- Deutscher Titel: The Real Thing
- Original-Titel: Liver Ain't Cheap
- Regie: James Merendino
- Land: USA
- Jahr: 1996
- Darsteller:
James Russo (Rupert), Jeremy Piven (John), Ashley Laurence (Carla), Emily Lloyd (Lisa), Patrick Gallagher (Dexter), Rod Steiger (Victor), Gary Busey (Foreman)
Vorwort
Ganove Dexter hat schon mal erheblich bessere Zeiten gesehen – nach 25 Jahren erfolgreicher krimineller Laufbahn wird er nämlich wegen eines schlichten Handtaschendiebstahls verhaftet. Im Knast allerdings lässt sich gut Pläne schmieden und der Komplize für das todsichere Ding ist schnell gefunden, an Silvester soll ein Reiche-Pinsel-Nightclub ausgenommen werden. Zwei Probleme allerdings tun sich auf: zum einen ist Dexter nach allgemeinem Dafürhalten an Silvester noch nicht wieder raus, zum anderen hat der junge Autoknacker James mitgehört und nach seiner Entlassung auf Kaution nichts besseres zu tun, als everyone and his brother zu erzählen, was für ein Superding er demnächst durchzuziehen gedenke. Das wird selbst Dexter zugetragen; aus dem Knast heraus befiehlt er James‘ Exekution. Das ausführende Organ seines Zorns waltet seines Amtes, doch James ist nicht hinüber, sondern nur ramponiert genug, dringendst eine Spenderleber und teure medizinische Versorgung zu benötigen. Die kann sich sein älterer Bruder, der Ex-Knacki Rupert, nicht leisten. Und so schlägt dessen bester Freund John wiederum vor, ein paar alte Kumpels zusammenzurufen und das Nachtclub-Ding eben doch zu drehen und mit dem Erlös James‘ Operation zu bezahlen. Zähneknirschend stimmt Rupert zu – die Gang wird zusammengetrommelt und arbeitet tatsächlich einen Plan zum gewaltlosen Zugriff auf die Kohle vor. Könnte prima sein, wäre nicht Dexter mittlerweile aus dem Staatsgewahrsam ausgebrochen und hätte nicht auch *sein* Team zusammengestellt. Und Dexter kommt’s auf ein paar Leichen hin oder her nicht an…
Inhalt
Nicht schon wieder ein Tarantino-Rip-off, möchte man zunächst schreien. Von den pseudocool-pseudozynischen-pseudowitzigen-pseudobrutalen Gangster-bescheißen-Gangster-Thrillern haben wir ja schon mehr als genug gesehen und die meisten, gerade wenn sie von wenig arrivierten Regisseuren mit überschaubarem Budget gedret wurden, waren die Zeit nicht wert, die man sich mit ihnen beschäftigte. Und anfänglich, gebe ich gerne zu, war ich ausgesprochen empfänglich dafür, „The Real Thing“ von James Merendino, der der Welt nicht nur den Til-Schweiger-goes-to-Hollywood-Ausflug „S.I.C. Punk“, sondern auch weitere Welthits wie „Witchcraft IV – Virgin Heart“ (nach letzter Zählung lag die Witchcraft-Serie irgendwo bei Teil 13, also scheint es tatsächlich Fans zu geben) bescherte, in die Schublade „überflüssiger Quatsch“ zu stopfen. Wenn ich aber schon so daherkomme, ahnt Ihr sicher schon, dass ich dieses (Vor-) Urteil nicht aufrecht erhalten kann. Okay, gebraucht hat’s den dreihundertachtundzwölfigsten Post-Tarantino-Klopper sicher nicht, aber er steht doch ein-zwei deutliche Stufen über Gesülze wie „Eiskalte Lügen“, „Die Falle“, „Powderburn“ und ähnlichen an dieser Stelle schon ordnungsgemäß verrissenen Nullitäten. Das hat auch den ein oder anderen Grund (boah, Doc, ehrlich, das was du hier verzapfst, lässt sich begründen? I’m impressed – Der Setzer). Zum einen ist die Story gar nicht mal so unclever – die Geschichte funktioniert ganz hübsch nach dem Dominoprinzip der sich selbst verursachenden totalen Katastrophe (ist ja keine große Spoiler-Überraschung, wenn ich jetzt mal einfach so in den Raum stelle, dass die diversen Pläne der verschiedenen Parteien allesamt nicht ganz so klappen wie gewünscht), da greifen die Rädchen der Plotentwicklung ganz geschickt ineinander. Nicht alles ist geglückt – die Flashback-Sequenzen, mit denen Ruperts und Johns Partner vorgestellt werden, sind bis auf eine absolut überflüssig und relativ witzlos, manchmal balanciert das Script ein wenig zu sehr am Rande der Selbstparodie und, wie fast immer in Filmen dieses Subgenres, der Mittelteil (also der mit Zusammenstellung des Teams und Planung des Coups) zieht sich ein wenig; die Dialoge sind auch nicht immer so cool, wie sich James Merendino das vorgestellt haben mag. Belohnt wird man allerdings durch nicht nur durch ein wirklich fetziges Finale Furioso, sondern auch einen ganzen Haufen schräg-amüsanter Charaktere, die (der Genrekonvention alber) alle einen leichten, aber eben nicht übertriebenen Schatten haben.
Inszenatorisch gibt’s ebenfalls Licht und Schatten – Merendino bemüht sich um „style“, manchmal ist mir das etwas zu sehr Hochglanzprospekt-/Videoclip-Look, auch wenn die Kameraführung zumeist ansprechend ist (im Gegensatz dazu steht allerdings der gelegentlich sehr, hm, holprig ist das falsche Wort, konfuse Schnitt), aber nach fünfzehn-zwanzig Minuten gewöhnt man sich an die Machart des Streifens; etwas weniger „style“ und etwas mehr „grit“ hätten dem Streifen aber nicht geschadet. Dennoch, für eine gerade mal 2,5 Mio. Dollar schwere Indie-Produktion ist das recht ansehnlich. Scriptbedingt ist das Tempo des Films uneinheitlich – der Auftakt ist recht flott, dann folgt der wie erwähnt etwas langatmige, dialog- und charakterintensivere Mittelteil, ehe im Schlußakt dann ordentlich und brachial geholzt wird. Womit wir schon beim nächsten Thema wären, ein Film, der mit der Zeile „In diesem Film stirbt niemand eines natürlichen Todes“ (was ich andererseits für eine der blödesten Taglines seit Erfindung des Buchdrucks halte – paßst schließlich auf 99,6 % aller Action- und Horrorfilme) beworben wird, sollte besser nicht zimperlich sein. Ist er denn auch nicht – der Streifen verdient sich seine FSK-18-Freigabe durch einige wirklich derb-splattrige Bluteinlagen (nicht unbedingt realistischer, aber eben sudeliger Art) – da wird schon mal ein Kopf weggeschossen u.ä. Nettigkeiten (im übrigen ist „The Real Thing“ mit Sicherheit kein Actionfilm – was trotzdem groß auf der DVD-Hülle steht -, sondern ein klassischer Thriller, ein-zwei Verfolgungsjagden, ein Shoot-out und ein paar vereinzelte blutige Schießereien machen nämlich noch keinen Action-Kracher aus).
Das andere, was „The Real Thing“ über den üblichen niedrigen Level der Tarantino-Möchtegerns hebt, ist der interessante und talentierte Cast, der aus den unterschiedlichsten Genres zusammengewürfelt wurde. Da hätten wir zum einen James Russo, den ich selten (zumindest in seinen neueren Filmen) besser aufgelegt gesehen habe. Der Ex-Knacki, der eigentlich ein geregeltes Leben führen möchte, aber aufgrund der Umstände zurück in die Kriminalität getrieben wird, liegt Russo wesentlich besser als Krempel wie „Sonic Blast“ – so unterhaltsam die Phoenician-Stock-Footage-Heuler auch sein mögen). Eine der besseren Rollen für Russo (den ein großes Publikum aus Hits vergangener Zeiten wie „Beverly Hills Cop“ noch kennen könnte), und erfüllt sie durchaus mit Leben. Seinen Kumpel John mimt, gleichfalls sehr spielfreudig, Jeremy Piven, der unmittelbar vorher in der Killerkomödie „Grosse Point Blank“ und kurz danach in einem anderen Post-Tarantino-Klopper, dem unterschätzten „Very Bad Things“ und natürlich in der Sitcom „Ellen“ mitwirkte. Fiesling Dexter wird von Patrick Gallagher gemimt, der ansonsten eher in Christenfilmen wie „Tribulation“ am Werke ist, aber (oder vielleicht deswegen) den skrupellosen Psychopathen ziemlich gut hinbekommt. Spannend ist auch die Besetzung der beiden weiblichen Hauptrollen – Emily Lloyd wurde 1987 mit ihrem Debütfilm „Wish You Were Here“ weltweit bekannt und als kommender Superstar gefeiert, irgendwie schaffte sie es aber nie wirklich zum echten Durchbruch. Als zickige britische Gangsterbraut mit Hang zum Polizistenschlagen bietet sie hier eine recht unterhaltsame Performance. Ihr biederes Gegenstück spielt Horror-Spezialistin Ashley Laurence, die in den ersten drei „Hellraisern“ mit von der Partie war, auch in Full Moons „Shocking Fear“ und im dritten Teil der „Warlock“-Saga mit von der Partie war. Ashley hat in „The Real Thing“ zwar nicht wirklich arg viel zu tun, strahlt aber sehr viel Sympathie aus. Gastrollen absolvieren der verdiente Alt-Mime Rod Steiger (der in seiner Karriere aber auch kaum was zwischen „gottgleiche Klassiker“ und „letzte Drecksfilme“ ausgelassen hat) als zu beklauender Gangsterboss und der leider mal wieder mit einer viel zu kleinen Rolle abgespeiste unvergleichliche Gary Busey als fieser Fabrikboss (mit einem erstaunlichen Zahnteil…). Kurzerhand: das ist ein Ensemble, das funktioniert und Spaß macht.
Bildqualität: Scheiben von „Best Buy Movie“ zählen nicht unbedingt zu den Discs, die sich der Sammler gern ins Regal stellt, nicht nur wegen des aufdringlichen Packaging mit den fetten roten Genre-Balken, sondern auch, weil sie nicht unbedingt als Referenzmaterial taugen. Und so kann ich auch den Bildtransfer von „The Real Thing“ nicht gerade heiligsprechen. Zwar ist die Bildqualität selbst relativ anständig (auch wenn die Scheibe nicht gerade zum Budget-Preis vertickt wird) und durchaus besser als beim durchschnittlichen Best-Entertainment- oder Madison-Release, aber auch nicht wirklich umwerfend – schon leichtes Zoomen verrät deutliche Klötzchenbildung, auch in den Diszplinen Kanten- und Detailschärfe werden allenfalls knappe Durchschnittsnoten erreicht. Der Kontrast geht in Ordnung. Heftige Minuspunkte allerdings kassiert die VÖ für das verhunzte Aspect Ration. Anstelle des vermutlichen 2.35:1-Widescreen-Formats (das zumindest deuten die Opening Titles an) beschnitt der Publisher das Bild auf einen 1.80:1-Ausschnitt, was man doch mehr als einmal deutlich merkt – die Bildkompositionen sind auf das Scope-Format ausgerichtet, was durch das cropping halt heftigst hintertrieben wird. Immerhin ist der Print frei von Verunreinigungen und wird nur minimalst durch Störstreifen beeinträchtigt.
Tonqualität: Huch, ich bin überrascht – es gibt tatsächlich zwei Tonspuren, und da beide im gleichen Format vorliegen, werden’s wohl unterschiedliche Sprachen sein. Und genau so ist es, deutschen oder englischen Originalton gibt’s jeweils in Dolby 2.0 zu bestaunen. Die englische Tonspur ist leider arg leise – da muss man schon förmlich in die Lautsprecher reinkriechen, um die Dialoge zu verstehen. Liegt nicht daran, dass der Track verrauscht wäre o.ä, nö, er ist einfach nur viel zu leise eingepegelt. Die deutsche Tonspur ist deutlich lauter (zumindest was die Dialoge angeht, die Soundeffekte könnten auch hier einen Tack knalliger sein), aber die Synchronisation ist nicht die allerbeste (merkt man relativ deutlich an den mitgelieferten Untertiteln, die an der DF kleben und daher sehr schön mit der Originaltonspur verglichen werden können).
Extras: Hab ich doch schon was verraten, Best Buy überrascht mit einer deutschen Untertitelspur, die auch in der Originalfassung ausgeblendet werden kann – leider werden die Untertitel ins Bild und nicht in die schwarzen Balken, wo sie bei einem Widescreen-Transfer hingehören, geklatscht und stören doch etwas. Ansonsten gibt’s (vorgelesene) Bio- und Filmographien für fast alle wesentlichen Darsteller sowie Regisseur Merendino und eine Storysynopsis, dazu die übliche Trailershow.
Fazit: „The Real Thing“ ist jetzt auch nicht gerade der Hammerfilm, den man unbedingt gesehen haben muss oder von dem man seinen Enkeln erzählen müsste. Aber im von so vielen meist talentlosen Trittbrettfahrern beackerten Feld der Low-Budget-Tarantino-Klone nimmt der Streifen doch den Rang einer mattschimmernden Perle ein; er bedient sich einer gut konstruierten Geschichte, eines einprägsamen (wenn gleich sicher nicht jedem gefallenden) visuellen Stils und eines gut aufgelegten, talentierten Darstellerensembles. Und das sind schon mal drei Punkte, die „The Real Thing“ den meisten seiner Konkurrenten locker voraus hat. Dass der Streifen dabei noch relativ derbe ist, schadet nicht weiter – Mankos des Films sind der etwas zähflüssige Mittelteil und der nicht immer überzeugende Schnitt. Die DVD leidet unter dem falschen Bildformat und dem arg leisen Originalton – bessere Wertungen sind deswegen nicht drin. Den derzeit wohl verlangten „middle price“ rechtfertigt die technische Umsetzung jedenfalls nicht. Wer die Scheibe aber für ein paar Euro auf’ner Börse sieht und ein Faible für harte Thriller im „Reservoir Dogs“-Fahrwasser hat, kann zuschlagen.
3/5
(c) 2004 Dr. Acula