The Terror

 
  • Deutscher Titel: The Terror
  • Original-Titel: The Terror
  • Alternative Titel: Terror House - Das Haus des Todes | Roger Corman's The Terror |
  • Regie: Roger Corman, Francis Ford Coppola, Jack Nicholson, Jack Hill, Monte Hellman
  • Land: USA
  • Jahr: 1963
  • Darsteller:

    Boris Karloff (Baron Victor Frederick von Leppe), Jack Nicholson (Lt. André Duvalier), Sandra Knight (Helene/Ilsa), Dick Miller (Stefan), Dorothy Neumann (Katrina), Jonathan Haze (Gustaf)


Vorwort

Anfang des 19. Jahrhunderts, vermutlich im Baltikum – der französische Leutnant André Duvalier irrt hoch zu Ross, aber getrennt von seiner Kompanie, durch die Gegend, bis sein entzündetes Auge ein attraktives Frauenzimmer erblickt. Helen stürzt sich aber nach kurzem Gespräch direktemang in die Ostseefluten (was dem Franzmann zu denken geben sollte). André mag zur Rettung schreiten, wird aber von den Wellen überwältigt und kommt in einer schäbigen Hütte wieder zu sich, wo ihm Katrina, die alte Dame, die dort lebt, glaubhaft versichert, dass es in der Gegend bestimmt kein einziges attraktives Mädel gibt und der Soldat also unter mittelschweren Halluzinationen leiden dürfte. André glaubt das natürlich keinen Meter Feldweg weit und Katrinas Faktotum/Gehilfe/Knecht/whatever Gustaf, der André nach einer weiteren Begegnung mit Helen vor einer Treibsandfalle rettet, schubst den Soldaten in Richtung des Schlosses des Barons von Leppe, verbunden mit dem Hinweis, dort Erkundigungen nach einem gewissen Eric einzuziehen.

André tut, wie ihm empfohlen. Der alte Baron, der nach eigenen Angaben nur mit seinem Diener Stefan im Schloss lebt, ist zwar von Andrés Anwesenheit nicht übermäßig begeistert, spielt aber zumindest den höflichen Gastgeber – nur von der jungen Frau, die André am Fenster gesehen haben soll, will er nichts wissen. Die letzte junge Frau, die hier lebte, war Baronin Ilsa, und die sprang vor 20 Jahre in die Kiste – sah aber Andrés geheimnisvoller Unbekannter verdächtig ähnlich. André schnüffelt herum und kommt zu dem Ergebnis, dass der Schlüssel zum Geheimnis in der versiegelten Familiengruft liegen muss – dorthin wandelt nämlich auch des Nächtens seine Helen. Schließlich stellt André den Baron offen zur Rede und der gibt daraufhin zu, dass tatsächlich der Geist seiner toten Frau herumspuke – die er, als er sie nach längerem Militärdienst nach Hause kommend im Bett mit einem anderen Mann erwischte, eigenhändig umgebracht hat. Der Baron hat sich mit dem Spuk arrangiert – für ihn, der seine Tat längst bitter bereut, ist es immerhin ein Weg, mit der geliebten Frau zusammen zu sein. Damit könnte sich André beinahe zufrieden geben, erst recht, als er peinlicherweise ein romantisches téte-á-téte des Barons mit dem Geist stört und sehr bestimt mit vorgehaltener Flinte des Hauses verwiesen wird. Doch als Gustaf, der ihn aufhalten will, um etwas vermutlich Wichtiges zu berichten, an den Klippen von Katrinas Kuschel-Greifvogel attackiert wird und zu Tode stürzt, schwant dem Franzosen, dass er das eigentliche Mysterium noch gar nicht angekratzt hat…
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Inhalt

Und mal wieder ein Corman-Klassiker – diesen Status besitzt „The Terror“ weniger ob seiner filmischen Qualitäten als zwei Umständen, die natürlich durch Cormans Ruf als Sparfuchs vor dem Herrn begründet liegen. Zum einen tauchte einiges Material aus „The Terror“ einige Jahre später in Peter Bogdanovichs famosem Bewegliche Ziele wieder auf, zum anderen zog Corman schon bei der Herstellung wieder alle Register seines Improvisationskönnens.

Corman hatte mal wieder zwei Tage Drehzeit mit Karloff und ein paar Kulissen von „Der Rabe – Duell der Zauberer“ und „Die Folterkammer des Hexenjägers“ übrig. Also drehte er aufs Geratewohl ein paar Interiors mit Karloff und Darstellern, die sowieso gerade am Set herumlungerten. Nach den zwei Karloff-Tagen sah Corman seine Schuldigkeit erst mal als getan an und überließ die wenig beneidenswerte Aufgabe, aus dem Kram a) einen abendfüllenden Film und mit b) einer halbwegs nachvollziehbaren Story zu machen, seinen diversen Lehrlingen. Leo Gordon, eigentlich ein Western-Darsteller, und Jack Hill übernahmen die Schreibarbeit, Hill, die spätere Regie-Legende Francis Ford Coppola, Monte Hellman („Two-Lane Blacktop“) und Co-Star Jack Nicholson überwachten in unkreditierter Regisseursfunktion die sich über neun Monate hinziehenden restlichen Aufnahmen. Nicholson meinte später, dass „The Terror“ der einzige Film seiner Karriere gewesen wäre, der kein Drehbuch hatte, und Co-Autor Gordon wusste lustige Anekdoten darüber zu berichten, welche Klimmzüge er bei der Erstellung des Scripts machen musste (frei zitiert nach Hahn/Jensens „Lexikon des Horrorfilms“: „Karloff will sich nicht in die Karten schauen lassen, also bringt er den Gaul des Soldaten um [was eigentlich nicht stimmt, er sorgt nur dafür, dass das Pferd aus dem Stall abhauen kann]. Ich überlege, warum er das tut, wo er doch eigentlich will, dass der Soldat verschwindet.“).

Es ist also ziemlich klar, dass die Geschichte von „The Terror“ alles andere als kohärent ist und nicht wirklich Sinn ergibt – ähnlich wie bei Cormans Poe-Zyklus lebt der Streifen weniger von Dialogen, Charakteren und verständlichem Spannungsbogen als von Stimmungen und Atmosphäre, es ist weniger ein richtiger „Film“ als eine Art Grusel-Collage (wobei freilich aus heutiger Sicht nicht viel „Grusliges“ zu bewundern ist). Die rudimentären Story-Anteile käuen bei Licht betrachtet nur Poe-Motive wieder (schwerpunktmäßig die Liebe über den Tod hinaus), selbstverständlich mit einem gerüttelt Maß an Melodrama, verbinden sie mit ein wenig Hexerei und einem (völlig unglaubwürdigen, selbst für B-Horror-Verhältnisse) Twist (hint: es handelt sich um die Identität des ominösen Eric, die wir – und seine Verbindung zu Katrina – als aufmerksame Zuschauer längst durchschaut geglaubt zu haben schienen [öh, ist das jetzt ansatzweise ein korrekter deutscher Satz?]. Nach Sinn zu fragen, schickt sich nicht – weder Andrés Entflammen in Liebe auf den ersten Blick, noch Helen/Ilsas Dämmerzustand zwischen zwei distinkt unterschiedlichen Persönlichkeiten (wobei auch nie deutlich wird, wer oder was Helen eigentlich ist. Eine kurze Andeutung scheint zu implizieren, Helen wäre Ilsas Tochter, aber unterfüttert wird das nie) oder die ständigen Charakterwechsel Stefans (der in einer Szene André am liebsten umbringen würde, ihm zwei Szenen weiter aber willfährig zur Hand geht). Es ist deutlich spürbar, dass weder Darsteller, Regisseur(e) und Autoren wissen, was sie eigentlich warum tun, sondern sich mehr oder minder durchwursteln (Cormans Wille zu Sparsamkeit und Improvisation ging z.B. soweit, dass er eine Szene aufnehmen ließ, in der die Hauptdarsteller nur nacheinander eine Treppe hinuntergehen. Er hatte dafür keine akute Verwendung, ging aber davon aus, dass man schon später eine Stelle finden würde, in der man den Shot einbauen könnte). Nur die quasi direkt Poe entlehnten Passagen mit Karloff, in denen dieser seiner Trauer über seine zwanzig Jahre zurückliegende Schuld und der Hoffnung auf eine „Wiedervereinigung“ mit Ilsa Ausdruck verleiht, wirken „echt“ (kein Wunder, es sind ja die, mit denen Corman anfing – der ganze Karloff-freie Rest war ja mehr oder weniger reines Füllermaterial), doch werden sie durch den Schlusstwist wieder negiert (EXTREMSPOILER: Wie sich herausstellt, ist der Baron nicht der Baron, sondern Eric, der einstige Liebhaber, der den echten Baron nach dessen Mord an Ilsa tötete und dann seine Identität UND Persönlichkeit annahm. SPOILERENDE). Und selbst in diesen Szenen ist erkennbar, dass die nachträglich aufoktroyierte Dramaturgie mit dem, was man uns zeigt, eigentlich nicht zusammenpasst (die Ilsa, die dem Baron erscheint, ist ziemlich eindeutig wirklich ein * Geist * und nicht, wie es die Story gebietet, lediglich ein manipulierter Mensch).

Recht interessant, fraglos aber unbeabsichtigt, ist „The Terror“ dahingehend, dass er auf eine klar schwarz-weiß-zeichnende Gut-und-Böse-/Helden-und-Schurken-Einteilung verzichtet. Karloff ist weniger ein „Schurke“ denn vielmehr ein tragisches Opfer, Stefan hauptsächlich loyaler Diener seines Herren, Helen manipuliertes Opfer, Katrina hat für das, was sie tut, auch zumindest nachvollziehbare Gründe, und André ist kein klassischer Held, sondern speziell in der ersten Hälfte ein ziemlich arrogantes Arschloch, der sich primär über die vermeintliche Autorität seiner Uniform definiert. Ungewöhnlich für einen Streifen, den ich im weitesten Sinne den Randausläufern des Cormanschen Poe-Zyklus zuordnen möchte, ist, dass er sich, was die „echten“ Poe-Adaptionen, wie schon die klassischen Universal-Filme, tunlichst vermieden, zeitlich und räumlich relativ klar einordnet – die zeitliche Einordnung ist aufgrund der erwähnten Jahreszahlen eindeutig, die örtliche zumindest durch beherztes Schlussfolgern möglich; ein Soldat der napoleonischen Armee auf Feldzug konnte kurz nach 1800 eigentlich nur in Nordosteuropa rumhängen und passende Küsten bietet dann eben nur das Baltikum (das freilich den kalifornischen Klippen und Stränden um Big Sur verdächtig ähnlich sieht…).

Spannend ist das Treiben natürlich nicht wirklich, abgesehen von der „Spannung“, ob und wie die Autoren es überhaupt schaffen, die Plotte zu einem befriedigenden Abschluss zu bringen (was sie eigentlich nicht tun, da das Schlussbild sehr rätselhaft bleibt). Im günstigsten Fall kann diese Herangehensweise zu einer „traumwandlerischen“ Stimmung führen, bei „The Terror“ zieht das allerdings schon aufgrund der handwerklichen Zerrissenheit des Streifens nicht.

Wenn der Film nämlich eines nicht hat, ist es ein einheitlicher „look’n’feel“. Während die Corman gestalteten Interiors in den Sets von „Der Rabe – Duell der Zauberer“ durchaus gut aussehen, sind die von den diversen anderen Schergen ausgeführten restlichen Szenen technisch eher bedenklich – die Kameraführung ist oft zweifelhaft, der Schnitt abenteuerlich, und die schiere Tatsache, dass praktisch keine der Nicht-Karloff-Szenen für die „Story“ zwingend notwendig ist, tut viel dafür, dass sich „The Terror“ trotz der nur knapp 80 Minuten Laufzeit schon reichlich zieht. Der Stoff (würde man davon ausgehen, Corman und seine Leute hätten vor Drehstart gewusst, was sie eigentlich tun) hätte sich deutlich besser für einen Anthologiefilm a la Schwarze Geschichten angeboten – die zwanzig Karloff-Minuten plus ein paar Minuten Exposition, und man hätte einen vergnüglich-kurzweiligen Gruselstoff Poe’scher Prägung draus machen können.
Bemerkenswert: Francis Ford Coppola versucht sich in zwei Szenen an Vogel-Attacken und das in etwa zeitgleich zu Großmeister Hitchens „Die Vögel“ – allerdings agiert Coppola, zweifellos aufgrund der widrigen Umstände, eher unbeholfen denn intensiv-terrifizierend; dafür allerdings erfreut uns dieser Ausflug in den Tierhorror mit einer der zwei „Splatterszenen“ des Films (indem der Greifvogel Gustaf die Augen auskratzt, was im Klartext bedeutet, dass Jonathan Haze etwas Kunstblut spazierenträgt); die zweite ist ein früher foray in die Gefilde des „Körperschmelzfilms“ als Kicker (hübsch eklig, und technisch simpel durch einige Überblendungen gelöst).

Den Score möchte ich nicht bewerten, da man (wer auch immer „man“ in diesem Falle war) sicherheitshalber durch einen neuen und eklig modernisierten Soundtrack ersetzt hat. Dieser neue Score dudelt nicht nur nervtötend über die beinahe komplette Laufzeit (und spart nur einige Sequenzen aus, die ironischerweise für ein wenig „spannende Musik“ prädestiniert wären), sondern ist dann auch noch Synthesizer-lastig; und in einem 60er-Jahre-Plüschgrusler mit Synthi-Soundeffekten behelligt zu werden, dass selbst Goblin verzweifelt die Köpfe schütteln würden, ist halt dann doch kontraproduktiv.

Das Ensemble müht sich redlich, aber wie will man vernünftig spielen, wenn man keine Ahnung hat, warum man gerade die Lines murmelt, die einem gerade zugesteckt wurden? Karloff versucht’s mit schierer Präsenz, und die hatte der gute Boris, auch wenn er hier gesundheitlich schwer angeschlagen wirkt (was aber zur Rolle passt), bekanntlich in Tüten. Seine Dialogszenen mit dem jungen Jack Nicholson (dem man aber mit „hindsight 20/20“ den romantic lead einfach nicht abkaufen kann; besser liegt ihm der arrogante Wichtigtuer der ersten zwanzig-dreißig Minuten) sind aus rein cineastischer (und filmhistorischer) Sicht sicher die Höhepunkte, der badmovie-Freak erfreut sich hingegen an der wahren tour-de-force, die Corman-Spezi Dick Miller, der wohl als einziger richtig erkannte, dass „The Terror“ reines Chaos ergeben würde und man dann als Schauspieler wenigstens selbst Spaß haben sollte, vorlegt – overacting, bis die Schwarte kracht.
Nicholsons damaliges Eheweib Sandra Knight („Frankensteins Daughter“, Tower of London“) könnte für meine Begriffe etwas „ätherischer“, entrückter spielen, um der Rolle besser zu entsprechen. Mit Nicholson entwickelt sie keine rechte on-screen-chemistry, wollen wir für beider Eheleben (das von 1962 bis 1968 dauerte) hoffen, dass es im wahren Leben anders aussah.
Jonathan Haze (Seymour Krelboin in „Kleiner Laden voller Schrecken“) kann als Gustaf nicht viel tun, um bleibenden Eindruck zu hinterlassen, Dorothy Neumann („Hot Rod Gang“ und zuverlässige Bit-Part-Akteurin in Film und Fernsehen) als undurchsichtige Katrina macht sich ganz passabel.

Bildqualität: Das mir bislang völlig unbekannte Grabbeltischlabel Elfra erfreut uns mit einem erlesenen Schotterprint. Die „The Terror“-Stock-Footage in „Bewegliche Ziele“ sah (selbst dort auf die Drive-in-Leinwand projiziert) wesentlich besser aus als dieser grausamst abgenudelte Vollbildtransfer voller Defekte, Verschmutzungen, jump-cuts und Kompressionsengpässe (versucht mal, in der Falkenattacke Details auszumachen…). Schön scheußlich, unscharf und kontrastarm, mangelhaft in schlichtweg jeder technischen Disziplin. Würde ich als Gratisdownload bei archive.org durchgehen lassen, aber bei einer kommerziell vertriebenen DVD nicht mal in der 2-Euro-Schiene.

Tonqualität: Hier werden wir mit einer Neusychro behelligt (Dolby 2.0, kein O-Ton), die schlimmer hätte ausfallen können. Die Sprecher sind zumeist eher unpassend und neigen dazu, jegliche Emotionalität in den Dialogen entweder zu ignorieren oder zu übertreiben, aber es ist wenigstens einigermaßen lippensynchron und von den Texten her nah genug am englischen Original. Dafür jedoch klingt’s sehr steril und dazu nervt noch der erwähnte neue Score.

Extras: Eine Bildergalerie und Filmographien.

Fazit: Auch wenn „The Terror“ aufgrund der Mitwirkung von Karloff und Nicholson und der kuriosen Entstehungsgeschichte einen verhältnismäßig guten Ruf genießt (solange man den Film nicht gesehen hat), entpuppt sich der Streifen als fader Aufguss von durch Corman bereits hinlänglich abgegraster Genre-Motive, die hier – angesichts der zitierten Umstände im Produktionsprozess zwangsläufig – mehr oder weniger wahllos zusammengerührt wurden, um aus dem Material so etwas ähnliches wie einen Film zu machen. Handwerklich bis auf die von Corman selbst inszenierten Parts auf der ausgesprochen schwachbrüstigen Seite und mit nur sehr wenigen memorablen Momenten gesegnet, ist „The Terror“ weniger Klassiker im Sinne der Poe-Adaptionen denn Vorgeschmack auf Cormans spätere „don’t give a fuck“-Attitüde als Produzent, Hauptsache, so’n Film lässt sich in ein paar Tagen billig runterreißen und an die Videobranche (damals halt noch Autokinos) verhökern. Da die Stars Karloff und Nicholson sich anderweitig deutlich bessere Leistungen aus dem Kreuz geleiert haben, erweist sich „The Terror“ schlussendlich leider als verzichtbar (und ganz besonders in Form der unter „Terror House – Das Haus des Todes“ firmierenden Ultra-Billig-DVD). Etwas für die-hard-Komplettisten.

2/5
(c) 2010 Dr. Acula


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