The Pack

 
  • Deutscher Titel: The Pack
  • Original-Titel: La Meute
  •  
  • Regie: Franck Richard
  • Land: Frankreich
  • Jahr: 2009
  • Darsteller:

    Emilie Dequenne (Charlotte Mossat), Yolande Moreau (La Spack), Benjamin Biolay (Max), Philippe Nahon (Chinaski)


Vorwort

Offensichtlich nach einer schwer verwundenen Trennung fährt die junge Charlotte ziellos durch Frankreich (d.h. „immer geradeaus, bis die CDs aus sind“). Weniger aus tiefer menschenfreundlicher Überzeugung denn als Manöver, ein paar zudringliche Biker loszuwerden, nimmt sie den Anhalter Max mit, der sie zu einer abgelegenen Kneipe im finstersten Hinterwald lotst. Dort tauchen auch die Biker auf und möchten eine zuvor angedachte Vergewaltigung in die Tat umsetzen – Max mischt sich ein, wird aber beinahe selbst ge-deliveranced, täte nicht die matronenhafte Kneipenwirtin Spack nebst ihrer Schrotflinte eingreifen. Die Rocker verduften und Max verzieht sich zwecks Überarbeitung seiner derangierten Visage aufs Klo. Aber er kommt nicht wieder… Charlotte kommt dies höchst spanisch vor und wendet sich an den alten Ex-Dorfpolizisten Chinaski, der ihr aber nicht weiterhelfen kann oder will. Also bricht sie, nachdem die Spack Feierabend gemacht hat, in die Kneipe ein, was ihr aber nur einen schweren Schlag auf den Hinterkopf einbringt, und als sie wieder zu sich kommt, findet sie sich in einem Käfig wieder und wird, wie ein asiatischer Leidensgenosse, von der Spack und – ihrem Sohn Max mit nahrhafter, wenngleich nicht sehr wohlschmeckender Ekelpampe zwangsverköstigt.

Was zunächst so aussieht, als wäre Charlotte in die Hände eines eher kannibalisch orientierten Fleischfachverarbeitungsbetriebes gefallen, entpuppt sich schnell nur als Vorhölle für ein noch sinistre Angelegenheit. Die Spack braucht das Blut ihrer Gefangenen, um damit ihre vier anderen Söhne, die bei einem Grubenunfall ums Leben kamen und – wie auch immer – von ihr als im Untergrund wühlende Maulwurfszombies zurückgebracht wurden, zu ernähren. Chinaski, der Charlottes Auto entdeckt und dem es gelingt, ihr Handy anzurufen, als sie sich gerade mit der Spack balgt, schöpft Verdacht und auch Max schlägt sich schließlich auf die Seite der Guten, doch die Spack und ihre untote Mörderbrut sind als Gegner nicht auf die leichte Schulter zu nehmen…


Inhalt

FFF 2010 und ich bin natürlich dabei. Mit den Festivaleröffnungsfilmen ist das immer so ’ne Sache – eher selten als oft treffen sie den richtigen „Ton“ für die juxig-blutige Kinowoche, das war 2009 mit Carriers z.B. der Fall. Für den aktuellen Jahrgang entschieden sich die Macher für einen französischen Film – angesichts der Tatsache, dass Filme wie High Tension, „Martyrs“ oder „Inside“ mit großem Erfolg (mal zurecht, mal eher nicht) auf dem Festival liefen, eigentlich folgerichtig. Dabei wurde „The Pack“ gerade als eine Art „Gegenentwurf“ zum Extrem-Horror, den die Franzmänner seit einigen Jahren pflegen, angekündigt, als „old-school“-Grusel. Nach den eineinhalb Stunden, die ich mit der „Meute“ verbrachte, bin ich mir eigentlich nur sicher, dass der Streifen als Einstiegsfilm ins Festival mal wieder mindestens eine milde Enttäuschung ist.

Was nicht daran liegt, dass Writer/Director Franck Richard auf das Anziehen der Ekelschraube tatsächlich weitgehend verzichtet; allerdings wäre es cleverer gewesen, hätte die Festivalleitung diesen Umstand nicht „gespoilert“, da „The Pack“ zunächst schon versucht, dem Zuschauer einzureden, er würde in einem „Hostel“-artigen Folterfilmchen landen. Richards Problem ist weniger die Zurückhaltung in Sachen Splatter und Gore, sondern eher die Unentschlossenheit, was für eine Art Film er denn nun genau drehen möchte – oder anders ausgedrückt, der bewusste Stilbruch vom Backwood-Kannibalenfolterfilm (denn natürlich *hat* „The Pack“ einige, sicher vergleichsweise zahme, Folterelemente) zum übernatürlichen Zombie-Horror ist für meine Begriffe nicht sonderlich gut gelungen, auch weil Richard keine rechte Mythologie anbietet.

Es gibt ein paar vage Andeutungen über die Erde als eine Art gaiaartige (aber bösmeinende) Naturgottheit (im Gewand zeitgeistig-schicker Fortschrittskritik, in der über die „Vergewaltigung der Erde“ fabuliert wird), aber keine echte Erklärung, wie die durchgeknallte Spackin ihre Spackosöhne von den Toten zurückgeholt hat (und selbst wenn es eine gäbe, würde das nicht erklären, wieso im Showdown dann ganze Rudel der Maulwurfszombies durch die Felder krauchen, um Charlotte zu fangen – und von der selten dämlichen Schlusspointe [sie „Twist“ zu nennen, fiele mir im Truam nicht ein], wollen wir mal nicht reden), auch Maxens Seitenwechsel erscheint nicht unbedingt durchdacht und schlüssig.

Dabei gibt’s durchaus gute und witzige Ideen im Script – so müssen Charlotte und Max ein Zweckbündnis mit den Rockern eingehen, was für einige lustige Situationen sorgt; die bizarre Blut-Melkmaschine erinnert schon fast an die gute alte „Invasion der Blutfarmer“ und La Spack herself ist eine wirklich denkwürdige Kontrahentin für die Heldin, aber wie Ihr schon bemerkt, diese guten Einfälle (und die guten Überraschungen) beziehen sich hauptsächlich auf die erste Hälfte, was mich zur Schlußfolgerung verleitet, dass es „The Pack“ (auch, wenn man den Film dann umtiteln hätte müssen) besser gestanden hätte, er wäre im Backwood-Metier geblieben und den Kampf mit der fiesen Psychopathen-Matrone Spacki in den Mittelpunkt gestellt – für den Zombie-Part fällt Richard dann nämlich nicht mehr ein als das bewährte (und abgenudelte) Belagerungsszenario (und das nicht gerade auf logische Art und Weise). Wir hatten ein ähnliches Problem ja schon im letzten Jahrgang mit High Lane, der sich durch einen ähnlich gravierenden (wenn auch quasi umgekehrten, da ging’s ja vom Bergsteiger-Thrill hin zum Hinterwäldler-Horror) Stilbruch erfolgreich selbstversenkte. Wenn man den „Punkt“, an dem „The Pack“ seine Kreativität aufgibt, um sich relativ Gewöhnlichem zu ergeben, bestimmen will, so liegt so ein paar Minuten nach dem Tod von Nahons Charakter. Man kann’s auch danach noch ankucken, aber von hier aus wird’s weitgehend run-of-the-mill.

Richard, der hier sein erstes Werk als Autor und Regisseur vorlegt, ist auch kein Optik-Guru wie manch einer seiner französischen Kollegen (Aja zuvorderst) – die Kameraführung von Laurent Barés („Frontier(s)“, „Hitman“) ist professionell, erfreulich „unzappelig“ und teilweise – obwohl der Streifen nicht over-the-top geht, was die Ruppigkeiten angeht – angemessen unangenehm, aber auch in der Hinsicht ist festzuhalten, dass „The Pack“ in der zweiten Hälfte die Puste ausgeht und zwar durchaus ansehnliche, aber eben auch weitgehend altbekannte Imagery auspackt (nächtliche Jagden durch Kornfelder o.ä. sind nun mal mittlerweile ein Klischee). Richard gelingt es auch nicht, echte Emotionen zu vermitteln, seine Charaktere bleiben verschlossen, unzugänglich (sie haben auch kaum Zeit zur Entfaltung), bieten wenig Anlass, sich auf sie einzulassen. Ich habe kein Problem damit, dass „The Pack“ sich eines eher langsamen Erzähltempos bedient – ganz im Gegenteil, die ruhige, bedachte Weise, in der Richard das Geheimnis der Spacken aufdeckt, lässt die „Lösung“ viel heftiger wirken als würden die Fieslinge ihre Opfer simpel den Monstern zum Fraß vorwerfen – es macht klar, dass hier nicht irgendwelche degenerierten Landeier aus Spaß an der Freude herumkillen, sondern dass ihr Vorgehen einem – derangierten, zweifellos – ausgefeilten Plan entspricht. Auch der Einsatz schwarzen und anzüglichen Humors (Charlotte erzählt den zumindest mir lang bekannten Masochist-, Zoophiler-, Sadist-, Nekrophiler-und Pyromanenwitz, Nahon, der über den ganzen Film mit einem „I fuck on the first date“-T-Shirt rumläuft, wird damit eingeführt, dass er Charlotte anbaggert, und die Oberspackin ist trotz ihrer Bösartigkeit ein witziger Charakter) gefällt, aber – ich muss mich wiederholen, in der „Monsterhälfte“ fällt das alles unter den Tisch.

Zu loben ist das gelungene Sounddesign – Richard ist ein Regisseur, der weiß, was man über die Tonspur erreichen kann, ohne auf plärrende TADA-TAAAAA!!!-Cues zurückgreifen zu müssen. Der Einsatz von Bässen, die sich nahe an der Grenze dessen bewegen, was man nicht mehr hört, sondern nur spürt, sorgt für dieses angenehm-unangenehme Kribbeln in der Magengrube, eine Sequenz, in der die Tonspur simuliert, was passiert, wenn direkt neben dem Ohr eine Pistole abgefeuert wird, ist das Highlight der zweiten Filmhälfte, und der Score besteht überwiegend aus minimalistischen elektronischen Klängen, die John Carpenter gut gefallen müssten (und jemand sage mir bitte, von wem die Industrial-Nummer im Nachspann stammt).

„The Pack“ ist, wie mehrfach angesprochen, keine Schlachtplatte und das ist auch gut so, ist sich aber für ein paar saftige Splattereffekte (abgerissene Gliedmaßen, durchstoßene Körper) nicht zu schade. An einem guten (liberalen) Tag könnte ich mir eine FSK 16 grad noch so vorstellen, aber andererseits richtet sich einiges an Gewalt gegen Frauen (bzw. hauptsächlich eine Frau eben), und das kommt bei den Jugendschützern selten gut an, KJ ist also wahrscheinlicher. Das Design der Maulwurfszombies ist recht gut gelungen, augenlose Kreaturen mit reißzahnbewehrten Mündern, das ist nicht das übliche Zombie-Design (und auch hier nochmal ein Lob an den Sounddesigner, die Kreischer und Krächzer der Monster sind bemerkenswert).

Zu den Schauspielern – Emilie Dequenne („Pakt der Wölfe“, „Die Frau des Leuchtturmwärters“) macht sich ganz patent als semi-goth-punkige Heroine, und dass das Script aus ihrer Figur keine reine damsel-in-distress, sondern durchaus eine „Powerfrau“ macht, kommt ihr zu Gute, aber es fehlt mir irgendwie der letzte Kick (was aber auch daran liegen mag, dass ihr Charakter zwar durchaus Mumm hat, aber underwritten bleibt), süß genug ist sie jedenfalls. Benjamin Biolay (der wohl hauptamtlich Musiker ist) spielt den Max mit dem gewissen französischen understatement, was in Thrillern, Krimis und Actionfilmen gut ankommen mag, aber hier dafür sorgt, dass seine Figur insgesamt ziemlich unglaubwürdig daher kommt. Die Highlights setzen die wirklich beeindruckend verrückte Yolande Moreau („Die fabelhafte Welt der Amelie“, „Zu schön zum Sterben“) als La Spack und der nicht minder umwerfende Philippe Nahon („Menschenfeind“, „High Tension“), der hier mal seine komische Seite auspacken darf, und das zu allseitigem Wohlgefallen.

Fazit: Wenn der Eröffnungsfilm ein zuverlässiger Indikator für die Festivalqualität wäre, müsste ich nach „The Pack“ meine restlichen Karten zurückgeben – es ist kein offensiv schlechter Film, aber einer, bei dem’s völlig ausreicht, sich in ein paar Monaten die DVD auszuleihen, ihn einmal interessehalber zu kucken und dann abzuhaken. Obwohl Richard versucht, einen Genre-Zwitter zu schaffen, den man in der Form so noch nicht gesehen habe, gehen ihm einfach die kreativen Ideen aus, sobald er daran gehen muss, sein Mystery aufzulösen und zum übernatürlichen Horror zu kommen. „The Pack“ schießt sich nicht mit der gleichen Vehemenz in den Fuß wie „High Lane“ im Vorjahr, aber auch er kann seiner ersten Stunde keinen befriedigenden Schlussakt folgen lassen. Was bleibt, sind großartige Performances von Moreau und Nahon (die aber eben in ebenjenem Schlussakt nicht mehr mit von der Partie sind), ein hervorragendes Sounddesign (das hoffentlich einen guten Surround-Mix auf DVD erfährt) und das Fazit, dass es eben doch deutlich einfacher ist, sich ein hübsch krudes Szenario auszudenken als selbiges dann auch mit Leben zu füllen. Ein (etwas anbiedernder) Dank an Sam Raimi (der zumindest auch einmal „zitiert“ wird) reicht eben nicht.

2/5
(c) 2010 Dr. Acula


mm
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