The Night of the Hunted

 
  • Original-Titel: La nuit des traquées
  • Alternative Titel: Night of the Hunted |
  • Regie: Jean Rollin
  • Land: Frankreich
  • Jahr: 1980
  • Darsteller:

    Brigitte Lahaie (Elysabeth), Dominique Journet (Véronique), Bernard Papineau (Dr. Francis), Rachel Mhas (Solange), Catherine Greiner (Catherine), Natalie Perrey (Die Mutter), Christiane Farina (Christiane), Elodie Delage (Marie, als Véronique Délaisée), Jean Herel (Jacques), Vincent Gardére (Robert), Alain Duclos, Dominique Saint-Cyr


Vorwort

Nachts, irgendwo in der französischen Pampa außerhalb von Paris. Ein blondes Ding in einem halb-durchsichtigen Nachthemd (Brigitte Lahaie, DIE VOLLSTRECKERIN, GEFANGENE FRAUEN, DIE NICHTEN DER FRAU OBERST) irrlichtert verwirrt und ängstlich durch die Botanik, augenscheinlich von jemandem oder etwas verfolgt. Sie stolpert auf die Straße und vor die Scheinwerfer von Robert (Vincent Gardère), der das konfuse Ding vom Asphalt klaubt und in Ermangelung irgendwelcher besserer Ideen in sein Auto packt. Unglückseligerweise fährt Robert eine Alfetta, also bin ich mir ehrlich nicht sicher, ob die Reise sie irgendwo anders hinführt als zur nächsten Werkstatt, falls die Kiste nicht unter der Fahrt verrostet. Beim Einladen der Holden übersieht Robert leider, dass noch ein weiteres Mädchen (Dominique Journet, JEUX DE MINETTES), selbiges rothaarig und völlig nackt, durch den Wald stapft und der blonden Kollegin verzweifelt hinterherwinkt und –ruft. Naja. Ein tragisches Einzelschicksal.

Robert stellt fest, dass sein Fahrgast einigermaßen sonderbar ist. Kaum ins Auto eingestiegen, erinnert sich das Girl, dem er immerhin unter Schwierigkeiten den Namen Elysabeth entlockt hat, schon nicht mehr daran, durch den Wald geirrt und von ihm aufgelesen worden zu sein, begehrt vielmehr sofortigen Anhalt (ohne Sachsen) und aussteigen zu wollen. Robert ist ganz Kavalier, aber natürlich weiß Elysabeth auch nicht ,wo sie jetzt, auf’m platten Land, hingehen sollte oder wollte, also einigt man sich darauf, dass Robert das Mädel doch nach Paris kutschiert. Dort allerdings löst sich das Problem auch nicht in Wohlgefallen aus. Robert lässt Elysabeth aussteigen, doch sie hat offenkundig keine Ahnung, wo sie ist. Wären wir jetzt richtige Menschen und keine Figuren in einem Film, würden wir Elysabeth jetzt in ein Krankenhaus oder wenigstens zur Polizei fahren, damit die sich über das Problem der gedächtnislosen Frau ihre Brägen martern, nicht aber Robert. Der nimmt sie mit zu sich nach Hause.

Robert versucht, auch durch gute alte handgreifliche Methoden wie „die Olle gut durchschütteln“ die Hirnfunktionen der Blondine in Gang zu setzen (hoffnungslos… sie IST blond), aber ohne Erfolg. Elysabeth leidet nicht unter einer herkömmlichen Amnesie, sondern vergisst schlichtweg alles unmittelbar nachdem es geschehen oder gesagt ist. Da gestaltet sich vernünftige, kohärente Konversation begreiflicherweise einigermaßen schwierig. Elysabeth kann nur ein paar äußerst vage Erinnerungsfetzen zu Protokoll geben, aber mehr, als dass sie von irgendwo auf der Flucht war und womöglich dies nicht allein, lässt sich nicht rekonstruieren und das hilft, da sind wir uns einig, jetzt auch nicht wirklich weiter. Robert entscheidet sich für das Beste, was man mit einer heißen Blondine, die sich zwei Minuten danach nicht mehr dran erinnern wird, und bepoppt Elysabeth. Immerhin – wie das funktioniert, weiß die Blonde noch, auch wenn sie sich „wie eine Jungfrau“ fühlt.

Nach verrichteter Verrichtung verabschiedet sich Robert in sein Büro, hinterlässt aber wenigstens einen Zettel mit seiner Telefonnummer für Notfälle. Der Notfall tritt ungefähr 30 Sekunden, nachdem Robert seine Bude verlassen hat, ein, denn es erscheinen zwei ungebetene Gäste (die offensichtlich auch mit Nachschlüsseln oder zumindest erlesenen Dietrichen ausgestattet sind) – ein bebrillter graumelierter Herr mittleren Alters und eine in eine großartig-scheußliche Geschmacksverirrung gekleidete Dame. Man stellt sich vor – es handelt sich um Dr. Francis (Bernard Papineau, DER FRAUENMÖRDER VON PARIS, DAS BIEST MUSS STERBEN) und seine Assistöse Solange (Rachel Mhas, LIEBESNÄCHTE DER HEISSEN PUPPEN). Francis behauptet, Elysabeths behandelnder Arzt zu sein und sie zurück in die Sicherheit seiner Obhut bringen zu wollen. Elysabeth sagt instinktiv erst mal nö, aber Francis weist zutreffend darauf hin, dass sie keinen blauen Dunst davon habe, in wessen Wohnung sie sich warum befinde. Es läuft darauf hinaus, dass ärztliche Autorität sich gegen leere Gehirn durchsetzt.

Francis‘ Institut scheint nicht unter chronischer Unterfinanzierung zu leiden – ein kompletter (und komplett schwarzer) Wolkenkratzer in Paris‘ hypermodernem La-Defense-Viertel (das man entweder für eine architektonische Grusligkeit ersten Ranges oder ein Vorbild für alle futuristischen Städte sehen kann) steht für seine Schützlinge zur Verfügung. Alle Patienten im Block leiden unter der gleichen Krankheit des fortschreitenden Gedächtnisverlusts, Francis behauptet zwar, er würde die Kranken behandeln, aber faktisch scheint das sehr darauf hinauszulaufen, dass die Verwirrten ihrem Schicksal überlassen werden und hilflos durch die Korridore stolpern, sofern sie nicht schon vergessen haben, wie man sich bewegt (im fortgeschrittenen Stadium der Krankheit, doziert Francis, sagt nämlich auch der Gleichgewichtssinn Adé).

Francis führt Elysabeth in „ihr“ einigermaßen spartanisch möbliertes Apartment, das sie sich mit der Mitbewohnerin Catherine (Porno-Sternchen Catherine Greiner, SEIDIGE HAUT BLUTJUNGER KÖRPER, IM COLLEGE IST DIE HÖLLE), teilt. Natürlich können sich weder Elysabeth noch Catherine an die jeweils andere erinnern, aber um überhaupt irgendwie eine Illusion des Zusammenlebens zu ermöglichen, erfinden die jungen Frauen Erinnerungen aneinander, wonach sie alte Schulfreundinnen seien. Das scheint Catherine mental mehr zu helfen als Elysabeth. Wenig später bringt ein bärtiger Glatzkopf das Essen. Hummersuppe, also wird zumindest in der Küche nicht gespart. Der Glatzo gibt zudem kund, dass er auch ein Patient und als solcher eine absolute Erfolgsgeschichte des Dokteurs sei, denn er könne sich als einziger der Patienten an alles erinnern, was seit seinem Einzug in den Tower geschehen sei. Catherine hat sogar vergessen, wie man isst – Elysabeth füttert sie (mit drei Löffeln Suppe. Ich hoffe, Cathy hatte nicht grade großen Hunger), und die Vertraulichkeit dieses Vorgangs ermutigt Catherine, ihrer Zimmergenossin sexuelle Avancen zu machen. Sex sei schließlich, so Catherines Resümee der ganzen Misere, das einzige, was den leidenden Kranken noch bliebe. Elysabeth entwindet sich den Zudringlichkeiten und beschließt, den Turm zu erkunden.

Es sind sehr traurige Gestalten, die ihr begegnen – wer noch ein bisschen Restverstand hat, sucht verzweifelt nach irgendwelchen Anhaltspunkten, Erinnerungsfetzen, die ihre eigene Identität bestimmen könnten, andere haben aufgegeben und lehnen apathisch an den Wänden, bis Glatzo sich ihrer annimmt und sie auf ihre Zimmer zurückführt. Doch da ist ein rothaariges Mädchen, das Elysabeth erkennt – Veronique! Die beiden Frauen ahnen, dass sie sich kennen, aber woher, was sie gemeinsam erlebt haben, ist ihnen natürlich schleierhaft. Veronique – die auch noch nicht ganz abgedriftet ist – führt Elysabeth in ihr Zimmer, wo die beiden versuchen, aus den minimalen Fragmenten ihrer Erinnerung zusammenzusetzen, was sie verbindet. Das ist naturgemäß knifflig, aber mit vereinten Kräften kommen die Girls zur Erkenntnis, dass sie einen gemeinsamen Fluchtversuch unternommen hatten. Elysabeth findet den Zettel mit Roberts Telefonnummer. Der Name sagt ihr nichts, doch es reicht, um sich zusammenzureimen, dass Robert jemand von „draußen“ sein muss, der zumindest ihr geholfen hat. Dummerweise sind die Telefone in den Zimmern reine Attrappen – man müsste also an einen funktionierenden Fernsprecher rankommen, und solche gibt es wohl nur außerhalb des abgeriegelten Bereiches, in dem die Patienten rumlungern dürfen. Dort gibt es allerdings Wachen, aber mit vereinten Kräften sollte sich ein Wachtposten auch überwältigen lassen. Elysabeth will aber nicht ohne Catherine abhauen. Das ist zwar einigermaßen unpraktisch, weil zumindest Veronique den ganzen Fluchtplan vergessen wird, bis Elysabeth mit Catherine zurückkommt, sofern Elysabeth selbst sich noch erinnern kann, was sie eigentlich vor hat, aber es wird so beschlossen und verkündet.

Der Haken daran ist nur, dass Catherine sich bereits schmerzlichst von Elysabeth verlassen fühlt und sich entscheidet, dem schnöden Dasein Lebewohl zu sagen. Was sie bewerkstelligt, indem sie sich eine Schere in die Augen rammt. Darum lässt man in ordentlich geführten Irrenanstalten auch keine Scheren in den Patientenzimmern rumliegen, verdammich. Elysabeth ist erschüttert, als sie die tote Stubenkameradin auffindet, aber das kann ihren Fluchtwillen auch nicht entscheidend beeinträchtigen.

Indes entgleitet Dr. Francis, der in seiner Kommandozentrale hockt und sich mit Solange anschaut, was seine Patienten so treiben, aber wohl immer gerade dann nicht hinschaut, wenn sich etwas eigentlich Hinkuckenswertes ereignet, langsam, aber sicher, die Kontrolle über seinen degenerierten Haufen. Da Catherine nicht die einzige ist, die Sex als einzige verbliebene Konstante in ihrem Leben sieht, schleift ein Frauenzimmer einen apathischen Kerl zunächst ins Schwimmbad (auch dass das frei zugänglich ist, halte ich angesichts des Zustands der Leutchen hier für bedenklich), wo sie eine Bahn krault, während er dämlich kuckend am Beckenrand entlang spaziert, und dann in die Sauna. Die Lady ist offenbar noch im Frühstadium der Krankheit, denn sie weiß auch noch, wie man einen Aufguss hinbekommt. Der Aufguss entwickelt sich in eine fröhliche Runde Ringelpiez mit Anfassen, aber der Herr der Schöpfung verliert die Selbstbeherrschung und erwürgt die Sexpartnerin.

Auf der Suche nach sexueller Erfüllung ist auch El Glatzo, der den strategischen Vorteil hat, dass er weiß, was er tut (ob er wirklich ein Patient ist oder ein von Francis installierter „undercover“-Wachtposten, lässt der Film offen). Wer mental so hinüber ist, dass er nicht mehr bis drei zählen kann, ist im Allgemeinen auch willenlos und kann daher von einem besamungswilligen Sackträger auch als Zwangsmatratze verwendet werden. Glatzo führt das Objekt seiner Begierde in einen Kinosaal und beginnt seine Flachlegungsarbeit, doch der Würger von Wolfenbüttel, eh, aus der Sauna, ist mittlerweile auf den Geschmack gekommen, hat sich einen Hammer beschafft und drischt damit couragiert Glatzo die unbehaarte Rübe ein. Die zwangsbeglückte weibliche Unterlage quittiert diesen Liebesdienst mit totaler Apathie.

Elysabeth findet tatsächlich zu Veronique zurück – die gemeinsame Flucht kann angegangen werden. Vor dem Ausgang sitzt nur ein einsamer Wachmann an seinem Schreibtisch, aber immerhin hat er eine Wumme. Elysabeth kann sich aber von hinten an ihn heranschleichen, ihm die Knarre mopsen und ihn unbürokratisch abknallen. Im Foyer des Towers finden sich dann auch in der Tat funktionierende Telefone (zum Glück keine Münzfernsprecher), und Elysabeth erreicht sogar Robert. Sie kann zwar nur eine äußerst vage Beschreibung ihres Standpunkts durchgeben („in einem großen Turm umgeben von anderen großen Türmen“), aber Robert hat im Studienfach Stadtplanung aufgepasst und kann sich vorstellen, was gemeint ist. Elysabeth und Veronique sollen vor dem Ausgang warten, er wird sie umgehend abholen.

Das Damenduo wagt sich also an die frische Luft, aber Dr. Francis ist, wie sich ja schon aus dem Filmanfang ergeben hat, keiner von der Sorte, der ungenehmigten Freigang geflissentlich toleriert. Und er hat nicht nur sich selbst und Solange als Einfangbrigade, sondern auch ein Rudel gedungener Schergen. Elysabeth ballert zwar um sich und auch den ein oder anderen Häscher tot, aber letztlich fliehen die Girls zurück in den Tower und damit in die wartenden Hände der Autorität.

Robert kommt also zu spät für die Rettung und sieht sich nur dem Herrn Doktor und seiner Schlange, äh, Solange, gegenüber. Robert, so des Dottores gepflegter Wunsch, möge sich bitte verpissen, seine geliebte Elysabeth sei schon tot. Eine Auskunft, die Robert begreiflicherweise nicht völlig befriedigt, also sieht sich Dr. Francis – eher uncharakteristisch, denn eigentlich sollte er kein großes moralische Problem damit haben, Robert umzunieten bzw. umnieten zu lassen – zu einer Erklärung genötigt. Elysabeth sei, wie die anderen Patienten im Tower, Opfer einer mysteriösen Krankheit, die mit einer Zersetzung der Hirnzellen einhergehe. Der totale Gedächtnisverlust ist quasi nur die Vorstufe zum völligen geistlosen Dahinvegetieren, einer rein animalischen Existenz ohne jegliche verbleibende Intelligenz. Mithin also auch nichts, womit man ne schnelle Nummer schieben möchte (außer man ist vielleicht der Protagonist des Argento-Schmarrns JENIFER), sollte man meinen. Er, also Francis, habe versucht, diese Krankheit zu behandeln, aber leider Gottes sei er erfolglos geblieben und jetzt bliebe nichts anderes, als die Patienten – die sich auch freiwillig in seine Behandlung und die Isolation begeben hätten – zu ihrem eigenen Schutz und zum Schutz Dritter von der Außenwelt abzuschotten. Robert glaubt dem Brillenträger keinen Meter französischer Avenue weit und beansprucht eine sofortige Gegenüberstellung mit Elysabeth. Francis geht darauf tatsächlich ein – stellt aber eine Bedingung. Wenn Elysabeth in keiner Weise auf ihn, also Robert, reagiere, wird er sich dann bitteschön, klaglos vom Gehöft subtrahieren? Robert bekundet Einverständnis und so lässt Francis Elysabeth apportieren. Was immer an „Geist“ bislang vorhanden war, hat sich offensichtlich verabschiedet. Da kann Robert noch so flehen und betteln, Elysabeth stapft stieren Blickes an ihm vorbei, ohne ihn wahrzunehmen. Dr. Francis zieht sein bestes „hab ich doch gleich gesagt“-Gesicht auf und folgt Elysabeth, Robert darf sich noch ein paar Nachtretereien von Solange anhören, aber er ist offensichtlich geschlagen.

Für Dr. Francis ist die Sache damit aber bei weitem nicht erledigt. Nachdem Veronique, die ebenso in der völligen Apathie angekommen ist wie Elysabeth, in Behandlungszimmern verräumt werden, muss er das Große und Ganze überblicken. Durch Roberts Entdeckung ist die ganze Operation einigermaßen kompromittiert. Der Tower ist damit unhaltbar, man bräuchte also eine finale Beseitigung des Problems, quasi so eine Art… Endlösung.

Ressourcen sind erfreulicherweise nicht des Doktors großes Problem – wenig später ist die versammelte Patientenschar, so arg viele sind’s eh nicht mehr, inklusive Veronique und Elysabeth, in einem vorchristlichen Eisenbahn-Salonwagen in einem gottverlassenen stillgelegten Rangierbahnhof elefantösen Ausmaßes verstaut. Immerhin kein Güterwagen, ähm. Das ist aber auch nur die Zwischenstation… Solange gibt zwei der angeheuerten Gorillas Anweisungen und die subtrahieren ein besonders apathisches Frauenzimmer aus der Gruppe, wir erkennen sie als Glatzos unbeeindrucktes Vergewaltigungsopfer wieder. Die Gutste wird über den Bahnhof in einen Raum geführt, wo zwei Herrschaften mit Weißkittel und Mundschutz sie erwarten. Letzterer, erläutert Solange, ist wegen erwiesener Nichtansteckungsgefahr zwar aus medizinischer Sicht völlig unnötig, aber hilft den Weißkitteln psychologisch, die Distanz zu wahren. Warum? Nun, die Herren in den weißen Schürzen haben nichts anderes zu tun, als der vor ihnen rumlungenden menschlichen Hülle die Todesspritze zu setzen! Die wirkt auch schnell und augenscheinlich schmerzlos. Die so Euthanasierte wird von den Gorillas umgehend zu einem Ofen gebracht und kremiert. So schnell kann das gehen.

Gedacht ist ersichtlich an eine Serien-Abfertigung. Die nächste Kandidatin für die Einschläferung ist – stockschwerenot – Veronique. Aber als die Rothaarige vor ihren Henkern steht, plagt zumindest einen der Totspritzer der Gewissensbiss. Veronique sieht nicht gar so hirntot aus und scheint ihre Umgebung durchaus noch wahrzunehmen. Dem Kollegen wäre das grad egal, aber Mr. Conscience here hat noch Prinzipien (sein Partner ist vermutlich dagegen geimpft). Wo noch ein Funken Restvorstand vorhanden ist, da wird er nicht zur Spritze greifen, denn das wäre Mord! Es gelingt dem erklärten Gutmenschen, seinen Partner von seiner Sicht der Dinge zu überzeugen. Veronique is free to go, und das wörtlich. Vero stolpert zurück zu Monsieur Duponts Eisenbahnwagon und versucht nach bestem Wissen und Gewissen – und bei einem beinahe ausgelöschten Verstand ist das nicht sehr, naja, aussagekräftig – Elysabeth zu überreden, sie zu begleiten, aber Lizzie ist in der Tat „gone“. Veronique wandert off, aber weil das Leben kein Ponyhof ist und nicht jeder ein so herzensguter Mensch wie Exekutor #1, nimmt einer der bewaffneten Gorillas sie aufs Korn und erlegt sie per gezieltem Blattschuss.

Während Elysabeth, unbeaufsichtigt wie sie ist, jetzt ziellos über das Bahnhofsgelände streift, hat Robert, wie auch immer, das neue Versteck gefunden. Es gelingt ihm, den Gorilla zu erschießen, der – auf einer dieser auf Schienen fahrenden Container-Transport-Dingenskirchens-Konstruktionen, von der ich keine Ahnung habe, wie man sie nennt, bin ja kein Eisenbahner – gemütlich hinter Elysabeth herzockelt, um sie aus der Nähe abknallen zu können. Elysabeth stapft auf einen grasbewachsenen Aquädukt, der ganz ersichtlich ins Nirgendwo führt, zu, und Dr. Francis möchte die Sache nun persönlich durch den finalen Rettungsschuss erledigen, aber Robert stört. Francis packt nun endgültig aus, was eigentlich der Hintergrund der ganzen Geschichte ist, und dass Roberts Ahnung, dass hier eine großflächige Vertuschungsaktion läuft, voll ins Schwarze trifft. Es gab vor kurzer Zeit einen kleinen, ganz unwesentlichen Reaktorunfall in einem Atomkraftwerk – dabei wurde Radioaktivität freigesetzt und verstrahlte einen Haufen argloser Anwohner. Das Resultat war dann die Zersetzung der Gehirnzellen bis hin zum totalen Verlust jeglichen Verstandes. Mag er vorher den Grund verschwiegen haben, was das Krankheitsbild anging, hat Francis jedenfalls nicht gelogen, und seine fachkundige Ansicht ist nach wie vor, dass die Betroffenen for all intents and purposes tot sind, ohne Hoffnung auf Heilung, Besserung oder auch nur Aufrechterhaltung des status quo. Um eine Panik unter der Bevölkerung zu verbreiten, wurden die Betroffenen isoliert und beobachtet, und nun, wo Francis zugeben muss, mit seinem Ärztelatein komplett am Ende zu sein, nun, da ziemt es sich, die Beweise zu vernichten und die Spuren zu verwischen. Und darum, so der fromme Wunsch des Medizinmanns, soll Robert sich jetzt nicht so haben und ihn Elysabeth erlösen lassen.

Wie nicht anders zu erwarten ist Robert nicht für eine vernünftige Argumentation empfänglich und eilt der stur vor sich hin stiefelnden Elysabeth nach, auch wenn das Objekt seiner Begierde ihn nach wie vor völlig ignoriert. Francis glaubt, keine Wahl zu haben – wenn Robert nicht Teil der Lösung sein will, ist er zwangsläufig Teil des Problems und damit ebenfalls zu beseitigen. Sichtlich nicht guten Gewissens drückt Francis ab und verpasst Robert einen Kopfschuss. Doch der tötet den jungen Mann nicht – alles, was Francis erreicht, ist, das Robert nun ebenso geistlos ist wie Elysabeth. Vorsichtig streckt der lebende Tote, der gerade noch Robert war, seine Hand in Richtung Elysabeth aus und zögernd ergreift diese sie… Hand und Hand gehen Elysabeth und Robert ins Nichts…


Inhalt

Beim Namen Jean Rollin haben wohl die Meisten (also zumindest diejenigen, die mit dem Namen Jean Rollin an und für sich etwas anfangen können) an wunderschöne Frauen, die in durchscheinenden Nachthemden entrückten Blickes mit einem Kerzenleuchter Hand die Treppen eines gothischen Schlosses hinunterschreiten. Insofern ganz passend, dass NIGHT OF THE HUNTED mit dem Bild einer wunderschönen Frau, die in einem durchscheinenden Nachthemd entrückten Blickes, aber ohne Kerzenleuchter in der Hand, durch einen finsteren Wald flüchtet. Der Fan soll sich gleich wie daheim fühlen…

Okay, es ist also so – Rollin, der große Poet unter den europäischen Exploitationfilmer der 70er und 80er, wird meist auf seine „Sexvampir“-Filme reduziert. Das Thema durchdrang sein Werk fraglos durch alle Schaffensphasen und, sagen wir mal, „spirituell“ und emotional lag ihm dieses Sujet sicher ganz besonders am Herzen, aber er konnte auch anders. THE NIGHT OF THE HUNTED ist einerseits ein recht ungewöhnlicher Film für Rollin, passt aber andererseits doch ganz gut in seinen Kanon surrealer, metaphorischer und weniger auf stringente Handlungen denn auf Stimmungen, einprägsame Bilder und Atmosphäre ausgerichteter Werke.

Wer klar strukturierten Narrativ braucht, in dem sich Situationen zwingend logisch aufeinanderfolgend entwickeln, sitzt bei Rollin nun sowieso meistens im falschen Film. Rollin ist immer dann am besten, wenn er „dreamlike“ ist, Raum und Zeit Konzepte sind, die bestenfalls vage bleiben, und die Charaktere ebenso wenig wie der Zuschauer wissen oder verstehen, was mit ihnen geschieht – das Paradebeispiel dafür ist sein Meisterstück DIE EISERNE ROSE. NIGHT OF THE HUNTED ist ein mindestens mal interessanter und auch weitgehend gelungener Versuch, diese Qualitäten in ein kontemporäres Setting zu übertragen. Auch wenn Rollin selbst mit dem Film überhaupt nicht zufrieden war und in späteren Interviews kund gab, dass es der einzige seiner Filme wäre, von dem er gerne ein Remake drehen würde, ist der Streifen wenigstens 60-70 Minuten lang ein famoses surreales Mysterium.

Das große Manko des Films ist Rollins Wille, tatsächlich Erklärungen anzubieten – für einen Film, der bis dorthin seine Stärken gerade daraus bezog, dass er eben Dinge einfach nur geschehen ließ, ohne sie narrativ oder logisch einzuordnen, und sich deshalb für vielfältige Interpretationsmöglichkeiten öffnete, kann das ein Todesurteil sein. Rollin ist clever genug, um im letzten Akt auch formal seiner Erklärung zu folgen und einen gewissen stilistischen Bruch in Kauf zu nehmen, um die Ratio in seiner „(Alp-)Traumwelt“ unterbringen zu können, aber trotzdem beraubt sich der Film dadurch einer gewissen Durchschlagskraft.

Natürlich entspricht die Erklärung, die Rollin letztlich offeriert, präzise dem Zeitgeist des Jahres 1980. Umweltthemen und die Anti-Atomkraft-Bewegung drängten an die Öffentlichkeit, und es ist auch nicht das erste Mal, dass Rollin sich in dieser Richtung äußert – schon in LES RAISINS DE LA MORT (1978, hierzulande bekannt unter den wunderschönen Titel FOLTERMÜHLE DER GEFANGENEN FRAUEN oder ZOMBIS – GESCHÄNDETE FRAUEN) war ein Umwelt-Unfall Auslöser des ganzen horriblen Schabernacks. Die mysteriöse Hirnkrankheit, die durch Radioaktivität ausgelöst wird, wirkt aber, gerade im bis dahin gesetzten Kontext, aufgesetzt und wenig glaubwürdig – und speziell für deutsches Publikum mögen durch die Euthanasie-/Verbrennungs-Geschichte Holocaust-Anklänge geweckt werden, die womöglich überhaupt nicht gewollt oder antizipiert sind.

Wie gesagt – ich bin nicht der größte Fan des Erklärbär-Syndroms, speziell in Filmen, die sich zwei Akte lang den Anstrich geben, dass Erklärungen ihre Sache nicht seien (David Lynch hat ja bei TWIN PEAKS auch nichts „erklärt“), und dann natürlich vor allem auch in Fällen, die dem Zuschauer durchaus Möglichkeiten bieten, sich selbst einen Reim auf das Gezeigte zu machen. Und zwei Akte lang funktioniert THE NIGHT OF THE HUNTED wirklich großartig als symbolisch-surreales Metapher-Kino. Will man den Film als eine Studie über psychische Krankheit, insbesondere Demenz sehen? Gibt er her – eines der speziell für Angehörige extrem belastenden Symptome von Alzheimer ist, dass man mit einem Betroffenen im fortgeschrittenen Stadium nicht mehr kommunizieren kann (es ist eine der anrührendsten Szenen des Films, als Catherine einer der anderen Patientinnen eine Erinnerung an ihre vermisste Tochter erfindet). Und diese Unfähigkeit der Kommunikation, das Vergessen elementarer menschlicher Fähigkeiten, der verzweifelte Versuch, für sich selbst einen Narrativ zu finden, sich seiner Identität bewusst zu bleiben, macht ja einen Löwenanteil des Films aus. Was ist, wenn als letzte Konstante, über die überhaupt noch eine Art zwischenmenschliche Kommunikation möglich ist, die Sexualität bleibt (eine Frage, die auch heute durchaus Relevanz hat, denkt man an die Diskussionen darüber, ob auch geistig Behinderte ein „Recht“ auf Sexualität haben)?

Oder will man es noch abstrakter sehen und den ganzen Film als Metapher für urbane Anonymität betrachten? Auch das ist eine valide Interpretation – der Tower als auf einen Mikrokosmos reduzierte Metropole, in der niemand seine Nachbarn kennt, in der keine Kommunikation (das A und O in diesem Film) mehr stattfindet, die Gleichförmigkeit des abstumpfenden Alltags die Indivdualität auslöscht.

Dass Rollin die frei interpretierbare Allegorie zugunsten einer konkreten, pseudo-rationalen Erklärung, aufgibt, mag man zugunsten der besseren Zugänglichkeit für ein breites Publikum (das aber wahrscheinlich nicht so lange durchhält) akzeptieren, man darf aber trotzdem ein kleines bisschen enttäuscht sein…

Große Budgets hatte Rollin nie, aber immer ein sehr gutes Händchen dafür, seine mit Kleingeld aus der Portokasse gedrehten Streifen erheblich besser und besser finanziert aussehen zu lassen als sie waren. Das gelingt ihm auch hier – ich weiß nicht, mit welchen fiesen Tricks er es hinbekommen hat, in einem der damals hypermodernen Türme von La Defense filmen zu dürfen, aber er nutzt sowohl die Außenansichten als auch die Innenarchitektur erstklassig, macht aus dem schwarzen Turm so etwas wie einen dystopischen Mikrokosmos im THX-1138-Stil. Man mag dort keine Uniformen und Codes tragen, ist aber genauso entfremdet und willenlos gefangen in einem zweckmäßigen, entindividualisierten Umfeld. Und natürlich schindet auch die Location des Rangierbahnhofs, des alten Salonwaggons und des Verbrennungsofens im dritten Akt durchaus Eindruck, wie auch die überwachsene, scheinbar ins Nichts führende Brücke der Klimax.

Verständlicherweise entspricht der Film – schon allein dem Szenario und der Location angemessen – nicht dem poetisch-lyrischen Stil seiner Sexvampirfilme oder der EISERNEN ROSE, trotzdem weiß die Kameraarbeit zu überzeugen und, nun, wenn der letzte Shot nicht voller sanfter Poesie ist, dann weiß ich auch nicht. Zwei Akte lang regiert, natürlich bestimmt durch die Dialogie und die Schwierigkeit, Unfähigkeit der Charaktere zu echter Kommunikation, eine unbehagliche, schwermütige Atmosphäre, in der der „Narrativ“ nur durch die gelegentliche Blicke zu Dr. Francis, der mehr oder minder sinnvoll kommentiert, „vorangetrieben wird“, erst im letzten Akt, mit dem Perspektivwechsel von „intern“ (Elysabeth) zu „extern“ (beobachtende Kamera), mithin also auch nach der zumindest ansatzweisen Erklärung der Vorgänge, nimmt auch der Film stilistisch und strukturell die Kurve von der Surrealität zum klaren, nachvollziehbaren Narrativ.

Rollin war nicht wirklich jemand, dem an Gore und Splatter gelegen war. Seine in der Hinsicht exaltiertesten Filme, LES RAISINS DE LA MORT und THE LIVING DEAD GIRL (auch bekannt als LADY DRACULA), sind nicht von ungefähr Filme, in denen er auf Geheiß der Produzenten aus kommerziellen Erwägungen blutige und brutale Effekte einbaute – da der Horrorfilmkonsument manchmal eben doch auch ein Depp ist, gab der kommerzielle Erfolg den Produzenten dann auch völlig recht, es wurden Rollins erfolgreichste Filme. THE NIGHT OF THE HUNTED ist denn auch kein „Horrorfilm“ im Wortsinne – es gibt zwei blutige Effekte (den Nachhall des Scherenselbstmords von Catherine und den eingeschlagenen Schädel von Glatzo), aber es ist beinahe so, das schon diese beiden sudeligeren Einlagen die Atmosphäre stören, deplatziert wirken. Nackte Tatsachen fügen sich dagegen – wie oben geschildert – durchaus harmonisch ins Bild ein (auch wenn man Roberts Liebesszene mit Elysabeth aus dem ersten Akt aus ethisch-moralischen Gründen schon für bedenklich halten kann).

Brigitte Lahaie, hauptberufliche Pornodarstellerin, war von Rollin 1978 für LES RAISINS DE LA MORT fürs „seriöse“ Fach entdeckt worden. La Lahaie dankt es ihm und zeigt hier in einer Rolle, die gewiss nicht einfach zu spielen ist, eine wirklich starke Leistung – einerseits muss sie die „kindliche Unschuld“ der totalen geistigen Leere spielen, aber auf der anderen Seite auch auf ihren Fluchtwillen fokussieren, ein Spagat, der ihr wirklich gut gelingt (und natürlich schadet es auch nicht, dass wir ihren Körper ausführlich begutachten können). Lahaie ist deutlich mehr als ein Satz Geschlechtsmerkmale und Körperöffnungen und obschon sie in der Folge aus dem Hardcore-Fach weitgehend aussteigen konnte, für Jess Franco arbeitete (sofern man das als Fortschritt sehen will) und sich sogar als Action-Heroine (DIE VOLLSTRECKERIN) versuchen dufte, niemand setzte sie so gekonnt ein wie Rollin.

Auch Dominique Journet und Catherine Greiner bewältigen ihre Aufgaben als „Zombies“ bemerkenswert gut. Diejenigen, die im Vollbesitz ihrer geistigen Kapazitäten sind bzw. das zu spielen haben, fallen dagegen ab. Vincent Gardère ist nicht gerade besonders eindrucksvoll, aber für einen Acting-Amateur adäquat, und Bernard Papineau, obwohl ein Routinier, spielt mir den Dr. Francis etwas zu steif, zu eindimensional. Natürlich passt es einigermaßen zum Charakter, dass er a) undurchschaubar wirken soll und b) hinsichtlich seiner Patienten gefühllos bleibt, aber er wirkt oft genug wie jemand, der einfach nur Zeilen aufsagt, ohne sich über seine Motivation, den Charakter, den er spielt, wirklich Gedanken zu machen.

Die diversen Nebendarsteller, die die Patienten spielen, bekommen das gut hin, es handelt sich überwiegend um Laiendarsteller oder Leute, die Rollin bei seinen wirtschaftlich bedingten Ausflügen ins Porno-Biz kennengelernt hatte.

Während THE NIGHT OF THE HUNTED in Deutschland (wie wohl auch sonst nirgendwo außerhalb des frankophonen Sprachraums) nie gelaufen ist und auch einer Heimkinoveröffentlichung noch harrt, haben die Briten sogar eine hübsche Blu-Ray von Black House/Screenbound spendiert bekommen. Elendes Inselvolk… die Bildqualität (1.85:1) ist nicht spektakulär gut, aber man muss froh sein, bei einem nun wirklich totalen Nischentitel überhaupt eine ansehbare Fassung vorgesetzt zu bekommen. Eine Synchronfassung hat niemand anfertigen lassen, wir bekommen französischen O-Ton mit englischen Untertiteln und haben da gefälligst gut zu finden. Ich hab damit auch kein Problem. Bonusmaterial ist Mangelware, der Film ist halt auch im Rollin-Kanon ein ziemlich unter dem Radar durchfliegender Outsider, und da auch der Maestro selbst nicht mehr für erhellende Kommentare zur Verfügung steht, müssen wir nehmen, was wir kriegen. Black-House-Scheiben sind dafür auch nicht so arg teuer.

THE NIGHT OF THE HUNTED hat für mich den leichten Makel des “Erklärungszwangs”, der die beklemmende surreale Atmosphäre der ersten zwei Akte und die im positive Sinn undurchschaubaren Vorgänge ein bisschen entwertet. Das muss nicht jeder so sehen, und, wie gesagt, Rollin bekommt einen ziemlich gekonnten Turn hin, den Film dann auch stilistisch in eine andere, konventionellere Richtung zu drehen, insofern hält sich der „Schaden“ in Grenzen, auch wenn mir der Film mit dem konsequenten Durchhalten einer surrealen, traumartigen Schiene noch einen Tacken besser gefallen hätte. Dennoch – entgegen Rollins eigener Ansicht ist der Film ein würdiger Bestandteil seines Schaffens (der Künstler selbst ist halt doch oft sein schärfster und unfairster Kritiker) und sollte generell von jedem Freund des etwas anderen Genrekinos goutiert werden.

© 2020 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 3

BIER-Skala: 6


mm
Subscribe
Benachrichtige mich zu:
guest
2 Comments
älteste
neuste beste Bewertung
Inline Feedbacks
View all comments
boogiepop
boogiepop
25. Februar 2020 11:40

Der Film wurde unter dem Titel „Nacht der Gejagten“ im November 2019 von Donaufilm hierzulande veröffentlicht. Ist ein Mediabook mit Blu-Ray + DVD und offenbar sogar mit Extras.

Dr. Acula
Dr. Acula
25. Februar 2020 17:52
Reply to  boogiepop

Klar, grad wenn ich mir das Ding im Ausland besorgt habe 😛