The Sick House

 
  • Deutscher Titel: The Sick House
  • Original-Titel: The Sick House
  •  
  • Regie: Curtis Radclyffe
  • Land: Großbritannien
  • Jahr: 2007
  • Darsteller:

    Gina Philips (Anna), Alex Hassell (Nick), Kellie Shirley (Joolz), Andrew Knott (Steve), Jack Bailey (Clive), John Lebar (Pestheiler), Romia Walker (Prof. Joan Holland), Tom Wontner (Frank), Gregg Harris (Dave)


Vorwort

Die junge Archäologin Anna forscht tief in den Eingeweiden eines stillgelegten Krankenhauses, das im 17. Jahrhundert als Waisenhaus fungierte, vor sich hin, in der Hoffnung, Indizien für ihre Theorie zu finden, dass der dortige Pestheiler Angehöriger eines geheimnisumwitterten „Ordens der schwarzen Priester“ war. Ihren Bemühungen wird ein behördlicher Riegel vorgeschoben, als sich herausstellt, dass einige Artefakte, die sie aus den Kellergewölben birgt, mit Pestbakterien verseucht sind. Das Gebäude wird abgeriegelt und soll umgehend abgerissen werden. Das kann freilich eine aufstrebende Jungwissenschaftlerin nicht aufhalten – ohne jegliche Schutzvorkehrungen dringt sie des Nächtens ins Hospital ein, öffnet eine „Geheimkammer“ und findet dort eine hunderte Jahre alte Puppe, ehe sie plötzlich und unerwartet durch eine Art Erdstoß in noch tiefere Räumlichkeiten geschleudert wird.
Gleichzeitig ist eine hochgradig sympathische Viererbande englischer Jungarschlöcher, eh, lebensnah gezeichneter Teenager, in einem geklauten Auto auf Drogen unterwegs durch die nächtliche City: Nick, seine hochschwangere Freundin Joolz, sein Kumpel Steve und dessen tauber Bruder Clive. Das lebenslustige Quartett baut einen Unfall – Joolz behauptet, sie hätten ein Kind überfahren, aber außer ihr hat’s niemand gesehen. Immerhin findet sie eine seltsame, alt aussehende Puppe. Mit dem verletzten Clive flüchtet sich die Baggage aus Angst vor strafrechtlicher Verfolgung ins nächstbeste leerstehende Gebäude – das Hospital, wo sie bald auf Anna treffen. Clive zeigt plötzlich Anzeichen einer Pestinfektion – das Haus verlassen wäre schick, aber bevor er sich mit dem schwarzen Tod angesteckt hat, hat Clive, als Bullenvermeidungsmaßnahme, den Ausgang verschlossen (womit? Und warum sperrt er ihn nicht wieder auf?). Guter Rat bzw. ein Hinterausgang ist teuer, zumal sich der Verdacht aufdräng, als wären unsere fünf Helden nicht allein im Gemäuer – und Clive im besonderen macht nicht den Eindruck, als wäre er noch er selbst. Wiederholt sich vierhundertfünfzig Jahre alte Geschichte?


Inhalt

eBay ist ’ne feine Sache – allen Unkenrufen zum Trotz kann man dort immer noch das ein oder andere Schnäppchen machen, und wenn man wie ich der Policy anhängt, nie mehr Geld einzusetzen als ich im Zweifelsfalle bereit bin als Totalverlust abzuschreiben, kann eigentlich nicht viel schiefgehen. Außer natürlich, man ist der Doc und stöbert, nachdem er gefunden hat, was er eigentlich haben will, im Angebot des Verkäufers nach weiterem günstigen Kram, weil – man will ja Versandkosten sparen (ja, natürlich ist mir auch selbst der grundsätzliche Denkfehler klar – durch „mehr kaufen“ sparen wollen… pffrz). So jedenfalls fand dann auch „The Sick House“ den Weg ins badmovies.de-HQ, als nicht mal zwei Euro teure Zugabe zu „Puppet Master vs. Demonic Toys“ (einem sicherlich großartigen Lichtspielwerk, das jeder vernünftige Mensch in seinem Haushalt haben sollte. Vielleicht seh ich mir das Ding sogar mal an).

Ich wusste über den Film außer der eher generischen Beschreibung auf der eBay-Seite nichts weiter, bekam aber beim Auspacken schon das ominöse Kribbeln im Bauch – veröffentlicht wird das Teil nämlich von „Boll AG“. Ein Streifen im Vertrieb von „Deutschlands, erfolgreichstem internationalen Filmemacher, Dr. Uwe Boll“ (Aussage der Boll-AG-Website, Kommasetzung authentisch) – hmm… wenn der Mann einen ähnlichen Stil bei der Auswahl fremder, von ihm zu vertreibender Stoffe pflegt wie bei seinen eigenen Werken, könnte das ja lustig werden. Oder furchtbar. Oder beides.

Filmkuck. Fertig.

Okay, es war dann doch eher furchtbar. Und auch, wenn man skeptisch sein muss, wenn ein Regisseur wie hier Curtis Radclyffe zwischen seinem ersten und seinem zweiten abendfüllenden Spielfilm eine satte zehnjährige Pause einlegen muss, liegt der Grund für das totale Scheitern des Films weniger im nicht vorhandenen visuellen, inszenatorischen Talent Radcylffes, sondern an einem nach allen Regeln der Kunst verhunzten Script – aber da kann sich Radclyffe dann auch nicht ganz exkulpieren, hat er die Storyidee doch mit zu verantworten (die Ausformulierung überließ er Romla Walker, die im echten Leben Schauspielerin ist und auch einen kleinen Cameo-Auftritt als Annas vorgesetzte Professöse absolviert). Wieder einmal hakt es nämlich, drehbuchtechnisch, an einer ganz simplen Überlegung – warum, zur Hölle, sollte ich mich für das Schicksal der Protagonisten interessieren? Ich brauche keine cookie-cutter-Helden, denen das Gutmenschentum aus der Nase trieft, aber wäre es zu viel verlangt, von den fünf Hauptfiguren wenigstens EINER auch nur ansatzweise sympathische Eigenschaften anzudichten? Wir haben hier die Auswahl zwischen einer selbstsüchtigen doofen Akademiker-Zicke, für die die Gefahr einer Pest-Epidemie in der Prioritätenliste erheblich unter persönlichem Ruhm angesiedelt ist (welchen Ruhm man auch immer mit Ausgrabungen in mittelalterlichen Pesthospitälern gewinnen können sollte… ist jetzt nicht gerade ein unversehrtes Pharaonen-Grab), und sich DANN noch dussliger anstellt als ein Pfadfinder, der noch nicht mal sein erstes Survival-Abzeichen gewonnen hat? Hallo? Die Tucke fummelt in einem IHR BEKANNT PEST-VERSEUCHTEN Gemäuer rum, hat keine Handschuhe, keinen Mundschutz, macht munter alte Kisten auf und steckt den Kram, der drinsteckt, ein, anstatt, wenn man denn schon unbedingt verbotenerweise in (aus gutem Grund) abgeriegeltem Seuchengebiet vor sich hin forscht, den Klumpatsch wenigstens einigermaßen sicher verpackt und später dann unter Laborbedingungen auswertet… da bin ich nachträglich wieder froh, nie studiert zu haben. Blöderweise ist Anna tatsächlich noch das, was einer positiv besetzten Protagonistin am nächsten kommt, denn die vier Hohlbratzen Nick, Steve, Clive und Joolz fallen ja schon per Definition raus – verblödete Drogenfreaks auf Autodiebestour, zusammengerechnet mit dem IQ einer geistig behinderten Stubenfliege, meistens damit beschäftigt, sich gegenseitig an die Gurgel zu gehen (nicht mal der wohl als sowas ähnliches wie eine tragische Figur gedacht taube Clive fällt da aus dem Rahmen, der ist genauso ein Hirni wie seine Freunde). Faktum: nach 20 Minuten ungefähr haben wir unsere fünf Hauptfiguren zusammengebracht, nach 20 Minuten und 15 Sekunden sind wir uns sicher, dass die Pest am Arsch noch wesentlich zu geringe Strafe für generelle Blödheit und Widerlichkeit dieser Pansenvereinigung ist.

Das könnte man natürlich, in treuer Slasher-Tradition, durch einen charismatischen oder wenigstens unterhaltsamen Gegenspieler, der den cast-of-morons in dem Zuschauer wohlgefälliger Weise filettiert, oder wenigstens durch eine interessante Backstory und/oder Mythologie ausgleiche, aber auf dem Gebiet versagt der Streifen ebenso total. Die Hintergrundgeschichte um den Pestheiler, der anno 1665 gar grauslige Dinge mit einigen armen Waisenkindern anstellte und sich offensichtlich nun in reinkarnierter Form (oder auch nicht) anschickt, die damaligen Missetaten zu wiederholen, bleibt vage, in sich widersprüchlich, kommt mit wesentlichen Informationen erst kurz vor Toresschluss rüber (nämlich, dass der mysteriöse Heiler seine neuen Opfer auf die gleiche Art und Weise tötet wie vor vierhundertfuffzich Jahren), erklärt weder die Motivation des Bösewichts (er scheint in Joolz‘ Baby körperlich reinkarnieren zu wollen, aber das muss man raten) noch warum er einerseits als geisterhaftes Phantom auftritt, andererseits wie auch seine früheren Opfer physisch präsent zu sein scheint (und schon gar nicht erklärt wird, warum er und die Pestkinder aussehen wie Down-Syndrom-Geschädigte) – kein Wunder, dass der Heuler dann auch noch den jämmerlichsten „surprise-you’re-dead“-„Twist“ der jüngeren Filmgeschichte auspacken muss (nach Filmlogik spielt sich die wesentliche Filmhandlung innerhalb quasi „eingefrorener“ Zeit ab, wurschtelt daraus dann wieder eine Zeitschleife und endet damit, dass Anna das „Mädchen“ ist, das Nick und die Seinen überfahren, woraufhin deren Auto explodiert. Ja, ich habe keine Hemmungen, hier alles auszuplaudern).

Der einzige Versuch, einen Wortwitz zu reißen (Steve verarscht Clive mit einem launigen „I see deaf people“) steht einsam und verlassen in der Landschaft, hauptsächlich sind unsere Charaktere damit beschäftigt, sich irgendwo zu verstecken, panisch rumzulaufen oder sich hysterisch anzuzicken. Eigentlich schade, denn Radclyffe hat ein gewisses visuelles Gespür. Das heruntergekommene Hospital mit seinen unheimlichen Räumen und Korridoren sorgt ebenso für gewisse Grundatmosphäre wie die darunterliegenden Katakomben, Radclyffe müht sich redlich, die Düsternis auszunutzen und die Auftritte des Pestheilers in seinem durchaus memorablen (und recht authentischen) Vogelschnabel-Kostüm effektiv zu gestalten, aber dem Film fehlt jeder Inhalt, jeder Kontext für seine atmosphärischen Sequenzen – er steht irgendwie in der Tradition der italienischen Gore-Klopper der frühen 80er, in dem eine sinnvolle, nachvollziehbare Geschichte und plausible Charaktere stets die bestenfalls zweite Reihe nach düsterer, hintergrundbeleuchteter „Atmo“ und selbstzweckhaften Splattersudeleien einnehmen durften. Das ist alles ganz schick fotografiert, auch unter Berücksichitgung des vermutlich nicht üppigen Budgets, aber auf die Dauer auch nicht sonderlich abwechslungsreich – „The Sick House“ wirkt wie eine auf 70 Minuten ausgewalzte Showdown-Sequenz (mit ’ner Viertelstunde vorgeschaltetem Set-up), ohne jegliche inhaltliche Unterfütterung. Dass Radcylffe dann auch noch ausgesprochen unsinnigerweise „Blair Witch Project“-Optik zitiert (weil Steve einige seiner „Erlebnisse“ mit seinem Camcorder filmt), macht den ganzen Schmu auch nicht erträglicher (zumal es dafür eben keine dramaturgische Berechtigung gibt. Wenn ich einen mir unbekannten Raum „erforsche“, kucke ich da mit eigenen Augen oder lieber auf den Bildschirm meines Camcorders?). „The Sick House“ zieht sich elendiglich, weil die Plotte nichts her gibt. Völlig anders strukturiert und mit ein paar etwas liebenswerteren Figuren könnte man aus der Grundidee vielleicht noch was retten, aber in der Form… naaa.

Zumal der Streifen dann noch nicht mal mit den Gore-Eskapaden aufwarten kann, mit denen er bei den FX-Fans punkten könnte. Schockierend ist da wenig, eklig immerhin zwei Szenen (wir haben ’ne „Schwangere“ im Ensemble. Ist doch klar, das wir darauf rumreiten werden… zum einen darf Joolz eine ganze Legion von Maden und Käfern „ausscheiden“ und später sich selbst den Ranzen aufschneiden, für einen Quasi-Auto-Kaiserschnitt). Die restlichen wenigen Splatterszenen sind nicht der Rede Wert.

Die Darsteller sind größtenteils weitgehend talentfrei oder geben sich keine große Mühe. Gina Philips („Jeepers Creepers“, „Dead & Breakfast“, „Ally McBeal“), die’s durchaus kann, absolviert den Film im Automatik-Modus (was noch mehr ist als ihr Charakter verdient hat), Alex Hassell („Unterwegs nach Cold Mountain“) ist zwar der richtige Typ für den blöden Hooligan-Idioten, macht aber in keiner Sekunde nachvollziehbar, warum wir mit ihm sympathisieren sollten (und das sollen wir wohl, weil ihn im Schlussakt plötzlich die Sorge um sein Baby packt), Kellie Shirley (aus der unverwüstlichen Briten-Soap „EastEnders“) sollte für die Karikatur einer Goth-Schlampe den Zorn jeder Möchtegern-Untoten aus der Szene auf sich ziehen, über Andrew Knott, Jack Bailey und den Rest der Laienspielschar breiten wir den Mantel der Barmherzigkeit aus.

Bildqualität: Die Boll AG (d.h. im Klartext Eurovideo) präsentiert den Streifen in durchaus ansehnlichem 1.78:1-Widescreen (anamorph), das die kühle Ästhetik des Films gut zur Geltung kommen lässt. Kontrast und Schärfe sind gut, Störungen und Verschmutzungen sind nicht zu vermelden.

Tonqualität: Ausschließlich deutscher Ton in Dolby 5.1, anständig synchronisiert und solide abgemischt.

Extras: Ein englischsprachiges (nicht untertiteltes) Making-of.

Fazit: Ein weiteres überflüssiges, identitätsloses Horrorfilmchen, das glaubt, nur mit „Atmosphäre“ und dem ein oder anderen Ekeleffekt darüber hinwegtäuschen zu können, dass es eigentlich keinen Plot hat, von dem es wüsste. Wer damit zufrieden ist, dass von einem knappen halben Dutzend unsympathischer Vollspacken bei Nachspann-Beginn keiner mehr am Leben ist, mag sich „The Sick House“ ansehen, sollte man aber – und das SOLLTE man aber – einen gewissen Anspruch an Story und Charaktere haben, empfiehlt es sich, die DVD weiträumig zu umfahren. Unterhaltsam ist an dem Schwachfug jedenfalls so ziemlich gar nix.

1/5
(c) 2009 Dr. Acula


mm
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