- Deutscher Titel: The Shooter
- Original-Titel: The Shooter
- Regie: Ted Kotcheff
- Land: USA/Tschechische Republik/Spanien/Frankreich/Großbritannien
- Jahr: 1995
- Darsteller:
Dolph Lundgren (Michael Dane), Maruschka Detmers (Simone Rosset), Assumpta Serna (Marta), Gavan O’Herlihy (Powell), John Ashton (Alex Reed), Simon Andreu (Alberto Toreno), Pablo Scola (Belgado)
Vorwort
In New York wird der kubanische UN-Botschafter erschossen – die Handschrift des Attentats spricht für ein neues Werk der berüchtigten Assassinin Simone Rosset, die sich angeblich aus dem Gewerbe zurückgezogen hat und unter falschem Namen in Prag ein Restaurant betreibt. Das ist aus verschiedenen Gründen unpraktisch: gerade in Prag nämlich soll das erste offizielle Gipfeltreffen zwischen hochrangigen amerikanischen und kubanischen Diplomaten seit dreißig Jahren stattfinden und ein neuerliches Attentat würde der Entspannungspolitik zwischen den verfeindeten Nationen begreiflicherweise einen ziemlich endgültigen Riegel vorschieben. Deswegen soll US-Marshal Michael Dane Simone rechtzeitig vor dem Gipfel aus dem Verkehr ziehen. Für Dane ist es eine Reise in die Vergangenheit, ist er doch gebürtiger Prager, der 1969 außer Landes floh, nachdem seine Mutter, Herausgeberin einer oppositionellen Untergrundzeitung, verhaftet und hingerichtet wurde. An seiner Seite steht Alex Reed, sein Partner und – im Wortsinne – Ziehvater. Dane ist von Simones Schuld nicht ganz überzeugt, aber Job ist Job. Ein erster Versuch der Festnahme scheitert, doch im zweiten Anlauf gelingt die Operation (auch wenn Dane sich dafür selbst den Arm aufschneiden muss, um das Vertrauen von Simones Freundin/Geliebter Marta zu erschleichen). Simone beteuert ihre Unschuld, zumindest was den aktuellen Mordanschlag angeht – sie vermutet, dass sie lediglich als Sündenbock für eine größere politische Verschwörung herhalten soll. Dane muss feststellen, dass an Simones Anschuldigungen einiges dran sein könnte, denn dort, wo der Hubschrauber wartet, der ihn und Simone über die Grenze bringen soll, warten auch vier unfreundliche Herren mit großkalibrigen Waffen, die die Gefangene „übernehmen“ wollen – und Dane braucht nicht lange überlegen, wie diese „Übernahme“ aussehen soll. Also muss er sich wohl oder übel gegen seine Auftraggeber stellen…
Inhalt
Huch, es gibt tatsächlich Lundgren-Filme, die irgendwie unter meinem Radar durchgelaufen sind, obwohl sie quasi noch aus seinen Hochzeiten stammen? „The Shooter“ sagte mir jedenfalls nicht viel, dabei ist die multinationale Ko-Produktion gar nicht mal so schwachbrüstig – satte elf Millionen Dollar Budget anno 1995, auf dem Regiestuhl „Rambo“-Regisseur Ted Kotcheff, das ist nicht gerade die Holzliga der Haudrauf-Action. Wieso zum Geier kannte ich den Film bis heute nicht?
Nun, die Antwort auf diese Frage müssen wir den Philosophen überlassen – daran, dass der Film schlecht wäre, liegt es jedenfalls nicht, auch wenn „The Shooter“, wenn man so will, des Schwedenrecken letzter „größerer“ Film war, ehe seine Karriere einen scharfen Knick nach unten machte und ihn in Stock-Footage-Epen aus der Wynorski-Schmiede wie Storm Catcher oder „Agent Red“ beförderte (aber seit ein paar Jahren geht’s ja auf bescheidenem Niveau wieder aufwärts, und Kracher wie „Universal Soldier: Regeneration“ und natürlich vor allem „The Expendables“ sollten den geradezu unanständig sympathischen Dolph zumindest wieder auf die B-Liste bringen).
Aber zu „The Shooter“ – ich neige ja gelegentlich zum couragierten Überinterpretieren, also will ich auch heute mal wieder: Ted Kotcheff könnte an dem Stoff eine gewisse Verwandschaft zu „Rambo“, die Chance, ein Charakterdrama im Gewand eines Actionfilms, gereizt haben, denn die Figurenkonstellation entbehrt nicht einer gewissen Ähnlichkeit. Wie John Rambo kehrt Michael Dane traumatisiert (dort die Kriegserfahrungen, hier der Tod seiner Mutter) zurück in ein Land, das ihn nicht liebt (bzw. umgekehrt), seine einzige Vertrauensperson ist eine Vaterfigur (bei „The Shooter“ wird dieses Rambo/Trautman-Verhältnis sogar noch ein wenig hochgefahren, in dem Alex Reed zwar nicht Danes biologischer Vater ist, aber derjenige, der ihn nach seiner „Republikflucht“ aufzog [wie Reed es ausführt: „Paula musste keine Windeln wechseln und ich hatte einen Sohn, der gleich Football spielen konnte]) und im Zweifelsfalle ist jeder gegen ihn und will ihn umbringen. Das ist bei „The Shooter“ fraglos weniger existentialistisch und deutlich konventioneller, aber es fällt, aus gewissem Blickwinkel betrachtet, ins Auge.
Dass „The Shooter“ zumindest versucht, im Rahmen eines mittelmäßig budgetierten Actionthrillers „character stuff“ ebenso anzusprechen wie „tagesaktuelle“ Politik (inklusive leichter Kritik an der amerikanischen Methode, Verdächtige, die Straftaten auf amerikanischem Boden begangen haben sollen, aus Drittländern zu „entführen“), ist anerkennenswert, jedoch, wenig verwunderlich, nicht wirklich erfolgreich. Die drei Drehbuchautoren (der Gelegenheits-Fernsehschauspieler Yves André Martin, die Bit-Part-Spielerin Meg Thayer – zu sehen in „Samstag, der 14., schlägt zurück“ oder „Road House“ – und der anspruchslose Lohnschreiberling Billy Ray – zuständig für die verunglückten Scripts von „Color of Night“, „Volcano“ oder „Flightplan“, außerdem „creator“ der heillos abgestürzten Spielberg-TV-Serie „Earth 2“) bringen ihre verschiedenen Ansprüche nicht vernünftig unter einen Hut und verzetteln sich im Bestreben, ihre Plotte mit einem überraschenden Twist zu versehen (der dazu führt, dass die tatsächlichen Böslinge für ihr Übeltung streng genommen keine Motivation haben). Es passt nicht immer alles reibungslos aneinander: die Vater/Sohn-Beziehung von Dane und Reed wird reichlich „heavy-handed“ zumeist über expository dialogue etabliert, das Script tut nicht viel dafür, Simone „positiv“ zu zeichnen (immerhin ist sie so etwas wie ein positiver Charakter, aber halt trotzdem eine Auftragskillerin – viel mehr, als dass sie nur „Monster“ erledigt habe, fällt ihr als „Entschuldigung“ nicht ein), und bei der, hihi, leidenschaftlichen Kuss-Szene Dane/Simone musste ich laut lachen: sie passt weder in die Charakter-Beziehung allgemein noch an die Stelle im speziellen, einfach nur deplaziert, dafür aber wenigstens unfreiwillig komisch. Nur eine wirklich funktionierende Überraschung haben unsere Autoren in Petto, die muss ich deshalb mit einem SUPERSPOILER IMPERIAL DELUXE versehen: Es ist erstaunlich, aber die trauen sich tatsächlich und bringen die Frau um! Woah! Wowsa. Das kam unerwartet… ENDE SUPERSPOILER IMPERIAL DELUXE.
Es liegt hauptsächlich an Ted Kotcheff, das nicht unambitionierte, aber unausgereifte Drehbuch zu retten, und Kotcheff, ein Routinier in allen Genres (auch wenn „Rambo“ sicherlich sein bekanntester Film ist, so treibt er sich auch gerne im Bereich der Komödie um – „Eine Frau steht ihren Mann“, „Immer Ärger mit Bernie“ -, schreckt auch vor pure drama nicht zurück – „Winter People“ – und war sich auch nicht zu schade, einige Episoden der „Red Shoe Diaries“-Erotikserie zu inszenieren, ehe er als Produzent und Gelegenheits-Regisseur von „Law & Order: Special Victims Unit“ spätes Glück fand), ist der richtige Mann für diesen Job – ein Regisseur, der sich nicht als „auteur“ sieht, sondern ein grundsolider Handwerker, der von der Fernseh-Pieke auf gelernt hat, das abzuliefern, was der Auftraggeber haben will. Bei Kotcheff sind keine Innovationen zu erwarten, keine inszenatorischen Mätzchen, keine Gimmicks, seine Mittel sind konventioneller Natur, aber er weiß stets, was er tut. Kotcheff inszeniert „The Shooter“ weniger als plakativen Actionfilm denn als Thriller mit gut gesetzten Action-Spitzen, bei denen es dann auch gerne mal etwas ruppiger zugehen darf) und profitiert sicherlich auch enorm von der pittoresken Szenerie Prags mit ihren winkligen Altstadt-Gassen und den dazu kontrastierenden sozialistischen Plattenbauten. Wer kritteln will, kann sich milde darüber echauffieren, dass auch die großen action set pieces irgendwie leicht nach angezogener Handbremse aussehen (ich habe verschiedentlich lobende Worte für den shoot-out zwischen Dolph und dem Scharfschützen sowie das Finale über den Dächern der Stadt gehört, aber so schick diese Passagen auch sind, sie könnten auch mal, speziell eingedenk der Tatsache, dass es ein freakin‘ Dolph-Lundgren-Film ist, in den overdrive schalten). Dennoch – Kotcheff hält das Tempo im grünen Bereich, für die etwas hingeschludert wirkende Auflösung kann er mangels Beteiligung am Buch ja nicht so arg viel, der Streifen ist trotz seiner eben nicht auf nonstop-action angelegten Attitüde kurzweilig wegkuckbar.
Zumindest mir persönlich gefällt der Score des Italieners Stefano Mainetti (mit der seltenen Distinktion, sowohl für Lucio Fulci als auch für Papst Johannes Paul II. komponiert zu haben), der vielleicht nicht wirklich einheitlich zwischen Goblin-artigen Klängen, jazzigen Tönen und einem enorm poppigen, „catchy“ main theme pendelt, aber das Kunststück fertig bringt, immer zu „passen“.
Die Action verdient sich zweifellos eine solide FSK 16, die shoot-outs sind recht knackig (wobei Bleiaustausch in der Tat den Großteil der Action ausmacht, Dolph hat wenig mano-a-mano zu kloppen), einige solide Autostunts sind zu bewundern (auch wenn Dolphs Amokfahrt durch die Gassen Prags dramaturgisch nicht so richtig zünden mag und leicht nach unfreiwilliger Parodie riecht). Für den Schuss Erotik sorgt Maruschka Detmers, die unbekleidet in eine Badewanne steigt.
Womit der Bogen zu den Schauspielern geschlagen wäre. Sympathiebolzen Dolph (der sich in der Phase offenbar zum Ziel gesetzt hatte, jedes Warschauer-Pakt-Land mit einer Überläufer/Aussteiger-Rolle zu ehren) hat hier also mal eine Rolle, die nicht primär auf seine physische Präsenz ausgerichtet ist, ihm vielmehr auch ein wenig character stuff mit auf den Weg gibt. Der größte Mime der Welt ist er nicht, aber er schlägt sich wacker und fällt im Kontext der großen Action-Heroen der 80er und ihrer Versuche, ’n bissl was anspruchsvolleres zu machen, nicht durch den Rost. Die Niederländerin Maruschka Detmers, die ihre Karriere im europäischen Arthouse-Kino (Godards „Vorname Carmen“oder Bellocchios ziemlich undurchschaubares Erotikdrama „Teufel im Leib“) startete und immer noch durch ganz Europa tourt (auch in Deutschland, jüngst in „Robert Zimmermann wundert sich über die Liebe“) ist, zumindest aus meiner Warte, ein ziemlicher Hinkucker – mit ihrer lasziven Tanzszene in der Disco verbreitet sie mehr Erotik als ein ganzer Bus silikonverstärkter Pornostars es je könnte… mit der für sie eher ungewöhnlichen Rolle der Killerbraut kommt sie gut zurecht, ein wenig störend mag sein, dass ihr Look, obwohl der Streifen 1994 entstand, noch ziemlich „80er“ ausgefallen ist. Das ist meine Zeit, stört *mich* daher nicht, doch die Jugend von Heute hat vermutlich andere erotische Ideale.
John Ashton (John Taggart aus den ersten beiden „Beverly Hills Cop“-Filmen, außerdem in „Midnight Run“, „Tommyknockers“ oder „Little Big League“ zu sehen, aber seit Mitte der 90er ziemlich untergetaucht, was bedeutsame Rollen angeht) müht sich redlich und ist theoretisch als ebenfalls grundsätzlich ziemlich sympathischer Typ der passende Dolph-Sidekick, wirkt aber irgendwie nicht voll motiviert. Gavin O’Herlihy („The Descent 2“, „Prinz Eisenherz“, „Willow“, „Superman III“) stellt mit der Klischee-Rolle des vermeintlich arschlöchrigen Vorgesetzten nichts sonderlich denkwürdiges an, Assumpta Serna („Nostradamus – Prophezeihungen des Schreckens“, „Der Hexenclub“, „Wilde Orchidee“ und für einen kurzen Stint auch in der Wein-Soap „Falcon Crest“ dabei), in der kleinen, aber einprägsamen Rolle der Detmers-Freundin Marta hinterlässt einen guten Eindruck, Eurotrash-/Horrorfreunde freuen sich über die Mitwirkung des alten Kämpen Simon Andreu (Die Nacht der rollenden Köpfe, „The Blood-Spattered Bride“).
Bildqualität: Die DVD von Planet Media ist schon ein älteres Semester, und das sieht man der Scheibe auch ein wenig an. Zwar anamorph abgetastet (1.85:1), aber schärfetechnisch eher auf der mittelprächtigen Seite und der ein oder andere durchlaufende Balken riecht ein bissl nach VHS… Für wenig Geld erträglich, aber High-End ist das nicht.
Tonqualität: Nur deutscher Ton in Dolby 2.0 und 5.1. Der ist aber ziemlich okay (vor 15 Jahren wurden solche Filme nämlich noch anständig synchronisiert), nicht übermäßig dynamisch, aber passabel abgemischt.
Extras: Bildergalerie, Trailershow und zwei kleine Texttafeln mit Infos zu Detmers und Lundgren.
Fazit: „The Shooter“ ist kein spektakulärer Actionkracher, aber ein grundsolide gewerkelter Actionthriller der kleineren Kategorie, professionell inszeniert von einem, der weiß, wie’s geht, mit einem wie immer sympathischen Dolph, der auch ein bisschen schauspielert, in der Hauptrolle, an seiner Seite mit der Detmers so etwas wie eine Arthouse-Sex-Ikone der 80er, die mit diesem „Rollenwechsel“ gut zurechtkommt. Die (speziell anno ’95) noch frische Szenerie des postsozialistischen Prags, die gesunde Härte in den Action-Spitzen und Mainettis mehr als nur gefälliger Score sorgen dafür, dass „The Shooter“ vielleicht kein vergessener Genre-Klassiker ist, auf alle Fälle jedoch ein recht kurzweiliger Rückblick in die Zeiten. als Lundgren noch „richtige Filme“ und nicht nur DTV-B-Action machen konnte. Mag „Nostalgiker“ wie mich mehr befriedigen als den Freund zeitgenössischen Action-Kintopps, ich jedenfalls fühlte mich gut unterhalten.
3/5
(c) 2010 Dr. Acula