The Night Flier

 
  • Deutscher Titel: The Night Flier
  • Original-Titel: The Night Flier
  •  
  • Regie: Mark Pavia
  • Land: USA
  • Jahr: 1997
  • Darsteller:

    Miguel Ferrer (Richard Dees), Julia Entwisle (Katherine Blair), Dan Monahan (Merton Morrison), Michael H. Moss (Dwight Renfield), John Bennes (Ezra Hannon), Beverly Skinner (Selida McCannon), Rob WIlds (Buck Kendall), Richard K. Olsen (Claire Bowie), Elizabeth McCormick (Ellen Sarch), Ashton Stewart (Nate Wilson), William Neely (Ray Sarch)


Vorwort

Eine mysteriöse schwarze Cessna Skymaster landet auf einem Hinterwald-Flugfeld in Neuengland. Da der Pilot seine Maschine entgegen der Anweisung von Flugfeldchef Buck Kendall (Rob Wilds, DEATH ROW – NACHRICHT AUS DER TODESZELLE, DEMON SIGHT) sein Gefährt nicht von der Landebahn subtrahiert, wie es der Piloten gute Sitte ist, sieht er sich genötigt, dem nächtlichen Besucher persönlich auf den Zahn zu fühlen. Keine gute Idee, denn Buck entdeckt nicht nur, dass die Fenster des Flugzeuges mit schwarzen Vorhängen abgehängt sind und sich am Heck der Maschine Blutspuren befinden, nein, er lernt auch den Piloten himself kennen, und der hat Buck sprichwörtlich zum Fressen gern…

Wir schalten um zu „Inside View“, einem Supermarkt-Tabloid der, naja, leicht gehobenen Kategorie. Im Vergleich zur Konkkurrenz von „National Enquirer“ und „Weekly World News“ erfindet man bei „Inside View“ die Geschichten nicht gleich selbst, ist aber gerne bereit, jede „ich wurde von Aliens rektal sondiert“-Story eines besoffenen Hinterwäldlers als bare Münze zu verkaufen. Chef- und Starreporter des Magazins ist Richard Dees (Miguel Ferrer, THE HARVEST, DEEP STAR SIX, HOT SHOTS PART DEUX), der aber nach allgemeinem Dafürhalten nicht mehr der ist, der er mal war. Früher auf die Titelgeschichte abonniert, werden seine Storys jetzt schamhaft im Innenteil versteckt, und nicht mal mehr seine reißerischen Fotos werden dazu abgedruckt. Auch sein Chefredakteur Merton Morrison (Dan Monahan, PORKY’S nebst Sequels, DAS TURBOGEILE GUMMIBOOT) ist der Meinung, Richard hätte seinen Biss verloren. Ob er deswegen gerade eine neue Jungreporterin eingestellt hat? Katherine Blair (Julie Entwisle, IN & OUT – ROSA WIE DIE LIEBE) ist jedenfalls voll motiviert, auch wenn Richard nichts von ihr hält. Jungreporter kommen und gehen, da lohnt es sich nicht, sich die Namen zu merken- weswegen Richard sie auch im Filmverlauf konsequent „Jimmy“ (nach Superman’s Best Pal Jimmy Olson) nennen wird. Merton hätte eine neue Geschichte für Richard – ein fliegender Serienkiller in einer schwarzen Cessna, der sich über neuenglische Provinzflugäcker meuchelt. Exakt der Stoff für den Starreporter auf der Suche nach einer knackigen Comeback-Geschichte, erst recht, wo Richard doch selbst Sportflieger ist und eine eigene Beechcraft besitzt. Dick ist herzlich uninteressiert – seiner fachkundigen Expertise nach sind über den Killer schon viel zu viele Details bekannt, der Typ seiner Maschine, sogar seine Zulassungsnummer und der Name, unter dem er auf den Flugplätzen eincheckt, „Dwight Renfield“ (der Mann hat Humor). Die Polizei wird ihn vermutlich schon bei seiner nächsten Landung schnappen. Nein, da kümmert er sich doch lieber um seine Story einer AIDS-kranken Hollywoodschnepfe, die demnächst das Zeitliche segnen wird. Dann geht die Geschichte eben an Katherine…

Richard versucht sich am Abend in einer Bar zu besaufen, wird aber von Katherine gestört, die den routinierten Veteranen gerne als Mentor für ihre eigene Karriere gewinnen möchte. Damit kann sie Richard aber getrost nachts bei Mondenschein begegnen, denn er ist sicher, entweder wird Katherine in Kürze von selbst das Handtuch werfen oder sich so ungesund in den Job vertiefen, dass sie endet wie ihre Vorgängerin Dottie Walsh (Kristen Leigh) – die ging eines Abends in der heimischen Wanne baden, aber mit einer Plastiktüte um die Rübe. Und Richard war der Unglückliche, der sie fand (und erst mal ein paar Fotos machte) – tolle Schlagzeile, immerhin. Der einzige Rat, den er ihr aus freien Stücken zu geben bereit ist, ist sein generelles Arbeitsmotto: Glaube nie, was du veröffentlichst und veröffentliche nie, was du glaubst. Katherine sucht angewidert das Weite.

In der Nacht schlägt der mysteriöse Killer wieder zu und tötet Ray Sarch (William Neely, ICH WEISS, WAS DU LETZTEN SOMMER GETAN HAST) in seiner Flugaufsichts- und Wohnbaracke, während Rays verblühtes Eheweib Ellen (Elizabeth McCormick) sich mit verträumten Blick auf dem Ehebett drapiert…

Auch Richard bleibt der neue Moppel-, äh, Doppelmord nicht verborgen, und da der Killer erneut unerkannt in die Lüfte entkommen ist, kümmt ihm langsam der Verdacht, an der Story könnte doch mehr Fleisch dran sein als zunächst vermutet. Merton ist über den Sinneswandel seines Nr.1-Reporters entzückt. So schnell wie Katherine die Story gestern geerbt hat, ist sie sie jetzt wieder los. Das macht sie nicht unbedingt zum Ehrenmitglied im Richard-Dees-ist-der-Größte-Fanclub.

Richard plant, den Killer vom Ort seines ersten bekannten Auftretens an zu verfolgen. Also sattelt er sein Flughuhn und gondelt zu dem Provinzflugfeld, auf dem der Killer Claire Bowie (Richard K. Olsen, RADIOLAND MURDERS, SCHRECKEN AUS DEM JENSEITS, DIE VÖGEL II – DIE RÜCKKEHR) filettiert hat. Dort läuft ihm glücklicherweise der alte und recht redselige Mechaniker Ezra Hannon (John Bennes, IMMER ÄRGER MIT BERNIE, KINDER DES ZORNS II, B.I.E.R.) über den Weg, der gern über die unheimlichen Vorfälle, die zu Claires Tod führten, berichtet. Renfield, der unheimliche Pilot (Michael H. Moss, ROBOCOP 3, PASSAGIER 57), landete, wie Ezra berichtet, schon in der Nacht vor dem Mord hier und kam Ezra gleich unheimlich vor – wie viele Sportflieger tragen schon einen schwarzen Anzug mit riesigem Cape, das seinen Träger aussehen lässt, als hätte er Fledermausflügel? Also, abgesehen von Batman eben. Am nächsten Tag war Claire wie verändert – obwohl das bislang nicht zum hier angebotenen Service gehörte, wäscht er Renfields Maschine mit der Hand und nennt den Besitzer der schwarzen Maschine etwas ramdöselig einen „netten Kerl“. Tja, und als Ezra tags darauf zu seiner Frühsicht antrat, da war Claire tot – mit einer förmlich mit roher Gewalt rausgerissenen Kehle („die Kehle durchgeschnitten“ wie Ezra es ausdrückt, wird der Sache und ihrer Gorigkeit nicht wirklich gerecht). Und etwas merkwürdiges hat Ezra auch noch auf Lager – unter der Maschine hat er einen Haufen maden- und wurmumwuselten Dreck erspäht, „als ob da etwas gestorben wäre“. Creepy, ain’t it? Richard schießt noch ein Foto von Ezra und bricht dann bei Nacht in den Friedhof ein, um Claires Grab abzulichten. Es sieht aber irgendwie nicht unheimlich genug aus, also tauscht Richard die frischen Blumen noch durch verwelkte vom Nachbargrab aus, schneidet sich selbst in den Finger, um den Grabstein mit Blut zu besudeln und reißt ihn dann noch halb um. Das gibt spektakuläre Fotos, aber nicht die Billigung des langhaarigen Hippie-Friedhofswärters, der droht, Richard gerne gleich neben Claire zu verbuddeln. Richard hat kein Gewissen von dem er wüsste, also bleibt diese Drohung einigermaßen unbeachtet.

Dennoch muss Richard wohl zugeben, dass ihm die Sache näher geht als er will. Er albträumt von einem Vampir, der in sein Motelzimmer eindringt und ihn eindringlich warnt, die Finger von der Sache zu lassen. Nur ein Traum, schnauft Richard, aber… wenn das nur ein Traum war, wer hat dann in Blut und in beinahe metergroßen Lettern „STAY AWAY“ ans Fenster gepinselt? Damit allerdings stachelt man höchstens Richards Ehrgeiz an.

Der nächste Stopp liegt bei Buck Kendalls Flugfeld, aber hier gibt es für Richard nicht viel herauszufinden. Der nächtliche Killer hat hier nur einen kurzen stop-kill-and-go-Aufenthalt eingelegt und weder Spuren noch Zeugen hinterlassen, so als ob das kein geplanter Mord, sondern ein spontaner Ein- oder Notfall gewesen sei. Also auf zum Flugfeld der Sarchs, wo Richard aber nicht mal landen kann, weil die Polizei den ganzen Flugplatz geschlossen und zur Crime Scene erklärt hat.

Indes ist Katherine immer noch etwas grummelig, aber Merton gibt ihr einen kleinen Hinweis. Bei „Inside View“ ist nichts in Stein gemeißelt, Konkurrenz unter den angestellten Reportern durchaus erwünscht und wenn Katherine die Vampir-Killer-Geschichte gern haben will… nun, dann muss sie sie sich einfach holen! Und noch einen Gratis-Tipp hat Merton umsonst for nothing auf Lager – Katherine mag ein Computerwizard sein, aber die wahren Geschichten, die findet man nicht am Computerbildschirm, sondern Draußen auf der Straße ™.

Richard findet zum Fall Sarch schon mehr Informationen – z.B. über das extrem seltsame Verhalten von Ellen Sarch, einer 62-jährigen alten Schachtel, die bis dahin die Gepflogenheiten eines Schweizer Uhrwerks, z.B. hinsichtlich Friseurterminen und der dort in Auftrag gegebenen Haarigkeiten aufwies, aber nach Renfields Landung sich wie ein verliebter Backfisch benahm, völlig außer der Reihe bei ihrer Kosmetikerin auftauchte und eine Haarfärbung in etwas jugendlich-frischeres beauftragte. Ray Sarch wurde dagegen vom Killer förmlich in Stücke gerissen, insbesondere der Kopf grinste die Polizisten aus einer ganz anderen Ecke des Raumes an, dieweil Ellen völlig friedlich, aber blutleer, im Bett lag. Das alles ist sehr sehr suspekt, aber, muss Richard sich eingestehen, auf der Suche nach Identität und nächstem Ziel des Killers nicht entscheidend weiter.

In einer Bar kommt es zu einem „near miss“ – Richard, der sich nur friedlich einen ansaufen will, bekommt eine Bloody Mary (what else) nebst nunmehr ultimativer Serviettenwarnung („STOP NOW!“) spendiert. Der großzügige Stifter des Drinks ist allerdings schnell wieder verschwunden – Richard kann nur der schwarzen Cessna wütend hinterherkucken…

Seine Laune hebt sich auch nicht, als er bemerkt, dass Katherine im gleichen Motel eingecheckt hat wie er und, ganz offensichtlich, auch an der Nachtflieger-Story arbeitet. Nach einem Schwung gegenseitigem Angekeife bietet Richard die Friedenspfeife an – es ist klar, dass weder er noch Katherine wirklich greifbare Hinweise haben und allein nicht weiterkommen. Wie wäre es also mit einer temporären Allianz und einem Co-Autoren-Credit auf der nächsten Titelseite? Katherine ist einverstanden. Allerdings hat auch der kombinierte Braintrust keine bessere Idee, als jeden Acker, der sich als Flugfeld ausgibt, anzurufen und sich nach einer etwaigen dort gelandeten schwarzen Cessna zu erkundigen. Eine frustrierende Übung, die keinerlei Ergebnis bringt. Da wirft Richard einen Blick auf Katherines Anrufliste – warum hat sie den Flugplatz Wilmington ausgelassen? Viel zu groß, bemerkt Kathy, passt nicht in des Nachtfliegers Schema. Versuch macht kluch, befindet Richard, ruft dort an und siehe da… die furchtlosen Reporter haben auf einmal ein konkretes Ziel. D.h. einer von ihnen, denn Richard stand natürlich nie der Sinn danach, die Geschichte tatsächlich mit Katherine zu teilen. Er schubst sie in einen Wandschrank und schwingt sich in seine Beechcraft.

Doch es sieht so aus, als käme Richard zu spät – als er in Wilmington landet, ist der Flugplatz nur noch ein einziges blutiges Bild des Grauens. Der Nachtflieger hat ein wahres Massaker angerichtet, das selbst dem hartgesottenen Reporter den Magen auf halb acht dreht…


Inhalt

Stephen King.

Ich glaube, das große Lebensdilemma des Mannes aus Maine ist es, dass er selbst gern als Great American Novelist ™ im Range eines John Steinbeck oder John Updike gesehen würde, diejenigen, die für solche Beurteilungen zuständig sind, King aber „nur“ als einen Horror-Genre-Autor betrachten (auch wenn die Unterscheidung zwischen U- und E-Literatur in den USA nicht mit dem religiösen Eifer betrieben wird wie hierzulande, wo sich ein Autor in der kritischen Betrachtung ja gleich gehackt legen kann, wenn sein Werk von mehr als fünf Leuten freiwillig gelesen wird, so wird sie doch gemacht), und, vor allem, seinen enormen Output missbilligend beäugen. Es scheint ja auch eine Maßgabe der seriösen literarischen Kritik zu sein, dass, je weniger ein Autor geschrieben hat, um so bedeutender sein Rang in der Literaturgeschichte sein muss (see: Salinger, J.D.) – würde z.B. auch die Musikkritik so vorgehen, wäre jedes One-Hit-Wonder vom Schlage Paper Lace musikhistorisch bedeutender als die Beatles.

Ich persönlich würde Kings Bewerbung für den G-A-N-Rang jederzeit unterschreiben. Es gibt keinen Autor, der die amerikanische Befindlichkeit ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit genauerem Kennerblick untersucht hat als King, und oft genug sind die übernatürlichen Komponenten seiner Werke als Metaphern auf elementare Stationen der US-amerikanischen Geschichte zu werten. Wenn es also jemand verdient hat, als großer Chronist der US-Gesellschaft in die Geschichtsbücher einzugehen, dann King (dass sich der größte Teil seines Ouevres auch noch gut lesen lässt, ist in der Hinsicht ein willkommener Bonus).

Wie viele Romane King auch geschrieben haben mag, für den Moloch Hollywood waren es trotzdem zu wenige, und so stürzte sich die gierige Produzentenschar schon seit Anfang der 80er auf das umfängliche Repertoire King’scher Kurzgeschichten. Ob diese Geschichten, oft genug nur surreale Fragmente (wie „Here There Be Tygers“ oder „Der Rasenmähermann“), kurze Vignetten ohne Substanz für eine abendfüllende Adaption oder ausgesprochen genre-fern und/oder introspektiv kaum zur Verfilmung geeignet, eine Umsetzung in Filmform hergaben, war diesen Raffzähnen meist egal – wir bekamen daher mehr oder weniger ansehbaren und/oder von der Vorlage wenig bis nichts übriglassenden Kram wie KINDER DES ZORNS, THE MANGLER oder THE LAWNMOWER MAN.

Wobei man natürlich zugeben muss, dass manche von Kings Short Storys sich besser eignen, verfilmt zu werden, als andere. „Children of the Corn“ bot sich zweifellos an, lässt sich aus dem Kult, um Ihn, der hinter den Reihen wandelt, eine Mythologie und eine echte Dramaturgie aufbauen (nicht unbedingt eine, die sieben Filme trägt, oder bei welcher Nummer sind wir mittlerweile?), und auch „The Night Flier“, ursprünglich in der Multi-Autoren-Anthologie „Prime Evil“ erschienen und später in „Nightmares & Dreamscapes“ wiederveröffentlicht, ist ein seriöser Kandidat für eine Ausarbeitung. Es ist eine Story, die tatsächlich einen Plot und einen greifbaren Protagonisten hat und die man relativ unkritisch ausbauen kann. Dafür zuständig fühlte sich Richard P. Rubinstein, George A. Romeros früherer Film- und Produktionspartner, der mit seiner Firma Laurel Entertainment u.a. CREEPSHOW, CREEPSHOW 2 und TALES FROM THE DARKSIDE produzierte und auch in den Verfilmungen von FRIEDHOF DER KUSCHELTIERE, THE STAND, THINNER und THE LANGOLIERS seine produzierenden Hände im Spiel hatte. Im Vergleich zu diesen Filmen war THE NIGHT FLIER, von Rubinstein mit Mitchell Galin unabhängig unter dem Banner „New Amsterdam Films“ independent finanziert und von New Line Cinema vertrieben, schon eine deutlich kleinere Angelegenheit. Der Film feierte seine US-Premiere (nachdem er schon einige internationale Märkte beackert hatte) dann auch auf dem Bezahlsender HBO, bevor er drei Monate später, Anfang 1998, noch auf eine kleine Kino-Tour geschickt wurde, wo er dann gerade 125.000 Dollar einspielte. Aber freilich refinanzierten sich Filme wie dieser primär auf dem Heimvideosektor.

Als Regisseur wurde der unerfahrene Mark Pavia verpflichtet, der mit seinem 1993 entstandenen Kurzfilm DRAG bei keinem geringeren als Stephen King selbst Begeisterungsstürme entfacht hatte („the best short horror film I’ve seen in twenty years“, wird King auf dem Poster zitiert. Andererseits… mit Büchern und Filmen, die Lobeshymnen von King erhalten haben, kann man ganze Sportstadien füllen). Pavia verfasste mit seinem Partner Jack O’Donnell, der in DRAG eine Hauptrolle gespielt hatte, das Script und hielt sich dabei, rather ungewöhnlich für eine King-Verfilmung geringeren Zuschnitts, sehr dicht an die Vorlage. Die wesentlichen Änderungen sind der Einbau des Katherine-Blair-Charakters (böse Zungen könnten behaupten, Pavia hatte damit nur seiner Ehefrau einen Part zuschanzen wollen, denn tatsächlich ist er mit Julie Entwisle verheiratet) und das Ende, dass in der King-Story einigermaßen ambivalent gestaltet war und hier erheblich, eh, finaler gestaltet wird (nicht ohne die Tür für ein ursprünglich auch angedachtes Sequel offen zu halten).

Einen echten anerkennenden Händedruck verdienen sich Pavia und O’Donnell dafür, dass sie den Charakter von Richard Dees (ursprünglich eine einigermaßen unbedeutende Nebenfigur in THE DEAD ZONE, wir wissen ja alle, wie gern King seine Geschichten verschachtelt und verzahnt; in „Nightmares & Dreamscapes“ deutete er auch an, dass „The Night Flier“ und „Popsy“ zusammengehören) so beibehalten haben, wie King ihn schrob – ein schroffer, unleidlicher Miesepeter, der genau den Job hat, den er verdient, skrupellos in der Ausübung seiner Arbeit, nicht interessiert an der Wahrheit (was eigentlich der Sinn der Reportertätigkeit wäre), sondern nur an einer möglichst spektakulären, reißerischen Story und dem damit einhergehenden Ruhm (und wie gering Dees‘ selbstsüchtige Ansprüche an das Thema „Ruhm“ sind, lässt sich schon daran fest machen, wie stolz er auf seine Titelseiten bei „Inside View“ – übrigens auch eine vielfach in Kings Ouevre erwähnte Zeitschrift, und als launiger in-joke beziehen sich alle im Film gezeigten Titelstorys auf King-Geschichten – ist; etwas, was kein „normaler“ Mensch mit funktionierendem Moralkompass und/oder Gewissen wäre oder auch nur sein könnte). Aber Dees, einer von der Sorte, der glaubt, alles gesehen zu haben, schon allein, weil er es notfalls selbst so arrangiert hat, wird von der Geschichte des Nachtfliegers, den er zunächst als einen handelsüblichen Psychopathen, der sich nur selbst für einen Vampir hält, identifiziert zu haben glaubt, überfordert, die Jagd nach dem Killer wird zu einer Art „battle of wits“ zwischen Reporter und Mörder, und vielleicht zum ersten Mal wird eine Geschichte für Dees zu einer wirklich persönlichen Angelegenheit (es wird letztendlich seine Hybris sein, die seinen Untergang befeuert, sein echter, ehrlicher Glaube, der Vampir schulde es ihm quasi unter pares, sich ihm zu offenbaren).

Es ist eine selbst für Stephen King finstere Geschichte, ohne Lichtblicke der Hoffnung und des Friedens, und sie kulminiert in der Konfrontation von Reporter und Vampir – in der Letzterer Dees als eine quasi verwandete Seele sieht. Wie der Vampir lebt Dees vom Blut, nicht wortwörtlich, wie es Dwight Renfield tut, sondern metaphorisch mit seiner Arbeit; es mag nicht die alleroriginellste Allegorie sein, die King hier auspackt und Pavia verdeutlicht, aber sie ist valide und treffend. Dees nutzt alles und jeden aus, um sein Leben am Gipfel der schundjournalistischen Nahrungskette zu erhalten, inklusive Katherine, die jedoch beweisen können wird, dass sie vom Besten gelernt hat…

Die Werktreue, die Pavia prinzipiell erst mal auszeichnet, bringt aber auch Nachteile mit sich – dadurch, dass Dees von den Vampirangriffen konsequent erst aus zweiter Hand erfährt, kann Pavia sie nicht elegant in die Handlung integrieren. Entweder wir bekommen sie als voice-over-narratierten Flashback serviert (was Mord Nr. 1 und 3+4 zum Teil angeht), als cold open (Mord Nr. 2) oder als einfach in die Story geschmissene Zwischenszene (Mord Nr. 3+4 zum anderen Teil), was die Erzählung insgesamt einigermaßen holprig werden lässt. Ich bin durchaus ein großer Freund des „Ermittlungsfilms“, aber Pavia fehlt – woher soll die Erfahrung aber auch kommen – ein wenig das Händchen für die „Parallelerzählung“; einerseits sollen wir „mit“ Dees die Geschichte der Morde enthüllen, andererseits will uns Pavia aber auch nicht die blutigen Details „wie sie geschehen“ vorenthalten, und dadurch verrutscht etwas die Einheitlichkeit der Erzählperspektive. Dabei hat Pavia aber durchaus ein Gespür für ordentlich unheimliche Atmosphäre, wie sich vor allem beim Finale im blutbesudelten Terminal von Wilmington zeigt, wo er dann auch fröhlich aus dem Zombie-Setzkasten von Meister Romero zitiert, wenn Dees in eine vom Vampir aus persönlichen Säuerlichkeitsgründen ausgelöste Halluzination der wiederauferstandenen und blutdürstigen Vampiropfer stolpert und mit einer schnell gefundenen Axt all Bruce Campbell unter den Zombievampiren wütet…

Einige vermeidbare Goofs stoßen mir zumindest einigermaßen auf – dass mal das Boom Mike im Bild hängt, okay, aber wenn Dees „sein“ Flugzeug landet und direkt auf die Kamera zufährt, sollten wir sicher nicht deutlich den schnauzbärtigen und behelmten „echten“ Piloten formatfüllend sehen, oder?

Der Streifen ist für einen Vampirfilm, der traditionell ja eher die feinere Klinge im Horrorgeschäft ficht, ausgesprochen rustikal. Unser Dwight Renfield ist kein Feinschmecker, er ist ein Gourmand, der seine Opfer zerfetzt, und mit KNB EFK hat die Produktion dafür durchaus die kompetenten Effektemacher am Start. Ein arger Schwachpunkt ist allerdings das völlig abseitige Monster-Design des Vampirs in voller Buhmann-Fratze, das hätte eher in FROM DUSK TILL DAWN gepasst, einem Film, der mit der Vampirtradition sowieso in jeglicher Hinsicht Schlitten fuhr, als in einen, der doch primär bemüht ist, klassische Vampirmythologie auf stil- und sinnvolle Weise in die Moderne zu überführen.

Aber jetzt komme ich endlich zum eigentlichen Höhepunkt von THE NIGHT FLIER. Miguel Ferrer. Ich mag (bzw. mochte, er ist ja leider vor einigen Jahren verstorben) den Kerl schon immer – wann immer ein Nebendarsteller gebraucht wurde, von dem man jederzeit glauben konnte, dass er auf dem haarscharfen Grat zwischen Normalität und Wahnsinn balanciert, war Ferrer eine sichere Bank. Leider konnte er nur selten in Hauptrollen unter Beweis stellen, was in ihm steckt, und wenn er die Chance einmal hatte, dann ergriff er sie mit beiden Händen und verbiss sich, ganz Vampir, darin. Das war so in THE HARVEST, das ist so in THE NIGHT FLIER. Es ist völlig unvorstellbar, einen anderen Darsteller in der Rolle des Richard Dees zu sehen. Ferrer „owned“ den Charakter nicht nur, er IST der Charakter. Die skrupellose Kaltherzigkeit, der unbedingte Wille, für den Erfolg auch über Leichen zu gehen, aber auch die sich einschleichenden Zweifel, die Entwicklung von der bloßen Jagd nach der Story hin zur praktisch biologischen Notwendigkeit für Dees, den Vampir zu finden und zu enttarnen, das alles verkörpert Ferrer zu 110 % und sichtlich ohne sich anzustrengen. Da ist kein Overacting, da ist keine verschwendete Geste, das ist präzise und auf den Punkt hin gespielt. In einer gerechten Welt würden sich Preisverleihungskommitees auch billige B-Filme ansehen (und THE NIGHT FLIER soll angeblich für 1 Mio. Dollar entstanden sein. Das kann ich kaum glauben) und danach Ferrer mit allen möglichen Schauspielpreisen zuschütten.

Natürlich kann da im Restensemble keiner mithalten – hat ja auch kaum jemand ernsthaft die Chance, denn THE NIGHT FLIER ist auch strukturell The Miguel Ferrer Show, außer Julie Entwisle hat da eh niemand mehr als maximal zwei Szenen, in denen er überhaupt vor kommt. Mrs Entwisle ist dabei leider sehr blass und unmemorabel; klar, die Rolle ist wenig dankbar, aber man sollte dann wenigstens die wenigen Szenen, die man hat, mit mehr Feuer, mehr Leidenschaft spielen, wenn man – in character – jemand ist, der Richard Dees Konkurrenz machen will. Dan Monahan ist in seinen zweieinhalb Szenen als Chefredakteur okay, aber für den einstigen Pee Wee aus allen drei PORKY’s-Filmen ist an der Rolle freilich auch wenig Fleisch. Von den Nebendarstellern ist John Bennes als erzählfreudiger Ezra Hannon ganz passabel, der Rest ist ganz allein schon von der wenig substanziellen Zeit, die sie zu sehen sind, nicht der Rede wert (was leider auch für den Vampir-Darsteller Michael H. Moss gilt, der kaum ohne sein Monster-Make-up zu sehen ist).

THE NIGHT FLIER ist leider über die Jahre ziemlich untergegangen. Eine aktuellere DVD als die ziemlich nacktknochige Highlight-Scheibe von anno dunnemals, den den Film dann auch noch in beschnittenem 4:3-Letterbox anstelle des intendierten 1.85:1-Widescreens zeigt, ist nicht zu haben. Bild- und Tonqualität sind durchschnittlich.

THE NIGHT FLIER ist sicherlich kein perfekter Film – dafür laboriert der Streifen an einer etwas unglücklichen Erzählstruktur, die ausnahmsweise mal tatsächlich der an und für sich löblichen Werktreue geschuldet ist, aber es ist sicherlich einer der besseren Filme nach King-Kurzgeschichten („Graveyard Shift“ oder das ganze mysteriöse „Manchmal kommen sie wieder“-Franchise frisst der jedenfalls ungewürzt zum zweiten Frühstück). Und vor allem ist es ein Denkmal für und Testament an das, was Miguel Ferrer zu leisten imstande war, wenn er wirklich die Möglichkeit hatte, einen Film als Hauptdarsteller völlig an sich zu reißen. Allein dafür schon verdient sich THE NIGHT FLIER seine sieben Biere in der Wertung!

© 2019 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 6

BIER-Skala: 7


mm
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Hubert Farnsworth
Hubert Farnsworth
1. Oktober 2019 8:49

Kinder des Zorns hat in der offiziellen Reihe mittlerweile 9 Filme

CHILDREN OF THE CORN
CHILDREN OF THE CORN II – THE FINAL SACRIFICE (aka DEADLY HARVEST)
CHILDREN OF THE CORN III – URBAN HARVEST
CHILDREN OF THE CORN – THE GATHERING
CHILDREN OF THE CORN V – FIELDS OF TERROR
CHILDREN OF THE CORN 666 – ISAAC’S RETURN
CHILDREN OF THE CORN – REVELATION
CHILDREN OF THE CORN – GENESIS
CHILDREN OF THE CORN – RUNAWAY

Zählt man das Remake von 2009 mit, sind es 10.

Alles ab einschließlich Teil 4 kann man imo komplett vergessen. GENESIS tut regelrecht weh. RUNAWAY hab ich bisher noch nicht gesehen.