The Tiger Blade

 
  • Deutscher Titel: The Tiger Blade
  • Original-Titel: The Tiger Blade
  •  
  • Regie: Theeratorn Sirphunvaraporn
  • Land: Thailand
  • Jahr: 2005
  • Darsteller:

    Atsadawut Luengsuntorn (Yosthana), Phimonrat Phisarayabud (Deungdao), Pongpat Wachirabunjong (Kaoyot), Srungsuda Lawanprasert (GI Jenjila), Amonrit Sriphung (Mahesak), Chalad Na Songkhla (Five Bullets Bandit)


Vorwort

Aufruhr in Thailand – in Gangsterkreisen ballert man sich die blauen Bohnen um die Ohren und die Polizei schaut mehr oder weniger machtlos zu, weil die Fieslinge sich des unfairen Vorteils von Zauberkräften bedienen. Und wenn mal tatsächlich ein Bösbursche verhaftet wird, wittern die Medien schon, dass damit nur geeignete Komplizen in den Knast geschaffen werden sollen, um dem in Thailand inhaftieren Nachbarland-Revoluzzer Kaoyot zum Ausbruch zu verhelfen. Sicherheitshalber wollen die Autoritäten darum auch den jungen Superbullen Yos ins Gefängnis einschleusen, doch die Aktion kommt leider zu spät. Noch während Yos in den Knast transferiert wird, türmen die Bösewichter ebenda bereits Leichenberge auf und befreien Kaoyot. Zwar weiß niemand, was der Berufsumstürzler plant, aber es wird nichts gutes sein – seine magisch unverwundbaren Schergen jedenfalls machen den Cops das Leben so schwer, dass man auch auf Gesetzeshüterseite auf die Idee verfällt, sich zaubermäßig zu bewaffnen – ein magisches Schwert wäre nicht schlecht. Das wird auch ohne größere Probleme in einem buddhistischen Tempel gefunden und sucht sich Yos als neuen Besitzer auf. Dumm nur, dass man das Blut einer Jungfrau braucht, um den antiken Zahnstocher wieder in Form zu bringen (irgendwas ist halt immer). Kaoyot ist beunruhigt genug, um Yos temporär kidnappen zu lassen und ihm ein Kooperationsangebot zu unterbreiten. Yos lehnt ab und verlässt Kaoyot mit der beunruhigenden Nachricht, dass es in seiner Spezialeinheit einen Spitzel gibt. Die Zeit der gegenseitigen Verdächtigungen beginnt – in der Zwischenzeit planen Kaoyot und seine Vasallen ihren Coup…


Inhalt

Sie, in Asien gibt es ein Gebiet, das besteht aus zwei Teilen Wasser und einem Teil Land. Ich zahle stellvertretend für Willy Astor fünf Euro in die Wortspielkasse. Tut mir auch schon leid, aber den MUSSTE ich anbringen. Egal. Zum Film. Spätestens seit „Ong Bak“ geniesst das thailändische Action-Kino einen guten Ruf – wem die aktuellen Hongkong-Produkte zu überkandidelt sind, freute sich über die bodenständige Reduktion der Martial Arts auf ihre gute alte Knochenbrecher-Tradition. Statt komplexer Heroic-Bloodshed-Dramen oder CGI-verstärkter Wire-Fu-Fuchteleien präsentierten die Thais schlicht gestrickte, aber mitreißende „auf-die-Omme“-Spektakel, die Chefhandkantenschwinger Tony Jaa praktisch aus dem Nichts auf den mehr oder weniger vakanten Thron des amtierenden Kampfsportkönigs beförderten.

Nun, anstelle mit Freuden die lukrative Marktlücke zu besetzen und der nach solcher Ware dürstenden Welt genau dir primitiven Kampfsportkloppe zu beschweren, auf die wir alle warten, scheinen die Thais beweisen zu wollen, die Hongkong-Entwicklung, die sich dort über zwei Jahrzehnte hinweg gezogen hat, in schlappen zwei Jahren nachvollziehen zu können. Mit „The Tiger Blade“ stellt sich genau das vor, was wir aus Thailand eigentlich nicht sehen wollen, weil Hongkong, Korea und Hollywood es alle Nas‘ lang auf uns loslassen – ein überkandideltes, gimmickverliebtes, hochgestyltes Fantasy-Action-Konglomerat, das sich ungeniert aus dem Zitateschatz der Filmgeschichte (inklusive der thailändischen… die Verfolgungsjagd mit Marktkarren intepretiere ich ohne weiteres als „Hommage“ der Fahrradtaxi-Verfolgung aus „Ong Bak“) bedient, bei dieser Gelegenheit aber, wie so viele der gelackten Kommerzprodukte, verabsäumt, auch nur eine einzige originelle Idee einzubauen.
Tigerblade3.jpg
Tigerblade4.jpg

Der Fairness halber muss eins angemerkt werden – man könnte meinen, wie in guten alten schlechten VHS-Zeiten hätte ein wohlmeinender Distributor uns 20 Minuten elementar wichtiger Handlung vorenthalten (die in der IMDB angegebene Laufzeit von 110 Minuten stützt diese These, andererseits wird mir zugetragen, dass die Thai-Scheibe auch nur 90 Minuten läuft). Die Story von „The Tiger Blade“ wirkt völlig undurchschaubar und besteht schlechterdings nur noch aus mehr oder weniger zusammenhanglos aneinandermontierten Action-Sequenzen, zwischen denen rudimentärste Storyentwicklung betrieben wird (wobei „rudimentär“ noch sehr wohlwollend ausgedrückt ist – an einer befriedigenden Handlungszusammenfassung werden größere Geister als meiner scheitern: was der Plan der Bösen ist, verrät man uns sprichwörtlich zehn Minuten vor Schluss, Plotpoints wie die Geschichte um das „Jungfrauenblut“ werden einfach vergesesen, ob Charaktere wichtig für den Plot sind, darf man raten etc.). Die Fantasy-Aspekte der Geschichte werden sträflich vernachlässigt – woher die Bösen ihre magischen Kräfte haben, bleibt völlig ungeklärt (und besonders putzig finde ich, dass jeder Depp WEISS, das z.B. ein Bösmann „den schwarzen Talisman“ trägt und deswegen kugelfest ist), das titelgebende magische Schwert wird für genau ZWEI Aktionen benötigt und da noch nicht mal sonderlich aufregend (wer also auf packende swordsplay-Action hofft, kann genauso gut daheim bleiben) – hauptsächlich wird herkömmlich geballert (was einen exorbitanten bodycount ermöglicht, der irgendwo im dreistelligen Bereich liegen dürfte) und sich kung-fu-technisch bearbeitet. Die Story verfolgen lohnt also nicht – zwischen der Action wird halt notgedrungen gelabert, Sinn ergibt’s in dieser Version keinen, da die Motivationen der Bösen völlig ungelüftet bleiben (andererseits kann Kaoyot so… nein, das wäre ein Spoiler, hihi). Disclaimer: die Laufzeitangabe von 110 Minuten einer ungekürzten Fassung entnehme ich der sicher – vor allem bei Asia-Filmen – nicht immer zuverlässigen IMDB, allerdings war mir beim bloßen Ansehen ohne Kenntnis dieser Zahl schmerzhaft auffällig, dass da EINIGES, was zum Verständnis der eigentlichen Handlung nicht ganz unpraktisch gewesen wäre, irgendwo zwischen Thailand und Deutschland auf der Strecke geblieben sein kann, muss oder soll… (möglicherweise, und dafür sollte man nicht gänzlich undankbar sein, aber auch einiges an asia-typischem Holzhammer-Humor. Einen designierten comic relief-Charakter, der, wie gesetzlich vorgeschrieben, nicht wirklich LUSTIG ist, aber trotzdem allerhand Schabernack treibt, gibt’s nämlich auch).

Okay, vergessen wir also die Story – bei „The Tiger Blade“ haben wir’s nämlich FAST mit einem Film zu tun, der mit dem Prinzip „style over content“ durchkommt. Regisseur Siruphunvaraporn (thailändische Namen muss man einfach lieben, speziell, wenn sie mit der Silbe „porn“ aufhören, höhö) inszeniert, als gäbe es kein Morgen. Alles, aber auch alles, was die Trickkiste des modernen Directors hergibt, wird ungeniert eingebaut, ob’s passt oder nicht – da wird in die stylische Action-Szene schon mal ein paar Sekunden auf schwarz-weiß umgeschaltet, da wird slowmo und Bullet Time eingesetzt, dass Uwe Boll Tränen der Rührung über die Wangen laufen würden, ein Standbild mit einer Text-Information zu einem Charakter eingeblendet, da ist einem Regisseur einfach mal wieder jederzeit ein vermeintlich eindrucksvolles visuelles Gizmo ohne Rücksicht auf dramaturgische Wirkung recht und billig (und natürlich wird jede Action-Szene von einem pulstreibenden Dance-Beat begleitet. Kennt man ja auch mittlerweile, die Masche). Ja, alles ist vielleicht etwas, hm, weniger routiniert als in Hongkong oder Korea (und manchmal fragt man sich wirklich, warum z.B. eine Szene, in der ein von einem Guten getretener Bösewicht ungelogen nur drei Schritte rückwärts stolpert, in superslowmo gezeigt werden muss), aber es hat diesen gewissen unbeholfenen Charme der „kuckt mal, das können wir auch“-Attitüde von Kindern, die ihre neuen Spielzeuge nicht nur ausprobieren, sondern auch jedem Erwachsenen unbedingt zeigen wollen. Und gerade weil diese Tricks und Gimmicks nicht hundertprozentig perfekt gelingen, wirkt das Endresultat nicht so – okay, das klingt jetzt vermutlich doof, aber mir fällt kein besseres Wort ein – „arrogant“ wie z.B. bei einem Ryuhei Kitamura, sondern positiv-verspielt-frohsinnig.
Tigerblade5.jpg
Tigerblade6.jpg

Allerdings darf man eins nicht übersehen – der Film steigt mit seinen mit Abstand besten Action-Szenen ins Prozedere ein: die ersten 20-25 Minuten fesseln den geneigten Zuschauer, trotz komplettem Unverständnis über den inhaltlichen Zusammenhang (da wir in der Phase vom spärlichen Plot nun wirklich kein Sterbenswörtchen erfahren) einfach aufgrund ihres unheimlichen Tempos, der ansteckenden kick-ass-Mentalität, der ungeheuren Energie, in den Sitz. Leider kann der Streifen bei allem Bemühen dann keinen mehr draufsetzen, sowohl aufgrund technischer Schwächen (wenn in Verfolgungsjagden schon mal kräftig am Speed-Regler geschraubt wird und wir alle hier wissen, wie sehr ich hochgespeedete Action liebe…) als auch weniger spektakulärer Action; „The Tiger Blade“ ist quasi der „Irreversiblé“ des Action-Films, zwar nicht rückwärts erzählt, aber in konsequenter Umkehrung des Prinzips, dass man, wenn man einen Actionfilm dreht, die Action im Verlauf des Films eigentlich steigern sollte; die Krawall-Szenen in „The Tiger Blade“ werden aber leider immer „kleiner“ und unspektakulärer, bis hin zur schon richtiggehend enttäuschenden Klimax (und über die CGI-„Flammen“-Arbeit, die auf dem Niveau deutscher Hobbyamateurfilme liegt, reden wir an dieser Stelle nicht).

Das gezeigte Martial-Arts-Können liegt natürlich nicht auf dem Niveau eines Tony Jaa, zumal der Ansatz ja auch ein völlig anderer ist. Hier haben wir’s nicht mit dreckigem, knochenknackendem old-school-style zu tun, sondern eben „Matrix“-/“Versus“-inspirierter hochstilisierter Kampfkunst, choreographisch nicht immer ganz auf der Höhe und nicht so verblüffend, wie sich die Macher das vielleicht vorgestellt haben, aber es ist, so man auf diese Art steht, nett anzusehen.

Nett anzusehen sind übrigens auch die ein oder anderen Thai-Babes (aufgrund der eher für Angehörige westlicher Kulturkreise wieder schwierig zu durchschauenden Credit-Situation konnte ich mein Lieblingsmädel leider nicht identifizieren… wer mir weiterhelfen will – es ist nicht Deungdao und auch nicht das Brillengirl aus der Cop-Zentrale, sondern das Schnucki, das Yos gleich zu Beginn ans Leben will und im Showdown Infiltrationsdienste leistet; die Killermaid der Bösen ist aber auch ein steiles Geschoss)… Hauptdarsteller Luengsuntorn müht sich redlich, allerdings geht ihm das Charisma eines Tony Jaa schon (noch?) ab. Als zentraler Schurke macht Pongpat Wacharibunjong (den Seagal-Freunde aus einer Nebenrolle in „Belly of the Beast“ kennen könnten) eine akzeptable Figur (er bringt die vom Script angedeutete, aber nie richtig ausgearbeitete Zwiespältigkeit des Charkaters ansatzweise rüber und bleibt kein eindimensionaler Klischeeschurke) und wirkt auf mich optisch wie eine asiatische Ausgabe von Mathias Hues. Chalad Na Songkhla (der „Fünf-Kugeln-Bandit“, benannt nach seiner liebsten Killmethode) agierte im Thai-Monsterhobel „Garuda“. Der Rest des Casts agiert schauspielerisch auf dem Niveau eines Hongkong-B-Serienreißers.
Tigerblade7.jpg
Tigerblade8.jpg

Bildqualität: Ob Sunfilm nun aus eigenen bzw. FSK-Stücken gekürzt hat, was auch gut möglich ist, ein schon von Haus aus gekürztes Export-Master zur Verfügung hatte, oder der ganze Schmu auch uncut nicht länger läuft, ist mir freilich letztlich unbekannt – froh sein darf man immerhin, dass es optisch unzensiert ist (bekanntlich sieht sich die thailändische Filmindustrie einer der agressivsten Zensurpolitiken der Welt ausgesetzt… da werden nicht nur auf Menschen gerichtete Knarren, sondern auch simple gerauchte Zigaretten weggeblurrt). Auch sonst bietet der anamorphe 1.85:1-Widescreen-Print keinen Grund zur Klage. Detail- und Kantenschärfe sind gut, die Farben kräftig, der Kontrast, wenn gefordert, ausgezeichnet. Die Kompression verrichtet ihren Dienst recht unauffällig.

Tonqualität: Sunfilm liefert die üblichen drei Tonspuren – deutsch in sattem Dolby Digital 5.1 und dts, den thailändischen O-Ton (nebst optionalen Untertiteln, natürlich) in ebenso kräftigem Dolby Digital 5.1, völlig rauschfrei, sehr klar und differenziert und in beiden Sprachfassungen mit perfekter Sprachqualität.

Extras: Als Bonusmaterial gibt’s ungefähr 15 Minuten an diversen (untertitelten) Interviews mit Stars und Machern sowie weitere 18 Minuten an unkommentiertem behind the scenes-Material, dito den Trailer und die obligatorische Trailershow. Verpackungsfetischisten freuen sich über den schicken Stahlschuber, in dem sich das Amaray versteckt.

Fazit: „The Tiger Blade“ ist so ein Fall von insgesamt zwar verunglücktem, aber dennoch in richtiger Stimmung phasenweise extrem unterhaltsamen Enthusiasmus. Schaltet man das Hirn völlig aus (weil: eine Handlung, über die man nachdenken könnte oder sollte, findet nicht [mehr?] statt), kann man sich an stylischer Action aller coloeur, vom Shoot-out über Martial Arts bis hin zur Autoverfolgung ergötzen und wird, speziell in der Auftaktphase des Streifens, sicherlich das ein oder andere Mal, auch als Genrevielseher, anerkennend mit der Zunge schnalzen. Dass der Film sein Tempo und seinen over-the-top-Action-Approach nicht durchhält, ist freilich schade. Mit ein wenig mehr Verve in der zweiten Filmhälfte könnte „The Tiger Blade“ für’s Thai-Actiongenre das sein, was „House of the Dead“ für den neumodischen Zombie-Horror ist: ein in keiner Sekunde ernstzunehmender, aber optisch beeindruckender Mörderspaß…

3/5
(c) 2006 Dr. Acula


mm
Subscribe
Benachrichtige mich zu:
guest
0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments