste Gebüsch dirigiert, dieweil Shirley auf dem Rücksitz des Schlampenschleppers mit Fetzen aus ihrem eigenen Kleid gefesselt wird. Allerdings merkt man deutlich, dass Mädchen damals noch nicht bei den Pfadfindern zugelassen waren, denn die Knoten sind so lasch, dass selbst die hysterische Shirley sich ohne weiteres aus ihnen befreien kann und dann nicht etwa ihrem Boyfriend zu Hilfe eilt, sondern hysterisch die Straße runterhysterisiert. Der junge Mann sieht sich hingegen vier lüsternen Teenagebräuten entgegen und schon öffnet Paula ihr Oberteil…

Yeah, it’s pretty much implied here, dass Paula und die Ihren den Jungen vergewaltigen. Sicher könnte einem Kerl Schlimmeres widerfahren (keine der Knarrentussis ist schließlich ausnehmend hässlich), aber als aufgeklärte Bürger des 21. Jahrhunderts wissen wir natürlich, dass ungefragte sexuelle Zudringlichkeiten in jeder geschlechtlichen Konstellation unerwünscht sind. #metoo.

Bei den Parkins ahnt man von diesen garstigen Geschehnissen selbstverständlich nichts. Vielmehr plant man Paulas anstehende Geburtstagsfeier. Tragischerweise werden weder Mr. noch Mrs. Parkins die Festivität durch ihre persönliche Anwesenheit veredeln können, denn Jane hat wieder wichtige wohltätige Verrichtungen zu verrichten und Carl kann ob der schlagzeilenträchtigen Crimewave seinen Newsroom praktisch nur zum Schlafen verlassen. Die Eltern sind sich einig – Paula wird das, wie es ihre Art ist, in aller Seelenruhe verkraften, schließlich ist der Plan eh eine Pyjamaparty mit Freundinnen und garantiert mit ohne Kerls, und dabei sind Eltern doch hauptsächlich ein Hindernis.

Paula macht sich gerade völlig andere Gedanken, denn sie ist dabei, mit ihren Gespielinnen die Beute zu verhökern. Ihre gewohnheitsmäßige Abnehmerin ist eine gewisse Sheila (Lee Constant), eine Dame mittleren Alters mit den notwendigen kriminösen Kontakten. Für den aktuellen Loot will Sheila aber nur fünfhundert lausige Mäuse rausspringen lassen, und das ist Paula – die den Spaß sichtlich nicht der Kohle wegen betreibt, aber man hat ja einen Ruf zu verteidigen – nun doch eindeutig zu wenig. Es gibt auch andere Hehler, die Geschäfte machen wollen, hintet sie, aber das mag Sheila nun auch wieder nicht und so wird man sich bei 750 Flocken handelseinig (dabei teilt sich das so schlecht durch 4!).

Bei der Gelegenheit, erwähnt Sheila, hätte sie da ein vielleicht ganz interessantes Angebot für die Gang. Interessierte Kreise wären – warum zur Hölle auch immer – daran interessiert (wie oft werde ich noch Varianten von „Interesse“ in diesem Absatz unterbringen? Stay tuned and find out!), wenn eine Schule verwüstet würde (ich kann mir allenfalls die Bundesvereinigung der Schulausstattungsindustrie als Auftraggeber vorstellen). Der finanzielle Schaden der Girls soll’s dann auch nicht sein. Das kann erledigt werden, meint Paula.

Erst mal wird aber Geburtstag gefeiert. Dass die Eltern nicht da sind, macht Paula tatsächlich so ca. gar nix aus, dafür kann von „mit ohne Kerls“ nicht die Rede sein. Eher ungebeten erscheint Barney Stetson, der von seinem Chef den dienstlichen Auftrag erhalten hat, Paula mit einem Geschenk zu beglücken. Man kommt ein wenig ins Parlieren und Barney plaudert aus dem Nesthäkchen, äh, Nähkästchen, was seine eigenen Recherchen zum Thema Tankstellengang angeht. Barneys Anwesenheit ist insbesondere einem unangenehmen Kerl namens Manny (wohl aktueller Bespringer Paulas, Bruno Metsa aus Phil Tuckers BROADWAY JUNGLE) ein Dorn im Holzauge – dass Manny ein mieser Typ ist, verdeutlicht sich schon durch die Wahl seines Zwirns. Als einziger Partygast hält er sich nicht an das Pyjama-Motto (gut, was Paula trägt, ist auch einer eher lockeren Definition des Worts „Pyjama“ unterworfen, ist dafür aber für 1956 schon beinahe oh-lala!). Einer der anderen Jungs schlägt vor, Manny möge Barney doch aus Prinzip mal die Zähne mit der Faust nachjustieren. Barney erkundigt sich nach Mannys Alter, erhält ein befriedigendes „über 21“ als Antwort und führt dann einen präventiven Erstschlag durch und verabschiedet sich. Nachdem Manny die Reste seines Bewusstseins wiedergefunden hat, werden er und die restlichen Sackträger rausgeworfen, dafür verkündet Paula aus mir nicht vollständig nachvollziehbaren Gründen, dass mit der Tankstellenräuberei fürs erste Essig ist. Ich denke, der Film will darauf hinaus, dass Paula realisiert hat, dass sich via Barney ihr eigener Herr Vater für die Raubserie interessiert (ha!), was nun wieder dafür spricht, dass Teenager damals wie heute keine Tageszeitungen lesen, ansonsten hätte sie sich das sicher schon selbst zusammenreimen können. Immerhin, sehr rücksichtsvoll von ihr.

Da man aber mit irgendwas die Zeit totschlagen muss, befiehlt Paula, dass der von Sheila beauftragte Schulvandalismus jetzt gleich durchgezogen werden soll. Und es bietet sich ja in solchen Fällen an, die eigene Schule zu zerstören, dann hat man mit dem Angenehmen (der Kohle) auch noch das Nützliche (schulfrei!). Gangsterköniginnen wie Paulas Gefolgsfrauen ist eine verschlossene Tür selbstverdinglich kein Hindernis (es könnten auch daran liegen, dass der Requisiteur vergessen hat, die Tür überhaupt abzuschließen, ähm) und schon können sich die vier Grazien für ein Halleluja im Klassenzimmer austoben. VANDALISMUS PUR! GEWALT GEGEN MÖBEL! GEWALT GEGEN DIE TAFEL! (Naja, Geraldine, glaub ich, wischt die dort noch von Unterricht gebliebenen Formeln weg. Reflexhandlung, weil immer Tafeldienst?). Kurz gesagt, ich bin nicht sonderlich beeindruckt, solche „Verwüstungen“ schafft eine durchschnittliche Erste Klasse in einer Freistunde, und dafür muss es keine Problemschule sein. Selbst der Globus, den Paula in einer Geste grimmiger Entschlossenheit durchs Fenster feuert, dürfte nicht mehr als zwanzig Steine kosten. Okay, das Fenster vielleicht ein paar mehr…

Klare Sache – solch apokalyptisch-bestialisches Vorgehen, das in seiner Brutalität seinesgleichen sucht, bleibt nicht unbemerkt. Schon nach ein-zwei Minuten meldet sich das Martinshorn einer Bullenschleuder. Oopsie! Die Girls reagieren so vernünftig und mit der angebrachten Coolness, die man von ihnen erwarten darf – sie nehmen die Cops aus allen Rohren unter Feuern. Die Uniformträger lassen sich nicht lumpen und eriwidern die großflächige Bleiverteilung. Eines der Girls (ich bitte um Verzweiflung, aber trotz einer Vorstellung mit Namenseinblendung habe ich mir nicht gemerkt, wer von den drei Schicksen, die nicht Paula sind, wer ist) erleidet einen spontanen Schwächeunfall und fällt um, eh, Verzeihung, wird von einer Polizeikugel mittschiffs getroffen und verscheidet (Headliner war nicht mal willens, Einschusslöcher in die vermutlich geliehenen Kostüme stanzen zu lassen, an „Blut“ ist nicht mal im Traum zu denken. Da es keine Solidarität mehr unter Krawallbienen gibt, sehen das die drei Überlebenden als angemessenen Anlass für die Flucht, nachdem sie aus purer Rachsucht noch einen Cop abgeknallt haben. Schulen in den USA haben offensichtlich exakt 1 Ein-/Ausgang, was den Bullen einigermaßen leicht macht, in angemessener Entfernung auf die Girls zu warten. Die Mädels verteilen ein paar blaue Bohnen in grobe Richtung der Plattfüße und halten dann vor ihrer Kalesche (und ungefähr, na, zehn Meter von den auf Lauer liegenden Cops entfernt) Kriegsrat, was denn nun zu tun wäre. Das entweder in sicherer Deckung oder wenigstens bei 80 Meilen auf’m Tacho im Auto zu erledigen, fällt den tumben Bräuten nicht ein. Gerechterweise wird eine von ihnen sofort erschossen. Man stelle sich vor, solch Idiotie vermehrt sich auch noch!

Paula und ihre letzte Konkubine verfallen nun doch auf die Idee, motorisiert das Weite zu suchen, was uns in den Genuss einer hochdramatischen (hihi) Verfolgungsjagd (höhö) bringt (aber wenigstens keine, an der Verfolgter und Verfolger an roten Ampeln brav anhalten). Da wir uns in einer Welt befinden, in der Cops und Kriminelle gleich dämlich sind, gelingt es Paula, die Verfolger abzuschütteln. Sie beschließt, Sheila aufzusuchen. Es war ihr Auftrag, also ist es auch ihre heilige Pflicht, Paula und Freundin aus der Scheiße rauszuholen, meint zumindest Paula. Sheila sieht das ganz grundsätzlich anders, erst recht, als Paula großspurig damit prahlt, im Verlauf der bestellten Schulverwüstung einen Bullen umgelegt zu haben. Geklauten Schmuck verticken ist eines, Schulmöbel kaputt machen eine andere, aber bei Polizistenmord hört bei Sheila die Freundschaft auf (es gibt also noch Verbrecher mit Moral!) und schickt sich an, die Polizei zu rufen, auf dass die die Killergirls in Gewahrsam nimmt. Damit ist nun Paula nicht hundertprozentig einverstanden und erschießt Sheila (es reicht immer noch nicht für irgendwelche sichtbaren Schusswunden). Die Girls traben vom Hof, satteln ihr Auto und eilen zwecks Wechsel des fahrbaren Untersatzes zu einem Gebrauchtwagenhändler. Das Geschäft ist schnell gemacht und die Mädchen wähnen sich in Sicherheit. Optimistischer Gedanke.

Detective Arsch, äh, Artman und Lt. Holmes ermitteln, was das Zeug hält und haben schnell die Spur zum Autohändler aufgenommen und herausgefunden, mit welchem Mobil die Mordmädchen jetzt unterwegs sind. Und selbst in diesem Universum haben nicht alle Cops Tomaten auf den Augen – an einer Ampel lässt eine Streifenwagenbesatzung den Blick mal auf die rechte Spur schweifen. Dumm gelaufen für Paula. Eine weitere Verfolgungsjagd schließt sich an, und die endet damit, dass Paula ihre Karre frontal und relativ unbedrängt in ein Schaufenster dengelt. Ende vom Lied: ihre letzte Freundin beißt ins Straßenpflaster und sie selbst landet unter schwerer Polizeiaufsicht im Hospital.

Womit wir noch nicht ganz am Ende, aber zumindest schon mal vor Gericht landen. In der Verhandlung über die diversen Verfehlungen Paulas führt der gleiche ehrwürdige Richter den Vorsitz wie in der Eröffnungssequenz, und dieweil der wie sein Kollege aus MARRIED TOO YOUNG darauf anhebt, dass die Parkins-Eltern sich den Großteil der moralischen Schuld stolz selbst ans Revers heften können, ist er, was Paula angeht, eher Richter Gnadenlos und macht deutlich, dass er das Mädel mit Freuden auf dem elektrischen Stuhl sehen würde und nicht minder happy persönlich den Hebel umlegen würde, um sie zu grillen, allerdings zu seinem tiefsten Bedauern daran gehindert ist, weil Paula 1) zu jung für die Todesstrafe ist (pffz. Wäre Paula schwarz, dann würde man schon ihre Asche in einem anonymen Gefängnisgrab beisetzen) und 2) schwanger ist! Pardauz! An der gerechten biblischen Strafzumessung gehindert, verkündet der Richter das nächstbeste Urteil und verdonnert Paula dazu, nach Entbindung den Rest ihrer natürlichen Lebensspanne ohne Aussicht auf Bewährung in einem idyllischen Frauengefängnis zubringen zu dürfen.

Die Parkins sind ordnungsgemäß zerknirscht und schuldbewusst. Paula ist nicht mehr zu helfen, aber das heißt ja nicht, dass die Eltern es nicht auf andere Weise zumindest ansatzweise gut machen können, glauben zumindest Carl und Jane, und beschließen daher, Paulas Baby – auch wenn niemand so genau weiß, wer der Vater ist – als das ihre anzunehmen und hier alles, was sie bei Paula versaut haben, besser zu machen. Paula kränkelt im Rahmen der Schwangerschaft etwas vor sich hin und wird Opfer einer kurzen surrealen Traumsequenz, die’s leider nicht mit GLEN OR GLENDA? Aufnehmen kann (oder der Schere zum Opfer fiel. Es gibt zwei kolportierte Laufzeiten des Films, 57 Minuten, und solange rennen die meisten erhältlichen Prints, und 65 Minuten für eine „ungeschnittene“ Fassung. Ich habe hier den 57-Minuten-Print). Einige Monate später stehen die Parkins-Eltern erwartungsvoll vor dem Kreißsaal und erwarten das plärrende Ergebnis vorehelichen Geschlechtsverkehr. Der Arzt kommt mit eher verhaltener Miene aus dem OP. Dem Kind geht’s gut, versichert der Weißkittel, aber Paula… die habe leider terminal das Handtuch geworfen (die halten echt nix aus da drüben). TRAGIK!

Und damit kämen wir dann wieder zu unserer Auftaktszene. Der Antrag, über den zu entscheiden ist (hm, gibt’s bei den Amis keine fachlichen Zuteilungen von Verfahren? D.h. hat ein Richter da das Pech, heute einen Mord, morgen eine familienrechtliche Angelegenheit, übermorgen eine gesellschaftsrechtliche Frage zu entscheiden? Da ist unser System dann doch besser), ist logischerweise der der Parkins, das Sorgerecht für den kleinen namenlosen Schreihals übernehmen dürfen zu können. Mit dem Anliegen kommen sie bei unserem Hammerschwinger aber grad an den Richtigen. Der Richter nimmt die willkommene Gelegenheit wahr, die Parkins nochmals geballt mit ihrer Inkompetenz als Eltern und sträflichen Erziehungsversagen zu konfrontieren (und weil man davon ausgeht, dass wir Zuschauer eher ein Kurzzeitgedächtnis haben und 57 Minuten ja eine monumentale Laufzeit sind, haut man uns zur Rede noch ein worst-of der Schandtaten Paulas um die Ohren). Dass ich vorhin „Sermon“ schrieb, trifft die Sache ziemlich gut – denn als sich der Richter erst mal in Rage geredet hat, predigt er tatsächlich, das das ganze Problem der Jugendkriminalität nicht existieren würde, täten die elenden Elternidioten ihre Kinder IN GOTT und dem Respekt vor christlichen Werten erziehen. Nach diesem Salbader ist das Urteil klar – keine Chance für die Parkins, das Kind aufziehen zu dürfen, vielmehr wird es die Vergünstigungen des Lebens in einem staatlichen Waisenhaus genießen dürfen. Hurra!

Es ist schon eine andere Rechnung, die THE VIOLENT YEARS aufmacht, als die des regelrecht versöhnlichen MARRIED TOO YOUNG. Gut, man muss schon berücksichtigen, dass Tommy Blaine sich dort des Verbrechens, ein geklautes Auto zu Schrott gefahren zu haben, schuldig gemacht hat, wohingegen Paula Parkins mit mindestens 18 Überfällen, zwei Morden und zumindest der moralischen Verantwortung für den Tod ihrer dreI Freundinnen, da schon ein ganz anderes Strafregister angesammelt hat. Dass Paula keine „zweite Chance“ verdient, sondern vielmehr die Konsequenzen ihrer Handlungen mit aller Gesetzeshärte zu spüren bekommen soll, ist ein Standpunkt, dem ich mich selbst als Liberaler nicht verschließen kann. Aber jössas, hätte Knast nicht gereicht? Musste man sie dann noch – wenn schon nicht von staatlich-autorisierter Hand, sondern durch die Strafe Gottes – umbringen? Wobei ich fast nicht umhin kann, dass das Eddie Woods persönlicher Philosophie mehr entspricht als MARRIED TOO YOUNG…

Auch dass die Eltern ihr Fett abkriegen, ist sicher moralisch nicht verkehrt, aber auch hier – sie sind geläutert und haben gelobt, die gleichen Fehler nicht noch mal zu machen. Ist es da wirklich „gerechter“, dass das Kind, das nun am allerwenigsten für den ganzen Kladderadatsch verantwortlich ist, als Waise aufwachsen wird, anstatt in einem soliden Ersatz-Elternhaus, das man ja – ich nehme an, eine Art Äquivalent zu Jugendämtern wird es auch 1956 in den USA gegeben haben – durchaus beaufsichtigen und überwachen könnte? Yeah, yeah… es ist ein amerikanischer Film und wie wir auch anno 2019 mit einem Blick in das beliebige Nachrichtenmedium unserer Wahl nachschlagen können, haben sich bis heute nicht alle zivilisatorischen Mindeststandards über das Große Wasser nach Trumpistan durchgesprochen. Es ist eine evangelikal-protestantische Moral, die hier vertreten wird, und, naja, es macht insoweit auch kommerziell Sinn, als ein Film in den Drive-Ins ja nicht nur in Kalifornien oder den neuenglischen Staaten, den Horten der liberalen Aufklärung in den USA, gut laufen sollte, sondern auch im Bible Belt und im Mittleren Westen, wo die Menschen noch simpel gestrickt waren und sind und von neumodischem Zeuchs wie Menschenrechten, Gleichberechtigung und freier Entfaltung nichts wissen wollten und wollen (ja, ich verallgemeinere grob. Ja, ich halte meine Verallgemeinerung nicht für grob falsch).

Okay, und nicht vergessen wollen wir natürlich einen ganz wesentlichen Faktor – es IST ein Ed-Wood-Script und daher grundsätzlich davon befreit, in einem Universum zu spielen, das zwingend Ähnlichkeit mit dem von uns bewohnten aufweist. Für Eddie ist die Story allerdings einigermaßen stringent, mit einer klaren Abfolge von Ursache und Wirkung und Szenen, die logisch aufeinander aufbauen – wie schon bei JAIL BAIT kann man zu dem Schluss kommen, dass Eddie im Rahmen seiner Möglichkeiten vernünftige Krimi-Dramen schreiben konnte, aber es eigentlich nicht wollte, weil sein Herz eben dem phantastischen Kino der 30er und 40er gehörte, nur fehlte es ihm am Können, SF und/oder Horror schreiben zu können. Wer weiß – hätte Eddie sich auf das nicht-phantastische Fach beschränkt, sondern wäre beim B-Western und B-Crime-Film geblieben (und hätte sich aufs Schreiben beschränkt), vielleicht oder sogar wahrscheinlich wäre sein Name bei Idioten heute keine Punchline.

Während MARRIED TOO YOUNG ja nur an wenigen Stellen typisches Wood-Flair bewies, ist es bei THE VIOLENT YEARS durchgängig spürbar, auch wenn Eddie nicht Regie führte. William Morgan ist nur minimal „besser“ als Regisseur (oder handelte strikt nach Regieanweisungen Woods aus dem Drehbuch), und da Eddies Stamm-Kameramann „Big“ Bill Thompson wieder mal sein altertümliches Equipment auspackte, um das Treiben abzufilmen, SIEHT der Film auch aus wie ein Ed-Wood-Film. Wenn gleich Bela Lugosi oder Lyle Talbot um die Ecke kucken würden, man würde sich nicht wundern.

Dabei ist die Abwesenheit von Woods Stamm-Truppe eigentlich das einzige Merkmal, dass Ed hier nicht Produzent und Regisseur war. Nur Timothy Farrell (der fiese Gangster aus JAIL BAIT und der Arzt, der in GLEN OR GLENDA Lyle Talbot erklärt, was es mit Transvestismus auf sich hat) ist eine bewährte Wood-Größe (Harry Keaton, der eine kleine Rolle als Arzt spielt, war später auch in THE SINISTER URGE zu sehen, hier kommt die Connection aber über Headliner, da Keaton eine Schauspielschule betrieb, aus der die Klitsche gerne ihre Darsteller rekrutierte). Seine, äh, „Star-Power“ ist an die kleine Rolle des Lt. Holmes mit zweieinhalb Szenen glatt verschwendet. Jean Moorhead in der Hauptrolle ist nicht gut – das hätte Dolores Fuller auch hingekriegt (okay, Dolores wäre ein paar Jährchen zu alt gewesen), die restlichen Darsteller sind auch allenfalls auf dem Standard eines Ultra-Low-Budget-Exploitation-Quickies aus den 50ern erträglich.

Stichwort „Exploitation“ – das Wort muss man wirklich in Anführungszeichen setzen, denn aufregend ist aus heutiger Sicht hier natürlich nichts und auch 1956 sollte es niemanden aus den Schuhen gehauen haben, eine Frau im Unterkleid zu sehen oder zu begutachten, wie einem Tankwart auf den Kopf gehauen wird. Es ist einmal mehr eher die Verderbtheit der Hauptfiguren, die eher in einen „pre-code“-Film passt als in einen Mainstreamfilm der 50er, die das exploitative Element ausmacht.

Der Print, den Retromedia als Bonusfeature auf die MARRIED-TOO-YOUNG-DVD gepackt hat, ist durchaus ansehnlich (4:3) und bietet auch brauchbaren Ton. Der Wood-Fan kann bei diesem Doppelfeature getrost zuschlagen.

Denn THE VIOLENT YEARS ist in der Tat essential Wood, auch wenn der Meister nur das Drehbuch schrieb. Seine Trademarks, seine Dialoge und seine eigenwillige Weltsicht schimmern mehr als nur durch – der Streifen macht trotz seines moralisierenden Endes verdammt viel Spaß..

(c) 2019 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 7

BIER-Skala: 7


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